OLG Stuttgart, Urteil vom 16.06.2016 - 7 U 35/16
Fundstelle
openJur 2016, 9952
  • Rkr:

Bei einer Direktversicherung im Rahmen der betr. Altersvorsorge kann die Vereinbarung eines unverfallbaren Bezugsrechts nicht ohne weiteres dahingehend ausgelegt werden, dass abweichend von § 17 BetrAVG ein Statuswechsel der versicherten Person ohne Relevanz sein soll. Eine dahin gehende Auslegung ist nur möglich, wenn bei Abschluss des Versicherungsvertrages konkrete Anhaltspunkte für einen entsprechenden Parteiwillen vorlagen.

Tenor

1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 10.02.2016 (Az. 18 O 412/15)

aufgehoben.Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger Auskunft darüber zu erteilen, welche Höhe der Rückkaufswert der von der … unter der Nr. … bei der Beklagten abgeschlossenen Lebensversicherung zum 30.05.2012 hatte.

Hinsichtlich der weiteren Stufen wird die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Berufungsverfahrens, an das Landgericht Stuttgartzurückverwiesen.

2. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 1.000 Euro abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 1.000 Euro leistet.

3. Die Revision wird zugelassen.

4. Berufungsstreitwert: bis 19.000,00 EUR.

Gründe

I.

Die Parteien streiten um im Wege der Stufenklage geltend gemachte Auskunfts- und Zahlungsansprüche bzgl. einer zum Zwecke der betrieblichen Altersversorgung des Zeugen … abgeschlossenen Direktversicherung.

Der Kläger wurde mit Beschluss des Amtsgerichts Leipzig vom 16.03.2012 (Anlage K 1, GA I hinter 10 = hinter 23) zum Insolvenzverwalter über das Vermögen der … bestellt. Die Insolvenzschuldnerin schloss bei der Beklagten auf der Grundlage eines Antrags vom 11.07.2001 (Anlage K 2, GA I hinter 10 = hinter 23) zugunsten des Zeugen … als versicherte Person eine Direktversicherung im Rahmen der betrieblichen Altersvorsorge mit der Versicherungsschein-Nr. … ab, welche mit Versicherungsschein vom 20.07.2001 (Anlage K 3, GA I hinter 10 = hinter 23) policiert wurde. Der Zeuge war zu dieser Zeit Arbeitnehmer der Insolvenzschuldnerin. Als Versicherungsbeginn wurde der 01.06.2001 vereinbart. Auf S. 2 des Versicherungsscheins findet sich unter der Überschrift „Vereinbarungen zum Bezugsrecht“ folgende Regelung:

„Die Leistungen im Todes- und Erlebensfall erhält:

Die versicherte Person, ab Unverfallbarkeit unwiderruflich.

Im Todesfall ist die Versicherungsleistung zu zahlen an:

Frau …“.

Mit Schreiben vom 29.05.2012 (Anlage K 4, GA I hinter 10 = hinter 23) kündigte der Kläger den Versicherungsvertrag und forderte die Beklagte zur Auszahlung des Rückkaufswertes zur Masse bis 30.06.2012 auf. Mit Schreiben vom 20.06.2012 (Anlage K 5, GA I hinter 10 = hinter 23) lehnte die Beklagte dies ab.

Der Kläger hat in 1. Instanz geltend gemacht, der Zeuge … sei durch Erwerb von Geschäftsanteilen seit dem 13.04.2004 Mehrheitsgesellschafter und seit dem 07.04.2005 Geschäftsführer der … gewesen. Eine Unverfallbarkeit habe aufgrund des dadurch vorliegenden Statuswechsels ab diesem Zeitpunkt nicht mehr eintreten können.

Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt, die Beklagte zu verurteilen,

1. dem Kläger Auskunft darüber zu erteilen, welche Höhe der Rückkaufswert der von der … unter der Nr … bei der Beklagten abgeschlossenen Lebensversicherung zum Zeitpunkt des 30.05.2012 hatte,

2. erforderlichenfalls die Richtigkeit und Vollständigkeit ihrer Angaben an Eides statt zu versichern,

3. an den Kläger den sich aus der Auskunft ergebenden Rückkaufswert nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszins seit dem 01.07.2012 zu zahlen.

