LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 28.07.2016 - L 6 U 2991/15
Fundstelle
openJur 2016, 9960
  • Rkr:

1. Für eine Gonarthrose als Berufskrankheit von Bedeutung ist nur die Zeitspanne zwischen dem Erreichen der kumulativen Einwirkungsdauer während des Arbeitslebens von mindestens 13.000 Stunden und ihrer Ausprägung nach einem Grad von mindestens 2 nach dem Kellgren-Lawrence-Score.

2. Eine diffuse idiopathische Skeletthyperostose (ICD-10-GM-2016 M48.1-) ist eine nicht versicherte Alternativursache einer Gonarthrose.

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 8. Juli 2015 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Feststellung einer Berufskrankheit nach Nr. 2112 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) und die Gewährung einer Rente wegen dieses Versicherungsfalls.

Der 1956 in der ehemaligen Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken geborene Kläger arbeitete dort nach dem Besuch der Grundschule von 1971 bis 1974 in der Landwirtschaft. Anschließend absolvierte er bis 1976 seinen Militärdienst. Nach Tätigkeiten als Kraft- und Busfahrer von 1976 bis 1979, Traktorist und Arbeiter in einem Treibhaus, in dem er Pestizide ausbrachte, von 1979 bis 1983 sowie als angelernter Elektroinstallateur in einem Treibhaus von 1983 bis 1989, siedelte er im September 1989 in die Bundesrepublik Deutschland über. Ab März 1990 war er bei E. A., Heizungsbau sowie Gas- und Wasserinstallation (im Folgenden: Arbeitgeber), einem Zwei-Mann-Betrieb, beschäftigt. Am 21. April 2010 erkrankte er wegen Kniebeschwerden arbeitsunfähig. Das Arbeitsverhältnis endete Ende Juli 2011. Seit Juni 2013 bezieht er eine Rente wegen voller Erwerbsminderung bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze.

Die IKK classic, bei welcher der Kläger gegen Krankheit gesetzlich versichert war, zeigte der Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft (BG Bau) am 15. Juni 2010 an, dass dieser ob der bei ihm diagnostizierten Gonarthrose und Meniskusschädigungen an einer Berufskrankheit leide, weswegen er ab 21. April 2010 arbeitsunfähig erkrankt sei. Die BG Bau leitete den Vorgang an die Berufsgenossenschaft Metall Nord Süd, einer Rechtsvorgängerin der Beklagten, weiter, welche für den Betrieb des Arbeitgebers verbandszuständig war.

Im Juli 2010 gab der Kläger zu seinen kniebelastenden Tätigkeiten an, er habe im Knien, im Hocken, im Fersensitz und im Kriechen gearbeitet, wobei er die Tätigkeiten ohne und mit abgestütztem Oberkörper, jeweils achteinhalb Stunden, ausgeübt habe. Der Arbeitgeber bestätigte im Folgemonat im Wesentlichen die vom Kläger bei der Arbeit eingenommenen Körperhaltungen, wobei diese nicht jeweils über den gesamten Arbeitstag hinweg eingenommen worden seien, sondern je nach auftragsbedingter Tätigkeit. Unter den Körperhaltungen „Fersensitz“ und „Kriechen“ könne er sich indes nichts vorstellen. Auf telefonische Nachfrage des Mitarbeiters des Präventionsdienstes der Berufsgenossenschaft Metall Nord Süd, H.-G. H., teilte der Arbeitgeber im Oktober 2010 mit, im Unternehmen habe außer ihm nur der Kläger gearbeitet. Es seien Heizungs- und Sanitäranlagen sowie Fußbodenheizungen in Privathaushalten installiert worden. Der Kläger sei als Installateur beschäftigt gewesen. Die Arbeitstätigkeiten hätten das Abladen des Materials vom Transportfahrzeug, das Tragen der Teile in die Gebäude sowie das Installieren von Waschbecken, Badewannen, Duschwänden und -tassen umfasst. Zu etwa 95 % seien Unterputz-Vorwandinstallationen im Trockenbau vorgenommen worden. Hierbei handele es sich um Arbeiten, welche zur Montage und zum Anschluss von Sanitärobjektiven notwendig seien. Neben den notwendigen Bohrarbeiten zur Aufnahme von Halterungen seien Rohrleitungen und Wasseranschlüsse installiert sowie Rahmenkonstruktionen aus Profilstangen erstellt worden, welche etwa zur Aufnahme von WC-Spülkästen gedient hätten. Jährlich seien zudem noch zwei oder drei Fußbodenheizungen verlegt worden. Hierfür seien bestimmte Vorbereitungen zu treffen gewesen, bevor die eigentlichen Heizelemente hätten eingebaut werden können. Hierzu habe das Aufbringen von Dämm- oder Wärmeelementen gehört. Anschließend sei der Einbau und der Anschluss der Heizelemente durch Rohr- oder Schlauchleitungen erfolgt. Hierbei sei eine kniende Körperhaltung eingenommen worden, wobei der Bodenbelag aus einer relativ weichen Dämmschicht bestanden habe. Auf Steinfußböden habe nicht gekniet werden müssen. Bei anderen knienden Arbeitsvorgängen sei vom Kläger immer eine dämpfende Unterlage aus Gummi oder Schaumstoff benutzt worden. Der Anteil der knienden Arbeiten habe zwischen 30 und 45 Minuten je Tag betragen. Der Mitarbeiter des Präventionsdienstes H. fasste zusammen, der Arbeitgeber habe die gleiche Arbeitstätigkeit wie der Kläger ausgeübt. Beide hätten auf den Baustellen zusammengearbeitet. Daher habe jener die Arbeitstätigkeiten des Klägers eindeutig beschreiben können. Für die Installation der Fußbodenheizungen seien etwa fünf Stunden je Tag kniende oder hockende Arbeiten je Heizung anzusetzen. Bei anderen knienden Arbeiten habe der Kläger immer knieschonende Unterlagen verwendet. Trotz Berücksichtigung der auch sonst knienden und hockenden Tätigkeiten in einem Umfang zwischen 30 und 45 Minuten je Tag seien die belastungsmäßigen Voraussetzungen für eine Berufskrankheit nach Nr. 2112 der Anlage 1 zur BKV nicht erfüllt.

