OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 01.07.2002 - 18 B 1516/01
Fundstelle
openJur 2011, 18756
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • vorher: Az. 11 L 917/01
Tenor

Der Antrag wird abgelehnt.

Die Antragsteller tragen die Kosten des Antragsverfahrens.

Der Streitwert wird für das Antragsverfahren auf 6000,-- EUR (Wertstufe bis 12.000,-- DM) festgesetzt.

Gründe

Der Antrag auf Zulassung der Beschwerde wird abgelehnt, weil die Darlegungen der Antragsteller in dem Zulassungsantrag nicht geeignet sind, die geltend gemachten Zulassungsgründe im Sinne von § 146 Abs. 4 i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 5 VwGO in der bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Fassung (s. § 194 Abs. 2 VwGO in der Fassung des Gesetzes zur Bereinigung des Rechtsmittelrechts im Verwaltungsprozess vom 20. Dezember 2001 - BGBl. I S. 3987 -) zu belegen.

1. Hinsichtlich des Zulassungsgrundes der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) bedarf es einer Auseinandersetzung mit den entscheidungstragenden Erwägungen des Verwaltungsgerichts. Es ist in substantiierter Weise darzustellen, dass und warum das vom Verwaltungsgericht gefundene Entscheidungsergebnis ernstlich zweifelhaft sein soll. Diese Voraussetzung ist nur dann erfüllt, wenn das Gericht schon allein auf Grund des Antragsvorbringens in die Lage versetzt wird, zu beurteilen, ob ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Beschlusses bestehen.

Vgl. nur Senatsbeschluss vom 10. Juli 2000 - 18 B 1268/99 -.

Von dem Vorstehenden ausgehend ist die Antragsbegründung nicht geeignet, die angefochtene verwaltungsgerichtliche Entscheidung in Frage zustellen.

Soweit geltend gemacht wird, dass nach der Auffassung des Verwaltungsgerichts nur eine Suizidgefahr zu einem inlandsbezogenen Vollstreckungshindernis führen kann, geht das Vorbringen an den Ausführungen in dem angefochtenen Beschluss vorbei. Das Verwaltungsgericht hat lediglich im Hinblick auf die - nicht in Frage gestellte - posttraumatische Belastungsstörung bei der Antragstellerin zu 1. ausgeführt, dass eine derartige Erkrankung erst auf ein inlandsbezogenes Abschiebungshindernis führe, wenn ein Ausländer suizidgefährdet sei und im Rahmen einer Abschiebung die ernsthafte Gefahr einer Selbsttötung drohe. Daran ist grundsätzlich nichts auszusetzen. Insbesondere wird durch ein derartige Anforderung keine Reiseunfähigkeit aus anderen Gründen ausgeschlossen. Derartige Gründe haben aber die insoweit darlegungs- und beweispflichtigen Antragsteller weiterhin ebenso wenig glaubhaft gemacht wie - was das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat - eine Reiseunfähigkeit der Antragstellerin zu 1. wegen einer posttraumatischen Belastungsstörung.

Hierzu sei lediglich noch angemerkt, dass nicht jede mit der Erkenntnis eines aussichtslosen Bleiberechts für Deutschland und einer bevorstehenden Rückkehr ins Heimatland einhergehende, mithin also letztlich abschiebungsbedingte Verschlechterung des Gesundheitszustandes auf ein Abschiebungshindernis oder einen Duldungsgrund wegen Reiseunfähigkeit führt, der im Übrigen ohnehin vielfach durch ärztliche Hilfen bis hin zu einer Flugbegleitung begegnet werden kann. Indem das Ausländergesetz die Abschiebung vollziehbar ausreisepflichtiger Ausländer unter bestimmten Voraussetzungen vorsieht, nimmt es in diesem Zusammenhang vielfach zu erwartende Auswirkungen auf den gesundheitlichen, insbesondere psychischen Zustand der Betroffenen in Kauf und lässt diese erst dann als Duldungsgründe gelten, wenn eine Reiseunfähigkeit gegeben ist bzw. wenn eine Gesundheitsstörung droht, die im Heimatland nicht angemessen behandelt werden kann und den in § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG vorgegebenen Gefährdungsgrad erreicht.

