OLG Düsseldorf, Beschluss vom 29.10.2002 - 20 W 36/02
Fundstelle
openJur 2011, 19292
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • vorher: Az. 34 O 30/02 Q
Tenor

I. Die sofortige Beschwerde der Schuldnerin gegen den am 27. März 2002 verkündeten Beschluss der 4. Kammer für Handelssachen des Land-gerichts Düsseldorf wird zurückgewiesen. II. Die Schuldnerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen. III. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen. IV. Der Wert des Beschwerdeverfahrens beträgt 200.000,-- EUR.

Gründe

I.

Die Schuldnerin ist ein bekanntes deutsches Textileinzelhandelsunternehmen, das in bundesweit 184 Warenhäusern hauptsächlich Bekleidungswaren vertreibt. Am 2. Januar 2002 warb sie bundesweit in großformatigen Zeitungsanzeigen für einen "C & A Euro-Service", welcher die Gewährung eines Rabattes von 20% in der Zeit vom 2. bis 5. Januar 2002 bei Zahlung mit EC- oder Kreditkarte zum Gegenstand hatte. Wegen dieser Werbung erwirkte der Gläubiger am 2. Januar 2001 beim Landgericht eine einstweilige Verfügung (12 O 2/02 = 34 O 13/02), die der Schuldnerin am 3. Januar 2002 zugestellt wurde. Auf einen von dritter Seite gestellten Verfügungsantrag erließ das Landgericht am 3. Januar 2002 eine weitere Beschlussverfügung (12 O 4/02 = 34 O 14/02), die der Schuldnerin ebenfalls 3. Januar 2002 zugestellt wurde. Als Reaktion auf die einstweiligen Verfügungen beschloss die Schuldnerin, an den nächsten beiden Tagen, also am 4. und 5. Januar 2002, eine generelle Preisreduzierung von 20% - unabhängig von der Bezahlungsart - für alle Kunden zu gewähren. Wegen dieser abgeänderten Aktion erwirkte der Gläubiger am 4. Januar 2002 eine weitere einstweilige Verfügung (12 O 6/02 = 34 O 30/02), mit der "C & A Mode, ges. vertreten durch den Geschäftsführer, B., D." unter Androhung von Ordnungsgeld bis zu 250.000,-- EUR, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, und Ordnungshaft bis zu 6 Monaten untersagt wurde,

 

 

 

im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken anzukündigen, dass auf alle Einkäufe 20 % Rabatt gegeben werden, wenn dies innerhalb eines Zeitraums erfolgt, bezüglich dessen zuvor angekündigt wurde, dass bei Zahlung mit Kredit- oder EC-Karte 20 % Rabatt gewährt würden

 

und/oder

 

einen so angekündigten Verkauf durchzuführen.

Diese einstweilige Verfügung wurde der Schuldnerin am 4. Januar 2002 um 15.44 Uhr in ihrer Düsseldorfer Filiale zugestellt. Gleichwohl setzte sie ihre Verkaufsaktion hiernach im weiteren Verlauf des 4. Januars sowie am 5. Januar 2002 weiter fort. Der Gläubiger hat deshalb - nachdem er zuvor bereits im Verfahren 34 0 13/02 zwei Ordnungsmittelanträge wegen angeblicher Verstöße gegen die erste einstweilige Verfügung vom 2. Januar 2002 gestellt hatte - am 9. Januar 2002 im vorliegenden Verfahren den Antrag gestellt, gemäß § 890 ZPO ein Ordnungsgeld gegen die Schuldnerin zu verhängen. Die Schuldnerin hat dem widersprochen; gleichzeitig hat sie gegen die Beschlussverfügung vom 4. Januar 2002 - wie auch gegen die beiden anderen einstweiligen Verfügungen - Widerspruch eingelegt. Durch Beschluss vom 27. März 2002 hat das Landgericht gegen die Schuldnerin wegen Verstoßes gegen die einstweilige Verfügung vom 4. Januar 2002 ein Ordnungsgeld in Höhe von 200.000,-- EUR festgesetzt. Gegen diese Entscheidung richtet sich die vorliegende Beschwerde der Schuldnerin. In dem zugrunde liegenden einstweiligen Verfügungsverfahren (34 O 30/02) haben die Parteien in dem vom Landgericht anberaumten Verhandlungstermin vom 8. Mai 2002 das Verfügungsverfahren übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt. Daraufhin hat das Landgericht der Schuldnerin durch Beschluss vom 5. Juni 2002 die Kosten des Verfügungsverfahrens auferlegt; diese Kostenendscheidung ist Gegenstand eines weiteren Beschwerdeverfahrens (20 W 47/02).

