OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 20.08.2002 - 15 A 1031/01
Fundstelle
openJur 2011, 18296
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • vorher: Az. 9 K 10024/99
Tenor

Das angefochtene Urteil wird geändert:

Der Kanalanschlussbeitragsbescheid des Beklagten vom 13. September 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Oktober 1999 wird aufgehoben.

Die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge trägt der Beklagte.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Vollstreckungsgläubigerin vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Hauptbeteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit eines Kanalanschlussbeitragsbescheides für das Grundstück L. straße 69 und 71 in L. (Gemarkung H. , Flur 15, Flurstück 514). Das Grundstück stand früher im Eigentum der M. und Sohn GmbH & Co. Wohnbau KG (im Folgenden: M. KG). Mit Vertrag vom 23./31. Juli 1991 schlossen die M. KG und die Stadt L. einen Erschließungsvertrag, in dem sich die M. KG verpflichtete, näher bezeichnete Erschließungsanlagen im eigenen Namen und auf eigene Rechnung zu erstellen und der Stadt L. zu übergeben. Dazu zählte u.a. auch die heutige Straße 'An den I. und der dort verlegte Mischwasserkanal. Das Grundstück L. straße 69 und 71 liegt an einer Abzweigung dieser Straße. Unter der Überschrift "Freistellung von Beiträgen" heißt es in § 9 des Vertrages:

"1. Nach Erfüllung des Vertrages durch den Bauträger wird die Stadt für die Grundstücke, die durch die Planstraße A und B erschlossen werden, einen Erschließungsbeitrag nach §§ 127 ff. BauGB und der gemeindlichen Satzung nicht erheben, sofern die Grundstücke ausschließlich durch die Planstraße A und B erschlossen werden.

2. Die Vertragschließenden sind sich darüber einig, dass die Stadt für die durch den Bau des Kanals entwässerungsmäßig erschlossenen Grundstücke des Bauträgers Kanalanschlussbeiträge nach der Beitragssatzung zur Entwässerungssatzung der Stadt L. in der jeweils geltenden Fassung nur insoweit erhebt, als die Aufwendungen des Bauträgers für die Herstellung des Kanals - ohne die Kosten der Grundstücksanschlussleitungen - niedriger sind, als die satzungsgemäß zu erhebenden Kanalanschlussbeiträge für die o.g. Grundstücke des Bauträgers.

3. Kanalanschlussbeiträge von Fremdanliegergrundstücken, die durch den vom Bauträger herzustellenden Kanal erstmalig entwässerungsmäßig erschlossen werden, werden dem Bauträger erstattet, jedoch höchstens in Höhe der Differenz zu den von ihm für seine Grundstücke zu zahlenden Beiträgen und den von ihm prüffähig nachgewiesenen Herstellungskosten des Kanals, abzüglich des auf die Oberflächenentwässerung der Erschließungsanlage entfallenden Anteils und der Kosten der Haus- und Grundstücksanschlüsse.

4. Die Erstattung der Kanalanschlussbeiträge nach Ziffer 3 erfolgt nach Rechtskraft der Heranziehungsbescheide und Eingang der Beiträge bei der Stadtkasse. Sofern mit den Zahlungspflichtigen Ratenzahlungsvereinbarungen getroffen werden, erfolgt die Erstattung der Raten halbjährlich."

Das Grundstück L. straße 69 und 71 wurde Ende 1995/Anfang 1996 an den Mischwasserkanal in der Straße 'An den I. angeschlossen. Mit Schreiben vom 4. März 1999 erklärte der Beklagte die Übernahme der Erschließungsanlage 'An den I. .

Zwischenzeitlich war die M. KG am 31. Mai 1992 in Konkurs gefallen. Mit Vertrag vom 30. November 1992/1. Februar 1993 zwischen der Bauherrengemeinschaft L. -H. (im Folgenden: BHG) und der Stadt L. trat die Erstgenannte mit allen Rechten und Pflichten anstelle der M. KG in den Erschließungsvertrag ein.