Nachdem der frühere Verfahrensbevollmächtigte des Klägers die Verwaltungsakte eingesehen und die Angaben des Arbeitgebers beanstandet hatte, suchte der Mitarbeiter des Präventionsdienstes H. den Arbeitgeber im November 2010 auf, um ihn erneut zum Tätigkeitsinhalt des Klägers zu befragen. An dem Gespräch habe auch die Ehefrau des Arbeitgebers teilgenommen. Der Kläger, der arbeitsunfähig erkrankt gewesen sei, habe telefonisch nicht erreicht werden können. Der Arbeitgeber habe nun angegeben, dessen Arbeitstätigkeit habe zu etwa 75 % die Installation von Heizungs- und Sanitäranlagen umfasst, wobei bei den Sanitäranlagen überwiegend Vorwandinstallationen hätten montiert werden müssen. Daneben seien Duschtassen, Badewannen, Waschbecken sowie die zugehörigen Zu- und Abwasserleitungen und Wasserhähne oder Brausen montiert worden. Im Heizungsbereich seien Zuleitungen und Anschlüsse verlegt und montiert worden. Etwa 25 % des Arbeitsumfanges hätten Blecharbeiten für Hausdächer, Beplankungen von Flachdächern oder Fassaden eingenommen. Neben dem Zuschnitt der Bleche hätten auch umfangreiche Falzarbeiten vorgenommen werden müssen. Zudem seien sieben oder acht Solaranlagen je Jahr installiert worden. Der Kläger habe zwischen drei und dreieinhalb Stunden je Arbeitstag eine kniende oder hockende Körperhaltung eingenommen. In den letzten fünf oder sechs Jahren habe der Kläger einen Knieschutz aus Gummi oder Schaumstoff oder ähnlichem Material benutzt, um eine gewisse Dämpfung beziehungsweise Entlastung der Kniegelenke zu erreichen. Im Gegensatz zu den ersten Angaben des Arbeitgebers seien die kniebelastenden Tätigkeiten in einem größeren Umfang ausgeübt worden. Werde eine kniende Arbeitstätigkeit von drei Stunden zugrunde gelegt, so ergebe sich über den Beschäftigungszeitraum von zwanzig Jahren, bei 220 Arbeitstagen je Jahr, eine Gesamtbelastung von 13.200 Stunden. Somit sei die kumulative Einwirkungsdauer während des Arbeitslebens von mindestens 13.000 Stunden erreicht und die arbeitstechnischen Voraussetzungen für eine Berufskrankheit nach Nr. 2112 der Anlage 1 zur BKV erfüllt. In einem Gespräch am 24. November 2010 teilte der Kläger der Beklagten mit, vor 1990 keine kniebelastenden Tätigkeiten ausgeübt zu haben.

Der Facharzt für Orthopädie Dr. B. diagnostizierte nach einer Untersuchung des Klägers am 17. Februar 1999 eine rechtsbetonte beidseitige Gonarthrose. Diese Diagnose, ergänzt um die Verortung auf den medialen Bereich, stellte er erneut Anfang Februar 2008.

Nach einer radiologischen Untersuchung des Klägers am 17. Dezember 2001 hatten die Ärzte für Radiologie Dres. Ba./Ban. zwischenzeitlich in beiden Kniegelenken eine beginnende medialseitige Gonarthrose und eine retropatellare Arthrose festgestellt.

Nach ambulanten Untersuchungen des Klägers Ende März 2010 befundete der Chefarzt der Abteilung Orthopädie des O. Klinikums Of.-G., Dr. Sch., den Verdacht auf eine Läsion des Innenmeniskus rechts bei deutlicher rechtsseitiger Varusgonarthrose. Nach der Arthroskopie des rechten Kniegelenkes am 22. April 2010 diagnostizierte er eine mediale Gonarthrose vierten Grades im Bereich der Femurkondyle und der Tibia, eine retropatellare Arthrose dritten Grades sowie einen degenerativen Schaden im Bereich des Innenmeniskus. Der Assistenzarzt Dr. M., O. Klinikum Of.-G., diagnostizierte nach der Arthroskopie und arthroskopischen Teilresektion des Innenmeniskus des linken Kniegelenkes am 2. August 2010 komplexe degenerative Einrisse und einen Lappenriss im Bereich des Hinterhorns des Innenmeniskus und intermediär, eine viertgradige Chondromalazie korrespondierend medial im Bereich der Tibia, eine drittgradige Chondromalazie medial im Bereich der Femurkondyle sowie eine viertgradige, großflächige Chondromalazie in der Trochlea korrespondierend mit einer drittgradigen Chondromalazie im Bereich der Patella.

Der Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. Ei., welcher den Kläger hausärztlich behandelte, teilte der Beklagten im Dezember 2010 mit, dieser habe ihn wegen Kniebeschwerden erstmals am 22. Januar 1999 aufgesucht. Er habe über seit einem Jahr bestehende Schmerzen im linken Bein berichtet. Aufgrund des Fremdbefundes von „Dr. D.“ habe damals eine rechtsbetonte beidseitige Gonarthrose vorgelegen. Wegen der Kniebeschwerden habe er erstmals im März 2010 bis aktuell Arbeitsunfähigkeit bescheinigt.

Die Beklagte zog des Weiteren das Vorerkrankungsverzeichnis der IKK classic bei.

Nachdem die Staatliche Gewerbeärztin des Regierungspräsidiums S., C. Ein., bereits im November 2010 eine Stellungnahme abgegeben hatte, schlug sie in ihrer weiteren von April 2011 erneut nicht vor, im Falle des Klägers eine Berufskrankheit nach Nr. 2112 der Anlage 1 zur BKV anzuerkennen. Ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der beruflichen Tätigkeit und der Erkrankung im Bereich der Knie könne nicht wahrscheinlich gemacht werden, da keine als Berufskrankheit zu wertenden Veränderungen vorlägen. Bereits im Jahre 2001 sei bei dem jetzt 55-jährigen Kläger eine beginnende beidseitige mediale und retropatellare Gonarthrose bei O-Bein-Fehlstellung nachgewiesen worden. Diese sei seinerzeit wahrscheinlich nicht durch berufliche Belastungen verursacht worden. Die Krankheit sei in der Folgezeit schicksalhaft weiter fortgeschritten und habe sekundär auch beide Innenmenisken im Hinterhornbereich in Mitleidenschaft gezogen.

