VG Düsseldorf, Urteil vom 03.09.2002 - 17 K 1907/02
Fundstelle
openJur 2011, 18653
  • Rkr:
Tenor

Es wird festgestellt, dass die Klägerin auch ab dem 1. Januar 2003 nicht verpflichtet ist, für Bier, das sie in Einweg-Getränkeverpackungen vertreibt, und für das sie oder ein anderer Vertreiber sich am Abholsystem der Firma Der Grüne Punkt Duales System Deutschland (DSD) AG beteiligen, von ihren Abnehmern ein Pfand nach § 8 Abs. 1 der Verpackungsverordnung zu erheben und ihnen zu erstatten und die Verpackungen nach § 6 Abs. 1 und/oder § 6 Abs. 2 der Verpackungsverordnung zurückzunehmen.

Im Óbrigen wird die Klage abgewiesen.

Dem beklagten Land und der Beigeladenen werden die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten der Klägerin je zur Hälfte auferlegt.

Das Urteil ist wegen der Kosten gegen Leistung einer Sicherheit in Höhe des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Die Berufung wird zugelassen.

Die Revision unter Óbergehung der Berufungsinstanz (Sprungrevision) wird zugelassen.

Tatbestand

Die Klägerin ist eine Brauerei, die Bier in Einwegverpackungen vertreibt. Sie wendet sich dagegen, für diese Einwegverpackungen ein Pfand zu erheben, bei Rückgabe zu erstatten und die Verpackung zurückzunehmen. Gleichgerichtete Klagen sind bei verschiedenen Verwaltungsgerichten in Nordrhein-Westfalen und anderen Bundesländern anhängig.

Die Pflicht zur Erhebung eines Zwangspfandes auf Einweg- Getränkeverpackungen ergibt sich aus der Verordnung über die Vermeidung und Verwertung von Verpackungsabfällen - VerpackV -. Die Verpackungsverordnung ist eine Rechtsverordnung, welche die Bundesregierung auf der Grundlage des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes erlassen hat. Grundsätzlich besteht bereits seit über zehn Jahren die Pflicht, ein Pfand auf Getränke in Einwegverpackungen zu erheben (§ 8 Abs. 1 VerpackV). Die Pflicht wurde jedoch zunächst ausgesetzt. Das Pflichtpfand sollte nur dann tatsächlich erhoben werden müssen, wenn von allen verkauften Getränken dauerhaft weniger als 72 % in einer Mehrwegverpackung ("Pfandflasche") abgegeben werden. Der Referenzwert von 72 % bildet die Mehrwegquote im Jahr 1991 ab, dem Jahr, in dem die erste Verpackungsverordnung erlassen wurde. Welche Mehrwegquote bei Getränken jedes Jahr erreicht wird, stellt die Bundesregierung fest. Sie veröffentlicht die Quote im Bundesanzeiger. Ist nach dieser Feststellung in einem Kalenderjahr die Mehrwegquote unter 72 % gefallen, findet im Anschluss an die Bekanntgabe eine zwölfmonatige Nacherhebung statt. Liegt in diesen zwölf Monaten die Mehrwegquote erneut unter 72 %, setzt die Pfandpflicht ein. Sie erfasst aber nicht alle Arten von Getränken, sondern nur solche, deren individuelle Mehrwegquote unter derjenigen aus dem Jahr 1991 liegt (§ 9 Abs. 2 Satz 2 VerpackV). Rechtstechnisch wird dieser Mechanismus dadurch ausgelöst, dass die tatbestandliche Voraussetzung der Befreiung von der Pfandpflicht entfällt. Befreiungsvoraussetzung in § 9 Abs. 1 VerpackV ist die Feststellung der jeweiligen obersten Landesabfallbehörde, dass das System des "Grünen Punktes" landesweit verordnungsgemäß besteht. Sie gilt für die Getränkebereiche als widerrufen, für welche die Nacherhebung ein Ergebnis unter dem Wert von 1991 feststellt.

Im Bundesanzeiger Nr. 66 vom 4. April 2000 S. 6009 machte die Beigeladene durch das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit die "Erhebungen der Bundesregierung bezüglich der Anteile ökologisch vorteilhafter Getränkeverpackungen in den Jahren 1991 bis 1998 gemäß § 9 Abs. 3 der Verpackungsverordnung" bekannt. Danach lag der Mehrweganteil bei Getränken insgesamt (ohne Milch) im Jahr 1998 bei 70,13 %. Im Bundesanzeiger Nr. 119 des Jahres 2002 S. 14690 machte die Beigeladene die Ergebnisse der "Nacherhebung der Bundesregierung bezüglich der Mehrweganteile von Getränkeverpackungen im Zeitraum Mai 2000 bis April 2001 gemäß § 9 Abs. 3 der Verpackungsverordnung" bekannt. Danach blieben die Mehrwegquoten der Getränkebereiche Mineralwasser, Bier und Erfrischungsgetränke mit Kohlensäure unter denen des Referenzjahres 1991. In der Nacherhebung für den Zeitraum Februar 1999 bis Januar 2000 waren die Getränkebereiche Bier und Mineralwasser bereits unter den Mehrwegquoten des Jahres 1991 geblieben. Auch in der Folgezeit sank der Mehrweganteil immer weiter. Diese Tatsachen werden von der Klägerin nicht bestritten.

Nach der Regelung der §§ 8, 9 der Verpackungsverordnung sind Getränkewirtschaft und Einzelhandel ab dem 1. Januar 2003 verpflichtet, auf alle einwegverpackten Getränke aus den Bereichen Mineralwasser, Bier und Erfrischungsgetränke mit Kohlensäure ein Pfand von 25 bzw. 50 Cent zu erheben, bei Rückgabe der Verpackung zu erstatten und diese einer Verwertung zuzuführen. Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Klage.

Sie legt § 9 Abs. 2 Satz 2 VerpackV dergestalt aus, dass mit der Bekanntmachung der Nacherhebungsergebnisse ein fiktiver Teilwiderruf des beklagten Landes ergehe. Die Feststellung des beklagten Landes vom 18. Dezember 1992 (MBl. NW. 1993, S. 57) in der Fassung des Änderungsbescheids vom 7. Juli 1994 (MBl. NW. 1994, 1006) nach § 6 Abs. 3 Satz 11 VerpackV, dass ein haushaltsnahes Abholsystem für Verkaufsverpackungen im Sinne des § 6 Abs. 3 Satz 1 VerpackV eingerichtet sei, werde für die betroffenen Getränkebereiche hierdurch widerrufen. Als fiktiver Verwaltungsakt stünden gegen ihn alle Rechtsmittel zur Verfügung, die auch bei einem tatsächlich erlassenen Verwaltungsakt eröffnet seien. Deswegen greift die Klägerin in ihrem Hauptantrag den fiktiven Teilwiderruf mit einem Anfechtungsantrag an. Hilfsweise verfolgt sie ihr Begehren mit einem Feststellungsantrag.

In der Sache meint die Klägerin, dass der Teilwiderruf gegen den höherrangigen § 49 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) verstoße, der einfachgesetzlich den verfassungsrechtlichen Vertrauensschutzgrundsatz (Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz - GG -) normiere. Die Voraussetzungen für den Erlass der widerrufenen Feststellung seien nicht weggefallen. Weiter meint die Klägerin, dass die Pfandpflicht dem Zweck der §§ 22 ff. Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes (KrW-/AbfG) zuwiderlaufe. Das Bundesverfassungsgericht habe in seiner Entscheidung zur kommunalen Verpackungssteuer erkannt, dass die kooperative kollektive Pflichterfüllung der individuellen Pflicht zur Produktverantwortung vorgehe. Das Pflichtpfand ziele aber auf die (nachrangige) individuelle Verpflichtung. Weiter meint die Klägerin, dass die Verpackungsverordnung nach der Ermächtigungsgrundlage nur die Art und Weise regeln dürfe, wie die Produktverantwortung wahrzunehmen sei. Eine Ermächtigungsgrundlage für die mengenmäßige Begrenzung des Einwegverpackungsverkaufs um das bestehende Mehrwegsystem zu stabilisieren, gebe es im Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz nicht. Darüber hinaus sieht die Klägerin das Verhältnismäßigkeitsprinzip des § 22 Abs. 3 KrW-/AbfG verletzt, da das Abholsystem des "Grünen Punktes" ebenso effektiv, aber sie weniger belastend arbeite. Zusätzlich hält die Klägerin die grundrechtliche Berufsfreiheit (Art. 12 GG) für verletzt, weil sich auch aus den Feststellungen des Rates von Sachverständigen für Umweltfragen, den die Bundesregierung eingesetzt habe, ergebe, dass Mehrwegverpackungen nur in bestimmten Fällen ökologisch den Einwegverpackungen überlegen seien. Schließlich rügt die Klägerin einen Verstoß gegen das Gleichheitsgebot (Art. 3 GG), weil die Mehrwegquote bei Fruchtsäften immer etwa um die Hälfte niedriger als bei anderen Getränkesorten gelegen habe, diese Getränkeart vom Pflichtpfand aber verschont bleibe.

Die Klägerin beantragt,

1. den durch das Unterschreiten der nach § 9 Abs. 2 der Verpackungsverordnung erheblichen Mehrweganteile bei der Nacherhebung von Februar 1999 bis Januar 2000 ausgelösten Widerruf der Entscheidung nach § 6 Abs. 3 der Verpackungsverordnung aufzuheben,

2.

3. den durch das Unterschreiten der erheblichen Mehrweganteile bei der Nacherhebung von April 2000 bis März 2001 ausgelösten Widerruf der Entscheidung nach § 6 Abs. 3 der Verpackungsverordnung aufzuheben,

4.

hilfsweise sinngemäß

3. festzustellen, dass sie auch ab dem 1. Januar 2003 nicht verpflichtet ist, für Bier, das sie in Einweg- Getränkeverpackungen vertreibt, und für das sie oder ein anderer Vertreiber sich am Abholsystem der Firma der Grüne Punkt Duales System Deutschland AG beteiligen, von ihren Abnehmern ein Pfand nach § 8 Abs. 1 der Verpackungsverordnung zu erheben und ihnen zu erstatten und die Verpackungen nach § 6 Abs. 1 und/oder § 6 Abs. 2 der Verpackungsverordnung zurückzunehmen.

4.

Das beklagte Land beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das beklagte Land hält die Klage für unzulässig. Es ist der Auffassung, dass das angerufene Gericht örtlich nicht zuständig sei. Außerdem rügt es die mehrfache Rechtshängigkeit derselben Sache. Eine Anfechtungsklage sei unstatthaft, weil ein fiktiver Widerrufsverwaltungsakt des beklagten Landes nicht gegeben sei. § 9 Abs. 2 Satz 2 VerpackV sei eine selbstausführende ("selfexecuting") Norm. Jedenfalls sei ein fiktiver Verwaltungsakt mangels Bekanntgabe unwirksam. Gäbe es einen fiktiven Verwaltungsakt, müsste der als von der Bundesregierung erlassen gelten und die Klage müsste beim Verwaltungsgericht Berlin gegen die Bundesrepublik Deutschland erhoben werden. Gleiches gelte für die hilfsweise erhobene Feststellungsklage. Bislang habe auch nicht das beklagte Land für sich in Anspruch genommen, ab dem 1. Januar 2003 gelte das Pflichtpfand, sondern nur die Bundesregierung bzw. der Bundesumweltminister. Das allgemeine Rechtsschutzbedürfnis fehle der Klägerin, weil sie sachdienlicher gegen die Bekanntmachung der Nacherhebungsergebnisse Anfechtungsklage erheben könne. Deswegen verstoße die Hilfsfeststellungsklage gegen das Subsidiaritätsgebot des § 43 Abs. 2 VwGO und sei unzulässig.