Der Beklagte führte mit Schreiben vom 26. April 1993 an den Geschäftsführer der W. Wohnungsbau- und Betreuungsunternehmen GmbH unter Hinweis u.a. auf das Grundstück L. straße 69 und 71 aus: "Für die Grundstücke im Bereich der sogenannten inneren Erschließung wären nach der zur Zeit gültigen Beitragssatzung ca. 98.000,-- DM an Kanalanschlussbeiträgen zu zahlen. Eine Beitragserhebung kommt lt. Erschließungsvertrag nur dann zum Tragen, wenn die Kanalbaukosten im inneren Bereich geringer als die Beiträge sind. Zur Erhebung käme in einem solchen Falle der Differenzbetrag."

Mit Kaufvertrag vom 11. Juni 1993 erwarb die W. Wohnungsbau- und Betreuungsunternehmen GmbH vom Konkursverwalter der M. KG das Grundstück L. straße 69 und 71. Unter Nr. 7 Buchst. d des Vertrages heißt es: "Soweit nach Beurkundung dieses Vertrages Kanalanschlussbeiträge - jedoch nur hinsichtlich des im anliegenden Lageplan mit H und I bezeichneten Grundbesitzes - durch Bescheid gegenüber dem Käufer geltend gemacht werden, hat der Käufer diese zu entrichten." Das Grundstück L. straße 69 und 71 entspricht dem im Lageplan mit I bezeichneten Grundbesitz. Die W. Wohnungsbau- und Betreuungsunternehmen GmbH wurde am 9. September 1994 als Eigentümerin der gebildeten Wohnungseigentumsanteile des Grundstücks L. straße 69 und 71 in das Grundbuch eingetragen. Sie ist bis heute als Eigentümerin eines Wohnungseigentumsanteils eingetragen. Die übrigen Wohnungseigentumsanteile veräußerte sie. Diese Eigentumsübergänge wurden ab 1998 im Grundbuch eingetragen.

Am 14. Oktober 1997 wurde im Handelsregister die formwechselnde Umwandlung der W. Wohnungsbau- und Betreuungsunternehmen GmbH in die W. Wohnungsbau- und Betreuungs-Unternehmen Verwaltungs GmbH & Co. KG (Komplementärin: W. Wohnungsbau- und Betreuungs-Unternehmen Verwaltungs GmbH) eingetragen. Am 12. Dezember 1997 wurde der Austritt der W. Wohnungsbau- und Betreuungs-Unternehmen Verwaltungs GmbH aus der KG und der Eintritt der F. Projektentwicklung und Bauträger Verwaltungs GmbH in die KG als Komplementärin in das Handelsregister eingetragen. Gleichzeitig wurde die Firma in F. Projektentwicklung und Bauträger GmbH & Co. KG geändert. 1998 trat an die Stelle der bisherigen Komplementärin die F. Wohnbau Verwaltungs GmbH, die Firma wurde in F. Wohnbau GmbH & Co. KG geändert. Die W. Wohnungsbau- und Betreuungsunternehmen GmbH und die übrigen Gesellschaften waren nie Mitglied der BHG.

Mit Bescheid vom 4. Dezember 1997 an die "W. Wohnungs- u. Betreuungsunternehmen GmbH" setzte der Beklagte für das Grundstück einen Kanalanschlussbeitrag über 14.175,-- DM fest. Auf den dagegen erhobenen Widerspruch der W. Wohnungsbau- und Betreuungs-Unternehmen GmbH, zu dessen Begründung sie auf den Inhalt des Schreibens des Beklagten vom 26. April 1993 verwies, hob der Beklagte den Beitragsbescheid durch mit "Abhilfebescheid" überschriebene, im weiteren Text als Widerspruchsbescheid bezeichnete und mit einer Kostenentscheidung unter Bezugnahme auf § 73 Abs. 3 VwGO versehene Verfügung vom 22. Dezember 1997 auf, weil der Widerspruch begründet sei. In einem Gesprächsvermerk des Beklagten vom 14. Januar 1998 heißt es dazu: "Für das am Verbindungsweg liegende Grundstück wurde bereits ein Kanalanschlussbeitrag erhoben. Der Bescheid wurde aufgehoben, da das Grundstück in den Vertragsbereich mit Zuordnung zu den Grundstücken BHG fällt. Als Beitragshöhe wurde R.P. ein Betrag in Höhe von 14.175,-- DM genannt. Da es sich bei dem Grundstück um eine Parzelle des erfüllten Vertragsbereiches handelt, muss der Beitrag über die Vertragsabrechnung abgewickelt werden. Der KAB ist zwischen R.P. und Erwerber privatrechtlich auszuhandeln." Die Passage 'Der Bescheid wurde aufgehoben, da das Grundstück in den Vertragsbereich mit Zuordnung zu den Grundstücken BHG fällt.' ist handschriftlich statt des ursprünglichen, durchgestrichenen Textes ',wobei der Bescheid wegen falschen Adressaten zurückgenommen wurde.' eingefügt worden. Mit R.P. ist die für die BHG auftretende R. GmbH gemeint.

