LG Karlsruhe, Beschluss vom 21.11.2011 - 9 T 132/11
Fundstelle
openJur 2016, 9803
  • Rkr:
Tenor

1. Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Amtsgerichts Karlsruhe – Durlach vom 06.04.2011 – 1 C 111/11 – wie folgt abgeändert:

Der Klägerin wird Prozesskostenhilfe für den ersten Rechtszug bewilligt und ...

Die Partei hat keine Raten und keine sonstigen Beiträge auf die Prozesskosten an die Landeskasse zu zahlen.

2. Diese Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Gründe

Die sofortige Beschwerde der Klägerin gegen den ihren Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zurückweisenden Beschluss des Amtsgerichts Karlsruhe – Durlach vom 06.04.2011 – 1 C 111/11 – ist zulässig (§§ 567 Abs. 1 Nr. 1, 569 Abs. 1, 127 Abs. 2 S. 3 ZPO). Sie hat auch in der Sache Erfolg.

Gemäß § 114 ZPO erhält einen Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichend Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt.

Erfolgsaussichten der Rechtsverfolgung liegen vor.

Nach dem gegenwärtigen, der Entscheidung über den Prozesskostenhilfeantrag der Klägerin zugrunde zu legenden Sach- und Streitstand kann nicht ausgeschlossen werden, dass die beabsichtigte Klage der Klägerin erfolgreich sein wird.

Eine Klage verspricht insoweit dann Erfolg, wenn sie zulässig und schlüssig ist, und wenn für die streitigen rechtsbegründenden Behauptungen taugliche Beweise angeboten werden.

Entgegen den Ausführungen des Amtsgerichts besteht insoweit ein Feststellungsinteresse im Sinne des § 256 ZPO für die negative Feststellungsklage der Klägerin auf Feststellung der Nichtbeendigung des Mietverhältnisses durch die Kündigung des Beklagten vom 20.12.2010.

Nach h. M. kann insoweit ein Mieter im Falle einer Kündigung durch den Vermieter im Wege der Feststellungsklage mit dem Ziel vorgehen, dass eine vom Vermieter ausgesprochene Kündigung die Beendigung des Mietverhältnisses nicht herbei geführt hat, vgl. BGH, Urteil vom 29.09.1999, NJW 2000, 354 – 359; Blank/Börstinghaus, Miete, 3. Auflage 2008, § 542 BGB Rdnr. 86 m. w. N.; Münchener Kommentar zum BGB, 5. Auflage 2008, § 542 BGB Rdnr. 25.

Allein der Ausspruch einer Wohnungskündigung verursacht bereits bei dem Mieter eine Unsicherheit über das Fortbestehen des Mietverhältnisses, die in Anbetracht der erheblichen Folgen einer derartigen Kündigung ein alsbaldiges Feststellungsinteresses begründet, vgl. LG Aachen, Beschluss vom 05.03.1987, Az.: 7 T 33/87.

Zwar weist das Amtsgericht zu Recht daraufhin, dass bei einer negativen Feststellungsklage das erforderliche Feststellungsinteresse des Klägers regelmäßig erst aus einer vom Beklagten aufgestellten Bestandsbehauptung ("Berühmung") der vom Kläger verneinten Rechtslage entsteht. Dies setzt jedoch eine ausdrückliche Berühmung seitens des Beklagten nicht in jedem Fall voraus; ein Feststellungsinteresse kann vielmehr bereits dann gegeben sein, wenn der Kläger befürchten muss, dass ihm der Beklagte aufgrund seines vermeintlichen Rechts ernstliche Hindernisse entgegensetzen wird. Das ist vor allem dann der Fall, wenn der Beklagte mit einer nach Treu und Glauben zu erwartenden eindeutigen Erklärung zurückhält, vgl. BGH, Urteil vom 13.01.2010, Az.: VIII ZR 351/08 m. w. N.

Diese Voraussetzung ist vorliegend gegeben, da der Beklagte sich auf die Aufforderung der Klägerin vom 09.02.2011 innerhalb der dort gesetzten angemessenen Frist bis 17.02.2011 nicht dazu erklärt hat, ob er aus seiner Kündigung vom 20.12.2010 Rechte herleitet bzw. ob das Mietverhältnis fortbesteht.

Auf die Frage, wie offensichtlich die Unwirksamkeit der Kündigung ist, kann es aus Rechtsschutzgründen nicht ankommen. Aufgrund der Aufforderung der Klägerin vom 09.02.2011 hatte der Beklagte Kenntnis von den dort genannten Gründen der Unwirksamkeit und Gelegenheit klarzustellen, dass er aus der Kündigung keine Rechte herleitet. Der Klägerin war es danach nicht zuzumuten, es darauf ankommen zu lassen, ob der Beklagte sie aufgrund der Kündigung vom 20.12.2010 auf Räumung in Anspruch nehmen würde, vgl. auch BGH, Urteil vom 13.01.2010, Az.: VIII ZR 351/08.

Auf der Grundlage der im Beschwerdeverfahren vorgelegten Erklärung der Klägerin über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse und durch die Vorlage von Belegen ist zudem davon auszugehen, dass die Klägerin zur Zahlung der Kosten der Prozessführung nicht in der Lage ist.

Die Klägerin hat demnach keine Raten oder sonstige Leistungen auf die Prozesskosten zu erbringen.

Da die sofortige Beschwerde in der Sache erfolgreich ist, fallen keine Gerichtsgebühren an (Nr. 1812 des Kostenverzeichnisses zum Gerichtskostengesetz). Gemäß § 127 IV ZPO werden außergerichtliche Kosten nicht erstattet.

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