OLG Stuttgart, Beschluss vom 16.06.2016 - 8 W 154/16
Fundstelle
openJur 2016, 9951
  • Rkr:
Tenor

1. Die weitere Beschwerde des Vertreters der Staatskasse gegen den Beschluss der 1. Zivilkammer des Landgerichts Ellwangen (Jagst) vom 15.03.2016 (Az. 1 T 272 /15) wird zurückgewiesen.

2. Das Verfahren der weiteren Beschwerde ist gerichtsgebührenfrei. Kosten sind nicht zu erstatten.

Beschwerdewert: 3,60 EUR.

Gründe

I.

Gläubigerin und Staatskasse streiten sich über die Höhe der anzusetzenden Gerichtsvollzieherkosten.

Die Gläubigerin hatte gegen den Schuldner zur Erzwingung der Abgabe der Vermögensauskunft einen Haftbefehl des Amtsgerichts Aalen erwirkt. Zu einer Verhaftung des Schuldners kam es im weiteren Verlauf nicht, weil dieser die Vermögensauskunft freiwillig abgegeben hatte. Mit Kostenrechnung vom 15.10.2015 setzte der Obergerichtsvollzieher unter anderem eine Gebühr nach KV 600 GVKostG in Höhe von drei Euro für die nicht erledigte Übergabe des Haftbefehls sowie eine anteilige Auslagenpauschale nach KV 716 GVKostG i.H.v. 0,60 EUR an. Hiergegen wehrte sich die Gläubigerin mit ihrer schließlich in der Beschwerdeinstanz erfolgreichen Erinnerung.

Mit Beschluss vom 15.3.2016 (veröffentlicht in DGVZ 2016, 111f) änderte das Landgericht Ellwangen (Jagst) den amtsgerichtlichen Beschluss dahingehend ab, dass die Kostenrechnung des Gerichtsvollziehers um die beanstandeten Posten herabzusetzen ist und ließ wegen grundsätzlicher Bedeutung die weitere Beschwerde zu.

Diese wurde namens der Staatskasse durch den Bezirksrevisor des Landgerichts Ellwangen auch eingelegt.II.

Die weitere Beschwerde ist zulässig. Insbesondere ist sie dahingehend zu verstehen, die auf angeführten Rundschreiben des Justizministeriums basierende Rechtsauffassung sei zutreffend, so dass die dieser entgegenstehende Rechtsauffassung des angefochtenen Beschlusses dementsprechend unrichtig sei. Damit ist eine Gesetzesverletzung dargelegt.

Sie ist jedoch nicht begründet. Zutreffend hat das Landgericht - insoweit im Einklang mit der Staatskasse - angenommen, dass die Übergabe eines Haftbefehls gemäß § 802g Abs. 2 S. 2 ZPO eine - hier in besonderer Form erfolgende - Zustellung darstellt.

Ebenfalls zutreffend ist jedoch die Annahme des Landgerichts, es handle sich bei dieser Zustellung nicht um eine solche auf Betreiben der Partei sondern um eine amtswegige.

Dies folgt aus folgenden Erwägungen: Nach allgemeiner Meinung ist ein Haftbefehl für den Schuldner mit der sofortigen Beschwerde anfechtbar, wobei die Übergabe die Beschwerdefrist in Gang setzt (vgl. Zöller-Stöber, ZPO, 31. Aufl., .§ 802g ZPO, Rn. 15).

Aus § 329 Abs. 2 S.2 u. Abs. 3 ZPO folgt hier eine Pflicht zur Zustellung, da der Haftbefehl sowohl eine sofortige Beschwerde eröffnet, als auch dessen Übergabe eine Frist in Lauf setzt. § 166 Abs. 2 ZPO wiederum bestimmt im Grundsatz, dass gesetzlich gebotene Zustellungen von Amts wegen und nicht im Parteibetrieb erfolgen müssen.

Ebenso wie das Landgericht vermag der Senat eine Ausnahme von diesem Grundsatz im Ergebnis nicht zu erkennen. Soweit versucht wird, aus der Systematik des historisch auf Parteibetrieb zugeschnittenen Zwangsvollstreckungsrechts anderes abzuleiten (vgl. Hornung DGVZ 2007, 58,60; so letztlich auch die Schreiben des Justizministeriums vom 28.05.2003, 02.08.2007 und 29.08.2014), kann dem nicht gefolgt werden.

Spätestens mit Inkrafttreten des Zustellreformgesetzes zum 01.07.2002 und der damit verbundenen Umkehrung des Regel-Ausnahmeverhältnisses zwischen parteibetriebener und amtswegiger Zustellung hätte es einer deutlicheren, anderweitigen Klarstellung bedurft, wenn auch weiterhin entgegen der neuen Grundregel von der Annahme einer Zustellung im Parteibetrieb bezüglich der Übergabe eines Haftbefehls ausgegangen hätte werden sollen.

Gegen eine solche Annahme spricht auch Abs. 2 der Vorbemerkung zu Nr. 100-102 des Kostenverzeichnisses des GVKostG. Gerade wenn dort einzelne Fälle der Zustellung aus Anlass der Zwangsvollstreckung Gebührentatbestände auslösen, liegt es nahe, daraus im Umkehrschluss zu schließen, dass anderweitige - prima facie gemäß § 166 Abs. 2 ZPO amtswegige - Zustellungen gebührenfrei bleiben sollen.

Auch aus dem Umstand, dass die vorliegende Zustellung vom Gerichtsvollzieher und nicht - wie sonst typischerweise üblich - von der Geschäftsstelle veranlasst wird, vermag der Senat nicht auf eine parteibetriebene Zustellung zu schließen (so jedoch Schröder-Kay/Winter, Das Kostenwesen der Gerichtsvollzieher, 13. Aufl., Kapitel II, Rn. 17, 31f).

Daher ist bereits nach heutiger Rechtslage von einem amtswegigen Tätigwerden auszugehen (so auch LG Tübingen, Beschluss vom 17. 02.2016 - 5 T 23/16 in juris). Der Gesetzgeber beabsichtigt, dies durch eine entsprechende Einfügung der Worte „von Amts wegen“ in § 802 g Abs. 2 S. 2 ZPO klarzustellen (Entwurf eines Gesetzes zur Durchführung der Verordnung (EU) Nr. 635/2014 sowie zur Änderung sonstiger zivilprozessualer Vorschriften (EuKoPfV ODG) - BT-Drs 18/7560 bzw. BR-Drs 633/15). Ein Gebührenansatz für die hier nicht erledigte Übergabe erfolgt daher nicht.III.

Die Kostenentscheidung im Verfahren der weiteren Beschwerde folgt aus §§ 5 Abs. 2 S. 2 GvKostG, 66 Abs. 8 GKG.

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