Auf Gegenvorstellungen der R. GmbH zog der Beklagte die "W. Wohnungs- und Betreuungsunternehmen GmbH" mit Bescheid vom 30. März 1999 erneut für das Grundstück zu einem Kanalanschlussbeitrag heran, diesmal wegen eines geänderten Beitragssatzes zu 7.796,25 DM. Auf den dagegen erhobenen Widerspruch, der auch mit dem durch die Umwandlung bewirkten Erlöschen der Firma W. Wohnungsbau- und Betreuungsunternehmen GmbH begründet wurde, erwiderte der Beklagte mit Schreiben vom 11. August 1999, dass der Bescheid vom 30. März 1999 nichtig und als gegenstandslos zu betrachten sei, da die Firma gelöscht sei und nicht Empfängerin eines Heranziehungsbescheides sein könne.

Mit Bescheid vom 13. September 1999 erließ der Beklagte gegenüber der Klägerin einen Kanalanschlussbeitrag für das Grundstück L. straße 69 und 71 über 7.796,25 DM. Den dagegen erhobenen Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 19. Oktober 1999 zurück.

Mit der rechtzeitig erhobenen Klage hat sich die Klägerin weiter gegen den Beitragsbescheid gewandt und vorgetragen: Bei dem Grundstück handele es sich nicht um ein Fremdanliegergrundstück i.S.d. § 9 Abs. 3 des Erschließungsvertrages, da unter diesen Begriff nur die von Anfang an im Eigentum Dritter stehenden Grundstücke gefasst worden seien. Deshalb habe für das Grundstück jedenfalls kein ungeschmälerter Kanalanschlussbeitrag festgesetzt werden dürfen. Der Stadt sei für den Kanal in der Straße 'An den I. auch kein Aufwand entstanden, da er noch 1991 auf Kosten der M. KG hergestellt worden sei. Die W. Wohnungsbau- und Betreuungsunternehmen GmbH habe das Grundstück aus der Konkursmasse der M. KG als voll erschlossenes Grundstück erworben und im Einverständnis mit dem Konkursverwalter den Kaufpreis an die BHG gezahlt. Die Käuferin habe darauf vertraut, dass keine bzw. nur stark verminderte Beiträge anfielen, wie es sich aus dem Schreiben des Beklagten vom 26. April 1993 ergebe. Darin liege eine Zusage, die durch den angegriffenen Beitragsbescheid rechtswidrig zurückgenommen worden sei. Im Übrigen sei der vorherige Beitragsbescheid vom 4. Dezember 1997 durch Bescheid vom 22. Dezember 1997 aufgehoben worden. Darin liege ein bestandskräftiger begünstigender Verwaltungsakt, der durch den nunmehr angegriffenen Beitragsbescheid nicht habe beseitigt werden können. Allenfalls könne als Beitrag ein Differenzbetrag entsprechend der Regelung des § 9 Abs. 2 des Erschließungsvertrages erhoben werden. Schließlich sei die Klägerin auch nicht beitragspflichtig, da das Grundstück inzwischen bebaut und an Wohnungseigentümer veräußert worden sei.