Die Beklagte, die in 1. Instanz Klageabweisung beantragt hat, hat eingewandt, die Insolvenzschuldnerin habe bei Antragstellung den Willen gehabt, dass dem Zeugen … die Versicherungsleistung unwiderruflich zustehen solle, wenn dieser über 5 Jahre hinweg, gleich in welcher Funktion, im Unternehmen verbleibe. Es sei Unverfallbarkeit eingetreten.

Im Übrigen wird zur Sachdarstellung auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils verwiesen.

Die Beklagte hat dem Zeugen … mit Schriftsatz vom 16.12.2015 (GA I 30 ff.) den Streit verkündet. Der Schriftsatz wurde dem Zeugen am 23.12.2015 zugestellt (GA I 38). Ein Beitritt ist nicht erfolgt.

Das Landgericht hat mit Urteil vom 10.02.2016 (GA I 49 ff.) die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, aufgrund eines unwiderruflich gewordenen Bezugsrechts zugunsten des Herrn … stehe dem Kläger kein Anspruch auf Auszahlung des Rückkaufswerts zu, was zugleich einen diesbezüglichen Auskunftsanspruch ausschließe. Das Bezugsrecht sei bereits zum 01.06.2006 unwiderruflich geworden, was eine Auslegung der Bezugsrechtsvereinbarung ergebe.

Wegen der tatsächlichen Feststellungen im Einzelnen wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.

Mit seiner hiergegen gerichteten Berufung verfolgt der Kläger sein erstinstanzliches Begehren weiter. Er nimmt auf sein erstinstanzliches Vorbringen Bezug und wendet mit der Berufung insbesondere ein, es liege kein unwiderrufliches Bezugsrecht vor. Die Voraussetzungen einer Unverfallbarkeit seien aufgrund des zwischenzeitlich eingetretenen Statuswechsels des Zeugen … vom Arbeitnehmer hin zum Mehrheitsgesellschafter und Geschäftsführer der späteren Insolvenzschuldnerin nicht erfüllt. Die Bezugsrechtsvereinbarung könne nicht wie vom Landgericht vorgenommen ausgelegt werden.

Der Berufungskläger beantragt:

1. Das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 10.02.2016 im Verfahren zum Az.: 18 O 412/15 wird abgeändert.

2. Die Beklagte wird verurteilt,

a) dem Kläger Auskunft darüber zu erteilen, welche Höhe der Rückkaufswert der von der … unter der Nr. … bei der Beklagten abgeschlossenen Lebensversicherung zum Zeitpunkt des 30.05.2012 hatte,

b) erforderlichenfalls die Richtigkeit und Vollständigkeit ihrer Angaben an Eides statt zu versichern,

c) an den Kläger den sich aus der Auskunft ergebenden Rückkaufswert nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszins seit dem 01.07.2012 zu zahlen.

Bzgl. der Anträge 2 b und c beantragt der Berufungskläger, den Rechtsstreit an das Landgericht zurückzuverweisen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Die Auslegung des Landgerichts sei unter Berücksichtigung der übereinstimmenden Interessenlage der Vertragsparteien zutreffend. Die Unwiderruflichkeit habe trotz des behaupteten Statuswechsels eintreten können. Das Arbeitsverhältnis der Zeugen … sei nicht bzw. lediglich insolvenzbedingt beendet worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vortrags der Parteien in 2. Instanz wird auf die gewechselten Schriftsätze verwiesen.

Der Senat hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen … in der mündlichen Verhandlung vom 16.06.2016. Wegen des Ergebnis der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 16.06.2016 Bezug genommen.II.

Die zulässige Berufung des Klägers ist begründet.

Dem Kläger steht ein Anspruch auf die begehrte Auskunft hinsichtlich des Rückkaufswertes der streitgegenständlichen Lebensversicherung aus dem zwischen der … und der Beklagten geschlossenen Versicherungsvertrag (Anl. K 3, GA I hinter 10 = hinter 23) zu.