II.

Die sofortige Beschwerde der Schuldnerin ist statthaft (§ 793 ZPO) und auch im Übrigen zulässig (§§ 567, 569 ZPO). Sie hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.

Mit Recht hat das Landgericht in dem angefochtenen Beschluss gegen die Schuldnerin gemäß § 890 ZPO ein Ordnungsgeld in Höhe von 200.000,-- EUR festgesetzt. Die Verhängung eines solchen Ordnungsgeldes ist sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach gerechtfertigt.

Wie das Landgericht zutreffend festgestellt hat, hat die Schuldnerin der am 4. Januar 2002 erlassenen und ihr noch am selben Tage um 15.44 Uhr zugestellten einstweiligen Verfügung zuwider gehandelt, indem sie die ihr untersagte Verkaufsveranstaltung - wie geplant - bis zum 5. Januar 2002 fortgesetzt hat. Die einzelnen Voraussetzungen für die Verhängung eines Ordnungsgeldes liegen vor:

1.

Wie der beschließende Senat in seinem heute verkündeten Beschluss in der Sache 20 W 47/02 im Einzelnen ausgeführt hat, ist die einstweilige Verfügung vom 4. Januar 2002 der Schuldnerin innerhalb der Vollziehungsfrist zugestellt und durch die Zustellung an die Schuldnerin wirksam geworden. Insoweit wird zu Vermeidung von Wiederholungen auf die Ausführungen in dem vorbezeichneten Beschluss Bezug genommen.

Die Schuldnerin ist in der Beschlussverfügung auch hinreichend bezeichnet gewesen. Diesbezüglich wird ebenfalls auf die Ausführungen in dem im Verfahren 20 W 47/02 ergangenen Senatsbeschluss verwiesen; die dortigen Ausführungen hinsichtlich der Bezeichnung der Schuldnerin im Verfügungsantrag gelten hier entsprechend.

Ferner wies der Vollstreckungstitel die zu unterlassende Handlung inhaltlich bestimmt aus. Auch insoweit nimmt der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Erläuterungen zur Bestimmtheit des zugrundeliegenden Verfügungsantrages in seiner in der Sache 20 W 47/02 ergangenen Beschwerdeentscheidung vom heutigen Tage vollinhaltlich Bezug genommen.

2.

Der Schuldnerin ist das verhängte Ordnungsmittel in der Beschlussverfügung vom 4. Januar 2002 wirksam angedroht worden, § 890 Abs. 2 ZPO.