Die Klägerin hat beantragt,

den Bescheid des Beklagten vom 13. September 1999 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 19. Oktober 1999 aufzuheben.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat vorgetragen: § 9 Abs. 2 des Erschließungsvertrages schließe eine Veranlagung nicht aus, da die Vorschrift alleine Grundstücke des Bauträgers betreffe. Das in Rede stehende Grundstück gehöre jedoch weder der BHG, noch sei die Klägerin Mitglied der BHG.

Mit dem angefochtenen Urteil hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen.

Dagegen richtet sich die zugelassene und rechtzeitig begründete Berufung der Klägerin, mit der sie vorträgt: Sie habe nach dem Erschließungsvertrag einen Freistellungsanspruch, da sie keine Fremdanliegerin sei, sondern wie andere Erwerber zu behandeln sei. Denn das in Rede stehende Grundstück habe im Eigentum des Bauträgers, der M. KG, gestanden. Die BHG habe die Verpflichtungen der M. KG übernommen. Die Kanalerschließung sei durch die Firma M. und die BHG erfolgt. Daher sei der Kaufpreis für das Grundstück auch an die BHG gezahlt worden. Dieser Rechtslage entspreche die Zusicherung des Beklagten vom 26. April 1993 und auch die ersatzlose Aufhebung des ersten Heranziehungsbescheides. Im Übrigen verstieße es gegen Art. 3 des Grundgesetzes, das Grundstück der Klägerin mit einem Kanalanschlussbeitrag zu belasten, während die übrigen Bauträgergrundstücke nicht veranlagt würden. Schließlich werde die Klage auch darauf gestützt, dass der Beklagte den Erschließungsunternehmer, nämlich die BHG, ohne ersichtlichen Grund aus dem Erschließungsvertrag entlassen habe, obwohl die Kosten durch Bürgschaften anderweitig gedeckt seien.

Die Klägerin beantragt,

das angefochtene Urteil zu ändern und den Bescheid des Beklagten vom 13. September 1999 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 19. Oktober 1999 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er trägt vor: Der Erschließungsvertrag stehe der Erhebung des Kanalanschlussbeitrages nicht entgegen. § 9 Abs. 1 des Erschließungsvertrages betreffe ausschließlich Erschließungsbeiträge, also nicht Kanalanschlussbeiträge. Der beschränkte Ausschluss der Erhebung von Kanalanschlussbeiträgen nach § 9 Abs. 2 des Erschließungsvertrages erfasse nur Kanalanschlussbeiträge des Bauträgers. Das Grundstück habe aber dem Bauträger seit dem Konkurs der M. KG nicht mehr gehört, auch nicht dem neuen Erschließungsträger BHG. Vielmehr sei es aus der Konkursmasse des Bauträgers veräußert worden. Daher handele es sich um ein Fremdanliegergrundstück i.S.d. § 9 Abs. 3 des Erschließungsvertrages.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Verfahrensakte und der dazu beigezogenen Unterlagen Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Berufung ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Sie ist nämlich zulässig und begründet. Der angegriffene Beitragsbescheid ist rechtswidrig und verletzt die Rechte der Klägerin (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Der Verwaltungsakt ist schon deshalb rechtswidrig, weil ihm der Bescheid des Beklagten vom 22. Dezember 1997 entgegen steht, mit dem der erste Kanalanschlussbeitragsbescheid vom 4. Dezember 1997 aufgehoben wurde. An jenen Bescheid ist der Beklagte gebunden. Es handelt sich um einen begünstigenden Verwaltungsakt gegenüber der Klägerin in Form eines stattgebenden Anfechtungswiderspruchsbescheides.

Vgl. zur Bindungswirkung von Widerspruchsbescheiden BayVGH, Urteil vom 23. Juli 1978 - 6 B 94.2489 - und - 6 B 94.2490 -, BayVBl. 1999, 150; Kopp, VwGO, 12. Aufl., § 73 Rn. 24 ff.; Sodan/Ziekow, Nomos-Kommentar zur VwGO, Stand: Februar 2002, § 73 Rn. 64; Schoch/ Schmidt- Aßmann/Pietzner, VwGO, Loseblattsammlung (Stand: Januar 2002), § 73 Rn. 45 ff.; Pietzner/Ronellenfitsch, Das Assessorexamen im Öffentlichen Recht, 10. Aufl., § 27 Rn. 16.