Die Beklagte lehnte daraufhin mit Bescheid vom 17. Mai 2011 die Anerkennung der Erkrankung des Klägers im Bereich der Knie als Berufskrankheit nach Nr. 2112 der Anlage 1 zur BKV ab. Anspruch auf Leistungen bestünden nicht. Dies gelte auch für Leistungen oder Maßnahmen, welche geeignet seien, dem Entstehen einer Berufskrankheit entgegenzuwirken. Nach dem Ergebnis der Ermittlungen seien die Einwirkungen, welchen der Kläger während seiner Berufstätigkeit ausgesetzt gewesen sei, nicht geeignet, eine Verschleißerkrankung der Knie in Form einer Gonarthrose zu verursachen. Zum Zeitpunkt der erstmaligen Diagnose sei der Kläger etwa neun Jahre mit einer nach seinen Angaben arbeitstäglichen Kniebelastung von etwa drei bis dreieinhalb Stunden ausgesetzt gewesen. Die hieraus ermittelte Gesamtbelastung habe zwischen 5.940 und 6.930 Stunden betragen. Sie liege damit deutlich unter der zur Anerkennung einer Gonarthrose geforderten Belastung von 13.000 Stunden. Demnach müsse die Ursache der bereits 1999 nachgewiesenen Gonarthrose im außerberuflichen Bereich zu suchen sein. In der Folgezeit sei die Gonarthrose weiter fortgeschritten und habe sekundär auch beide Innenmenisken im Hinterhornbereich in Mitleidenschaft gezogen. Hierbei handele es sich um einen für solche Erkrankungen typischen schicksalhaften Verlauf. Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 8. Dezember 2011 zurückgewiesen.

Im deswegen geführten Klageverfahren beim Sozialgericht Freiburg (SG, Az. S 8 U 6639/11) schlossen die Beteiligten in der nichtöffentlichen Sitzung am 23. Januar 2013 einen verfahrensbeendenden Vergleich des Inhalts, dass die Beklagte einen „neuen Widerspruchsbescheid“ ausschließlich über die begehrte Anerkennung der Berufskrankheit nach Nr. 2112 der Anlage 1 zur BKV und damit zum Bescheid vom 17. Mai 2011 erlässt. Daneben verpflichtete sich die Beklagte, durch Bescheid gesondert über „Leistungen nach § 3 BKV“ zu entscheiden.

Daraufhin wies die Beklagte den Widerspruch gegen den Bescheid vom 17. Mai 2011 mit Widerspruchsbescheid vom 2. Mai 2013 - erneut - zurück.

Hiergegen hat der Kläger am 7. Mai 2013 Klage beim SG erhoben.