Die Ordnungsmittelandrohung muss den an die Bestimmtheit von Sanktionsandrohungen zu stellenden Anforderungen genügen. Hierzu muss sie die Ordnungsmittel der Art nach bezeichnen und auch deren Höhe angeben; ansonsten ist sie nicht genügend bestimmt (vgl. BGH, NJW 1995, 3177, 3178; Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 22. Auflage, Einl Rdnr. 579; Zöller/Stöber, ZPO, 22. Aufl., § 890 Rdnr. 12b). Entgegen der Auffassung der Schuldnerin entspricht die in der einstweiligen Verfügung vom 4. Januar 2002 enthaltene Ordnungsmittelandrohung diesen Anforderungen. Denn sie bezeichnet die Art der Ordnungsmittel und deren Höchstmaß ausdrücklich und zutreffend. Dass der Schuldnerin für jeden Fall der Zuwiderhandlung Ordnungsgeld bis zu 250.000,-- EUR "und" Ordnungshaft bis zu sechs Monaten angedroht worden sind, ist unschädlich. Zwar wird in der Literatur teilweise die Auffassung vertreten, die gesetzlichen Ordnungsmittel dürften - entgegen einer in der Rechtsprechung festzustellenden Praxis (vgl. OLG München, WRP 1977, 738, 739; WRP 1980, 356; OLG Karlsruhe WRP 1980, 344, 345) - nur alternativ angedroht werden, eine kumulative Verbindung (Ordnungsgeld und Ordnungshaft) mache die Androhung unzulässig und damit unwirksam (vgl. Melullis, Handbuch des Wettbewerbsprozesses, 3. Auflage, Rdnr. 939; Großkomm-Jestaedt, vor § 13 E Rdnr. 18; Pastor, Die Unterlassungsvollstreckung nach § 890 ZPO, 3. Auflage, Seite 43). Dem kann jedoch nicht beigetreten werden. Das Landgericht hat in dem angefochtenen Beschluss mit Recht darauf hingewiesen, dass § 890 Abs. 1 ZPO nur die Festsetzung der Ordnungsmittel regelt. Hiernach dürfen Ordnungsgeld und Ordnungshaft nur alternativ verhängt werden. Hiervon zu unterscheiden ist die Androhung der Ordnungsmittel; sie ist in § 890 Abs. 2 ZPO geregelt. Diese Vorschrift bestimmt nur, dass der Verurteilung eine "entsprechende Androhung" vorausgehen muss. Hieraus folgt allein, das beide Ordnungsmittel dem Schuldner konkret angedroht werden müssen, d. h. es müssen dem Schuldner als Ordnungsmittel sowohl Ordnungsgeld als auch Ordnungshaft angedroht werden. Genau das ist hier geschehen. Der Schuldnerin sind - sprachlich korrekt - für jeden Fall der Zuwiderhandlung Ordnungsgeld bis zu 250.000,-- EUR, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, und Ordnungshaft bis zu sechs Monaten angedroht worden.

Die im Schrifttum vertretene Meinung ist im Übrigen auch deshalb abzulehnen, weil sie sich in Widerspruch dazu setzt, dass auch die zu hohe Androhung eines Ordnungsmittels nach allgemeiner Auffassung nicht schadet und die Androhung nicht unwirksam macht (vgl. OLG Hamm, GRUR 1993, 606; Baumbach/Hefermehl, a.a.O., Einl Rdnr. 579; Berneke, Die einstweilige Verfügung in Wettbewerbssachen, Rdnr. 164; Großkomm-Jestaedt, vor § 13 E Rdnr. 22). Grund hierfür ist, dass das Schutzinteresse des Schuldners durch die Androhung eines zu hohen Ordnungsmittels nicht berührt wird. Dieses Interesse wird aber auch nicht berührt, wenn dem Schuldner Ordnungsgeld und Ordnungshaft kumulativ angedroht werden.

3.

Die Schuldnerin hat dadurch, dass sie nach der am 4. Januar 2002 erfolgten Zustellung der einstweiligen Verfügung die ihr verbotene Sonderveranstaltung in den verbliebenen Verkaufsstunden des 4. Januars sowie am 5. Januar 2002 fortgesetzt hat, gegen das gerichtliche Unterlassungsgebot verstoßen.

4.

Dass die Parteien das Verfügungsverfahren nach der bereits erfolgten Zuwiderhandlung gegen die Beschlussverfügung vom 4. Januar 2002 und nach dem Erlass des angefochtenen Ordnungsgeldbeschlusses übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, steht der Verhängung eines Ordnungsgeldes nicht entgegen.