Zwar ist er in der Überschrift als Abhilfebescheid bezeichnet. Jedoch fand ein Abhilfeverfahren nach § 72 VwGO nicht statt, denn Ausgangsbehörde und Widerspruchsbehörde waren im vorliegenden Fall gemäß § 73 Abs. 1 Nr. 3 VwGO identisch.

Vgl. dazu, dass in einem solchen Fall kein Abhilfeverfahren durchzuführen ist, BVerwG, Urteil vom 20. Juli 1984 - 7 C 28.83 -, BVerwGE 70, 4 (12).

Dass ein Widerspruchsbescheid erlassen werden sollte, ergibt sich im Übrigen daraus, dass nach dem Text ausdrücklich eine Entscheidung über den Widerspruch erfolgen sollte, unter Bezugnahme auf § 73 Abs. 3 VwGO, der lediglich für Widerspruchsbescheide einschlägig ist, über die Kosten entschieden und schließlich der Bescheid im letzten Absatz als Widerspruchsbescheid bezeichnet wurde.

Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts ist der Bescheid vom 22. Dezember 1997 nicht deshalb unwirksam, weil er an eine nicht existente Person gerichtet sei. Zwar geht das Verwaltungsgericht im Ansatz zutreffend davon aus, dass an nicht existente Personen gerichtete Bescheide mangels Bekanntgabe nicht wirksam werden.

Vgl. BFH, Urteil vom 7. Februar 1997 - V B 82/96 -(juris); Urteil vom 17. September 1992 - V R 17/86 -(juris); Beschluss vom 21. Oktober 1985 - GrS 4/84 -, BFHE 145, 110; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 6. Aufl., § 44 Rn. 108; Tipke/Kruse, AO, FGO, Loseblattsammlung (Stand: April 2002), § 122 AO Rn. 23 und § 125 AO Rn. 14.

Indes war der Adressat des Widerspruchsbescheides vom 22. Dezember 1997 und des durch diesen aufgehobenen ersten Kanalanschlussbeitragsbescheides vom 4. Dezember 1997 nicht inexistent. Vielmehr war er lediglich unter einem anderen Namen existent. Im Zeitpunkt des Erlasses des ersten Beitragsbescheides war an die Stelle der W. Wohnungsbau- und Betreuungsunternehmen GmbH formwechselnd die W. Wohnungsbau- und Betreuungs-Unternehmen Verwaltungs GmbH & Co. KG getreten. Im Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides vom 22. Dezember 1997 war die Komplementärin, die W. Wohnungsbau- und Betreuungs-Unternehmen Verwaltungs GmbH, aus der KG ausgetreten und an ihre Stelle die F. Projektentwicklung und Bauträger Verwaltungs GmbH eingetreten sowie die Firma in F. Projektentwicklung und Bauträger GmbH & Co. KG geändert. Die Umwandlung der vormaligen GmbH in die KG erfolgte formwechselnd nach den § 190 ff. des Umwandlungsgesetzes, nicht durch übertragende Umwandlung, bei der die GmbH aufgelöst und ihr Vermögen auf die KG oder deren Gesellschafter übertragen worden wäre (§ 1 Abs. 1 Nr. 3 des Umwandlungsgesetzes). Nach § 202 Abs. 1 Nr. 1 des Umwandlungsgesetzes bewirkt die Eintragung der formwechselnden Umwandlung, dass der formwechselnde Rechtsträger in der in dem Umwandlungsbeschluss bestimmten Rechtsform weiter besteht. Kennzeichnend für eine formwechselnde Umwandlung ist, dass an ihr nur ein Rechtsträger beteiligt ist, es weder zu einer Gesamtrechtsnachfolge eines Rechtsträgers in das Vermögen eines anderen kommt noch es der Übertragung der einzelnen Vermögensgegenstände bedarf. Die formwechselnde Umwandlung wird durch das Prinzip der Identität des Rechtsträgers, der Kontinuität seines Vermögens (wirtschaftliche Identität) und der Diskontinuität seiner Verfassung bestimmt. An dieser zivilrechtlichen Kontinuität des Rechtsträgers ändert sich auch nicht dadurch etwas, dass der neue Rechtsträger, wie im Fall des Wechsels einer Kapitalgesellschaft in eine Personenhandelsgesellschaft, nicht selbst Träger des Unternehmensvermögens ist, dieses vielmehr seinen Gesellschaftern zur gesamten Hand zusteht.