Das Gericht hat Prof. Dr. Dr. K., Arzt für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin, mit der Erstattung eines Gutachtens beauftragt. Nach der ambulanten klinischen Untersuchung des Klägers am 13. August 2013 hat dieser ausgeführt, er leide beidseits an einer ausgeprägten, medial betonten Gonarthrose mit mittelgradiger schmerzhafter Bewegungseinschränkung. Darüber hinaus bestehe eine beidseitige Retropatellararthrose. Außerdem liege eine beidseitige Degeneration des Innenmeniskus mit Hauptlokalisation im Bereich des Hinterhorns vor. Diese degenerativen Veränderungen stünden in ursächlichem Zusammenhang mit einer diffusen idiopathischen Skeletthyperostose. Beim Kläger liege nach dem Kellgren-Lawrence-Score eine Gonarthrose beidseits mit Grad 3 bei dritt- bis viertgradiger medialer Chondromalazie vor. Die Retropatellararthrose beidseits sei mit einer drittgradigen Chondromalazie vergesellschaftet. Die Verschleißumformungen seien hauptsächlich im medialen Femorotibialgelenk und im Femoropatellargelenk lokalisiert. Radiologisches Bildmaterial hinsichtlich beider Kniegelenke liege erst ab März 2010 vor. Zu diesem Zeitpunkt hätten eindeutig größere osteophytäre Randanbauten am medialen Gelenkspalt beidseits vorgelegen. Der Gelenkspalt sei fortgeschritten verschmälert gewesen. Es habe eine subchondrale Sklerosierung speziell im Bereich des medialen Tibiaplateaus beidseits bestanden. Eine deutliche Deformierung sei zu konstatieren gewesen. Hieraus ergebe sich nach dem Kellgren-Lawrence-Score der Grad 3. Der Beginn der beidseitigen Gonarthrose liege vor dem Jahre 1999. Zu diesem Zeitpunkt sei die kumulative Belastungsdauer von 13.000 Stunden bei Weitem noch nicht erreicht gewesen. Diese Erkrankung sei hauptsächlich durch eine diffuse idiopathische Skeletthyperostose verursacht worden, welche in seiner Person begründet sei. Diese Feststellung sei durch die Beobachtung untermauert worden, dass die degenerativen Veränderungen an beiden Hüftgelenken in etwa genauso stark ausgeprägt seien wie diejenigen an beiden Kniegelenken. Aus medizinischer Sicht seien daher die Voraussetzungen für eine Berufskrankheit nach Nr. 2112 der Anlage 1 zur BKV nicht gegeben. Der Kläger habe bei der Untersuchung angegeben, im Jahre 1998 beim Besteigen einer schräg gestellten Diele auf einer Baustelle durchgebrochen zu sein. Dabei habe er sich das rechte Kniegelenk verrenkt, welches ein bis zwei Wochen geschwollen gewesen sei. Bei der klinischen Untersuchung habe er in beiden Hüftgelenken, rechts mehr als links, erhebliche Anlauf- und Bewegungsschmerzen geäußert. Neben den Erkrankungen im Bereich der Knie lägen eine ausgeprägte Coxarthrose beidseits, links mehr als rechts, mit mittelgradiger schmerzhafter Bewegungseinschränkung und eine diffuse idiopathische Skeletthyperostose, welche synonym auch als Morbus Forestier bezeichnet werde, mit folgenden Manifestationen vor: Verkalkungen des vorderen Längsbandes an der Lendenwirbelsäule, typischerweise mit rechtsseitiger Betonung, beide Kniegelenke mit degenerativen Veränderungen und Ossifikationsarealen links anterolateral und dorsal sowie rechts dorsal, beide Hüftgelenke mit degenerativen Veränderungen, Verlötungen in beiden Iliosakralfugen sowie Konturunschärfen an beiden Beckenschaufeln und Sitzbeinhöckern. Das Vorerkrankungsverzeichnis der IKK classic umfasse den Zeitraum von März 1996 bis April 2010, in Bezug auf die Kniegelenke seien erstmals im Mai 2009 Gelenkschmerzen erwähnt. Im April 2010 seien erstmals ein Innenmeniskusschaden und eine Gonarthrose genannt worden. „Dr. D.“ habe Ende Februar 1999 darüber berichtet, dass beim Kläger schon seit längerem Schmerzen in beiden Kniegelenken bestünden. Die beginnende medialseitige Gonarthrose beidseits und die retropatellare Arthrose beidseits seien durch die radiologische Untersuchung der Dres. Ba./Ban. am 17. Dezember 2001 bestätigt worden. Bei der gutachterlichen Untersuchung habe der Kläger ein Arztschreiben über eine ambulante Behandlung Anfang Juli 2013 in der Orthopädischen Klinik des Universitätsklinikums H. überreicht, wonach eine medialbetonte Varusgonarthrose beidseits, rechts ausgeprägter als links, sowie als Nebendiagnosen eine beidseitige Coxarthrose und eine ausgeprägte Spondylarthrose lumbal diagnostiziert worden seien. Der Kläger habe über Anlaufschmerzen nicht nur in beiden Knie-, sondern auch in beiden Hüftgelenken berichtet. Wegen der aktenkundigen Informationen sei der Beginn der beidseitigen Gonarthrose auf die Zeit vor Februar 1999 zu legen. Es handele sich um eine beidseitige Varusgonarthrose, also O-Bein-Stellung, mit erheblichen degenerativen Veränderungen, insbesondere in den medialen Anteilen des Femorotibialgelenkes beidseits, retropatellar beidseits und den Innenmeniskus beidseits betreffend. Die kumulative Mindesteinwirkungsdauer von 13.000 Stunden sei im Zeitpunkt der Erstdiagnose der Gonarthrose bei Weitem nicht erreicht gewesen. Indes bestünden erhebliche Zweifel hinsichtlich der epidemiologischen Evidenz einer solchen Schwelle. Nach den biomechanischen Gegebenheiten sei im Falle des Klägers jedenfalls nicht von einem belastungskonformen Schadensbild auszugehen. Ein solches sei zwar epidemiologisch nicht belegt. Die Hypothese eines belastungskonformen Schadensbildes sei gleichwohl nicht deswegen falsch, weil sie epidemiologisch nicht belegbar sei.

Nach vorheriger Anhörung der Beteiligten und gestützt auf das Gutachten von Prof. Dr. Dr. K. hat das SG die Klage, mit welcher begehrt worden ist, unter Aufhebung der angefochtenen Verwaltungsentscheidung die Beklagte zu verurteilen, „Verletztenrente nach Ziffer 2112 der BKVO zu gewähren nach einer MdE von wenigstens 20 %, hilfsweise nach einer Stütz-MdE von 10 %“, mit Gerichtsbescheid vom 8. Juli 2015 abgewiesen. Sie sei nicht zulässig, soweit ausdrücklich die Verurteilung der Beklagten zur Gewährung einer Rente beantragt worden sei. Zulässig, aber unbegründet sei sie, soweit die gerichtliche Feststellung begehrt worden sei, dass die Gonarthrose des Klägers eine Berufskrankheit nach Nr. 2112 der Anlage 1 zur BKV sei.

Hiergegen hat der Kläger am 20. Juli 2015 beim Landessozialgericht Baden-Württemberg Berufung eingelegt. Mit Schreiben von August 2015 hat der Berichterstatter den vormaligen Bevollmächtigten des Klägers darauf hingewiesen, dass Bedenken bestehen, ob er in seiner Eigenschaft als Rentenberater im vorliegenden Verfahren, welches das Recht der gesetzlichen Unfallversicherung betreffe, befugt sei, diesen zu vertreten. Das Gesuch, den Berichterstatter deshalb wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen, ist im Verfahren L 6 SF 3439/15 AB mit Beschluss vom 8. September 2015 zurückgewiesen worden. Daraufhin ist die Vorsitzende Richterin des erkennenden Senats, die Richterin am Landessozialgericht M. und der Richter am Landessozialgericht B., welche diese Entscheidung getroffen haben, wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt worden. Dieses Gesuch ist im Verfahren L 6 SF 4041/15 AB als offensichtlich unzulässig angesehen und der vormalige Bevollmächtigte des Klägers mit Beschluss vom 17. Februar 2016 mangels Vertretungsbefugnis zurückgewiesen worden. Der aktuelle Bevollmächtigte hat die Vertretung des Klägers im Oktober 2015 angezeigt und eine Prozessvollmacht übersandt.

Der Kläger trägt im Wesentlichen vor, für die von der Beklagten angenommene kumulative Belastungsdauer von 13.000 Stunden gebe es keinen epidemiologischen Beleg, was Prof. Dr. Dr. K. bestätigt habe. Hierbei handele es sich lediglich um einen Näherungswert, der keine absolute Wirkung entfalte. Es gebe schließlich vor dem Hintergrund der sehr individuellen Physiognomie eines Menschen keinen absoluten Grenzwert. Besonders intensive Kniebelastungen, wie sie bei ihm vorgelegen hätten, könnten zu einem früheren Zeitpunkt zu einem Schaden führen. Er habe nicht nur eine kniebelastende Körperhaltung eingenommen, sondern hierbei auch mit schweren Gewichten hantiert. Nur weil seine Schmerzen zugenommen hätten, bedeute dies nicht, dass sich auch die Arthrose verschlimmert habe. Für die von der Beklagten angeführte außerberufliche Ursache sei sie beweisbelastet.