1.

Mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Versicherungsnehmerin, der … durch Beschluss des Amtsgerichts Leipzig vom 16.03.2012 (Anl. K 1, GA I hinter 23) ging gemäß § 80 Abs. 1 InsO die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis auch hinsichtlich der Versicherungsnehmerstellung der Insolvenzschuldnerin auf den Kläger als Insolvenzverwalter über. Dieser konnte daher die der Versicherungsnehmerin zustehenden Rechte aus diesem Vertrag ausüben, insbesondere den Vertrag kündigen, wie er dies mit Schreiben vom 29.05.2012 (Anl. K 4, GA I hinter 23) getan hat.

Mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens verlieren die Ansprüche der Parteien eines Versicherungsvertrages, insbesondere eines Lebensversicherungsvertrages, lediglich ihre Durchsetzbarkeit, bleiben aber als solche erhalten. Die Verfahrenseröffnung bewirkt keine materiell-rechtliche Umgestaltung des Versicherungsvertrages (vgl. BGH ZIP 2012, 34). Darum muss der Verwalter den Vertrag beenden, um den Rückkaufswert zur Masse zu ziehen (vgl. BAGE 134, 372). Daraus folgt, dass der Insolvenzverwalter nur dann gegen den Lebensversicherer einen Anspruch auf Zahlung des Rückkaufswerts hat, wenn er den Versicherungsvertrag kündigt. In der Kündigung ist zugleich der Widerruf der Bezugsberechtigung des Dritten zu erkennen (vgl. BGH VersR 2014, 1444).

2.

Der Widerruf war wirksam, da das Bezugsrecht der versicherten Person … im Zeitpunkt der Widerrufserklärung noch nicht gemäß § 1 b Abs. 2 S. 1 BetrAVG unwiderruflich geworden war.

a.

Nachdem der zum 01.06.2001 beginnende Versicherungsvertrag zu Gunsten des damaligen Arbeitnehmers der Insolvenzschuldnerin, dem Zeugen … als versicherter Person zum Zwecke der betrieblichen Altersversorgung abgeschlossen wurde, finden hierauf die §§ 30 f Abs. 2, 1 b Abs. 1 S. 1 BetrAVG Anwendung, wonach einem Arbeitnehmer, dem Leistungen aus der betrieblichen Altersversorgung zugesagt worden sind, die Anwartschaft erhalten bleibt, wenn das Arbeitsverhältnis vor Eintritt des Versorgungsfalls, jedoch nach Vollendung des 30. Lebensjahres endet und die Versorgungszusage zu diesem Zeitpunkt 5 Jahre bestanden hat (unverfallbare Anwartschaft).

Da hier für die betriebliche Altersversorgung eine Lebensversicherung auf das Leben des Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber abgeschlossen und der Arbeitnehmer oder seine Hinterbliebenen hinsichtlich der Leistungen des Versicherers bezugsberechtigt waren (Direktversicherung), ist der Arbeitgeber gemäß § 1 b Abs. 2 S. 1 BetrAVG verpflichtet, wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses nach Erfüllung der in § 1 b Abs. 1 S. 1 und 2 BetrAVG genannten Voraussetzungen das Bezugsrecht nicht mehr zu widerrufen.

Als Zeitpunkt der Erteilung der Versorgungszusage im Sinne des Abs. 1 gilt nach § 1 b Abs. 2 S. 4 BetrAVG der Versicherungsbeginn, frühestens jedoch der Beginn der Betriebszugehörigkeit. Hier ist der Versicherungsbeginn zum 01.06.2001 maßgeblich.

b.

Die Voraussetzungen des Eintritts der Unverfallbarkeit gemäß §§ 30 f Abs. 2, 1 b Abs. 1 S. 1 BetrAVG sind hier indes nicht erfüllt.

aa.

Der Zeuge … hat spätestens am 07.04.2005, als er zum Alleingeschäftsführer der späteren Insolvenzschuldnerin wurde, nachdem er bereits am 13.04.2004 durch Erwerb von Gesellschaftsanteilen an der Insolvenzschuldnerin zum Mehrheitsgesellschafter geworden und mit Vertrag vom 28.05.2003 zum Geschäftsführer bestellt worden war, seine Arbeitnehmereigenschaft verloren.