Ob die Möglichkeit der Verhängung von Ordnungsmitteln in Fällen der Hauptsacheerledigung wegen des Titelfortfalls generell zu verneinen ist (so bisher OLG Düsseldorf, 2. ZS, GRUR 1987, 575; WRP 1988, 677; Beschluss vom 22.01.1997 - 2 W 29/96, dazu - ablehnend - Hess, GRUR 1999, 128 ff.; im Ergebnis ebenso z.B.: Schuschke/Walker, Vollstreckung und vorläufiger Rechtsschutz, 2. Aufl., § 890 Rdnr. 13; Gloy/Samwer, Handbuch des Wettbewerbsrechts, 2. Aufl., § 74 Rdnr. 6; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 60. Aufl., § 890 Rdnr. 27, Stichwort: Erledigung), oder ob sie nur dann besteht, wenn der Gläubiger seine Erledigungserklärung auf die Zeit nach Eintritt des erledigenden Ereignisses beschränkt hat (so z.B.: OLG Hamm, 4. ZS, WRP 1990, 423, 424 mit zustimmender Anmerkung von Münzberg, a.a.O., Seite 425 f; WRP 2000, 413, 415/416; KG, GRUR 1999, 191, 192; OLG Stuttgart, WRP 2002, 590, 591; Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 22. Aufl., Einl UWG Rdnr. 587 b; Ulrich, WRP 1992, 147 ff; Köhler/Piper, UWG, 3. Aufl., Vor § 13 Rdnr. 389; Melullis, GRUR 1993, 241 ff; ders., Handbuch des Wettbewerbsprozesses, 3. Aufl., Rdnr. 956 - 959; Zöller/Stöber, a.a.O., § 890 Rdnr. 25; Stein/Jonas/Brehm, ZPO, 21. Aufl., § 890 Rdnr. 28; Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche, 7. Aufl., 57. Kapitel Rdnr. 38 a. E., s. a. Pastor/Ahrens, Der Wettbewerbsprozess, 4. Aufl., Kap. 63 Rdnr. 16), oder ob die Vollstreckungsmöglichkeit im Falle einer Erledigungserklärung trotz Titelfortfalls mit Blick auf den Strafcharakter und rechtspolitische Erwägungen generell eröffnet bleiben muss (so z.B.: OLG Hamm, 14. ZS, NJW-RR 1990, 1086 f; OLG Karlsruhe, GRUR 1992, 207, 208; OLG Frankfurt/Main, OLGZ 1994, 603, 604; Jestaedt, WRP 1981, 433, 436; Borck, WRP 1994, 656 ff; Rosenberg/Gaul/Schilken, Zwangsvollstreckungsrecht, 10. Aufl., Seite 766), ist allerdings umstritten. Der beschließenden Senat steht seit langem auf den Standpunkt, dass auch im Falle einer übereinstimmenden Erledigungserklärung im Hinblick auf den Strafcharakter von § 890 ZPO sowie mit Rücksicht auf die Interessenlage im Wettbewerbsrecht die Vollstreckungsmöglichkeit generell eröffnet bleiben muss (zuletzt Beschluss vom 11.01.2001 - 20 W 78/00, GRUR-RR 2002, 151 = Mitt. 2001, 322 = OLGR 2001, 414, Anlage G 4 im Verfahren 20 W 34/02; vgl. a. Beschluss vom 22.05.2000 - 20 W 43/99). Gerade der vorliegende Fall demonstriert einmal mehr die nicht hinzunehmenden Missstände, zu denen die Verneinung einer weiteren Vollstreckungsmöglichkeit führen müsste. Da die der Schuldnerin verbotene Aktion ausdrücklich aus Anlass der Währungsumstellung erfolgte, bestand nach Abschluss der Euroeinführung wegen der Einmaligkeit des Anlasses keine Wiederholungsgefahr mehr (vgl. hierzu BGH, GRUR 1992, 318, 319 f. - Jubiläumsverkauf), weshalb der Gläubiger, um einer Zurückweisung seines Verfügungsantrages zu entgehen, das Verfügungsverfahren in der Hauptsache für erledigt erklären musste. Wäre in einem solchen Fall die Festsetzung von Ordnungsmitteln ausgeschlossen, würde § 890 ZPO seiner Funktion, die Durchsetzung eines gerichtlich zuerkannten Unterlassungsanspruchs sicherzustellen, faktisch beraubt, und es bliebe sogar der vorsätzliche Verstoß ohne Konsequenz. Zwar ließe sich dieses unbefriedigende Ergebnis auch dadurch verhindern, dass der Gläubiger seine Erledigungserklärung bereits im Erkenntnisverfahren auf die Zeit nach Eintritt des erledigenden Ereignisses beschränkt, wie dies von der Gegenmeinung wegen dogmatischer Bedenken im Hinblick auf §§ 775 Nr. 1, 776 ZPO vorgeschlagen wird. Diese Ansicht ist aber nur wenig praktikabel und vernachlässigt die interpretatorische Anpassung des § 775 ZPO an Unterlassungstitel, die auf ein Dauerverhalten zugeschnitten sind (Senat, Beschluss vom 11.01.2001 - 20 W 78/00, GRUR-RR 2002, 151). Selbst wenn man aber doch eine zeitliche Beschränkung fordern wollte, liegt es, wie der beschließende Senat in seinem vorzitierten Beschluss ausgeführt hat (GRUR-RR 2002, 151, 152), nahe, sie bei Fehlen ausdrücklicher Erklärungen - der Interessenlage gemäß - als konkludent erfolgt anzusehen. Das gilt auch im Streitfall, weil der Gläubiger den angefochtenen Ordnungsmittelbeschluss bereits vor Abgabe der Erledigungserklärung erwirkt hatte und er die Erledigung schriftsätzlich ausdrücklich nur "mit Wirkung für die Zukunft" erklärt hatte (Bl. 63 GA). In diesem Sinne ist bei vernünftiger Betrachtungsweise auch die im Verhandlungstermin abgegebene, nochmalige Erledigungserklärung zu verstehen (vgl. auch Bl. 260 GA).