Vgl. BFH, Beschluss vom 4. Dezember 1996 - II B 116/96 -, Betriebsberater 1997, 137; Decher, in: Lutter, Umwandlungsgesetz, vor § 190 Rn. 2, § 202 Rn. 7; Meister/Klöcker, in: Kallmeyer, Umwandlungsgesetz, § 190 Rn. 6 f., § 202 Rn. 2, 13 ff..

Daher wird bei einer formwechselnden Umwandlung ein Bescheid wirksam, wenn er noch an die Gesellschaft unter dem Namen der alten Rechtsform gerichtet ist. Hier handelt es sich nur um die unrichtige Bezeichnung ein und derselben Rechtsperson.

Vgl. BFH, Beschluss vom 21. Oktober 1985 - GrS 4/84 -, BFHE 145, 110 (115).

Die falsche Bezeichnung kann berichtigt werden.

Vgl. BFH, Beschluss vom 18. März 1998 - IV B 50/97 -(juris); Urteil vom 17. Juli 1986 - V R 37/77 - (juris).

Auch der Austausch des Komplementärs der W. Wohnungsbau- und Betreuungs-Unternehmen Verwaltungs GmbH & Co. KG zwischen dem Erlass des ersten Kanalanschlussbeitragsbescheides vom 4. Dezember 1997 und des Widerspruchsbescheides vom 22. Dezember 1997 führte nicht zu einer Änderung der Rechtsträgerschaft. Der Austausch von Gesellschaftern einer Personenhandelsgesellschaft berührt nicht die Identität der Gesellschaft.

Vgl. BGH, Urteil vom 8. November 1965 - II ZR 223/64 -, BGHZ 44, 229 (231 f.).

Die gleichzeitige Änderung des Namens in F. Projektentwicklung und Bauträger GmbH & Co. KG führte ebenfalls nicht zu einer Änderung des Rechtsträgers, sondern allein zur Änderung dessen Namens. Die Firma eines Kaufmanns ist lediglich der Name, unter dem er seine Geschäfte betreibt und die Unterschrift abgibt (§ 17 Abs. 1 HGB). Nur diese Änderung ist im Handelsregister mit dem Satz 'Die Firma der Gesellschaft ist geändert' eingetragen. Ebenso stellt die Eintragung im Handelsregister bei der W. Wohnungsbau- und Betreuungsunternehmen GmbH im Rahmen der formwechselnden Umwandlung 'Die Firma ist erloschen.' nur einen Hinweis auf den Untergang dieses Namens des nach wie vor weiter bestehenden Rechtsträgers dar. Somit sind der erste Kanalanschlussbeitragsbescheid vom 4. Dezember 1997 und der diesen aufhebende Widerspruchsbescheid vom 22. Dezember 1997 gegenüber der Klägerin erlassen worden, wenngleich unter einem früheren Namen.

Allerdings sind beide Bescheide vom Wortlaut her nicht an die im Grundbuch als Eigentümerin des streitigen Grundstücks eingetragene W. Wohnungsbau- und Betreuungs-Unternehmen GmbH gerichtet, sondern an eine unter diesem Namen nicht existente W. Wohnungs- und Betreuungsunternehmen GmbH. Indes kommt es bei der Frage, wer Adressat sein soll, nicht auf den wörtlichen Ausdruck, sondern auf den durch Auslegung zu ermittelnden Inhalt an.

Vgl. P. Stelkens/U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/ Sachs, VwVfG, 6. Aufl., § 37 Rn. 15, 15 e.