Den - beklagtenseits mit Nichtwissen bestrittenen - Erwerb von Gesellschaftsanteilen an der … sowie die Bestellung zum Geschäftsführer der späteren Insolvenzschuldnerin jedenfalls ab dem 07.04.2005 hat der Zeuge … im Rahmen seiner Vernehmung vor dem Senat am 16.06.2016 glaubhaft bestätigt.

Er hat insbesondere plausibel ausgeführt, er habe zunächst im Jahr 2003 die Hälfte der Gesellschaftsanteile in Höhe von Stammeinlagen von 45.000,00 EUR und im Jahr 2004 zusätzlich die Anteile des Herrn … in Höhe einer Stammeinlage von 22.500,00 EUR übernommen, wodurch er Mehrheitsgesellschafter geworden sei, da er hierdurch über 3/4 der Anteile an der Gesellschaft verfügt habe. Der Zeuge sei ferner mit schriftlichem Vertrag vom 28.05.2003 zum Geschäftsführer bestellt worden. Dieser Vertrag wurde vom Zeugen im Termin vom 16.06.2016 vorgelegt und vom Senat in Augenschein genommen.

Danach ist der Senat vom Erwerb einer Stellung als Mehrheitsgesellschafter ab dem 13.04.2004 und der Geschäftsführereigenschaft des Zeugen jedenfalls ab dem 07.04.2005 überzeugt.

Dass der Zeuge ab dem 15.10.2003 neben Herrn … Geschäftsführer und ab dem 07.04.2005 bis zur Insolvenzeröffnung Alleingeschäftsführer der Insolvenzschuldnerin war, ergibt sich ferner aus den eingeholten Handelsregisterauszügen des Amtsgerichts Leipzig vom 20.04.2016 und vom 21.04.2016 zu HRB … (GA II 93 ff.).

bb.

Im Abschluss eines Geschäftsführer-Dienstvertrags durch einen angestellten Mitarbeiter liegt im Zweifel die konkludente Aufhebung des bisherigen Arbeitsverhältnisses. Nach dem Willen der vertragschließenden Parteien soll regelmäßig neben dem Dienstverhältnis nicht noch ein Arbeitsverhältnis ruhend fortbestehen. Dem Arbeitnehmer muss im Regelfall klar sein, dass er, wenn nicht anderes vereinbart wird, mit dem Abschluss eines Geschäftsführer-Dienstvertrags seinen Status als Arbeitnehmer aufgibt. Die vertraglichen Beziehungen werden auf eine neue Grundlage gestellt, die bisherige Grundlage verliert ihre Bedeutung. Eine andere Auslegung kommt nur in Ausnahmefällen in Betracht, für die zumindest deutliche Anhaltspunkte vorliegen müssen, welche hier nicht ersichtlich sind (vgl. BAG NJW 2009, 2078).

cc.

Gemäß § 17 Abs. 1 BetrAVG sollen jedoch nur Arbeitnehmer oder ihnen nach dieser Vorschrift gleichgestellte Personen den Schutz des BetrAVG genießen. Im Hinblick auf den sozialen Schutzcharakter des Gesetzes werden Personen, die selbst Unternehmer sind, von der Vorschrift nicht erfasst. Auch ein Mehrheitsgesellschafter des Unternehmens fällt nicht in den Schutzbereich des BetrAVG, da dieser entscheidenden Einfluss auf die Ausgestaltung der Vertragsbedingungen ausüben kann (vgl. BGH VersR 2015, 1145; BGH VersR 1999, 650; BGH NJW 1980, 2254; Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht. 16. Aufl. 2016. § 17 Rn. 10 m.w.N.).

Durch den Erwerb von Mehrheitsanteilen an der späteren Insolvenzschuldnerin und der Bestellung zum Geschäftsführer trat in der Person des Zeugen … spätestens am 07.04.2005 ein Statuswechsel dergestalt ein, dass er nunmehr als Unternehmer und nicht mehr als Arbeitnehmer gemäß § 17 Abs. 1 BetrAVG anzusehen war.

dd.