5.

Soweit die Schuldnerin einwendet, die einstweilige Verfügung sei zu Unrecht ergangen, kann sie hiermit im vorliegenden Verfahren nicht gehört werden. Für die Zwangsvollstreckung kommt es nur darauf an, dass ein vollstreckbarer Titels vorliegt bzw. - in Fällen wie dem vorliegenden - im Zeitpunkt der Zuwiderhandlung bestanden hat und nachträglich nicht rückwirkend aufgehoben worden ist. Ob der betreffende Vollstreckungstitel zu Recht oder zu Unrecht erlassen worden ist, ist im Zwangsvollstreckungsverfahren nicht zu prüfen. Gegen den Erlass bzw. Bestand des Titels kann und muss sich der Schuldner im Erkenntnisverfahren mit den dort gegebenen Rechtsmitteln wehren.

6.

Die Zuwiderhandlung gegen die Beschlussverfügung vom 4. Januar 2002 ist auch schuldhaft erfolgt.

Zwar ist zu beachten, dass bei einem Unternehmen von der Größe der Schuldnerin die Reaktion auf eine einstweilige Verfügung mit logistischen Schwierigkeiten verbunden sein kann. Im Streitfall haben jedoch besondere Umständen vorgelegen, auf die sich die Schuldnerin hätte einstellen können und müssen. Der Schuldnerin war bereits ihre ursprüngliche Aktion auf Antrag des Gläubigers durch die einstweilige Verfügung vom 2. Januar 2002 untersagt worden; diese einstweilige Verfügung war ihr am 3. Januar 2002 zugestellt worden. Die Schuldnerin musste aufgrund dessen schon vor Beginn der abgeänderten Aktion ernsthaft damit rechnen, dass der Gläubiger auch die hier in Rede stehende Veranstaltung, die in noch deutlicherer Weise gegen § 7 Abs. 1 UWG verstieß als die erste Aktion, nicht hinnehmen und gegen sie im Wege eines weiteren Verfügungsverfahrens vorgehen würde. Hinzu kommt, dass der Gläubiger die Schuldnerin vor der Erwirkung der einstweiligen Verfügung am 4. Januar 2002 um 13.13 Uhr abgemahnt und unter Setzung einer Frist bis 14.00 Uhr zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung aufgefordert hatte (vgl. Anlage G 3). Insoweit musste die Schuldnerin davon ausgehen, dass ihr auch die abgeänderte Aktion im Laufe des 4. Januars 2002 gerichtlich untersagt wird, und sich hierauf einstellen. Das hat sie aber nicht getan; sie hat vielmehr ihre Hauptverwaltung im Bewusstsein, dass mit dem Erlass und der Zustellung einer weiteren einstweiligen Verfügung zu rechnen ist, bereits um 15.00 Uhr geschlossen, weshalb die Beschlussverfügung ihr dort um 15.38 Uhr nicht zugestellt werden konnte, und sie ist bewusst untätig geblieben. Soweit sie geltend macht, dass es ihr nicht möglich gewesen sei, ihr EDV-gestütztes Kassensystem nach der Zustellung der einstweiligen Verfügung am 4. Januar 2002 noch mit Wirkung für diesen und den folgenden Tag umzustellen, kann dahinstehen, ob ihr eine entsprechende Umstellung nicht für den 5. Januar 2002 möglich gewesen wäre, wenn sie ihre Hauptverwaltung am 4. Januar 2002 nicht bereits um 15.00 Uhr geschlossen hätte und die einstweilige Verfügung ihr dort - wie beabsichtigt - um 15.38 Uhr hätte zugestellt werden können. Auch bedarf es keiner