In der Sache hält das beklagte Land die Pfandpflicht für rechtmäßig. Vertrauensschutz könne die Klägerin nicht für sich in Anspruch nehmen, weil die Pfandpflicht bereits in der ersten Verpackungsverordnung aus dem Jahr 1991 enthalten gewesen sei. Auf die Regeln des allgemein geltenden § 49 VwVfG könne sich die Klägerin angesichts der spezielleren Regelung in der Verpackungsverordnung nicht stützen. Die Pfandpflicht in der Verpackungsverordnung sei von den Ermächtigungsgrundlagen der §§ 22 ff. KrW- /AbfG gedeckt. Insbesondere § 22 Abs. 2 Nr. 1 KrW-/AbfG lege fest, Teil der Produktverantwortung sei die Entwicklung, Herstellung und das Inverkehrbringen von Erzeugnissen, die mehrfach verwendbar seien. Den Mechanismus der Mehrwegquote hält das beklagte Land für eine Lenkungsbestimmung mit Signalwirkung. Außerdem entspreche es der Hierarchie des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes, wenn der Verordnungsgeber die Vermeidung der Verwertung von Abfällen vorziehe. Aus verschiedenen ökobilanziellen Untersuchungen gehe außerdem hervor, dass höchstens bei Erfrischungsgetränken ohne Kohlensäure sowie bei Milch und Wein die ökologische Vorteilhaftigkeit der Mehrweggetränkeverpackungen fraglich sei. Auf diese Getränke beziehe sich die Pfandpflicht aber gerade nicht. Einen Verstoß gegen die Berufsfreiheit (Art. 12 GG) sieht das beklagte Land nicht als gegeben an, weil dem Verordnungsgeber angesichts der prognostischen Natur der Pfandregelung ein Gestaltungsspielraum eröffnet sei.

Die Beigeladene beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie tritt dem Vortrag des beklagten Landes bei. Sie bestreitet mit ähnlichen Argumenten wie es die Existenz eines fiktiven Teilwiderrufs und hält das beklagte Land für nicht passivlegitimiert. Weiter meint auch sie, dass eine Klage gegen die Bekanntgabe der Nacherhebungsergebnisse der Hilfsfeststellungsklage vorgehe. Soweit es um die Rechtmäßigkeit der Pfandpflicht an sich geht, macht sich die Beigeladene die Argumente des Oberverwaltungsgerichts Berlin (DVBl. 2002, 630) ausdrücklich zu Eigen.

Das beklagte Land hat das Bundesverwaltungsgericht angerufen, nach § 53 VwGO das zuständige Gericht zu bestimmen. Diesen Antrag hat das Bundesverwaltungsgericht mit Beschluss vom 5. Juli 2002 - 7 AV 2.02 abgelehnt. In der Beschlussbegründung hat es mitgeteilt, dass der von der Klägerin angenommene fiktive Verwaltungsakt den Regelungsgehalt des § 9 Abs. 2 Satz 2 VerpackV nicht treffe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte des Leitverfahrens 17 K 1907/02 sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des beklagten Landes ergänzend Bezug genommen.

Gründe

Die Klage ist im Hilfsantrag zulässig und begründet, weil die Klägerin auch ab dem 1. Januar 2003 nicht verpflichtet ist, von ihren Abnehmern auf die im Antrag näher bezeichneten Getränkeverpackungen ein Pfand zu erheben bzw. ihnen zu erstatten und die Verpackungen zurückzunehmen. Im Übrigen ist die Klage unzulässig.

I.

Die erhobene Anfechtungsklage ist unstatthaft, weil § 9 Abs. 2 Satz 2 der Verordnung über die Vermeidung und Verwertung von Verpackungsabfällen vom 21. August 1998 (BGBl. I S. 2379), zuletzt geändert durch die Zweite Verordnung zur Änderung der Verpackungsverordnung vom 15. Mai 2002 (BGBl I. S. 1572) - VerpackV - einen Widerrufsverwaltungsakt nicht fingiert.

Ob eine Anfechtungsklage statthaft ist, richtet sich nach § 42 Abs. 1, 1. Alt VwGO. Danach ist Voraussetzung, dass ein Verwaltungsakt tatsächlich vorliegt. Die bloße Behauptung des Klägers, es liege ein Verwaltungsakt vor, genügt nicht.

Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 23. Oktober 1968 - IV C 101.67, in: BVerwGE 30, 287; Redeker/v. Oertzen, Verwaltungsgerichtsordnung, 13. Aufl. (2000), § 42 Rn. 10; Kopp/Schenke, Verwaltungsgerichtsordnung, 12. Auflage (2000), § 42 Rn. 54.

Die maßgebliche Vorschrift des § 9 Abs. 2 Satz 2 VerpackV besagt Folgendes:

"Liegt ... der Mehrweganteil im Bundesgebiet unter dem ... festgesetzten Anteil, gilt die Entscheidung nach § 6 Abs. 3 vom ersten Tage des auf die Bekanntgabe ... folgenden sechsten Kalendermonats bundesweit ... als widerrufen ... ."

Die Beteiligten streiten mit gewichtigen Argumenten darüber, ob aus dieser Norm ein anfechtbarer fiktiver Verwaltungsakt abzuleiten ist. § 9 Abs. 2 Satz 2 VerpackV lässt - insbesondere vor dem Hintergrund seiner Entstehungsgeschichte - keine völlig zweifelsfreie Auslegung zu. Weil die Klage im Hilfsantrag zulässig und diese Frage im Endergebnis nicht entscheidungserheblich ist, schließt sich das erkennende Gericht der bundesverwaltungsgerichtlichen Auslegung des § 9 Abs. 2 Satz 2 VerpackV an. Ein fiktiver Teilwiderruf der Feststellung nach § 6 Abs. 3 VerpackV liegt nicht vor, sodass eine Anfechtungsklage unstatthaft ist,

vgl. Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 5. Juli 2002 - 7 AV 2.02.

II.

Die Klage ist in ihrem Hilfsantrag zulässig.

Die Klägerin hat hilfsweise einen Feststellungsantrag erhoben, mit dem sie sinngemäß beantragt festzustellen, dass sie zur Pfanderhebung- und Erstattung nach Maßgabe des § 8 Abs. 1 VerpackV und zur Rücknahme nach § 6 VerpackV nicht verpflichtet ist, soweit es sich um einwegverpackte Getränke handelt.

1. Das Verwaltungsgericht Düsseldorf ist gemäß § 52 Nr. 5 VwGO i. V. m. § 1 Abs. 2 lit. c) AG VwGO NRW für die Feststellungsklage örtlich zuständig, da das beklagte Land seinen Sitz in Düsseldorf hat.

Zur Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit nach dem allein vom Kläger bestimmten Streitgegenstand vgl. Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 5. Juli 2002 - 7 AV 2.02; Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 23. Oktober 1968 - IV C 101.67, in: BVerwGE 30, 287; Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 12. Februar 1981 - 2 C 42/78, in: DVBl 1981, 495.

2. Die hilfsweise erhobene Klage auf Feststellung, dass die Klägerin ab dem 1. Januar 2003 bei Einweg-Getränkeverpackungen, für die sie sich oder ein anderer Vertreiber am Abholsystem der Firma Der Grüne Punkt Duales System Deutschland (DSD) AG beteiligt, nicht den Verpflichtungen zu Pfanderhebung, Pfanderstattung und Rücknahme nach §§ 6, 8 Abs. 1 der Verpackungsverordnung unterliegt, ist statthaft.

a) Mit einer Klage nach § 43 Abs. 1 VwGO kann das Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses festgestellt werden. Die Klägerin beantragt das Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses festzustellen, nämlich dass sie im Verhältnis zum beklagten Land eine Pfanderhebungs- und -erstattungspflicht nicht trifft. Eine Feststellungsklage kann "nur unter der Voraussetzung erhoben werden, dass die Anwendung einer Rechtsnorm auf einen bestimmten, bereits übersehbaren Sachverhalt streitig ist". Sie dient "der gerichtlichen Klärung der rechtlichen Beziehungen, die sich aus einem bestimmten Sachverhalt auf Grund einer öffentlich- rechtlichen Regelung für das Verhältnis mehrerer Personen (Rechtssubjekte) untereinander ergeben" (= Rechtsverhältnis).

vgl. Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 23. Januar 1992 - 3 C 50/89, in: NVwZ 1993, 64; Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 8. Juni 1962 - VII C 78.61, in: BVerwGE 14, 235, 236.

Gegenstand einer Feststellungsklage nach § 43 Abs. 1 VwGO kann nur das Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses sein, das durch besondere Umstände hinreichend konkretisiert ist. Die streitigen Beziehungen müssen sich zu einer festen Form verdichtet haben.

Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 7. Mai 1987 - 3 C 53.85, in: BVerwGE 77, 207; vgl. auch Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 13. Januar 1969 - 1 C 86.64 bei Buchholz 310 § 43 Nr. 31.

Anders als das beklagte Land und die Beigeladene meinen, kommt es nicht darauf an, ob das beklagte Land einer Feststellungsklage dieses Recht ausdrücklich oder schlüssig für sich in Anspruch genommen hat oder nicht. Maßgeblich ist allein, ob nach materiellem Recht ein solches Rechtsverhältnis besteht bzw. dies umstritten ist.

Es ist unbestritten, dass derzeit eine Pfand- und Erstattungspflicht der Klägerin noch nicht besteht, weil die sechsmonatige Frist seit der Bekanntgabe der Nacherhebungsergebnisse noch nicht verstrichen ist. Feststellungsfähig sind entgegen der Beigeladenen aber nicht nur gegenwärtige, sondern auch zukünftige Rechtsverhältnisse. Zukünftige Rechtsverhältnisse sind feststellungsfähig, wenn sie schon jetzt konkretisiert, also die maßgeblichen rechtlichen und tatsächlichen Grundlagen gelegt sind.

Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 7. Mai 1987 - 3 C 53.85, in: BVerwGE 77, 207, 211; Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 13. Oktober 1971 - VI C 57.66, in: BVerwGE 38, 346; Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 25. April 1996 - 3 C 8.95, in: BayVBl 1997, 90; Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein- Westfalen, Urteil vom 4. Mai 1994 - 6 A 690/93, in: NVwZ-RR 1995, 98; zustimmend Kopp/Schenke, Verwaltungsgerichtsordnung, 12. Auflage (2000), § 43 Rn. 18; Pietzcker, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, Verwaltungsgerichtsordnung (Stand: Januar 2002), § 43 Rn. 21.

Das Rechtsverhältnis zwischen der Klägerin und dem beklagten Land ist hinreichend konkretisiert. Durch die für sofort vollziehbar erklärte Bekanntmachung der Mehrwegquoten im Bundesanzeiger stehen die am 1. Januar 2003 eintretenden Rechtsfolgen bereits jetzt fest. Das festzustellende Rechtsverhältnis reicht auch schon insofern in die Gegenwart hinein, als die Klägerin bereits jetzt Vorkehrungen treffen muss, um einer evtl. Rücknahme- und Pfandpflicht zum 1. Januar 2003 genügen zu können. Diese Vorkehrungen sind nur durch weit reichende, kaum rückgängig zu machende Investitionsentscheidungen herbeizuführen. Schon deswegen hat die Klägerin bereits heute ein Interesse an der baldigen Feststellung, ob das streitige Rechtsverhältnis besteht oder nicht.

Das Bundesverfassungsgericht hat festgestellt, dass für eine Klage, die sich gegen eine unmittelbar aus der Verpackungsverordnung folgende Pflicht richtet, die Feststellungsklage nach § 43 VwGO statthaft ist, wenn die Norm keines gesonderten Vollzugsakts mehr bedarf und deshalb unmittelbare Wirkung entfaltet.

Bundesverfassungsgericht, 1. Kammer des Ersten Senats, Beschluss vom 3. Juli 2001 - 1 BvR 1472/99, in: DVBl 2001, 1429, 1430; vgl. auch Bundesverfassungsgericht, 1. Kammer des Ersten Senats, Beschluss vom 2. April 1997 - 1 BvR 446/96, in: NVwZ 1998, 169: gegen eine bundesrechtliche Durchführungsverordnung zum Luftverkehr ist die Feststellungsklage nach § 43 VwGO zulässig; dazu Peters, Zur Zulässigkeit der Feststellungsklage (§ 43 VwGO) bei untergesetzlichen Normen, in: NVwZ 1999, 506.

Auch nach der Auffassung des beklagten Landes handelt es sich bei § 9 Abs. 2 Satz 2 VerpackV um eine selbstvollziehende ("selfexecuting") Norm (Schriftsatz des beklagten Landes vom 23. Mai 2002, GA Leitverfahren 17 K 1907/02 Bl. 249). Dem stimmt der Sache nach das Bundesverwaltungsgericht zu, denn nach seinem Beschluss zum Antrag nach § 53 VwGO sind weitere (angreifbare) Vollzugsakte zur Umsetzung der Pfandpflicht nicht von § 9 Abs. 2 Satz 2 VerpackV vorgesehen.

Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 5. Juli 2002 - 7 AV 2.02.

Die Bekanntgabe der Mehrwegquoten ist kein Vollzugsakt in diesem Sinne, also keine gegenüber dem Einzelnen verbindliche Festsetzung von Rechtsfolgen, sondern nur die Feststellung des Tatbestandsmerkmals der sich dann selbst vollziehenden Norm.

Die Feststellungsklage ist außerdem statthaft, weil der Klägerin eine repressive Verfolgung droht, wenn sie ab dem 1. Januar 2003 kein Pfand erhebt. Das Bundesverwaltungsgericht hat erkannt, dass ein Feststellungsinteresse bei drohender repressiver Verfolgung in Fällen zukünftiger Rechtsverhältnisse zu bejahen ist. Dem schließt die Kammer sich an.

Vgl. Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 13. Januar 1969 - 1 C 86.64 bei Buchholz 310 § 43 Nr. 31; Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 7. Mai 1987 - 3 C 53/85, in: BVerwGE 77, 207.

Nach § 15 Nr. 17 VerpackV handelt derjenige, der ein Pfand nicht erhebt oder erstattet, ordnungswidrig im Sinne des § 61 Abs. 1 Nr. 5 KrW-/AbfG. § 61 Abs. 3 KrW-/AbfG droht für diesen Fall eine Geldbuße bis 50.000 Euro an. Die Beigeladene - vertreten durch den Bundesumweltminister - hat mit Schreiben vom 28. März 2002 (Anlage 1 zum Antragsschriftsatz im Eilverfahren 17 L 1916/02) mit "Sanktionen durch die Vollzugsbehörden" gedroht, wenn ein "reibungslos funktionierendes Rücknahmesystem" nicht bis zum 1. Januar 2003 eingerichtet sei. Es ist daher mit der Anwendung der repressiven Instrumente zu rechnen.

Die Feststellungsklage ist auch nicht etwa deswegen unstatthaft, weil der Antrag darauf hinausläuft, dass - als Vorfrage - über die Gültigkeit der einschlägigen Normen der Verpackungsverordnung entschieden werden muss. Der Umstand allein, dass die zu treffende Entscheidung die Überprüfung einer Norm erfordert und in diesem Bereich konkreter Normenkontrolle ihr eigentlicher Zweck liegt, macht die Klage nicht unzulässig. Dem System des verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes kann nicht etwa entnommen werden, dass außerhalb des § 47 VwGO die Überprüfung von Rechtsetzungsakten ausgeschlossen sein soll. Es gehört seit jeher zur richterlichen Prüfungskompetenz, auch die Gültigkeit einer Rechtsnorm, insbesondere ihre Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht zu überprüfen, sofern es für den Ausgang des Rechtsstreits hierauf ankommt. Daran hat sich durch die Zulassung der abstrakten Normenkontrolle in den Fällen des § 47 VwGO nichts geändert.

Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 21. September 1979 - 7 C 7/78, in: BVerwGE 58, 299, 301 (sub. Ziff. 1); Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 28. Juni 2000 - 11 C 13/99, in: BVerwGE 111, 276.

b) Die hilfsweise erhobene Feststellungsklage ist nicht deswegen unzulässig, weil die Feststellung nicht begehrt werden kann, soweit der Kläger seine Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann (§ 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO).

Das in dieser Regelung niedergelegte Subsidiaritätsgebot der Feststellungsklage verfolgt zusammenfassend gesagt zwei Zwecke. Einerseits soll der erforderliche Rechtsschutz auf ein einziges gerichtliches Verfahren konzentriert werden (Grundsatz der Effektivität des Rechtsschutzes). Der Kläger soll kein Feststellungsurteil erwirken, aus dem er später auf Leistung oder Aufhebung klagen muss, wenn er dieses Ziel durch eine andere Klageart sofort erreichen kann.

Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 18. Juli 1969 - 7 C 56.68, in: BVerwGW 32, 333, 335; Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 25. April 1996 - 3 C 8/95, in: NVwZ-RR 1998, 302.

Andererseits soll die Subsidiarität verhindern, dass die für die Anfechtungs- und Verpflichtungsklage geltenden Sonderregelungen über Fristen und Vorverfahren unterlaufen werden.

Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 7. Mai 1987 - 3 C 53/85, in: BVerwGE 77, 207, 211.

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts gilt das Vorrangverhältnis zwischen Leistungs-/Gestaltungsklage und Feststellungsklage aber nicht stets und unbesehen, sondern es ist auf die besondere Interessenlage der Beteiligten besonders Bedacht zu nehmen: "Kann die zwischen den Parteien streitige Frage sachgerecht und ihrem Rechtsschutzinteresse voll Rechnung tragend durch Feststellungsurteil geklärt werden, verbietet es sich, den Kläger auf eine Gestaltungs- oder Leistungsklage zu verweisen, in deren Rahmen das Rechtsverhältnis, an dessen selbstständiger Feststellung er ein berechtigtes Interesse hat, (...) nur Vorfrage wäre."

Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 29. April 1997 - 1 C 2/95, in: NJW 1997, 2534, 2535.

Das beklagte Land und die Beigeladene gehen fehl, wenn sie meinen, dass eine Feststellungsklage wegen Verstoßes gegen § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO nicht statthaft sei, weil die Klägerin gegen die Bekanntmachung der Mehrwegquoten klagen könne.

aa) Eine Klage gegen die Bekanntmachung der Mehrwegquote durch den Bund ist in ihrem Begehren auf etwas qualitativ anderes gerichtet als eine Feststellungsklage gegen das vollziehende Land. Es handelt sich im Begehren um ein aliud, auf das im Verhältnis zur erhobenen Feststellungsklage das Subidiaritätsgebot nicht anwendbar ist.

Das ergibt sich bereits daraus, dass es sich um unterschiedliche Beklagte handelt und damit verschieden weit reichende Entscheidungen ergehen. Ein zwischen dem Bund und der Klägerin ergehendes Urteil würde nur zwischen diesen Bindungswirkung entfalten, § 121 VwGO, nicht zwischen der Klägerin und dem jeweiligen mit dem Vollzug der Verpackungsverordnung betrauten Land.

Da die Anfechtungsklage auf ein anderes Rechtsschutzziel gerichtet ist, kommt dem Zweck der Sicherung der besonderen Voraussetzungen der Anfechtungsklage und der Vermeidung von mehrfachen Klagen in diesem Fall keine eigene Bedeutung zu.

bb) Des Weiteren ist nicht klar, ob das von der Klägerin verfolgte Begehren, nämlich die Feststellung, dass sie aus der Verpackungsverordnung keine Pfandpflichten treffen, bei einer Anfechtungsklage gegen die Bekanntgabe der Ergebnisse der Nacherhebung überhaupt als Vorfrage entschieden würde. Denn es ist sehr gut möglich, dass die Anfechtungsklage aus ganz anderen Gründen Erfolg oder Misserfolg hat, das angerufene Gericht zu dieser Frage also gar nicht Stellung nimmt. Außerdem nähme das zur Vorfrage gefundene Ergebnis nicht an der Rechtskraft der Entscheidung teil.

Zu diesem Einwand vgl. Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 9. Dezember 1982 - 5 C 103.81, in: DVBl 1983, 552 und Sodan, in: Sodan/Ziekow, Verwaltungsgerichtsordnung, Loseblatt (Stand: Februar 2002), § 43 Rn. 123.

Davon abgesehen unterliegt es Zweifeln, ob bei der Klage gegen die Feststellung der Mehrwegquoten auch gerichtlich überprüft wird, ob eine Ermächtigung besteht, die angegriffene Pfandpflicht einzuführen. Nur weil das Oberverwaltungsgericht Berlin eine solche Prüfung im Eilverfahren vorgenommen hat, erscheint dies nicht zwingend. Es begründet die Prüfung der Pfandpflicht im Rahmen des Eilrechtsschutzes gegen die Bekanntgabe der Ergebnisse damit, dass nur dann eine künftige Belastung der Antragsteller durch die Bekanntgabe festgestellt werden könne, wenn die Pfandpflichtregelung wirksam sei.

Oberverwaltungsgericht Berlin, Beschluss vom 20. Februar 2002 - OVG 2 S 6.01, in: DVBl 2002, 630, 631 (rechte Spalte).

Bei der Klage gegen einen feststellenden Verwaltungsakt zu prüfen, ob die Bekanntgabenorm für sich genommen wirksam ist, kann nicht beanstandet werden. Es unterliegt jedoch Zweifeln, ob die Prüfung der Wirksamkeit von Normen, die anknüpfend an den feststellenden Verwaltungsakt weitere Rechtsfolgen anordnen, zu den tragenden Entscheidungsgründen gehört oder nicht vielmehr als obiter dictum zu werten ist. Handelt es sich um ein obiter dictum, nimmt dieses erstens nicht an der Rechtskraft der Entscheidung teil und zweitens kann insofern nicht auf die Anfechtungsklage als der Feststellungsklage vorgängig verwiesen werden.

Würde man den Prüfungsansatz des Oberverwaltungsgerichts Berlin konsequent durchführen, müsste man bei Klagen gegen feststellende Verwaltungsakte die Rechtswirksamkeit aller Normen überprüfen, die an diesen Verwaltungsakt anknüpfen. Ein solches Vorgehen ist nicht nur schlechthin unpraktikabel, sondern überschreitet den Streitgegenstand der erhobenen Klage (ne eat iudex ultra petita partium), die sich nur gegen die Feststellung richtet. Demgemäß hat das Bundesverwaltungsgericht es bei der Entscheidung über eine Klage, die sich gegen die Feststellung der Einwohnerzahl einer Gemeinde richtete, überhaupt nicht in Erwägung gezogen, alle an die Einwohnerzahl der Gemeinde anknüpfenden Rechtsnormen auf ihre Gültigkeit hin zu überprüfen.

Vgl. Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 17. März 1992 - 7 B 24/92, in: DVBl 1992, 1295.

cc) Die vorzunehmende Differenzierung zwischen der Feststellung der Mehrwegquote und den daran anknüpfenden Widerruf der Feststellung nach § 6 Abs. 3 VerpackV übersieht das beklagte Land. Zwar beschreibt es das Rechtsschutzziel der Klägerin zutreffend damit, dass sie ein Wiederaufleben der Pfanderhebungspflichten verhindern will. Es beachtet aber nicht, dass es verwaltungsprozessual verschiedene Wege und Ansatzpunkte gibt, um dieses Ziel zu erreichen. Die Klägerin dieses Verfahrens schlägt einen anderen Weg ein, als es die Antragsteller vor dem Oberverwaltungsgericht Berlin getan haben. Jene wandten sich gegen die Bekanntgabe der Nacherhebungsergebnisse. Diese greifen in einer grundsätzlicheren Art und Weise das Bestehen einer Pfandpflicht überhaupt an.

Unabhängig davon, dass das beklagte Land seine Ansicht nicht auf den Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Berlin stützen kann, erscheinen die Regelungswirkungen, die es der Bekanntgabe beimisst, zu weit gehend. Grundsätzlich sind feststellende Verwaltungsakte solche, durch die rechtserhebliche Eigenschaften in Bezug auf einen Einzelfall verbindlich festgestellt werden sollen,

Stelkens/Stelkens in: Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, 6. Aufl. (2001), § 35 Rn. 142 m. w. N. aus der Literatur.

Das Bundesverwaltungsgericht hat als Regelungsgegenstand eines feststellenden Verwaltungsakts einmal die Verbindlichkeit seiner Feststellung definiert,

Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 17. April 1997 - 3 C 2/95, in: BayVBl 1998, 346.

Hinsichtlich eines Sachverhaltes, bei dem es auch um Zählungen ging (Volkszählung), hat das Bundesverwaltungsgericht erkannt, dass die Bekanntgabe der einer Gemeinde zugeordneten Einwohnerzahl einen feststellenden Verwaltungsakt darstellt, aus dem sich nach seiner Bestandskraft die amtliche Einwohnerzahl ergibt. Regelungsgegenstand war hier nur die verbindliche Feststellung der - künftigen Entscheidungen zugrundezulegenden - Einwohnerzahl.

Vgl. Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 17. März 1992 - 7 B 24/92, in: DVBl 1992, 1295.