Vgl. hierzu OVG NRW, Beschluss vom 9. Januar 2002 - 13 A 25/02.A -.

2. Der behauptete Verfahrensmangel (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO) ist ebenfalls nicht gegeben.

Die Antragsteller berufen sich hierzu zunächst vergeblich darauf, dass das Verwaltungsgericht nicht auf die Frage der Gesundheitsverschlechterung bei der Antragstellerin zu 1. wegen des durch die Abschiebung bedingten Abbruchs der laufenden psychiatrischen Behandlung eingehe. Dieser Einwand geht ungeachtet einer hinreichenden Darlegung dieses Zulassungsgrundes zum einen schon deshalb fehl, weil er im Wesentlichen - was entscheidend ist - auf eine unzureichende Möglichkeit der Weiterbehandlung im Heimatland und damit auf ein zielstaatsbezogenes Abschiebungshindernis führt, das das Verwaltungsgericht aus den im angefochtenen Beschluss dargelegten Gründen vorliegend nicht berücksichtigen kann. Zum anderen erreicht allein der Umstand einer zu befürchtenden, abschiebungsbedingten Gesundsheitsverschlechterung aus den vorgenannten Gründen auch unter dem Gesichtspunkt inlandsbezogener Vollstreckungshindernisse hier keine entscheidungserhebliche Relevanz.

Weiter machen die Antragsteller insoweit geltend, dass das Verwaltungsgericht hinsichtlich der Suizidgefahr der Mutter der Antragstellerin zu 1. von falschen Tatsachen ausgegangen sei bzw. ihr Vorbringen unberücksichtigt gelassen habe und sehen hierin einen Gehörsverstoß.

Indessen bedurfte es diesbezüglich keiner - von den Antragstellern wohl erwarteten - Auseinandersetzung des Verwaltungsgerichts mit allen Einzelheiten ihres Vorbringens. Nach dem Prozessrecht und darüber hinaus unmittelbar auf Grund von Art. 103 Abs. 1 GG haben Verfahrensbeteiligte u.a. Anspruch darauf, dass das Gericht ihre Ausführungen zur Kenntnis nimmt und sie bei der Entscheidung in Erwägung zieht. Da grundsätzlich davon auszugehen ist, dass die Gerichte das von ihnen entgegengenommene Vorbringen zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen haben, sind sie nicht verpflichtet, sich mit jedem Vorbringen in den Entscheidungsgründen ausdrücklich zu befassen. Der Anspruch auf rechtliches Gehör ist jedoch verletzt, wenn im Einzelfall besondere Umstände deutlich machen, dass tatsächliches Vorbringen eines Beteiligten entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder doch bei der Entscheidung nicht erwogen worden ist.

Vgl. nur BVerfG, Beschlüsse vom 19. Dezember 2000 - 2 BvR 143/98 - und vom 19. Mai 1992 - 1 BvR 986/91 -, BVerfGE 86, 133, 145 f.

Nach diesen Grundsätzen lässt sich eine Verletzung des Anspruchs der Antragsteller auf rechtliches Gehör nicht feststellen. Das Verwaltungsgericht hat das Vorbringen der Antragsteller zur Suizidgefährdung der Mutter der Antragstellerin zu 1. bei seiner rechtlichen Würdigung berücksichtigt. Es ist weder konkret dargelegt noch erkennbar, dass hierbei maßgebliche Teile des Vortrags unberücksichtigt blieben. Ob die diesbezüglichen Erwägungen fehlerhaft sind - wofür jedenfalls im Ergebnis nichts sprechen dürfte -, ist in diesem Zusammenhang unerheblich.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung beruht auf § 14 Abs. 1 und 3 iVm §§ 20 Abs. 3, 13 Abs. 1 und 73 Abs. 1 Satz 1 GKG.

Dieser Beschluss ist gemäß § 152 Abs. 1 VwGO, § 25 Abs. 3 Satz 2 GKG unanfechtbar.