Er beantragt (sinngemäß),

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 8. Juli 2015 und den Bescheid vom 17. Mai 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. Mai 2013 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, bei ihm eine Berufskrankheit nach Nr. 2112 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung festzustellen, und diese zu verurteilen, ihm deswegen eine Rente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 20 vom Hundert, hilfsweise eine Stützrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 10 vom Hundert, zu gewähren,

hilfsweise, ein Sachverständigengutachten nach § 109 Sozialgerichtsgesetz einzuholen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Sie trägt im Wesentlichen vor, das Begehren des Klägers könne wegen der nicht gegebenen medizinischen Voraussetzungen der festzustellenden Berufskrankheit nicht zum Erfolg führen.

Mit Schreiben vom 17. Februar 2016 ist der Kläger unter Fristsetzung bis 31. März 2016 auf sein Antragsrecht nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hingewiesen worden. Mit Schreiben vom 5. April 2016 ist die Frist antragsgemäß bis 29. April 2016 verlängert worden. Es ist jedoch weder eine Ärztin oder ein Arzt benannt noch der Kostenvorschuss eingezahlt worden.

Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.

Wegen der Einzelheiten des Sachverhaltes sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen, einschließlich der Akten L 6 SF 3439/15 AB und L 6 SF 4041/15 AB, sowie die Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen.

Gründe

Die Berufung des Klägers, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden kann (§ 124 Abs. 2 SGG), ist form- und fristgerecht (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegt worden sowie im Übrigen zulässig, insbesondere statthaft (§ 143, § 144 Abs. 1 SGG), aber unbegründet.

Die Berufung ist bereits mangels Zulässigkeit der Klage unbegründet, soweit mit dieser unter Aufhebung des angefochtenen Gerichtsbescheides des SG und des Bescheides vom 17. Mai 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. Mai 2013 die Verurteilung der Beklagten zur Gewährung einer Rente begehrt worden ist. Mit der angefochtenen Verwaltungsentscheidung hat die Beklagte es zum einen nur abgelehnt festzustellen, dass beim Kläger eine Berufskrankheit nach Nr. 2112 der Anlage 1 zur BKV vorliegt. Zum anderen hat sie im Kontext mit der Formulierung, dass Ansprüche auf Leistungen nicht bestehen, was auch für Leistungen oder Maßnahmen gelte, die geeignet seien, dem Entstehen einer Berufskrankheit entgegenzuwirken, sinngemäß ein Recht auf Leistungen nach § 3 Abs. 1 BKV versagt. Damit liegen die Sachentscheidungsvoraussetzungen für das Klagebegehren, welches auf die Gewährung einer Rente abzielt, nicht vor.Der Kläger ist insoweit, bezogen auf die gegen den Bescheid vom 17. Mai 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. Mai 2013 gerichtete Anfechtungsklage, nicht klagebefugt im Sinne des § 54 Abs. 1 Satz 2 SGG. Es reicht zwar aus, dass eine Verletzung in eigenen Rechten möglich ist und Rechtsschutzsuchende die Beseitigung einer in ihre Rechtssphäre eingreifenden Verwaltungsmaßnahme anstreben, von der sie behaupten, sie sei nicht rechtmäßig (vgl. BSG, Urteil vom 5. Juli 2007 - B 9/9a SGB 2/06 R -, SozR 4-3250 § 69 Nr. 5, Rz. 18). An der Klagebefugnis fehlt es demgegenüber, wenn eine Verletzung subjektiver Rechte nicht in Betracht kommt (vgl. BSG, Urteil vom 14. November 2002 - B 13 RJ 19/01 R -, BSGE 90, 127 ), weil hinsichtlich des Klagebegehrens keine gerichtlich überprüfbare Verwaltungsentscheidung vorliegt (BSG, Urteil vom 21. September 2010 - B 2 U 25/09 R -, juris, Rz. 12). Über ein Recht auf Rente wurde mit Bescheid vom 17. Mai 2011 nicht entschieden; demgegenüber wurde, neben der sinngemäßen Versagung der konkreten Leistungen nach § 3 Abs. 1 BKV, nur unbestimmt ausgeführt, dass Ansprüche auf Leistungen nicht bestehen. Die Unzulässigkeit der Anfechtungsklage zieht die Unzulässigkeit der mit ihr kombinierten Leistungsklage nach sich.

Soweit der Kläger mit der kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 SGG; zur Klageart vgl. BSG, Urteil vom 18. Juni 2013 - B 2 U 6/12 R -, SozR 4-2700 § 9 Nr. 22, Rz. 13 m. w. N.) die Beseitigung des ablehnenden Bescheides vom 17. Mai 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. Mai 2013 sowie die Verpflichtung der Beklagten zur Feststellung einer Berufskrankheit nach Nr. 2112 der Anlage 1 zur BKV bei ihm begehrt, ist die Berufung ebenfalls unbegründet, hingegen nicht wegen Unzulässigkeit, sondern wegen Unbegründetheit der Klage. Denn mangels Vorliegen der Voraussetzungen für die Feststellung dieser Berufskrankheit, ist der insoweit angefochtene Verwaltungsakt rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 54 Abs. 2 Satz 1 SGG).