Versorgungsanwartschaften können nur durch Zeiten als Arbeitnehmer und nicht durch solche als Unternehmer erworben werden. Ist eine Person zeitweilig als Unternehmer, im Übrigen aber als Arbeitnehmer oder arbeitnehmerähnliche Person nach § 17 Abs. 1 BetrAVG für ein Unternehmen tätig, kann eine unverfallbare Versorgungsanwartschaft gemäß § 1 b Abs. 1 BetrAVG nur entstehen, wenn die Unverfallbarkeitsfristen insgesamt in Tätigkeitsperioden erfüllt werden, in denen der Betroffene in den Anwendungsbereich des § 17 BetrAVG fällt. Findet ein Statuswechsel statt, so sind für die Berechnung Zeiten, in denen der Betroffene als Unternehmer tätig war, weder für die Dauer der Versorgungszusage noch als Betriebszugehörigkeit zu berücksichtigen (vgl. BGH ZIP 2014, 191).

Da die versicherte Person hier spätestens ab dem 07.04.2005 durchgehend bis zur Insolvenzeröffnung und zum Widerruf des Bezugsrechts durch den Insolvenzverwalter als Mehrheitsgesellschafter und Geschäftsführer der Insolvenzschuldnerin tätig war, kommt für die Berechnung der Unverfallbarkeitsfrist der §§ 30 f Abs. 2, 1 b Abs. 1 S. 1 BetrAVG lediglich der Zeitraum ab Erteilung der Versorgungszusage vom 01.06.2001 (§ 1 b Abs. 2 S. 4 BetrAVG) bis zum Erwerb der Mehrheitsanteile an der Insolvenzschuldnerin vom 13.04.2004, längstens jedoch bis zum endgültigen Statuswechsel mit der Bestellung zum Geschäftsführer am 07.04.2005 in Betracht. Dieser Zeitraum ist kürzer als 5 Jahre. Zeiten nach dem 07.04.2005 sind nicht mehr zu berücksichtigen, da die versicherte Person ab diesem Zeitpunkt durchgängig als Unternehmer und nicht mehr als Arbeitnehmer tätig war.

ee.

Auch eine Unverfallbarkeit gemäß § 30 f Abs. 2 Hs. 2 BetrAVG kommt nicht in Betracht. Denn die Versorgungszusage vom 01.06.2001 bestand ab dem 01.01.2009 nicht bereits seit 5 Jahren, da die Zeiten, in denen der Betroffene als Unternehmer tätig war (hier ab 07.04.2005 bis zur Kündigung), auch für die Dauer der Versorgungszusage nicht zu berücksichtigen sind (vgl. BGH ZIP 2014, 191).

c.

Etwas anderes ergibt auch nicht die Auslegung der Bezugsrechtsvereinbarung im Versicherungsvertrag.

aa.

Die Vereinbarung lautet:

„Die Leistungen im Todes- und Erlebensfall erhält:die versicherte Person, ab Unverfallbarkeit unwiderruflich.“.

bb.

Dieser Vereinbarung lässt sich allenfalls eine Wiedergabe der gesetzlichen Regelung des § 1 b Abs. 1 und 2 BetrAVG entnehmen. Sie ist insoweit eindeutig und damit nicht auslegungsfähig.

Für einen Parteiwillen, der auf die Vereinbarung von Einschränkungen abweichend vom Gesetz gerichtet gewesen sein könnte, bestehen nach dem Wortlaut keine Anhaltspunkte. Insbesondere sind der Vereinbarung keine Abweichungen vom Gesetz im Hinblick auf einen Statuswechsel der versicherten Person vom Arbeitnehmer hin zum Unternehmer zu entnehmen, zumal Derartiges im maßgeblichen Zeitpunkt der Bezugsrechtserklärung (vgl. BGH VersR 2015, 1148) nicht abzusehen war. Denn wie der Zeuge … vor dem Senat glaubhaft bestätigt hat, stand im Jahr 2001 noch nicht im Raum, dass der Zeuge zu einem späteren Zeitpunkt die GmbH übernehmen werde.

cc.