Die Besonderheit des feststellenden Verwaltungsakts liegt demzufolge gerade darin begründet, dass sich an seinen Verfügungsausspruch keine vollstreckungsfähigen Rechtsfolgen knüpfen. Er beschränkt sich vielmehr auf die Feststellung der behördlichen Subsumtion. Weiter gehende Rechtsfolgen zu setzen, bleibt Folgemaßnahmen überlassen. Bei der Pfandpflicht handelt es sich aber gerade um vollstreckungsfähige Rechtsfolgen, die von dem Feststellungsverwaltungsakt nicht umfasst werden. Wird die Bekanntgabe der Mehrwegquoten angefochten, ist Streitgegenstand der (isolierte) feststellende Verwaltungsakt, der außer der Verbindlichkeit der in ihm getroffenen Feststellungen keine Rechtsfolgen herbeiführt. Ob aus der Bekanntgabe der Quoten die Betroffenen tatsächlich die Pflicht trifft, ein Pfand zu erheben und zu erstatten, ist eine hiervon zu unterscheidende Frage.

Wäre die Bekanntgabe der Mehrwegquoten auch auf die Herbeiführung der Pfandpflicht gerichtet, würde dies der bundestaatlichen Kompetenzverteilung bei der Ausführung von Bundesrecht (Art. 83 GG) zuwiderlaufen. Nur weil die Verpackungsverordnung die Pfandpflicht von der Mehrwegquote "im Geltungsbereich dieser Verordnung", also im gesamten Bundesgebiet, abhängig macht, konnte das Oberverwaltungsgericht Berlin für diese Feststellungsentscheidung eine ungeschriebene Bundeskompetenz annehmen. Dass auch die Pfandpflicht selbst nur bundeseinheitlich gelten kann, wird nicht einmal von der Verpackungsverordnung vorausgesetzt, wie § 10 VerpackV zeigt, der Regelungen für den Fall vorsieht, dass in bestimmten Ländern ein Pfand zu erheben ist und in anderen nicht.

dd) Durch das den verfassungsrechtlichen Grundsatz der Landesexekutive (Art. 83 GG) durchbrechende Zusammenwirken von Bund und Land bei der Pfandpflicht entsteht die wegen des genannten Grundsatzes ansonsten ungewöhnliche Situation, dass der Betroffene sich sowohl gegen den Bund als auch gegen das Land zur Wehr setzen kann. Hätte das Land auf Grund der Mehrwegquote einen gebundenen Widerrufsverwaltungsakt zu erlassen, würden Zweifel an dessen Anfechtbarkeit nicht bestehen. Auf Grund der Garantie des effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) können solche Zweifel nicht dadurch entstehen, dass durch eine andere Handlungsform als durch Verwaltungsakt, nämlich durch die Anordnung des Eintritts der Rechtsfolgen eines Widerrufs, entschieden wird. Die Zeiten, die einen Verwaltungsakt voraussetzten, um gerichtlichen Rechtsschutz zu eröffnen, sind spätestens seit Einführung des § 40 VwGO beendet. Fehlt es am Verwaltungsakt, ist die Feststellungsklage als Auffangklageart statthaft, wenn keine Leistungs- oder Gestaltungsklage erhoben werden kann.

Soweit in der Literatur vertreten wird, die Subsidiarität greife auch ein, wenn der Kläger sein Prozessziel mindestens ebenso gut mit einer Gestaltungsklage gegen einen Dritten erreichen könne, ist diese Ansicht vereinzelt geblieben.

Kopp/Schenke, Verwaltungsgerichtsordnung, 12. Auflage (2000), § 43 Rn. 26.

Ihre Vertreter haben ihre Ansicht auch weder begründet, noch hat sie in der Rechtsprechung - soweit ersichtlich - Widerhall gefunden. Im Übrigen erscheint es wie dargelegt sehr fraglich, ob im Rahmen einer Anfechtungsklage gegen die Bekanntmachung der Mehrwegergebnisse die von der Klägerin angegriffene Wirksamkeit der Pflichtpfandregelung insgesamt einer Prüfung unterzogen werden muss,

keine Prüfung: Verwaltungsgericht Berlin, Beschluss vom 15. August 2001 - VG 10 A 708.00, Beschlussabdruck Bl. 12.

Ob die Bekanntgabe des Ergebnisses der Nacherhebung gemäß § 9 Abs. 2 Satz 2 VerpackV (auch) auf die Setzung der Rechtsfolge "Widerruf der Feststellung nach § 6 Abs. 3 VerpackV" gerichtet ist und so den betroffenen Herstellern und Vertreibern Rechtsschutzmöglichkeiten eröffnet, braucht aber letztlich nicht entschieden zu werden, weil die Klägerin weiter gehenden Rechtsschutz begehrt, nämlich die Feststellung, dass sie einer Pfand- und Erstattungspflicht nicht unterliegt.

3. Die Klage ist gegen den richtigen Beklagten gerichtet. Gegen wen eine verwaltungsgerichtliche Klage zu richten ist, bestimmt sich nach dem Rechtsträgerprinzip. Für die Anfechtungs- und Verpflichtungsklage findet sich dieser Grundsatz in § 78 VwGO ausformuliert. Er gilt aber auch für die Feststellungsklage nach § 43 VwGO. Sie ist gegen die Rechtspersönlichkeit zu richten, der gegenüber das streitige Rechtsverhältnis positiv oder negativ festgestellt werden soll.

Meissner, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, Verwaltungsgerichtsordnung (Stand: Januar 2002), § 43 Rn. 21, 49.

Deswegen war das Rubrum der Klage in Bezug auf den Hilfsantrag stillschweigend auf den Rechtsträger - das beklagte Land - umzustellen.

a) Unzutreffend meint das beklagte Land, dass die Klage gegen die beigeladene Bundesrepublik Deutschland zu richten ist. Aus § 63 KrW-/AbfG folgt, dass die Landesbehörden für die Durchsetzung der Verpflichtungen aus der Verpackungsverordnung zuständig sind,

vgl. Oberverwaltungsgericht Berlin, Beschluss vom 20. Februar 2002 - OVG 2 S 6.01, in: DVBl. 2002, 630, 640 (linke Spalte), das zutreffend darlegt, dass ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis zum Bund über die Frage, ob eine Pfandpflicht besteht, nicht existiert, da zur Durchsetzung der Verpackungsverordnung die jeweiligen Bundesländer zuständig seien.

Dem stimmt auch die Beigeladene zu: "Wenn ... die Klägerinnen ... die Auffassung vertreten, dass die Landesbehörden für die Durchsetzung der Verpflichtungen aus der Verpackungsverordnung zuständig sind, so ist dies ... für die Zukunft richtig." (GA Leitverfahren 17 K 1907/02 Bl. 659).

Dies entspricht dem Grundsatz der Landesexekutive bei Bundesgesetzen, der in Art. 83 GG niedergelegt ist. Die Verwaltungskompetenz fehlt dem beklagten Land entgegen seiner Ansicht gerade nicht. Für Nordrhein-Westfalen ist in § 34 Abs. 1 des Abfallgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen (AbfG NRW) festgelegt, dass das beklagte Land als oberste Abfallwirtschaftsbehörde zum Vollzug des Abfallrechts zuständig ist. Die Pflicht zur Pfanderhebung und -erstattung obläge der Klägerin damit gegenüber dem beklagten Land Nordrhein-Westfalen.

Hiervon zu unterscheiden ist die Frage, ob der Bund für die Feststellung der Bekanntgabe der bundesweiten Mehrwegquoten zuständig ist. Diese Feststellung ist aber nicht Streitgegenstand dieses Verfahrens, sondern allenfalls eine Vorfrage. Soweit das beklagte Land und die Beigeladene auf die vom Oberverwaltungsgericht Berlin festgestellte Bundeskompetenz für die Feststellung der (bundesweiten) Mehrwegquote verweisen, lassen sie außer Acht, dass das Gericht dem Bund diese Kompetenz nur ausnahmsweise zugesprochen hat. Diese weder in der Verfassung noch im Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz niedergelegte Ausnahmekompetenz lässt sich nicht auf alle Rechtsakte oder Rechtsverhältnisse im Zusammenhang mit §§ 6, 8 f. der Verpackungsverordnung ausdehnen.

b) Die Bedenken, die das beklagte Land und die Beigeladene wegen eventuell abweichender Gerichtsentscheidungen der Länder hegen, mögen aus prozessökonomischen und auch praktischen Erwägungen gerechtfertigt sein. Divergenzen sind aber als Folge des föderalen Staatsaufbaus und des Grundsatzes der Landesexekutive (Art. 83 GG) jedenfalls dann unvermeidbar, wenn Bundesrecht jeweils einzelne (angreifbare) Rechtsverhältnisse zwischen Gesetzesunterworfenem und Land vorsieht. Wie das vom beklagten Land in dieser Sache angerufene Bundesverwaltungsgericht zutreffend erkannt hat, sind Erwägungen der Prozessökonomie nicht in der Lage, Verfassungsnormen - etwa die des gesetzlichen Richters, Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG - außer Kraft zu setzen.

Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 5. Juli 2002 - 7 AV 2.02.

Im Übrigen hat die Verpackungsverordnung (seit ihrem Erlass) den Fall, dass die Pfanderhebungspflicht nicht in allen Bundesländern gilt, bereits vorausgesehen. § 10 in Verbindung mit § 3 Abs. 9 VerpackV regelt diesen Fall ausdrücklich. Danach können Vertreiber, die in einem Bundesland ansässig sind, in dem die Pfandpflicht nach § 8 VerpackV gilt, die Rücknahme und Pfanderstattung für solche Verpackungen verweigern, die aus einem Bundesland ohne Pfandpflicht stammen. Der Verordnungsgeber rechnete also mit der Situation, dass Pfandpflichten nicht bundeseinheitlich gelten.

Schließlich kann auch die Feststellung, dass ein flächendeckendes Abholsystem nach § 6 Abs. 3 VerpackV (Duales System) besteht, nur dann "bundesweit" (genauer: in allen Bundesländern) wirken, wenn jeweils ein entsprechender feststellender Verwaltungsakt der obersten Landesabfallbehörde ergangen ist. Bedenken dagegen, dass eine um ein Vielfaches weitreichendere Entscheidung als die über die Pfandpflicht auf Einweg-Getränkeverpackungen ggfs. von Bundesland zu Bundesland divergieren könnte, sind bislang nicht geäußert worden.

c) Die Klägerin musste die Feststellungsklage auch nicht gegen das Bundesland, in welchem sie ihren Sitz hat, richten. Nach dem allein maßgeblichen Klagegegenstand kommt es nur darauf an, ob ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis zum beklagten Land besteht. Das ist der Fall. Ob daneben auch gegenüber dem Land, in dem die Klägerin ihren Sitz hat, die Pflicht zur Pfanderhebung und -erstattung (= ein weiteres Rechtsverhältnis) besteht, muss in diesem Rahmen nicht entschieden werden.

4. Der Klägerin fehlt nicht das allgemeine Rechtsschutzinteresse. Dass sie bei verschiedenen Verwaltungsgerichten Klage erhoben haben, stellt keine willkürliche oder rechtsmissbräuchliche mehrfache Inanspruchnahme der Justiz dar, sondern ist zwingende Folge des auf Art. 83 GG beruhenden und in § 63 KrW-/AbfG einfachgesetzlich umgesetzten Grundsatzes der Landesexekutive.

Die erhobenen Klagen richten sich jeweils gegen unterschiedliche Beklagte, soweit sie in unterschiedlichen Ländern anhängig sind. Soweit in einem Land mehrere Klagen anhängig sind, unterscheiden sich die jeweiligen Kläger, sodass eine mehrfache Rechtshängigkeit, die § 17 Abs. 1 Satz 2 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) ausschließt, wegen unterschiedlicher Streitgegenstände nicht vorliegt.

Der der Klägerin angediente Weg, gegen die Bekanntmachung der Nacherhebungsergebnisse durch die Bundesregierung vor dem Verwaltungsgericht Berlin zu klagen, ist eine qualitativ andere, aber keine einfachere und effektivere Möglichkeit zur Erreichung des Rechtsschutzziels. Eine solche Klage dürfte zwar auch möglich sein, aber es ist Sache der betroffenen Klägerin darüber zu befinden, in welcher Weise, vor allem mit welcher Reichweite sie gerichtlichen Rechtsschutz sucht.

Der Klägerin steht auch deswegen ein Rechtsschutzinteresse an der Feststellung zu, weil die auf das Pflichtpfand bezogenen Normen der Verpackungsverordnung den Rechtsschein der Gültigkeit tragen und die Beigeladene beständig öffentlich darauf verweist, dass die Pfandpflicht zum 1. Januar 2003 eintrete.