Der geltend gemachte Anspruch richtet sich nach den am 1. Januar 1997 in Kraft getretenen Bestimmungen des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII), da eine Gonarthrose, wie sie Voraussetzung für die Feststellung der Berufskrankheit nach Nr. 2112 der Anlage 1 zur BKV ist, nicht vor diesem Datum nachgewiesen ist und der Leistungsfall somit erst nach 1996 eingetreten sein kann (§ 212 SGB VII; Art. 36 Unfallversicherungs-Einordnungsgesetz , BGBl I 1996, S. 1254). Der Kläger hat ärztlich dokumentierte Kniebeschwerden erstmals für die Zeit ab Anfang 1998 angegeben. Denn dessen Hausarzt Dr. Ei. teilte der Beklagten im Dezember 2010 mit, dass er ihn wegen Kniebeschwerden erstmals Ende Januar 1999 aufsuchte und über seit einem Jahr bestehende Schmerzen im linken Bein berichtete. Diagnostiziert worden ist eine beginnende medialseitige Gonarthrose durch Dr. B. nach einer klinischen Untersuchung des Klägers Mitte Februar 1999. Nach dem aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand (vgl. hierzu BSG, Urteile vom 9. Mai 2006 - B 2 U 1/05 R -, BSGE 96, 196 und 23. April 2015 - B 2 U 10/14 R -, SozR 4-5671 Anl. 1 Nr. 2108 Nr. 6, Rz. 20), der wegen des für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage bei der vorliegenden Verpflichtungsklage maßgeblichen Zeitpunktes der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz zu berücksichtigen ist (vgl. Keller, in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 11. Aufl. 2014, § 54 Rz. 34), liegt eine durch die versicherte Tätigkeit im Knien oder vergleichbare Kniebelastung herbeigeführte Gonarthrose sogar erst vor, wenn chronische Kniegelenksbeschwerden, Funktionsstörungen bei der standardisierten klinisch-orthopädischen Untersuchung und die röntgenologische Diagnose einer Gonarthrose entsprechend einem Grad 2 bis 4 der spezifizierten Klassifikation von Kellgren et al. objektiviert worden sind; als Funktionsstörung muss eine Bewegungseinschränkung in Form einer eingeschränkten Streckung und/oder Beugung im Kniegelenk, ein Kniegelenkserguss, eine Kapselentzündung mit Verdickung oder Verplumpung der Gelenkkontur, eine Krepitation bei der Gelenkbewegung, ein hinkendes Gangbild oder eine Atrophie der Oberschenkelmuskulatur festgestellt sein. Diesen Maßstab legt der Senat aufgrund der Begutachtungsempfehlung für die Berufskrankheit Nr. 2112 (Gonarthrose) der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung e. V., Stand: 3. Juni 2014 (im Internet unter „www.dguv.de/medien/inhalt/versicherung/bk/empfehlungen/Begutachtung-BK2112-Stand 20140613.pdf“), zugrunde, welche von einem interdisziplinären Arbeitskreis erstellt worden sind. Die Kriterien „chronische Kniegelenksbeschwerden, Funktionsstörungen bei der orthopädischen Untersuchung in Form einer eingeschränkten Streckung oder Beugung im Kniegelenk und die röntgenologische Diagnose einer Gonarthrose entsprechend einem Grad 2 bis 4 der spezifizierten Klassifikation von Kellgren et al.“ ist bereits nach dem Merkblatt zur Berufskrankheit nach Nr. 2112 der Anlage 1 zur BKV (Bekanntmachung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales vom 30. Dezember 2009 - IVa 4-45222-2112 -, GMBl 5/6/2010, S. 98 ff.) gefordert worden. Vor diesem Hintergrund ist eine für die streitgegenständliche Berufskrankheit maßgebliche Gonarthrose sogar erst durch die bei den Untersuchungen im O. Klinikum Of.-G. im Jahre 2010 erhobenen Befunde objektiviert worden. Der Sachverständige Prof. Dr. Dr. K. hat schlüssig dargelegt, dass sich danach eindeutig größere osteophytäre Randanbauten am medialen Gelenkspalt beidseits haben feststellen lassen. Der Gelenkspalt ist fortgeschritten verschmälert gewesen. Es hat eine subchondrale Sklerosierung speziell im Bereich des medialen Tibiaplateaus beidseits bestanden. Eine deutliche Deformierung ist zu konstatieren gewesen. Hieraus ergibt sich nach dem Kellgren-Lawrence-Score nachvollziehbar der Grad 3. Die beidseitige Gonarthrose, welche mit chronischen Kniebeschwerden verbunden ist, hat zu einer beidseitigen Bewegungseinschränkung bei der Streckung und Beugung geführt, mit bei der gutachterlichen Untersuchung durch Prof. Dr. Dr. K. festgestellten Werten nach der Neutral-0-Methode von beidseits 10-10-100° (vgl. hierzu Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Aufl. 2010, S. 647). Der Versicherungsfall im Sinne des § 212 SGB VII ist damit jedenfalls weit nach dem 31. Dezember 1996 eingetreten. Offen bleiben kann, ob § 9 Abs. 5 SGB VII entsprechende Anwendung findet. Soweit danach Vorschriften über Leistungen auf den Zeitpunkt des Versicherungsfalls abstellen, ist bei Berufskrankheiten auf den Beginn der Arbeitsunfähigkeit oder der Behandlungsbedürftigkeit oder, wenn dies für die Versicherten günstiger ist, auf den Beginn der rentenberechtigenden Minderung der Erwerbsfähigkeit abzustellen (vgl. Köhler, in Hauck/Noftz, Kommentar zum SGB VII, Stand: Mai 2011, § 212 Rz. 5; Söhngen, in jurisPK-SGB VII, 2. Aufl. 2014, § 212 Rz. 11). Auch diese Voraussetzungen lägen frühestens zum Zeitpunkt des Nachweises der Gonarthrose vor.