Da es hier den in den genannten Bescheiden aufgeführten Adressaten nicht gab, jedoch die im Grundbuch eingetragene ähnlich lautende W. Wohnungsbau- und Betreuungsunternehmen GmbH, die auch den Widerspruch einlegte, liegt nicht die Bekanntgabe an eine nicht existente Person, sondern - wie schon bei der Rechtsform- und damit auch Namensänderung - eine weitere irrtümliche Falschbezeichnung vor.

Vgl. zum Unterschied zwischen einer Bekanntgabe an eine nicht existente Person einerseits und einer Bekanntgabe an eine existente Person unter falschem Namen BVerwG, Urteil vom 8. März 1977 - 1 C 15.73 -, NJW 1977, 1603.

Die inhaltliche Reichweite der Bindung (objektive Grenzen der Bindung) des Beklagten an seinen Widerspruchsbescheid vom 22. Dezember 1997 bemisst sich nach dem Inhalt der verbindlichen Regelung des Widerspruchsbescheides, von der der Beklagte ohne deren Beseitigung nicht abweichen darf.

Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 6. Aufl., § 43 Rn. 39 ff., 54 ff.; Seibert, Die Bindungswirkung von Verwaltungsakten, 314 ff..

Hier besteht der Inhalt der durch den Widerspruchsbescheid vom 22. Dezember 1997 getroffenen Regelung darin, dass der Kanalanschlussbeitragsbescheid vom 4. Dezember 1997 als rechtswidrig aufgehoben wird. Solange der Widerspruchsbescheid noch wirksam und die Begründung, die zur Aufhebung des Ausgangsbescheides geführt hat, nicht überholt ist, darf die Ausgangsbehörde wegen der Bindungswirkung des Widerspruchsbescheides den Ausgangsbescheid nicht erneut erlassen. Allerdings erfolgte die Aufhebung ohne sachliche Begründung. Deshalb muss der Grund aus den Gesamtzusammenhängen ermittelt werden. Der im Widerspruch einzig vorgetragene Widerspruchsgrund war das Schreiben des Beklagten vom 26. April 1993, mit dem der Beklagte auf die - beschränkte - Kanalanschlussbeitragsfreiheit des Grundstücks hingewiesen hatte. Wie sich auch aus dem Gesprächsvermerk des Beklagten vom 14. Januar 1998 ergibt, war der Aufhebungsgrund die schon im Schreiben des Beklagten vom 26. April 1993 geäußerte Auffassung, dass Kanalanschlussbeiträge allenfalls in Höhe des Differenzbetrages zu den Herstellungskosten des Kanals gemäß § 9 Abs. 2 des Erschließungsvertrages erhoben werden könnten, und dass nunmehr keine Beiträge zu erheben seien, da es sich um eine Parzelle "des erfüllten Vertragsbereiches" handele und der Beitrag zwischen dem Eigentümer und der BHG privatrechtlich auszuhandeln sei. Somit ergibt sich, dass der den ersten Kanalanschlussbeitragsbescheid aufhebende Widerspruchsbescheid vom 22. Oktober 1997 zum Inhalt hatte, dass nach Maßgabe des Erschließungsvertrages in § 9 Abs. 2 hier kein Kanalanschlussbeitrag anfällt. Von dieser Entscheidung weicht die hier in Streit stehende Heranziehung unter Verstoß gegen die Bindungswirkung ab, da sie eine Kanalanschlussbeitragspflicht mangels Einschlägigkeit des § 9 Abs. 2 des Erschließungsvertrages annimmt.

Der Widerspruchsbescheid vom 22. Dezember 1997 ist auch nicht aufgehoben worden. Eine Aufhebung käme allenfalls gemäß § 12 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b KAG i.V.m. § 130 Abs. 2 der Abgabenordnung in Betracht, d.h. wenn die Voraussetzungen für die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes vorlägen. Bei dem Widerspruchsbescheid handelt es sich um einen die Klägerin begünstigenden Verwaltungsakt, weil er in Form der Aufhebung eines - jedenfalls auch - belastenden Verwaltungsakts,

vgl. zur Rechtsnatur eines Kanalanschlussbeitragsbescheides OVG NRW, Urteil vom 14. Dezember 1998 - 15 A 3212/94 -, Gemhlt. 2000, 142 (143),

einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet (§ 12 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b KAG NRW i.V.m. § 130 Abs. 2 AO).