III.

Die Klage ist im Hilfsantrag begründet.

§ 9 Abs. 2 Satz 2 VerpackV liegt keine wirksame Ermächtigungsgrundlage zu Grunde. Die Einführung eines Pflichtpfandes auf Einweggetränkeverpackungen zu dem Zweck, nicht deren Rückgabe sicherzustellen, sondern die bestehenden Mehrwegsysteme zu schützen, ist vom Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz nicht vorgesehen.

Eine belastende rechtliche Regelung - hier die Belastung mit einer Pfandpflicht - muss von einer Ermächtigungsgrundlage gedeckt sein. Das verlangt bereits das in Art. 20 Abs. 3 GG normierte Prinzip vom Vorbehalt des Gesetzes.

Als Ermächtigungsgrundlage kommt nur § 9 Abs. 2 Satz 2 VerpackV in Betracht. Die Beteiligten sind sich darüber einig, dass dessen tatbestandliche Voraussetzungen erfüllt sind. Es kommt deswegen allein auf die Wirksamkeit von § 9 Abs. 2 Satz 2 VerpackV an.

§ 9 Abs. 2 Satz 2 VerpackV ist Teil einer bundesrechtlichen Rechtsverordnung, welche die Bundesregierung erlassen hat. Ob § 9 Abs. 2 Satz 2 VerpackV wirksam ist, richtet sich danach, ob er in der in Anspruch genommenen formellgesetzlichen Ermächtigungsnorm eine Grundlage findet. Denn nach Art. 80 Abs. 1 Satz 1 GG muss die Ermächtigung zum Erlass von Rechtsverordnungen durch "Gesetz", d. h. einzelne parlamentsgesetzliche Bestimmungen erfolgen.

Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 9. Oktober 1968 - 2 BvE 2/66, in: BVerfGE 24, 184, 196.

Nach ihrem Vorspruch ist die Verpackungsverordnung auf Grund der Ermächtigungen in § 6 Abs. 1 Satz 4, § 23 Nrn. 1, 2, 6, § 24 Abs. 1 Nrn. 2, 3, 4, Abs. 2 Nr. 1, § 57, § 59, § 7 Abs. 1 Nr. 3, § 12 Abs. 1 KrW-/AbfG ergangen. Der Inhalt der Verordnung muss von diesen Ermächtigungsgrundlagen gedeckt sein. Die Verordnung kann sich hinsichtlich der Pflichtpfandregelung und damit ihres § 9 Abs. 2 Satz 2 nur auf § 24 Abs. 1 Nr. 2 KrW-/AbfG stützen. Die übrigen zitierten Normen behandeln andere Sachverhalte und scheiden offensichtlich aus.

Oberverwaltungsgericht Berlin, Beschluss vom 20. Februar 2002 - 2 S 6.01, in: DVBl 2002, 630, 635 (rechte Spalte unten). Dem stimmt die Beigeladene zu (GA Leitverfahren 17 K 1907/02 Bl. 666).

§ 24 Abs. 1 Nr. 2 KrW-/AbfG lautet:

"Zur Festlegung von Anforderungen nach § 22 wird die Bundesregierung ermächtigt (...) zu bestimmen, dass Hersteller oder Vertreiber (...) Nr. 2: bestimmte Erzeugnisse zurückzunehmen und die Rückgabe durch geeignete Maßnahmen, insbesondere durch Rücknahmesysteme oder durch Erhebung eines Pfandes, sicherzustellen haben, Nr. 3 (...)"

Ob diese Vorschrift zum Erlass der angegriffenen Verordungsregelung ermächtigt, muss durch Auslegung ihrer Reichweite ermittelt werden. Hierbei ist der Rahmen zu beachten, den Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG dem Erlass von Ermächtigungsnormen setzt. Danach hat der Gesetzgeber einer solchen Norm "Inhalt, Zweck und Ausmaß der erteilten Ermächtigung im Gesetz" selbst zu bestimmen. Tendenz und Programm der Rechtsverordnung sind gesetzlich so weit zu umreißen, dass schon aus der Ermächtigung erkennbar und vorhersehbar ist, was dem Bürger gegenüber zulässig sein soll,

vgl. Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 19. September 2001 - 6 C 13.00, in: DVBl 2002, 479, 480; Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 15. Februar 2001 - 3 C 9/00, in: NJW 2001, 1592, 1593; Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 22. November 2000 - 6 C 8.99, in: BVerwGE 112, 194, 200.

Einerseits richtet sich nach den genannten Anforderungen die Beantwortung der Frage, ob die ermächtigende Norm hinreichend bestimmt und deswegen wirksam ist. Andererseits begrenzt Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG zugleich auch die Reichweite der Verordnungsermächtigung, hier also des § 24 Abs. 1 Nr. 2 KrW-/AbfG. Er verbietet Auslegungen, die über das erkennbare Regelungsprogramm des Gesetzgebers hinausgehen. Solche gesetzgeberischen Festlegungen müssen sich zwar nicht mehr unmittelbar aus Wortlaut ergeben. Sie müssen sich aber nach den allgemeinen Grundsätzen der Auslegung von Gesetzen ermitteln lassen.

Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 19. September 2001 - 6 C 13.00, in: DVBl 2002, 479, 480. Bundesverfassungsgericht, Urteil vom 10. Oktober 1972 - 2 BvL 51/69, in: BVerfGE 34, 52, 60: "Es muss entscheidbar sein, ob die Exekutive als Verordnungsgeber sich innerhalb der gesetzten Grenzen gehalten hat."; zustimmend: Nierhaus, in: Dolzer/Vogel/Graßhof, Bonner Kommentar zum Grundgesetz (Stand: März 2002), Art. 80 Rn. 266.

Der im Rechtsstaatsprinzip und Demokratiegebot wurzelnde Parlamentsvorbehalt gebietet es, in grundlegenden normativen Bereichen, zumal im Bereich der Grundrechtsausübung, alle wesentlichen staatlichen Entscheidungen dem Gesetzgeber zu überlassen.

Bundesverfassungsgericht, Urteil vom 6. Juli 1999 - 2 BvF 3/90, in: DVBl 1999, 1266, 1268; Bundesverfassungsgericht, Urteil vom 6. Juni 1989 - 1 BvR 727/84, in: BVerfGE 80, 124, 132; Bundesverfassungsgericht, Urteil vom 27. November 1990 - 1 BvR 402/87, in: BVerfGE 83, 130, 142.

Das Bundesverwaltungsgericht verdeutlicht diese Anforderungen im Hinblick auf Ermächtigungsnormen für Rechtsverordnungen, wenn es erklärt, dass die Ermächtigung so deutlich gefasst sein muss, dass schon aus ihr, nicht erst aus der ermächtigten Verordnung erkennbar und voraussehbar wird, was vom Bürger verlangt werden kann. Das lasse jedenfalls in der Tendenz keinen Raum für eine eher weite Auslegung der Ermächtigungsnorm.

Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 15. Februar 2001 - 3 C 9/00, in: NJW 2001, 1592, 1593.

Die Beantwortung der Frage, ob der Teilwiderruf der Feststellung nach § 6 Abs. 3 VerpackV durch § 9 Abs. 2 Satz 2 VerpackV von der Ermächtigungsnorm des § 24 Abs. 1 Nr. 2 KrW-/AbfG gedeckt ist, lässt keine isolierte Betrachtung der Widerrufsnorm zu. Diese ist aus sich heraus noch nicht verständlich. Vielmehr ist die Regelung zur Aktualisierung des Pflichtpfandes, das durch das Zusammenspiel verschiedener Normen ausgelöst wird, in ihrer Gesamtheit zu betrachten.

§ 9 Abs. 2 Satz 2 VerpackV bietet keine in sich geschlossene Regelung, sondern ist Teil eines sich über verschiedene Vorschriften der Verpackungsverordnung erstreckenden - rechtstechnisch nicht einfachen - Regelungsmechanismus'. Ausgangspunkt ist § 8 Abs. 1 VerpackV. Er gibt allen Vertreibern, die flüssige Lebensmittel in Einweg-Getränkeverpackungen in Verkehr bringen, auf, ein Pfand von 25 bzw. 50 Cent zu erheben und bei Rückgabe zu erstatten. Nach § 9 Abs. 1 VerpackV gilt jedoch eine Anwendungsausnahme von § 8 VerpackV bei Verpackungen, für die sich der Hersteller oder ein Vertreiber an einem haushaltsnahen Abholsystem für Verpackungen gemäß § 6 Abs. 3 Satz 1 VerpackV beteiligt. Ein solches System stellt die Duales System Deutschland (DSD) AG ("Grüner Punkt") gemäß der Feststellung des beklagten Landes vom 18. Dezember 1992 (MBl. NW. 1993, S. 57) in der Fassung des Änderungsbescheids vom 7. Juli 1994 (MBl. NW. 1994, 1006) auf der Grundlage des § 6 Abs. 3 Satz 11 VerpackV dar. Deswegen gab es bislang keine Pfandpflicht für Einweg-Getränkeverpackungen. Wenn in bestimmten Getränkebereichen die von § 9 Abs. 2 VerpackV festgelegten Mehrweganteile nicht erreicht werden, "gilt die Entscheidung nach § 6 Abs. 3 (...) als widerrufen". Damit fallen die Tatbestandsvoraussetzungen des befreienden § 9 Abs. 1 VerpackV weg. Die latente Pfandpflicht wird aktualisiert.

Es stellt sich die Frage, ob § 24 Abs. 1 Nr. 2 KrW-/AbfG den Verordnungsgeber dazu ermächtigt, bei Unterschreiten einer bestimmten Gesamt-Mehrwegquote eine Pfandpflicht auf Einweg-Getränkeverpackungen zum Schutz der bestehenden Mehrwegsysteme zu begründen. Wendet man auf diese allgemeine Fragestellung konkret die Kriterien an, die gemäß der Rechtsprechung der obersten Gerichte des Bundes aus Art. 80 Abs. 1 GG folgen, ergibt sich Folgendes: Entscheidend ist, ob eine Pfandpflicht mit diesem Schutzzweck und dieser Beschränkung hinsichtlich der betroffenen Getränke in der Ermächtigungsnorm des § 24 Abs. 1 Nr. 2 KrW-/AbfG angelegt und für den Gesetzesunterworfenen erkennbar ist.

Die Frage, ob die Ermächtigungsnormen der § 14 AbfG 1986/§§ 22, 24 Abs. 1 Nr. 2 KrW-/AbfG zu weit reichenden umweltrechtlichen Verordnungen den Anforderungen des Art. 80 Abs. 1 GG genügen, wird verschiedentlich verneint: Friauf, Abfallrechtliche Rücknahmepflichten, in: Baur/Müller-Graff/Zuleeg, Europarecht, Energierecht, Wirtschaftsrecht - Festschrift für Bodo Börner, 1992 S. 701, 711 ff; Aulehner, Einweg-Mehrweg-Irrweg, in: Betriebs-Betrater 1995, Beilage 3, S. 1, 9. Kritisch auch Schink/Schwade, Von der Abfallentsorgung zur Kreislaufwirtschaft, in: Stadt und Gemeinde 1993, 18, 21; Doose, Der Entwurf eines Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes aus kommunaler Sicht, in: Zeitschrift für angewandte Umweltforschung 1992, 450, 453. A. A. Di Fabio, Die Verfassungskontrolle indirekter Umweltpolitik am Beispiel der Verpackungsverordnung, in: NVwZ 1995, 1, 3 f. für die Einführung eines dualen Systems (DSD AG) überhaupt.

1. Wie die Anforderungen, die Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG an die Auslegung einer Ermächtigungsnorm stellt, exakt zu bestimmen sind, kann nicht einheitlich beantwortet werden. Vielfach hat das Bundesverfassungsgericht nicht deutlich zwischen "Inhalt, Zweck und Ausmaß" geschieden, sondern festgestellt, dass die Begriffsinhalte sich gegenseitig ergänzen, durchdringen, erläutern und erst zusammen den vollen Sinngehalt der Norm ergeben.

Bundesverfassungsgericht, Urteil vom 4. Februar 1975 - 2 BvL 5/74, in: BVerfGE 38, 348, 357 f.