Nach § 9 Abs. 1 SGB VII sind Berufskrankheiten Krankheiten, welche die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrats als Berufskrankheiten bezeichnet (Listen-Berufskrankheiten) und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach den § 2, § 3 oder § 6 SGB VII begründenden Tätigkeit erleiden (Satz 1). Die Bundesregierung ist ermächtigt, in der Rechtsverordnung solche Krankheiten als Berufskrankheiten zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grad als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind; sie kann Berufskrankheiten auf bestimmte Gefährdungsbereiche beschränken oder mit dem Zwang zur Unterlassung einer gefährdenden Tätigkeit versehen (Satz 2). Für die Feststellung einer Listen-Berufskrankheit ist im Regelfall erforderlich, dass die Verrichtung einer grundsätzlich versicherten Tätigkeit (sachlicher Zusammenhang) zu Einwirkungen von Belastungen, Schadstoffen oder Ähnlichem auf den Körper geführt hat (Einwirkungskausalität) und die Einwirkungen eine Krankheit verursacht haben (haftungsbegründende Kausalität). Dass die berufsbedingte Erkrankung gegebenenfalls den Leistungsfall auslösende Folgen nach sich zieht (haftungsausfüllende Kausalität), ist keine Voraussetzung einer Listen-Berufskrankheit. Dabei müssen die „versicherte Tätigkeit“, die „Verrichtung“, die „Einwirkungen“ und die „Krankheit“ im Sinne des Vollbeweises, also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, vorliegen. Für die nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu beurteilenden Ursachenzusammenhänge genügt indes die hinreichende Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße Möglichkeit (vgl. BSG, Urteil vom 15. September 2011 - B 2 U 25/10 R -, SozR 4-5671 Anl. 1 Nr. 4111 Nr. 3, Rz. 14 m. w. N.).

Die Gonarthrose ist durch die Zweite Verordnung zur Änderung der BKV vom 11. Juni 2009 (BGBl I S. 1273) mit Wirkung zum 1. Juli 2009 als Nr. 2112 in die Liste der Berufskrankheiten (§ 1 BKV i. V. m. Anlage 1) aufgenommen worden. Sie ist bezeichnet als „Gonarthrose durch eine Tätigkeit im Knien oder vergleichbare Kniebelastung mit einer kumulativen Einwirkungsdauer während des Arbeitslebens von mindestens 13.000 Stunden und einer Mindesteinwirkungsdauer von insgesamt einer Stunde pro Schicht“. Die in dieser Listen-Berufskrankheit bestimmten, also dort benannten arbeitstechnischen Voraussetzungen liegen vor. Denn der Kläger war während seiner versicherten beruflichen Tätigkeit von März 1990 bis Ende April 2010 als Beschäftigter nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII durch eine Tätigkeit im Knien oder eine vergleichbare Kniebelastung einer kumulativen Einwirkungsdauer von 13.200 Stunden ausgesetzt, wobei die Mindesteinwirkungsdauer von einer Stunde je Arbeitsschicht erfüllt war. Hierfür stützt sich der Senat auf die vom Mitarbeiter des Präventionsdienstes H. erstellte Stellungnahme zur Arbeitsplatzexposition von November 2010, welcher eine persönliche Unterredung mit dem Arbeitgeber am Betriebsort und ein Telefonat mit ihm im Vormonat sowie ein Gespräch mit dem Kläger am 24. November 2010 zugrunde liegt. Danach umfasste dessen Arbeitstätigkeit, insbesondere nach den korrigierten Angaben des Arbeitsgebers, zu etwa 75 % die Installation von Heizungs- und Sanitäranlagen, wobei bei den Sanitäranlagen überwiegend Vorwandinstallationen montiert werden mussten. Daneben wurden Duschtassen, Badewannen, Waschbecken sowie die zugehörigen Zu- und Abwasserleitungen und Wasserhähne oder Brausen montiert. Im Heizungsbereich wurden Zuleitungen und Anschlüsse verlegt und montiert. Etwa 25 % des Arbeitsumfanges nahmen Blecharbeiten für Hausdächer, Beplankungen von Flachdächern oder Fassaden ein. Neben dem Zuschnitt der Bleche wurden auch umfangreiche Falzarbeiten vorgenommen. Zudem wurden sieben oder acht Solaranlagen je Jahr installiert. Bei einem Arbeitstag von achteinhalb Stunden nahm der Kläger gesichert drei Stunden eine kniende oder hockende Körperhaltung ein. In den letzten fünf Jahren vor der Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses im Frühjahr 2010 benutzte er einen Knieschutz aus Gummi oder Schaumstoff oder ähnlichem Material, um eine gewisse Dämpfung beziehungsweise Entlastung der Kniegelenke zu erreichen. Bei einer knienden Arbeitstätigkeit von arbeitstäglich drei Stunden ergibt sich somit über den Beschäftigungszeitraum von zwanzig Jahren, bei 220 Arbeitstagen je Jahr, eine Gesamtbelastung von 13.200 Stunden. Folglich ist die kumulative Einwirkungsdauer während des Arbeitslebens von mindestens 13.000 Stunden erreicht und die arbeitstechnischen Voraussetzungen für eine Berufskrankheit nach Nr. 2112 der Anlage 1 zur BKV erfüllt.