Auch nach dem Sinn und Zweck der Bezugsrechtsvereinbarung kann dieser keine Einschränkung im Hinblick auf die Herausnahme des hier maßgeblichen Beendigungsgrundes des Arbeitnehmerverhältnisses (Statuswechsel) entnommen werden. Eine - einschränkende - Auslegung in diesem Sinne kommt nur hinsichtlich solcher Beendigungsgründe in Betracht, die in der Bezugsrechtsvereinbarung angesprochen wurden, sich der Einflussnahme des Arbeitnehmers entziehen und auch sonst nicht seiner Sphäre zuzuordnen sind, da es nur dann unbillig wäre, dem Arbeitnehmer seine bereits erworbenen Versicherungsansprüche zu nehmen (vgl. BGH VersR 2015, 1145).

Hier kann mangels jeden konkreten Anhaltspunktes nicht festgestellt werden, dass die im Jahr 2001 getroffene Vereinbarung im Deckungsverhältnis über das Bezugsrecht auch die ab dem Jahr 2004 im Valutaverhältnis sich als erwünscht ergebende Vereinbarung eines Bezugsrechts in Abweichung von den gesetzlichen Regeln des § 17 BetrAVG enthielt. Es ist für die Beklagte im Jahr 2001 nicht ersichtlich geworden, dass die Insolvenzschuldnerin damals ein Bezugsrecht in Abweichung von der Zielsetzung der gesetzlichen Regelung auch bei einem Statuswechsel vereinbaren wollte. Im Antrag (Anl. K 2) ist hierzu ebenfalls nichts vermerkt.

Die versicherte Person hat hier aus freien Stücken einen Statuswechsel vom Arbeitnehmer zum Unternehmer durch Erwerb der Mehrheitsanteile an der Insolvenzschuldnerin und der Tätigkeit als deren Geschäftsführer vor Ablauf der 5-Jahres-Frist des § 1 b Abs. 1 BetrAVG vollzogen. Der Zeuge … hat sich damit freiwillig des Schutzes seiner vormaligen Arbeitnehmerstellung begeben.

dd.

Eine insolvenzbedingte Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit der Folge, dass insofern ggf. eine Auslegung der Bezugsrechtsvereinbarung dergestalt möglich wäre, dass ein Widerruf der Bezugsberechtigung aus diesem Grunde möglich sei (vgl. BGH VersR 2014, 321), liegt hier nicht vor. Denn das Arbeitsverhältnis der versicherten Person wurde bereits durch deren Statuswechsel, der spätestens am 07.04.2005 vollzogen war, beendet (s. o. II 2 b aa).

Auf die spätere Abberufung des Zeugen als Geschäftsführer durch den Insolvenzverwalter kommt es daher insoweit nicht an.

3.

Die Klage ist somit auf der Auskunftsstufe begründet. Die Beklagte war zur Erteilung der Auskunft gemäß dem klägerischen Antrag zu verurteilen.

4.

Auf Antrag des Klägers in der mündlichen Verhandlung vom 16.06.2016 hat der Senat analog § 538 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 ZPO den Rechtsstreit zur Entscheidung über die weiteren Stufen der Klage (Anträge Ziff. 1 b und c der Klageschrift vom 24.11.2015 (GA I 18) bzw. Anträge Ziff. 2 b und c der Berufungsbegründungsschrift vom 11.04.2016 (GA II 80 f.)) an das Landgericht zurückverwiesen (vgl. BGH NJW 2006, 2626; Zöller: ZPO. 31. Aufl. 2016. § 538 Rn. 48).

5.

Nebenentscheidungen:

a.