Hieraus hat es die bereits angeführten allgemeinen aus Art. 80 Abs. 1 Satz 2 folgenden Auslegungsgrundsätze entwickelt. Gleichwohl hat das Bundesverfassungsgericht in einer jüngeren Entscheidung zur Hennenhaltungsverordnung Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG sehr normtextorientiert - nach Inhalt, Zweck und Ausmaß gegliedert - angewendet.

Bundesverfassungsgericht, Urteil vom 6. Juli 1999 - 2 BvF 3/90, in: DVBl 1999, 1266, 1267.

Ein zwingendes methodisches Prüfprogramm lässt sich also aus Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG nicht ableiten. Es verbleibt vielmehr bei der Erkenntnis, die das Bundesverfassungsgericht bereits im ersten Band seiner Entscheidungssammlung veröffentlicht hat: Eine sachgerechte Anwendung des Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG fordert, dass sie sich an die Eigenart der Regelungsmaterie anpasst.

Bundesverfassungsgericht, Urteil vom 23. Oktober 1951 - 2 BvG 1/51, in: BVerfGE 1, 14, 60 (Leitsatz Nr. 19); kritisch: Ossenbühl, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, Band III (1988), § 64 Rn. 18 a. E.

In wirtschaftsverwaltungsrechtlichen Materien wie hier kann wegen der sachgesetzlich erforderlichen Reaktionsschnelligkeit und der Vielgestaltigkeit abfallwirtschaftlicher Sachverhalte eine großzügigere Betrachtungsweise der Bestimmtheit geboten sein,

vgl. Bundesverfassungsgericht, Urteil vom 12. November 1958 - 2 BvL 4/56, 2 BvL 26/56, 2 BvL 40/56, 2 BvL 1/57, 2 BvL 7/57, in: BVerfGE 8, 274, 321.

Die mögliche Großzügigkeit der Betrachtungsweise nimmt indes mit zunehmender Grundrechtsrelevanz der Maßnahme ab. Je mehr die Eingriffe den Randbereich der Grundrechtsgarantie verlassen und zu ihrem Kerngehalt vordringen, desto bestimmter muss die Ermächtigungsnorm gefasst sein.

Bundesverfassungsgericht, Urteil vom 3. November 1982 - 2 BvL 28/81, in: BVerfGE 62, 203, 210; Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 17. Oktober 1991 - 3 C 45/90, in: BVerwGE 89, 121, 131 f.

2. Dass überhaupt eine Pfandpflicht "Inhalt" einer auf § 24 Abs. 1 Nr. 2 KrW- /AbfG gestützten Rechtsverordnung sein kann, wird bereits aus dessen Wortlaut deutlich: "Erhebung eines Pfandes". Die von Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG geforderte Festlegung des "Ausmaßes" der exekutiven Normsetzungsbefugnisse wird aus der Ermächtigungsnorm weniger deutlich. Modalitäten, Gründe, Anlässe, Reichweite oder Höhe der Pfandpflichten sind nicht näher bestimmt. Das ist jedoch insoweit unschädlich, als § 24 Abs. 1 Einl. KrW-/AbfG auf die Anforderungen nach § 22 KrW- /AbfG verweist und so die Einführung der Pfandpflicht an bestimmte Ziele knüpft, die wiederum der Parlamentsgesetzgeber selbst bestimmt hat. Betroffene Erzeugnisse, Höhe und weitere Modalitäten des Pfandes können der Verwaltung zur näheren Bestimmung überlassen werden, da so die Möglichkeit besteht, Einzelheiten differenziert zu regeln und den sich ggfs. schnell ändernden Bedürfnissen ohne aufwändiges Gesetzgebungsverfahren anzupassen.

Ebenso Beckmann, Rechtsprobleme der Rücknahme- und Rückgabepflichten, in: DVBl 1995, 314, 315.

Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG schreibt weiter vor, dass neben Inhalt und Ausmaß auch der "Zweck" der Ermächtigung zu exekutiver Rechtssetzung in der Delegationsnorm festzulegen ist. Der Zweck wird vielfach als das herausragende Element der Bestimmtheitstrias angesehen, weil er gleichermaßen auf Inhalt und Ausmaß der Ermächtigung ausstrahle,

siehe nur Bryde, in: von Münch/Kunig, Grundgesetz-Kommentar, Band 3, 3. Auflage (1996), Rn. 22 "zentrale Kategorie"; Enquête-Kommission Verfassungsreform 1976, in: BT-Drs. 7/5924 S. 90: Vorschlag, Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG auf "Zweck" zu reduzieren.

Den Sinn der Regelung des Art. 80 Abs. 1 GG - der unter dem Eindruck eines sogar verfassungsändernden Verordnungsgebers in der nationalsozialistischen Diktatur entstand,

Nierhaus, in: Dolzer/Vogel/Graßhof, Bonner Kommentar zum Grundgesetz (Stand: März 2002), Art. 80 Abs. 1, Rn. 1-58, insbes. Rn. 52 ff. -

hat das Bundesverfassungsgericht so zusammengefasst: "Sinn der Regelung des Art. 80 Abs. 1 GG ist es, das Parlament daran zu hindern, sich seiner Verantwortung als gesetzgebende Körperschaft zu entäußern." Speziell zur Gestaltungskompetenz der Verwaltung im Rahmen des Art. 80 Abs. 1 GG hat es wenige Zeilen weiter ausgeführt: "Es gehört im Geltungsbereich des Gesetzesvorbehalts zum rechtsstaatlichdemokratischen Gehalt dieser Vorschrift, dass in einer Verordnung, die auf ihrer Grundlage ergeht und ihrem Grundgedanken entspricht, niemals originärer Gestaltungswille der Exekutive zum Ausdruck kommen darf."

Bundesverfassungsgericht, Urteil vom 8. Juni 1988 - 2 BvL 9/85, 2 BvL 3/86, in: BVerfGE 78, 249, 273 (Hervorhebung durch das Bundesverfassungsgericht).

Der Gestaltungswille eines Normgebers ergibt sich in besonderer Weise aus dem Zweck eines Vorhabens, da alle Einzelregelungen dazu beitragen sollen, ihn zu erreichen.

Der Pflicht, den Zweck der Ermächtigung anzugeben, ist der Gesetzgeber nachgekommen. Er hat die Erhebung eines Pfandes an zwei Zwecke gebunden. Allgemein dürfen nach § 24 Abs. 1 Einl. KrW-/AbfG Rechtsverordnungen - und damit auch die Verpackungsverordnung - nur erlassen werden zum Zwecke der "Festlegung von Anforderungen nach § 22". Speziell zur Pfanderhebung ist in § 24 Abs. 1 Nr. 2 KrW-/AbfG weiter gehend festgelegt, dass der Verordnungsgeber die Hersteller oder Vertreiber bestimmter Erzeugnisse verpflichten kann, dass sie "die Rückgabe ... durch Erhebung eines Pfandes sicherzustellen haben". Das Pfand ist mit der Rückgabesicherstellung verknüpft. Der ermächtigende Gesetzgeber hat das Pfand also (nur) als Mittel dafür angesehen, den Käufern einen starken wirtschaftlichen Anreiz zu bieten, ihr Rückgaberecht - dem eine Rücknahmepflicht der Hersteller und Vertreiber korrespondiert - wahrzunehmen. Das Pfand darf also nur zu dem Zweck vorgesehen werden, die Rückgabequote des Erzeugnisses zu erhöhen oder zu halten.

Verschiedentlich wird betont, dass das Pfandsystem der Sicherstellung der Rückgabe der abgegebenen Erzeugnisse zu dienen hat: Versteyl, in: Kunig/Paetow/Versteyl, Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz, Kommentar, 1998, § 24 Rn. 24/26; Fluck/Fischer, in: Fluck, Kreislaufwirtschafts-, Abfall- und Bodenschutzrecht, § 24 KrW-/AbfG Rn. 84; von Lersner, in: von Lersner u. a., Recht der Abfallbeseitigung (Stand: Mai 2002), § 24 KrW-/AbfG Rn. 27.

Diesem Zweck dient das in §§ 8, 9 VerpackV vorgesehene Pflichtpfand auf Einweg-Getränkeverpackungen indes nicht. Denn es setzt tatbestandlich nicht voraus, dass Einwegverpackungen von Getränken in bestimmtem Umfang von den Konsumenten nicht zurückgegeben werden oder dies zu besorgen ist. Es knüpft überhaupt nicht an Einwegverpackungen, sondern vielmehr an ein gänzlich anderes Erzeugnis an, nämlich an mehrwegverpackte Getränke. Bei diesen spielt auch nicht die Rückgabequote eine Rolle, sondern ihr Marktanteil im jeweiligen Getränkesektor. Die Pfandpflicht auf Einweg-Getränkeverpackungen dient ausweislich der ausdrücklichen Bezugnahme auf den Marktanteil von Getränken in "Mehrwegverpackungen" in §§ 8, 9 Abs. 2 VerpackV dem wirtschaftlichen Schutz des bestehenden Getränkevertriebs in Mehrwegbehältnissen. Hieran ändert auch die

- durch die neu erlassene Verpackungsverordnung vom 21. August 1998 (BGBl I, S. 2379) -

allgemeiner gefasste Überschrift des § 9 VerpackV von "Schutz der Mehrwegsysteme" zu "Schutz von ökologisch vorteilhaften Getränkeverpackungen" und die Wiederholung dieses Begriffs in § 9 Abs. 3, 4 VerpackV nichts. Dadurch, dass der Verordnungsgeber das Pflichtpfand eingeführt hat, um die bestehenden Mehrwegvertriebssysteme möglichst davor zu schützen, unter einen Marktanteil von 72 % zu fallen, verfolgt er einen eigenen politischen Gestaltungswillen, den zu betätigen ihm die Verfassung aber durch Art. 80 Abs. 1 GG versagt. Wie die öffentliche Diskussion um die Wirksamkeit oder ökologische Sinnhaftigkeit eines Pflichtpfandes und möglicher Alternativen zeigt, kommen viele unterschiedliche Wege zur Zielerreichung in Frage. Hierzwischen zu wählen und insofern gestaltend in den Getränkemarkt und damit zugleich in die Berufsfreiheit der an ihm Beteiligten einzugreifen, ist Sache des parlamentarischen Gesetzgebers und nicht der Verwaltung. Der Gesetzgeber hätte in der Verordnungsermächtigung zum Ausdruck bringen müssen, dass er den Schutz der bestehenden Mehrweg- Getränkevertriebsform unter den verschiedenen Möglichkeiten, die abfallwirtschaftlichen Zwecke zu erreichen, als so vorzugswürdig ansieht, dass den konkurrierenden Einweg-Vertriebsformen gerade zur Erreichung dieses Schutzzweckes besondere Nachteile aufgebürdet werden dürfen. Einen derartigen gesetzgeberischen Gestaltungswillen zum Schutz der bestehenden Mehrwegsysteme hat das Parlament indes nicht betätigt, indem es die Verwaltung nur ermächtigte, in einer Verordnung zu bestimmen, "dass Hersteller oder Vertreiber ... die Rückgabe ... durch Erhebung eines Pfandes sicherzustellen haben ...".

3. Dass die Pfandpflicht auf Einweggetränkeverpackungen allein dem wirtschaftlichen Schutz der bestehenden Mehrwegsysteme dienen und nicht die Rückgabe der Einwegverpackungen an die Hersteller/Vertreiber sichern soll, bestätigen die Materialien zu den beiden bisherigen Verpackungsverordnungen von 1991 und 1998.

Begründung der Verpackungsverordnung 1991 durch die Bundesregierung: "Zum Schutz der bestehenden Mehrwegsysteme bei Massengetränken gibt es keine Freistellung ..., wenn die bestehenden Anteile der Mehrwegsysteme unter bestimmte Bestandsgrenzen fallen.", in: BR-Drs. 817/90 S. 3, 31 (allgemein), S. 57 (speziell zu § 9)

Begründung der Bundesregierung zum Entwurf einer Verpackungsverordnung von 1996 (vom Bundesrat später abgelehnt): "Absatz 2 Satz 2 soll ... insbesondere sicherstellen, dass die in der Bundesrepublik Deutschland als auch in den einzelnen Bundesländern bestehenden Mehrwegsysteme für Massengetränke nicht über die Einrichtung dualer Systeme destabilisiert werden.", in: BR-Drs. 992/96 S. 24.