Die gesundheitlichen Verhältnisse des Klägers rechtfertigen indes die beantragte Verpflichtung der Beklagten zur Feststellung der Berufskrankheit nach Nr. 2112 der Anlage 1 zur BKV nicht. Es steht zur Überzeugung des Senats nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit fest, dass es durch die versicherten Tätigkeiten im Knien oder eine vergleichbare Kniebelastung zu Einwirkungen auf die Kniegelenke gekommen ist, welche die beidseitige Gonarthrose herbeigeführt haben. Für den Senat spricht sogar deutlich mehr dafür, dass diese Erkrankung auf die beim Kläger vorhandene und nicht versicherte diffuse idiopathische Skeletthyperostose (ICD-10-GM-2016 M48.1-) zurückzuführen ist. Hierfür stützt sich der Senat auf die überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. Dr. K.. Dieses Krankheitsbild liegt beim Kläger mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit vor. Denn deren Vollbild hat sich klinisch-physikalisch und radiologisch sichern lassen. Typischerweise ist beim Kläger im Röntgenbild ein rechtsbetonter zuckerartiger Überguss von Knochenmaterial im Bereich der Wirbelsäule zu sehen. Durch die Überbrückung der Bandscheibenräume ist die Beweglichkeit der Wirbelsäule in diesen Segmenten aufgehoben. Die Erkrankung zeigt sich zudem an der diffusen Konturbegrenzung beider Beckenschaufeln und Sitzbeinhöcker in der Beckenübersichtsaufnahme. Die deutlich altersvorauseilende beidseitige Gonarthrose ist durch die diffuse idiopathische Skeletthyperostose befördert worden. Auch in diesem Bereich des Körpers haben die radiologischen Befunde das Vollbild einer solchen Erkrankung gezeigt. Auch wenn häufig ein Diabetes mellitus oder Fettstoffwechselstörungen als begleitende Gesundheitsbeeinträchtigungen beobachtet werden, an denen der Kläger indes nicht gesichert leidet, tritt der Morbus Forestier nach den weiteren nachvollziehbaren Ausführungen von Prof. Dr. Dr. K. auch ohne solche begleitenden Gesundheitsstörungen auf. Für eine vorzeitige, anlagebedingte Degeneration der Kniegelenke des Klägers spricht zudem die bei ihm vorhandene beidseitige Coxarthrose, welche nach ihrem Schweregrad in etwa derjenigen der beidseitigen Gonarthrose entspricht. Es überzeugt den Senat darüber hinaus, dass gegen eine Ursächlichkeit der beruflich bedingten Einwirkungen spricht, dass es nach Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses Ende April 2010 zu einer deutlichen weiteren Verschlimmerung der Kniegelenksbeschwerden mit Anlaufbelastungs- und Ruheschmerzen gekommen ist, wie sich der anamnestischen Erhebung bei der gutachterlichen Untersuchung durch den Sachverständigen am 13. August 2013 entnehmen lässt. Andernfalls und entgegen der Ansicht des Klägers wäre eine Stagnation der Beschwerdesymptomatik zu erwarten gewesen. Soweit der Kläger ohne weitere Differenzierung vorgetragen hat, dass er bei seiner Tätigkeit für den Arbeitgeber mit schweren Gewichten hantiert hat, welche zur Überzeugung des Senats üblicherweise stehend gehalten oder gehend getragen werden, ist von ihm bereits nicht sinngemäß behauptet worden, dass hierdurch auch eine erhöhte Druckkraft während seiner beruflichen Tätigkeit im Knien oder einer vergleichbaren Kniebelastung auf den Gelenkknorpel im Retropatellar- und Tibiofemoralgelenk entstand. Denn biomechanische Studien haben gezeigt, dass es nur bei der Kniegelenksbeugung um 90° oder 120° wie beim Knien oder Hocken zu einem hohen Druck im Kniehauptgelenk kommt (Merkblatt zur Berufskrankheit nach Nr. 2112 der Anlage 1 zur BKV, a. a. O.)

Anders als von Prof. Dr. Dr. K. angenommen, spricht indes die Zeitspanne zwischen dem Erreichen der kumulativen Einwirkungsdauer während des Arbeitslebens von mindestens 13.000 Stunden und einer Mindesteinwirkungsdauer von insgesamt einer Stunde je Schicht einerseits sowie dem erstmaligen Nachweis einer Gonarthrose vorliegend nicht gegen einen Zusammenhang zwischen einer Einwirkung aufgrund der beruflichen kniebelastenden Tätigkeit und einer solchen Erkrankung. Anders als von ihm angenommen, ist Bezugspunkt der Zeitspanne nicht eine Gonarthrose überhaupt, sondern nach einem Grad von mindestens 2 nach dem Kellgren-Lawrence-Score (Urteil des Senats vom 17. März 2016 - L 6 U 1518/14 -, juris, Rz. 60). Eine solche Erkrankung ist erst im Jahre 2010 nachgewiesen worden, als der Kläger gerade erst die kumulative Einwirkungsdauer von 13.000 Stunden knapp überschritten hatte. Genauso wenig lässt sich, anders als von Prof. Dr. Dr. K. vorgenommen, ein fehlendes belastungskonformes Schadensbild als Aspekt gegen einen Zusammenhang mit den beruflich bedingten Einwirkungen auf die Knie anführen (vgl. Urteil des Senats vom 17. März 2016 - L 6 U 1518/14 -, a. a. O., Rz. 62). Die ursprüngliche Arbeitshypothese des interdisziplinären Arbeitskreises, welcher die Begutachtungsempfehlung für die Berufskrankheit nach Nr. 2112 der Anlage 1 zur BKV erarbeitet hat, nach der etwa mit einem Beginn des Knorpelaufbrauches in erster Linie patel-lofemoral und in den dorsalen Kniegelenksanteilen sowie mit einem selektiven Aufbrauch der Meniskushinterhörner als möglichem Initialstadium zu rechnen sei, hat sich durch die bislang vorliegenden Forschungsergebnisse nicht belegen lassen (vgl. die Empfehlung auf S. 9). Ein anderes Schadensbild ist bereits, auch unter Berücksichtigung etwaiger biomechanischer Gegebenheiten, nicht näher diskutiert worden.

Mangels hinreichender Wahrscheinlichkeit des Ursachenzusammenhanges der beruflich bedingten Einwirkungen auf die Knie des Klägers und der beidseitigen Gonarthrose, kommt es von vornherein nicht darauf an, ob, und gegebenenfalls in welchem Ausmaß, bei ihm eine nicht versicherte Varusfehlstellung vorliegt und ob diese ursächlich für die Gesundheitsstörung im Bereich der Knie des Klägers gewesen ist (vgl. Urteile des Senats vom 17. März 2016 - L 6 U 1518/14 -, a. a. O., Rz. 62 und 26. November 2015 - L 6 U 2782/15 -, juris, Rz. 50 zur Berufskrankheit nach Nr. 2102 der Anlage 1 zur BKV).

Dem hilfsweisen Antrag auf Einholung eines Gutachtens nach § 109 SGG war nicht stattzugeben. Trotz Fristsetzung, die zudem noch antragsgemäß bis 29. April 2016 verlängert worden ist, ist weder eine Ärztin oder ein Arzt benannt noch der festgesetzte Kostenvorschuss (§ 109 Abs. 1 Satz 2 SGG) eingezahlt worden (vgl. Keller, in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 11. Aufl. 2014, § 109 Rz. 10a und 11a).

Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.

Zitiert0
Referenzen0
Schlagworte