Eine Kostenentscheidung durch das Berufungsgericht ist nicht veranlasst. Diese ist dem erstinstanzlichen Schlussurteil des Landgerichts, welches auch über die Kosten der Berufung zu entscheiden hat, vorbehalten, was auch im Falle der Verurteilung zur Auskunft durch das Berufungsgericht und Zurückverweisung der Sache im Übrigen gilt (vgl. OLG Zweibrücken, Urteil v. 04.02.2016, 4 U 98/14 - juris; OLG Nürnberg FamRZ 2003, 1229; OLG München NZM 2002, 1032; Zöller a.a.O. § 538 Rn. 58).

b.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 S. 1 ZPO.

aa.

Hinsichtlich der Verurteilung zur Auskunft war die Höhe der Sicherheitsleistung nach dem voraussichtlichen Aufwand an Zeit und Kosten der Auskunftserteilung zu schätzen (vgl. BGH GrZS NJW 1995, 664). Da die Beklagte die Auskunft unter Verwendung ihrer EDV schnell und problemlos erteilen kann, war der gemäß § 711 S. 1 ZPO zur Abwendung der Vollstreckung als Sicherheit zu leistende Betrag auf maximal 1.000 Euro festzusetzen.

bb.

Auch wenn das Urteil des Berufungsgerichts - soweit die Zurückverweisung in Rede steht - selbst keinen vollstreckungsfähigen Inhalt hat, da das angefochtene Urteil bereits mit der Verkündung des aufhebenden Urteils gemäß § 717 Abs. 1 ZPO außer Kraft tritt, ist die Entscheidung für vorläufig vollstreckbar zu erklären, da gemäß §§ 775 Nr. 1, 776 ZPO das Vollstreckungsorgan die Vollstreckung aus dem erstinstanzlichen Urteil erst einstellen und bereits getroffene Vollstreckungsmaßregeln erst aufheben darf, wenn eine vollstreckbare Ausfertigung vorgelegt wird (vgl. OLG München NZM 2002, 1032; Zöller aaO. § 538 Rn. 59).

c.

Der Senat lässt die Revision im Hinblick auf die höchstrichterlich bislang noch nicht geklärte Frage der Bedeutung eines Statuswechsels im Zusammenhang mit dem hier zu entscheidenden Sachverhalt zu.

d.

Der Streitwert des Berufungsverfahrens wurde gemäß § 3 ZPO festgesetzt.

aa.

Weist wie hier das Erstgericht über den Auskunftsantrag hinaus die Stufenklage wegen Fehlens einer materiell-rechtlichen Grundlage für die mit ihr verfolgten Ansprüche insgesamt ab, so bestimmt sich die Beschwer des Klägers nach dem vollen Wert des Leistungsanspruchs, da mit der Entscheidung auch der Leistungsanspruch rechtskraftfähig aberkannt wurde (vgl. BGH, Beschluss vom 04.02.2015, III ZR 62/14 - juris; BGH NJW 2002, 71; Schneider/Herget: Streitwertkommentar. 14. Aufl. 2016. Rn. 5107).

Nach dem unwidersprochenen erstinstanzlichen Vorbringen der Beklagten bewegt sich der Wert des Leistungsanspruchs im Bereich von bis zu 19.000,00 EUR.

bb.

Bei erstinstanzlicher Abweisung der Stufenklage und zweitinstanzlicher Verurteilung zur Auskunft und Zurückverweisung im Übrigen beschränkt sich ferner die Revisionsbeschwer der Beklagten auf die Verurteilung zur Auskunft. Das Interesse der Beklagten an einem abschließenden, ihr günstigen Sachurteil rechtfertigt nicht die Annahme einer höheren Beschwer. Denn mangels sachlicher Entscheidung der weiteren Stufen ist noch nicht ersichtlich, ob mit der Zurückverweisung eine für die Beklagte letztlich ungünstige Entscheidung vorliegt. Dies gilt auch dann, wenn - wie hier - das Landgericht ursprünglich die Stufenklage insgesamt abgewiesen hatte (vgl. BGH MDR 2002, 1390; Schneider/Herget a.a.O. Rn. 5116).

Da der Wert des Leistungsanspruchs lediglich bis 19.000,00 EUR beträgt, kann die Revisionsbeschwer der Beklagten, die sich auf die Auskunftsstufe beschränkt, nicht höher liegen.