weiteren Aufklärung, ob eine Änderung des eingegebenen Kassencodes am 4. Januar 2002 nach 16.00 Uhr durch Abbruch der bereits eingeleiteten Programmierung und anschließende Neuprogrammierung tatsächlich nicht mehr möglich gewesen ist. Hierauf kommt es letztlich nicht an. Denn die Schuldnerin hätte der einstweiligen Verfügung - wenn sie, wozu sie gehalten war, entsprechende Vorkehrungen getroffen hätte - auch in anderer Weise entsprechen können und müssen. Ihr Kassenpersonal hätte die Preise nämlich, und zwar schon nach der Zustellung der einstweiligen Verfügung am 4. Januar 2002, "von Hand" korrigieren können. Da die durch das EDV-gestützte Kassensystem ausgewiesenen Preise für sämtliche Waren 80% der von der Schuldnerin allgemein geforderten Preise darstellten, wäre es für ihr Kassenpersonal eine mit Hilfe von der Schuldnerin zur Verfügung gestellter Taschenrechner leicht zu lösende Dreisatzaufgabe gewesen, den tatsächlichen den Kunden zu berechnenden Preis zu ermitteln und sodann zu berechnen (vgl. auch OLG Düsseldorf, Urteil vom 9. Oktober 1997 - 2 U 58/97, Umdr. Seite 22/23). Tatsächlich war eine solche Rechnung hier wohl nicht einmal erforderlich, weil die Waren offenbar weiterhin mit den regulären Preisen ausgezeichnet waren. Darauf, dass es sei ihr nicht zuzumuten gewesen, ihr Personal nach Zustellung der einstweiligen Verfügung anzuweisen, sämtliche Preise "von Hand" zu korrigieren, weil das zu einem Zusammenbruch des gesamten Abrechnungsvorgangs an den Kassen geführt hätte, kann sich die Schuldnerin nicht mit Erfolg berufen. Zum einen hätte nämlich weit weniger Kundenandrang an den Kassen geherrscht, wenn die Schuldnerin ihre Waren zu den regulären Preisen angeboten hätte. Zum anderen, und das ist letztlich entscheidend, hätte sie den ihr gerichtlich untersagten Verkauf notfalls einstellen müssen. Da der Schuldnerin zur Unterrichtung ihrer Filialen alle modernen Kommunikationsmittel (Telefon, Telefax, E-Mail) zur Verfügung standen, hätte das ohne weiteres innerhalb einer Stunde nach Zustellung der einstweiligen Verfügung geschehen und von allen Filialen umgesetzt werden können. Entsprechende Maßnahmen hat die Schuldnerin aber nicht eingeleitet. Vielmehr hat sie die wettbewerbswidrige Aktion in Kenntnis des gerichtlichen Verbots weiter "durchgezogen", weshalb nicht nur eine grob fahrlässige, sondern sogar eine vorsätzliche Zuwiderhandlung vorliegt.

7.

Auch der Höhe nach ist das vom Landgericht festgesetzte Ordnungsgeld von 200.000,-- EUR keineswegs unangemessen.

Bei der Bemessung des - schuldangemessenen - Ordnungsgeldes kommen der Intensität und dem Maße des Verschuldens sowohl bei der Art als auch bei der Höhe der Sanktion entsprechende Bedeutung zu, daneben auch Gesichtspunkte wie das Interesse des Gläubigers und das Vorverhalten des Schuldners. Ein Ordnungsgeld ist jedenfalls so zu bemessen, dass der Verstoß sich "nicht lohnt" (vgl. Senat, Beschluss vom 11.01.2001 - 20 W 78/00, GRUR-RR 2002, 151, 152 - m.w.N.).