Begründung der Bundesregierung zum Entwurf einer Verpackungsverordnung von 1998 (beschlossen): "Absatz 2 Satz 2 soll ... insbesondere sicherstellen, dass die in der Bundesrepublik Deutschland als auch in den einzelnen Bundesländern bestehenden Mehrwegsysteme für Massengetränke nicht über die Einrichtung dualer Systeme destabilisiert werden.", in: BT-Drs. 13/10943 S. 27.

Der wirtschaftliche Schutz der überkommenen Mehrwegvertriebsformen soll dadurch erreicht werden, dass die spezifischen Nachteile der Mehrwegvertriebsform auch der Einwegvertriebsform auferlegt werden.

Der Hauptnachteil von Mehrwegverpackungen besteht darin, dass der Käufer die geleerte Verpackung nicht einfach zum Hausmüll geben kann, wenn er den eingesetzten Pfandbetrag zurückerhalten will. Er muss sich zu einer Rücknahmestelle bemühen, die Verpackung dort abgeben und erhält erst dann den Pfandbetrag zurück. Der zweite Nachteil, den die bestehenden Mehrwegsysteme aufweisen, besteht darin, dass die so vertriebenen Getränke auf den ersten Blick teurer sind als die einwegverpackten Konkurrenzprodukte, weil der reine Produktpreis auf der Preisauszeichnungstafel mit dem Pfandbetrag zu einem Gesamtpreis addiert wird. Da das Pflichtpfand betragsmäßig höher liegt als das (freiwillig) erhobene Mehrwegpfand, würden Getränke in Einwegverpackungen im Vergleich sogar noch teurer wirken.

Kurz gesagt soll der Kauf eines einwegverpackten Getränks mit der Einführung des Pflichtpfandes genauso unbequem und (scheinbar) teuer werden wie der Kauf eines Getränks in einem Mehrwegbehältnis.

So auch die beigeladene Bundesrepublik Deutschland, GA Leitverfahren 17 K 1907/02 Bl. 649-651, insbes. Bl. 650.

Der Verordnungsgeber erhofft sich offensichtlich von dieser Maßnahme, dass die Verbraucher von ihren geänderten Konsumgewohnheiten - die erst ein Absinken der Mehrwegquote unter den Wert von 1991 verursacht haben - abrücken und wieder vermehrt Produkte der klassischen Mehrwegvertriebsform wählen. Ob die Mehrwegvertriebsform tatsächlich ökologisch generell den Einwegverpackungen vorzuziehen ist, wird unter Sachverständigen kontrovers diskutiert. Der Streit muss im Rahmen dieses Verfahrens nicht entschieden werden. Hingewiesen sei lediglich darauf, dass der vom Verordnungsgeber selbst eingesetzte Rat von Sachverständigen für Umweltfragen in seinem Umweltgutachten 2002 (erneut) festgestellt hat, dass "sich nach den zwischenzeitlich verfügbaren Ökobilanzen eine ökologische Überlegenheit von Mehrwegsystemen nicht in allen Fällen belegen" lässt.

Rat von Sachverständigen für Umweltfragen, in: BT-Drs. 14/8792 S. 410 (Tz. 961).

Ob die Getränkekäufer tatsächlich wieder vermehrt zum mehrwegverpackten Getränk greifen oder der Handel die Pfandsystemkosten durch verstärkte Absatzbemühungen im Bereich der Einweggetränke zu Lasten der Mehrwegsysteme wieder hereinzuholen versuchen wird, bleibt ungewiss.

Verhältnismäßig sicher ist demgegenüber, dass auf Straßen, Wegen, Plätzen und in der freien Natur die achtlos weggeworfenen Getränkeverpackungen ("littering") stark zurückgehen würden, soweit sie pfandpflichtig sind. Erstens würden wegen des Pfandwerts weniger Käufer die Verpackungen fortwerfen. Zweitens würden sich zahlreiche Dritte (z. B. Kinder) finden, die die weggeworfenen Verpackungen einsammeln und das Pfand auslösen. Hierdurch würde - gewissermaßen nebenbei - der in § 24 Abs. 1 Nr. 2 KrW-/AbfG niedergelegte Zweck der Pfandpflicht, nämlich die Rückgabe der Verpackungen zu sichern, für einen (vermutlich kleinen) Teil der verkauften Verpackungen tatsächlich erreicht. Da aber aus §§ 8, 9 VerpackV klar hervorgeht, dass allein der Schutz der bestehenden Mehrwegsysteme Zweck der Pfanderhebung ist, handelt es sich hierbei nur um einen Reflex der Pfandpflichtanordnung, nicht aber um seinen Zweck.

Die Regelung des Pflichtpfandes für Einweggetränkeverpackungen entspricht im Zusammenspiel von § 8 und (nur) § 9 Abs. 1 VerpackV dem Zweck der Ermächtigungsgrundlage. Wenn nämlich ein haushaltsnahes Abholsystem für Verkaufsverpackungen im Sinne des § 6 Abs. 3 VerpackV nicht festgestellt werden kann, besteht zumindest die begründete Befürchtung, dass die Rückgabe der Getränkeverpackungen an Hersteller/Vertreiber nicht in dem gebotenen Umfang erfolgt. In dem Fall stellt ein Pfand die Rückgabe sicher. Existiert allerdings ein nach § 6 Abs. 3 Satz 11 VerpackV festgestelltes System und beteiligen sich Getränkehersteller und -vertreiber hieran, spricht alles dafür, dass die Rückgabe der Getränkeverpackungen über das System umfänglich erfolgt. Andernfalls könnte es die Verwertungsquoten, die im Anhang I zu § 6 VerpackV genannt sind, kaum erreichen. Weder das beklagte Land noch die Beigeladene tragen vor, dass Einweggetränkeverpackungen ungenügend zurückgegeben werden. In diesem Fall kann eine Pfandpflicht keine wesentlich höhere Rückgabequote "sicherstellen". § 9 Abs. 2 VerpackV pfropft der in sich stimmigen und dem gesetzlichen Ermächtigungszweck entsprechenden Verordnungsregelung mit dem Mehrwegschutz nun einen weiteren Zweck auf. Er knüpft dabei weder an die tatsächliche Rückgabequote von Einweggetränkeverpackungen an, noch will § 9 Abs. 2 Satz 2 VerpackV sie erhöhen. Der Schutz der Marktanteile der Mehrwegvertriebssysteme ist aber nicht vom Ermächtigungszweck des § 24 Abs. 1 Nr. 2 KrW-/AbfG gedeckt.

4. Von einem solchen Ermächtigungszweck ging auch der historische Gesetzgeber ausweislich der Materialien zum Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz nicht aus. Auf das Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz (und nicht das frühere Abfallgesetz 1986, unter dessen Geltung die erste Verpackungsverordnung von 1991 erlassen wurde) kommt es entscheidend an, weil die Verpackungsverordnung am 21. August 1998 unter Geltung des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes neu erlassen wurde und die Verpackungsverordnung von 1991 aufgehoben wurde,

§ 17 Satz 2 VerpackV 1998: "Mit Inkrafttreten dieser Verordnung tritt die Verpackungsverordnung vom 12. Juni 1991 (BGBl. I S. 1234) außer Kraft".

Die Begründung der Bundesregierung zum heutigen § 24 KrW-/AbfG erschöpft sich in folgender Aussage: "Hier werden die bewährten Regelungen der Rücknahmepflichten aufgegriffen und um die Möglichkeit der Verordnung einer Rückgabepflicht ergänzt."

Gesetzentwurf der Bundesregierung, in: BT-Drs. 12/5672 S. 47.

Zu den gesamten Ermächtigungsregelungen in den heutigen §§ 22 bis 24 KrW- /AbfG führte die Bundesregierung vorangestellt zusammenfassend aus: "Es werden in §§ 20 ff. KrW-/AbfG vor allem die Voraussetzungen und Rahmenbedingungen für die Anordnung von Rücknahme- und Rückgabepflichten für Hersteller/Vertreiber und Konsumenten durch Rechtsverordnung auf Grund der bisherigen Erfahrungen mit dem Erlass von Rechtsverordnungen nach § 14 AbfG konkretisiert."

Gesetzentwurf der Bundesregierung, in: BT-Drs. 12/5672 S. 32.

Der Bundesrat hatte noch im Gesetzgebungsverfahren kritisiert, dass die Produktverantwortungen, die im heutigen § 22 KrW-/AbfG niedergelegt sind, in den Verordnungsermächtigungen nicht hinreichend zum Ausdruck kommen, sondern alle materiellen Inhalte auf die exekutive Ebene verlagert werden: "Die zur Konkretisierung des § 20 gedachten §§ 21 und 22 vermögen ebendies nicht zu leisten, verschieben sie doch die wesentlichen materiellen Inhalte einer Produktverantwortung in von der Bundesregierung zu erlassende Rechtsverordnungen.",

Bundesrat zu §§ 20 bis 22 E-KrW-/AbfG, in: BT-Drs. 12/5672, S. 72.

Auch die Sachverständigen, die in den Ausschussberatungen zur Vorgängernorm des § 14 Abfallgesetz 1986 gehört worden waren, hatten auf diese fehlende gesetzliche Vorgabe hingewiesen. Der Bericht des Innenausschusses des Bundestages teilt dazu mit: "In Sachverständigenanhörungen wurde bemängelt, dass genaue gesetzliche Vorgaben in der VO-Ermächtigung fehlen, insbesondere zu Einweg-/Mehrweggebinden."

Beschlussempfehlung und Bericht des Innenausschusses zum Entwurf des Abfallgesetzes von 1986, in: BT-Drs. 10/5656 S. 43.

Die Bedenken wies die Bundesregierung im Gesetzgebungsverfahren zum Erlass des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes zurück mit der Gegenäußerung: "Die Bundesregierung ist nicht bereit, die Regelungen der §§ 21 und 22 zu reduzieren, da sie weit gehend bereits dem geltenden § 14 AbfG entsprechen und im Wesentlichen eine Verbesserung der Ermächtigung für Rücknahmeverpflichtungen für Altprodukte beinhalten."

Gegenäußerung der Bundesregierung, in: BT-Drs. 12/5672 S. 123.

Die Gesetzesmaterialien zeigen, dass die gesetzgebenden Körperschaften sich beim Erlass der Ermächtigungsgrundlagen der derzeit geltenden Verpackungsverordnung mit der Frage, ob auf Einwegverpackungen ein Pfand erhoben werden darf, um bestehende Mehrwegsysteme zu schützen, nicht befasst haben. Sie haben lediglich auf § 14 des Abfallgesetzes in der Fassung von 1986 verwiesen. Dieser lässt nach seinem - dem § 24 Abs. 1 Nr. 2 KrW-/AbfG sehr ähnlichen - Wortlaut aber auch keinen Rückschluss darauf zu, dass er zu einer Pfandeinführung zu diesem Zweck ermächtigen sollte. § 14 Abfallgesetz in der vom 1. November 1986 geltenden Fassung lautete in seiner hier entscheidenden Passage: "... kann die Bundesregierung bestimmen, dass bestimmte Erzeugnisse, insbesondere Verpackungen und Behältnisse ... Nr. 3: nach Gebrauch zurückgenommen werden müssen und dass die Rückgabe durch geeignete Rücknahme- und Pfandsysteme sichergestellt werden muss."

Auch die Materialien zu § 14 AbfallG 1986 lassen ebenfalls nicht den Schluss darauf zu, dass ein Pflichtpfand mit der in der Verpackungsverordnung niedergelegten Zwecksetzung auf seiner Grundlage solle erhoben werden können. Es heißt vielmehr in der Einzelbegründung der Bundesregierung zum Entwurf des § 14 Abs. 1 Nr. 4b AbfG 1986: "Maßnahmen nach Absatz 1 Nr. 4 Buchstabe b sind in Betracht zu ziehen, wenn die Rückführung von Verpackungen und Behältnissen nicht möglich ist. Pfandpflichten für wiederverwendbare Verpackungen und Behältnisse können erwünscht sein, um den Rücklauf von Mehrwegflaschen zum Abfüllen zu Gewähr leisten."

Gesetzentwurf der Bundesregierung, in: BT-Drs. 10/2885 S. 18 (Hervorhebung durch das Gericht).

Der Gesetzgeber des § 14 AbfG, dessen Regelungen der Gesetzgeber der §§ 22 bis 24 KrW-/AbfG übernehmen wollte, sah also nur ein Pfand für wiederverwendbare Verpackungen, nicht für Einwegverpackungen vor. Hinweise auf eine Bepfandungsmöglichkeit zum Zwecke des wirtschaftlichen Mehrwegschutzes sind nicht erkennbar.