Vgl. zur Rücknahme eines belastenden Verwaltungsaktes als begünstigendem Verwaltungsakt BFH, Urteil vom 22. Januar 1985 - VII R 112/81 -, BStBl. II 1985, 562 (564); Kopp, VwVfG, 7. Aufl., § 48 Rn. 61; Sachs, in: Stelkens/ Bonk/Sachs, VwVfG, 6. Aufl., § 48 Rn. 128; Klappstein, in: Knack, VwVfG, 6. Aufl., § 48 Rn. 6; a.A. für einen Abhilfebescheid OVG NRW, Urteil vom 13. Februar 1987 - 10 A 28/87 -, BRS 47 Nr. 194.

Hier ist jedoch keine Rücknahme des Widerspruchsbescheides vom 22. Dezember 1997 ausgesprochen worden. Zwar ist eine Rücknahme auch konkludent durch Erlass eines im Widerspruch zu einer vorhergehenden Regelung stehenden Verwaltungsaktes möglich, hier also durch Neuerlass des angefochtenen Beitragsbescheides in Abweichung vom den ersten Beitragsbescheid aufhebenden Widerspruchsbescheid vom 22. Dezember 1997.

Vgl. Kopp, VwVfG, 7. Aufl., § 48 Rn. 38.

Bezogen auf den vorliegend streitigen dritten Beitragsbescheid scheidet eine solche Annahme jedoch ohne weiteres aus. Der Beklagte war nämlich, wie sich aus seinem Schreiben vom 11. August 1999 zum zweiten Heranziehungsbescheid ergibt, der Auffassung, dass Bescheide an die umgewandelte Gesellschaft unter ihrer alten Firma bereits wegen Nichtexistenz des Abgabeschuldners unwirksam seien. Deshalb kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Beklagte bei Erlass des hier angefochtenen Beitragsbescheides überhaupt in Erwägung gezogen hat, den Widerspruchsbescheid vom 22. Dezember 1997 zurückzunehmen, dass er also etwas , was er selbst als nicht existent bezeichnet, zurücknehmen wollte.

Vgl.zu einer ähnlichen Konstellation BVerwG, Urteil vom 18. Juli 1989 - 5 C 28.85 -, BVerwGE 82, 235 (241 f.).

Allenfalls kann in dem zweiten Beitragsbescheid vom 30. März 1999 eine Aufhebung des Widerspruchsbescheides vom 22. Dezember 1997 gesehen werden, denn in der Anhörung zu dieser beabsichtigten zweiten Heranziehung wurde auf den den ersten Beitragsbescheid aufhebenden Widerspruchsbescheid hingewiesen, und damals ging der Beklagte noch von der Existenz des Adressaten aus. Dies kann jedoch dahinstehen: Selbst wenn im zweiten Beitragsbescheid auch eine konkludente Rücknahme des Widerspruchsbescheides vom 22. Dezember 1997 zu sehen ist, so erstreckt sich jedenfalls der Widerspruch der Klägerin gegen diesen Beitragsbescheid auch auf die Rücknahme. Dieser Widerspruch ist bis heute unbeschieden geblieben, da der Beklagte lediglich mit seinem Schreiben vom 11. August 1999 auf seine Rechtsansicht hingewiesen hat, der Beitragsbescheid sei mangels Existenz des Adressaten ins Leere gegangen. Der Widerspruch entfaltet damit gegen die - hier unterstellte - Rücknahmeentscheidung bis heute aufschiebende Wirkung nach § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO, sodass es an einer wirksamen Aufhebung des Widerspruchsbescheides vom 22. Dezember 1997 fehlt.

Darüber hinaus liegen auch die Voraussetzungen für eine Rücknahme des Widerspruchsbescheides vom 22. Dezember 1997 gemäß § 130 Abs. 2 AO nicht vor, sodass eine konkludente Rücknahme im angegriffenen Bescheid diesen rechtswidrig machte und er auch insoweit aufzuheben wäre.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.