Hiervon ausgehend ist im Streitfall die Verhängung eines ganz empfindlichen Ordnungsgeldes gerechtfertigt:

Wie bereits festgestellt, hat die Schuldnerin vorsätzlich gegen die einstweilige Verfügung verstoßen. Angesichts des Umstandes, dass die Schuldnerin die Aktion in bundesweit 184 Filialen durchgeführt hat, und es sich bei der Schuldnerin um ein marktstarkes Unternehmen handelt, liegt auch ein schwerer Verstoß vor. Dieser wiegt um so schwerer, als sich die Schuldnerin durch die vorangegangene einstweilige Verfügung nicht hatte beeindrucken lassen und mit ihrer abgeänderten Aktion ersichtlich versuchte, das gerichtliche Verbot zu umgehen, wobei sie mit ihrer abgeänderten Veranstaltung, wie es in der als Anlage G 5 überreichten Internetinformation vom 4. Januar 2002 durchaus zutreffend heißt, "noch einen draufsetzte". Schließlich ist auch davon auszugehen, dass die verbotswidrig fortgesetzte Sonderveranstaltung für die Schuldnerin in wirtschaftlicher Hinsicht ein voller Erfolg war. Hierfür spricht zunächst der Inhalt der von ihr selbst als Anlage ROP 7 überreichten eidesstattlichen Versicherungen, aus welchen sich ergibt, dass nach dem Aufgreifen der Aktion in der Aktion in der Presse "ein völlig unerwarteter Kundenansturm" einsetzte, in ihren Filialen "Ausnahmezustand" herrschte, "Wartezeiten von 10 bis 15 Minuten an der Kasse" hinzunehmen waren, die Resonanz auf die Aktion "extrem gut" war, der Kundenansturm aufgrund der Medienberichterstattung "extrem stark" war, die Mitarbeiter aufgrund des "hohen Kundenandrangs" "vollständig ausgelastet" waren, "es nur noch darum ging, genügend Ware zur Verfügung zu stellen", sich schon morgens vor Öffnung der Türen sich "eine große erwartungsvolle Kundenschar vor den Eingängen" aufgebaut hatte und danach ein "ununterbrochener Strom von Menschen einsetzte", und dass die umfangreiche Darstellung der Aktion in den Medien zu einer "deutlichen Frequenzsteigerung in den folgenden Tagen" geführt hatte. Ferner wird dies auch durch den Inhalt des als Anlage BE 1 überreichten Interviews mit einem der persönlich haftenden Gesellschafter der Schuldnerin belegt. Dort heißt es wörtlich:

"An den vier Tagen haben wir einen gewaltigen Umsatzschub erzielt. Hinzu kommt ein enormer Imagegewinn bei unserer Kundschaft. ..."

Hinsichtlich ihrer anlässlich der Aktion getätigten konkreten Umsätze hat sich die Schuldnerin im vorliegenden Verfahren zwar bedeckt gehalten. Der Gläubiger kann hierzu naturgemäß keine näheren Angaben machen. Allerdings hat die Schuldnerin immerhin eingeräumt, in der ersten Januar-Woche des Jahres 2002 gegenüber der vergleichbaren Woche im Vorjahr eine Umsatzsteigerung gehabt zu haben, wenn auch gemäß ihren Angaben nach nur in Höhe von "nicht einmal annähernd der Hälfte" des vom Gläubiger behaupteten Werts von 172%, was aber immer noch eine erhebliche Umsatzsteigerung ausmachen würde. Das gilt umso mehr, als die ganz überwiegende Anzahl der Einzelhändler zu dieser - ohnehin umsatzschwachen - Zeit infolge der mit der Euroumstellung verbundenen Kaufzurückhaltung der Verbraucher beträchtliche Umsatzeinbußen hinnehmen musste. Soweit die Schuldnerin vorträgt, die insgesamt im Januar 2002 erzielte Umsatzsteigerung sei im Vergleich zum erzielten Umsatz im Januar 2001 nur 0,3 % höher gewesen, in der Folgewoche seien die Umsätze ganz erheblich zurückgegangen, insoweit habe der Umsatzverlust im Vergleich zum Vorjahr fast 20% betragen, kommt es hierauf nicht an. Maßgebend ist nicht der Gesamtumsatz im Monat Januar, sondern der Umsatz in dem Zeitraum, in dem die Schuldnerin mit der Durchführung ihrer Sonderveranstaltung gegen den Vollstreckungstitel verstoßen hat. Selbst wenn man jedoch das entsprechende Vorbringen der Schuldnerin zugrunde legt, ergibt eine einfache Überschlagsrechnung, dass der Mehrumsatz an den insgesamt vier Verkaufstagen (2. bis 5. Januar 2002) einen mehrstelligen Millionenbetrag ergeben haben muss: Die Schuldnerin hat unwidersprochen einen monatlichen Umsatz von ca. 250 Millionen EUR (vgl. Bl. 226 GA). Außerhalb ihrer Sonderveranstaltung hat sie, wie nahezu alle ihre Mitbewerber, Umsatzeinbußen von ca. 10 bis 20% erlitten, also in Höhe von etwa 25 bis 50 Millionen EUR. Die von der Schuldnerin eingeräumte Umsatzsteigerung für den Monat Januar 2002 von 0,3% kann damit ausschließlich den vier Sonderverkaufstagen zuzuordnen sein, in denen die Schuldnerin mithin mindestens eine Umsatzsteigerung 25 bis 50 Millionen EUR erzielt hat. Ein anteiliger Betrag entfällt hiervon auf den späten Nachmittag und Abend des 4. Januar sowie auf den 5. Januar 2000, wobei davon auszugehen ist, dass die Umsatzzahlen gerade an diesen beiden Tagen aufgrund der Ausweitung der Aktion und der umfangreichen Berichterstattung in den Medien besonders gut waren (vgl. auch den Zeitungsartikel Anlage L 11). Hinzu kommt der erhebliche Imagegewinn für die Schuldnerin. All das rechtfertigt ein Ordnungsgeld in der verhängten Höhe.