Vgl. dazu Backes, Das neue Abfallgesetz des Bundes und seine Entstehung, in: DVBl 1987, 333, 337 f.

5. Eine erweiternde Auslegung des § 24 Abs. 1 Nr. 2 KrW-/AbfG hinsichtlich seines Ermächtigungszwecks kommt nicht in Betracht. Die Sanktionierung einer Vertriebsform mit einem Pflichtpfand stellt bereits einen nicht ganz unbeachtlichen Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit des Art. 12 GG dar.

Eine Verletzung mindestens des Art. 12 GG bei pauschaler Bevorzugung der Mehrwegvertriebsform vor Einwegverpackungen erblicken: Papier, Mehrwegkampagnen der Kommunen in öffentlichrechtlicher Beurteilung, in: VerwArch Bd. 84 (1993), S. 417, 436; Arndt/Fischer, Das Zwangspfand für Getränkeverpackungen - Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz und Europäischem Gemeinschaftsrecht, in: Betriebs-Berater 2001, 1909, 1914; Aulehner, Einweg- Mehrweg-Irrweg, in: Betriebs-Betrater 1995, Beilage 3, S. 1, 9-13.

Wenn dieser Eingriff mit der Zielrichtung erfolgt, eine unmittelbar konkurrierende Vertriebsform auf einem Marktanteil zu halten, der nach kartellrechtlichen Grundsätzen als marktbeherrschend im Sinne des § 19 Abs. 3 Nr. 2 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) einzustufen wäre, handelt es sich um einen so erheblichen Eingriff, dass über ihn nach der Wesentlichkeitsrechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts durch den parlamentarischen Gesetzgeber entschieden werden muss. Diesem käme dann auch die Gestaltungsbefugnis hinsichtlich der wesentlichen Frage zu, ab welchem Marktanteil in etwa die Mehrwegsysteme geschützt werden sollen. Die von der Verpackungsverordnung gesetzten 72 % folgen ausweislich der Gesetzgebungsgeschichte keiner sachlich begründeten Notwendigkeit, sondern schreiben nur die im Jahr 1991 - dem Jahr des Erlasses der ersten Verpackungsverordnung - vorgefundenen Verhältnisse fort. Es handelt sich bei der Frage, ab welchem Marktanteil Schutzmaßnahmen zu Gunsten einer Vertriebsform zu ergreifen sind, aber um ein ganz entscheidendes Moment, sodass der Gesetzgeber zumindest die Größenordnung vorgeben muss, ab der die Eingriffsschwelle überschritten ist.

Eine Pfandvorschrift, die genau dem in § 24 Abs. 1 Nr. 2 KrW-/AbfG zum Ausdruck kommenden Zweck der Rückgabesicherung dient, findet sich beispielsweise in § 6 Abs. 1 der Verordnung über die Rücknahme und Entsorgung gebrauchter Batterien und Akkumulatoren vom 2. Juli 2001, BGBl I S. 1486 (BattV). Danach muss der Vertreiber von Autobatterien (so genannte "Starterbatterien") ein Pfand erheben, wenn der Endverbraucher im Zeitpunkt des Kaufs keine gebrauchte Starterbatterie zurückgibt.

6. Soweit die Kammer eine fehlende Ermächtigungsgrundlage für die Einführung der Pfandpflicht zu dem in der Verpackungsverordnung normierten Zweck feststellt, folgt sie nicht der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren gegen die Bekanntgabe der Mehrwegquoten vom Oberverwaltungsgericht Berlin geäußerten Ansicht. Das Oberverwaltungsgericht Berlin war im Eilrechtsschutz der Auffassung gewesen, dass die Einführung eines Pflichtpfandes zur Stützung des Marktanteils von Mehrwegvertriebsformen durch die Verpackungsverordnung von § 24 Abs. 1 Nr. 2 KrW-/AbfG gedeckt sei,

Oberverwaltungsgericht Berlin, Beschluss vom 20. Februar 2002 - 2 S 6.01, in: DVBl 2002, 630, 635 f.

Die erkennende Kammer lässt insoweit offen, ob das Oberverwaltungsgericht Berlin überhaupt Anlass hatte, im Rahmen eines Antrages, der sich nur gegen den feststellenden Verwaltungsakt der Bekanntgabe der Mehrwegquoten durch den Bund richtete, die von der Feststellungswirkung verschiedenen, später eintretenden Rechtsfolgen und deren Ermächtigungsgrundlage zu prüfen.

Das Berliner Oberverwaltungsgericht befasst sich - dem Eilcharakter seiner Entscheidung entsprechend - jedoch weder mit den Anforderungen des Art. 80 Abs. 1 GG noch mit den Materialien zur Verpackungsverordnung, zum Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz oder zum Abfallgesetz 1986. Es behandelt vielmehr nur den Einleitungssatz von § 24 Abs. 1 KrW-/AbfG, der u. a. auf § 22 Abs. 2 Nr. 1 KrW-/AbfG (irrtümlich im Beschluss als Nr. 2 bezeichnet) verweist, und den Einsatz mehrfach verwendbarer Erzeugnisse als zur Produktverantwortung gehörend ansieht. Dazu ist gegen die Meinung der Beigeladenen festzustellen, dass die Produktverantwortung aus § 22 Abs. 1 KrW-/AbfG - die dessen Absatz 2 näher definiert - nach dem Gesetzeswortlaut nur denjenigen trifft, der "Erzeugnisse entwickelt, herstellt, be- und verarbeitet oder vertreibt". Im Zusammenspiel von § 22 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 KrW-/AbfG bedeutet dies, dass hiernach verordnet werden kann (vgl. § 22 Abs. 4 Satz 1 KrW-/AbfG), dass für bestimmte Erzeugnisse nur Mehrwegverpackungen zulässig sein sollen. Das Pflichtpfand aus der Verpackungsverordnung trifft aber keine Mehrwegverpackungen, sondern nur Einweg-Getränkeverpackungen.

Selbst wenn man dem Oberverwaltungsgericht Berlin und seiner in der Eilentscheidung geäußerten Auffassung, dass die Pfandpflicht die Produktverantwortung nach § 22 Abs. 1 KrW-/AbfG konkretisiere, folgt, bleibt die besondere Zweckbestimmung in § 24 KrW-/AbfG bestehen. § 24 Abs. 1 Nr. 2 KrW- /AbfG gibt für die Einführung einer Pfandpflicht zusätzlich zu § 24 Abs. 1 Einl. KrW- /AbfG eine spezielle Zweckbestimmung vor: die Sicherstellung der Rückgabe (der mit einem Pfand zu belegenden Verpackung).

Vgl. Versteyl, in: Kunig/Paetow/Versteyl, Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz, Kommentar, 1998, § 24 Rn. 24 ff., insbesondere Rn. 26.

Die Sicherstellung der Rückgabe ist mit der Pfandregelung in §§ 8, 9 VerpackV aber nicht bezweckt, sondern ausweislich der Tatbestandsvoraussetzungen und der Entstehungsgeschichte der Schutz der bestehenden Mehrwegsysteme.

Angesichts der sich aus dem Bestimmtheitsgebot des Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG ergebenden Folgerungen kann die Produktverantwortung nach § 22 KrW-/AbfG - zu deren Konkretisierung die nach § 24 KrW-/AbfG erlassenen Verordnungen unter anderem dienen sollen - nicht auf "fremde" Produkte ausgedehnt werden. Den Hersteller und Vertreiber von einwegverpackten Getränken trifft keine Produktverantwortung insofern, dass er dafür Sorge zu tragen hat, dass weniger von seinem und mehr von konkurrierenden mehrwegverpackten Produkten gekauft wird. Wie sich aus der beispielhaften ("insbesondere") Reihung in § 22 Abs. 2 KrW-/AbfG ergibt, trifft die Produktverantwortung (die stets erst durch eine Rechtsverordnung konkretisiert werden muss, § 22 Abs. 4 KrW-/AbfG) denjenigen, der irgendwie am Inverkehrbringen eines bestimmten Erzeugnisses beteiligt ist. Der so Beteiligte muss beispielsweise Erzeugnisse herstellen, die geeignet sind, mehrfach verwendet zu werden und die technisch langlebig sind (§ 22 Abs. 2 Nr. 1 KrW-/AbfG), er muss bei der Herstellung vorrangig verwertbare Abfälle verwenden (§ 22 Abs. 2 Nr. 2), er muss seine schadstoffhaltigen Erzeugnisse kennzeichnen (§ 22 Abs. 2 Nr. 3) und so fort. Stets treffen ihn also besondere Pflichten in Bezug auf genau das Produkt, um dessen Herstellung/Verkauf/Inverkehrbringen/ Rücknahme es geht, an dem er "beteiligt" ist. Aus der beispielhaften Aufzählung der Produktpflichten in § 22 Abs. 1, 2 i. V. m. § 24 Abs. 1 Einl. KrW-/AbfG ist nicht ohne Verstoß gegen die dargelegten Grundsätze des Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG ableitbar, dass die Produktverantwortung umfasst, das Inverkehrbringen des eigenen Produkts zum Zweck des Schutzes eines anderen Produkts zu erschweren (indem ein Pfand zu erheben/erstatten ist). Leitgedanke der Produktverantwortung, der in § 22 Abs. 1, 2 KrW-/AbfG, aber auch in den Verordnungsermächtigungen der §§ 23, 24 KrW-/AbfG zum Ausdruck kommt, ist, dass das in Verkehr gebrachte Erzeugnis abfallwirtschaftlich so unbedenklich wie möglich zu gestalten und zu handhaben ist. Die Produktverantwortung kommt aber nicht dergestalt zum Ausdruck, dass einem Erzeugnis gezielt Vertriebsnachteile zugefügt werden dürfen, deren Anwendung von den Marktanteilen einer konkurrierenden Vertriebsform abhängt. Jedes Erzeugnis - so folgt aus §§ 22 Abs. 2, 23, 24 KrW-/AbfG - darf immer dann uneingeschränkt in Verkehr gebracht werden, wenn mit seinen Rückständen im Einklang mit den abfallwirtschaftlichen Zielen des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes verfahren wird oder verfahren werden kann. Sogar bei gefährlichen Erzeugnissen findet nur eine Betrachtung des Erzeugnisses selbst statt. Die Indienstnahme eines Erzeugnisses zur Förderung/Absatzstabilisierung eines anderen ist in den §§ 22 ff. KrW-/AbfG nicht vorgesehen.

7. Da der Klage im Hilfsantrag wegen fehlender Ermächtigungsgrundlage stattzugeben ist, trifft das Gericht keine Feststellungen zu den aufgeworfenen Fragen, ob ein Verstoß gegen Grundrechte (Art. 3, 12, 14 GG) vorliegt, das Mehrwegvertriebssystem dem Einwegsystem generell oder unter bestimmten Bedingungen aus ökologischen Gründen vorzuziehen ist, die Feststellung der Mehrwegquoten rechtmäßig ist oder die Pfandpflichtregelung mit europäischem Recht vereinbar ist.

IV.

1. Wegen der rechtsgrundsätzlichen Bedeutung der Sache ist nach § 124a Abs. 1 VwGO die Berufung zugelassen. Die Einlegung der Revision unter Übergehung der Berufungsinstanz (Sprungrevision) ist gemäß § 134 Abs. 1 Satz 1 VwGO ebenfalls zuzulassen, weil nicht um Tatsachen-, sondern nur um Rechtsfragen gestritten wird und die Sache grundsätzliche Bedeutung hat.

2. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 155 Abs. 1, 154 Abs. 3 VwGO. Dabei war bei der Ermittlung der Kostenverteilung mit Blick auf § 19 Abs. 1 Satz 3 GKG das Unterliegen des beklagten Landes bezüglich des wertmäßig gleichwertigen Hilfsantrages maßgeblich;

Olbertz, in: Schoch/Schmidt-Aßmann, Verwaltungsgerichtsordnung (Stand: Januar 2002), § 155 Rn. 4; Neumann, in: Sodan/Ziekow, Kommentar zur Verwaltungsgerichtsordnung (Stand: Dezember 2001), § 155 VwGO Rn. 54.

Die Vollstrecksbarkeitsentscheidung folgt aus § 167 Abs. 1 VwGO i. V. m. § 709 Sätze 1, 2 ZPO.