Dass das Landgericht die hier in Rede stehende Zuwiderhandlung zugleich als Verstoß gegen die einstweilige Verfügung vom 2. Januar 2002 angesehen und auf den entsprechenden Antrag des Gläubigers im Verfahren 34 0 13/02 durch Ordnungsgeldbeschluss vom 27. März 2002 ebenfalls mit einem Ordnungsgeld bestraft hat, was von vornherein nicht zulässig gewesen ist, hat auf das hier verhängte Ordnungsgeld keinen Einfluss. Denn der beschließende Senat hat in dem den vorgenannten Ordnungsgeldbeschluss betreffenden Beschwerdeverfahren der Parteien (20 W 34/02) mit Beschluss vom heutigen Tage festgestellt, dass die hier in Rede stehende abgeänderte Aktion der Schuldnerin keinen Verstoß gegen die erste einstweilige Verfügung darstellte, und den dortigen Ordnungsgeldbeschluss insoweit abgeändert. Gleiches gilt hinsichtlich des im Verfahren 34 O 14/02 auf Antrag eines anderen Gläubigers erlassenen Ordnungsgeldbeschlusses des Landgerichts vom 27. März 2002, der im Beschwerdeverfahren 20 W 35/02 mit Beschluss vom heutigen Tage ebenfalls abgeändert worden ist, so dass sich die Frage einer Berücksichtigung des dort verhängten Ordnungsgeldes vorliegend ebenfalls nicht stellt.

III.

Die von der Schuldnerin beantragte Aussetzung der Verhandlung bis zum rechtskräftigen Abschluss des von den Parteien in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärten Verfügungsverfahrens kommt nicht in Betracht. Wie der Senat in seiner am heutigen Tag verkündeten Entscheidung in der Sache 20 W 74/02 festgestellt hat, ist die einstweilige Verfügung vom 4. Januar 2002 zu Recht ergangen. Auch wenn der Senat im Erkenntnisverfahren die Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof zugelassen hat, besteht zu einer Aussetzung gleichwohl kein Anlass. Vielmehr hat es bei dem Grundsatz zu bleiben, dass eine Aussetzung im Zwangsvollstreckungsverfahren unzulässig ist (vgl. Baumbach/Lauterbach/Albers/ Hartmann, a.a.O., § 148 ZPO Rdnr. 30 Stichwort "Zwangsvollstreckung"; ders. Grundz § 704 Rdnr. 38; Musielak/Stadler, ZPO, 2. Aufl., Rdnr. 2).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO in Verbindung mit § 891 S. 2 ZPO.

Der Senat lässt auch im vorliegenden Verfahren die Rechtsbeschwerde zu, weil die Frage, ob die Verhängung von Ordnungsmitteln in Fällen der Hauptsacheerledigung weiterhin möglich ist, von grundsätzlicher Bedeutung ist, und eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs auch zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung geboten ist, § 574 Abs. 1 Nr. 1 u. Nr. 2, Abs. 3, Abs. 2 Nr. 1 ZPO.