LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 22.07.2016 - L 8 AL 15/16
Fundstelle
openJur 2016, 9774
  • Rkr:

1. Bei dem in der Schweiz gewährten, zur schweizerischen Arbeitslosenversicherung beitragspflichtigen IV-Taggeld handelt es sich nicht um Arbeitsentgelt i.S.d. § 14 Abs. 1 Satz 1 SGB IV, da es nicht auf einer Beschäftigung beruht bzw. im Zusammenhang mit einer Beschäftigung steht. Es entspricht dem Übergangsgeld nach deutschem Recht.

2. Das neben dem Bezug von IV-Taggeldern erzielte Einkommen aus einer während der Umschulung in der Schweiz ausgeübten entgeltlichen Praktikumsbeschäftigung ist bei der Bemessung von Arbeitslosengeld nach deutschem Recht nicht zu berücksichtigen.

3. Die grundsätzlich verfassungsgemäße fiktive Bemessung von Arbeitslosengeld zwingt auch bei Versicherten, die früher als Grenzgänger tätig waren, nicht, § 152 SGB III dahingehend verfassungskonform auszulegen, dass die Fiktivbemessung anstelle nach Qualifikationsgruppen nach gegebenenfalls höheren Tariflöhnen in der betreffenden Branche im Ausland vorzunehmen ist. Eine gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz verstoßende, sachwidrig unterbliebene Differenzierung liegt darin nicht. Eine solche Auslegung ergibt sich auch nicht aus internationalem Vertragsrecht, dem Abkommen der Schweizer Eidgenossenschaft mit der EU über Freizügigkeit bzw. mit der Bundesrepublik Deutschland über Arbeitslosenversicherung.

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 01.12.2015 wird zurückgewiesen.

Außergerichtlich Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob dem Kläger gegen die Beklagte für die Zeit vom 05.07.2014 bis 27.08.2014 ein Anspruch auf höheres Arbeitslosengeld (Alg) zusteht.

Der 1968 geborene, kinderlose Kläger war – bei in der Bundesrepublik Deutschland beibehaltenem Wohnsitz - in der Schweiz bis 30.04.2009 sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Wegen eines Unfalles am 07.09.2008 bezog er bis zum 13.06.2010 Krankentaggeld der gesetzlichen Unfallversicherung der Schweiz (Schweizer Unfallversicherungsanstalt - suva). Der Kläger wurde anschließend – unter Einschluss eines bezahlten Praktikums - in der Schweiz zum Bürokaufmann umgeschult vom 14.06.2012 bis 04.07.2014. Der Kläger erhielt Taggeld der Schweizer gesetzlichen Invalidenversicherung (IV; Blatt 14 der Beklagtenakte) wie folgt:

- 30.06.2012 bis 12.08.2012: 163,20 CHF/Tag (Blatt 19/20 der Beklagtenakte),- 13.08.2012 bis 31.01.2013: 163,20 CHF/Tag (Blatt 21/22 der Beklagtenakte),- 01.02.2013 bis 31.01.2014: 158,90 CHF/Tag (Blatt 23/24 der Beklagtenakte).- 01.02.2014 bis 04.07.2014: 163,20 CHF/Tag (Blatt 25/26 der Beklagtenakte).

Am 15.04.2014 meldete sich der Kläger bei der Beklagten zum 05.07.2014 arbeitslos und beantragte Alg (Blatt 7/11 der Beklagtenakte; zum Vordruck PDU1 vgl. Blatt 13/16 der Beklagtenakte). Mit Bescheid vom 20.08.2014 (Blatt 29/32 der Beklagtenakte) bewilligte die Beklagte dem Kläger Alg I ab dem 05.07.2014 i.H.e. kalendertäglichen Leistungsbetrags von 29,48 EUR (Bemessungsentgelt täglich: 73,73 EUR; Lohnsteuerklasse I; Lohnsteuertabelle 2014; Prozentsatz: 60; Leistungssatz täglich: 29,48 EUR; abzusetzender täglicher Anrechnungsbetrag: 0,00 EUR; Anspruchsdauer: 360 Tage). Mit Schreiben vom 21.08.2014 (Blatt 33/34 der Beklagtenakte) teilte die Beklagte dem Kläger mit, er habe in den letzten zwei Jahren weniger als 150 Tage Anspruch auf Arbeitsentgelt gehabt. Das Alg werde fiktiv nach einer Tätigkeit eines kaufmännischen Mitarbeiters bemessen, das bei der Bemessung des Alg Entgelte aus ausländischer selbständiger Tätigkeit und aus sonstigen Einkünften (z.B. Krankengeld) außer Betracht blieben.

Mit Bescheid vom 25.08.2014 (Blatt 35/36 der Beklagtenakte) hob die Beklagte die Bewilligung von Alg ab dem 28.08.2014 auf, da der Kläger eine Beschäftigung aufgenommen hatte.

Am 29.08.2014 erhob der Kläger Widerspruch gegen den Bescheid vom 20.08.2014 (Blatt 38/46 der Beklagtenakte). Das Taggeld der IV sei laut schweizerischem Recht als Einkommen zu bewerten und enthalte neben dem Abzug für die Quellensteuer auch den Abzug für die Arbeitslosenversicherung (6,25% AHV/IV ). Abgezogen würden 5,15% für AHV/IV/EO ), die restlichen 1,10% seien Abzüge für die Arbeitslosenversicherung (ALV). Die Taggelder müssten daher nicht nur für die Berechnung der Anspruchsdauer, sondern auch für die Höhe des Alg berücksichtigt werden, da ihm in dieser Zeit auch die Beiträge für die ALV abgezogen worden seien.

Mit Widerspruchsbescheid vom 02.09.2014 (Blatt 47/51 der Beklagtenakte) wies die Beklagte den Widerspruch zurück.

Am 02.10.2014 hat der Kläger beim Sozialgericht (SG) Freiburg Klage erhoben. Die schweizerischen IV-Leistungen seien bei der Berechnung des fiktiven Arbeitsentgelts zugrunde zu legen. Anders als die Unfallversicherungsleistungen der Suva unterlägen Leistungen der IV der Sozialversicherungspflicht. Würden aber Sozialabgaben abgeführt, so seien diese Zahlungen als ausländisches Entgelt oder zumindest wie ein fiktives ausländisches Entgelt anzusehen. Der Anspruch auf Alg beziehe sich auf die Einkünfte in der Vergangenheit, daher sei nicht maßgebend, was er nach der Umschulung verdienen könne, sondern was er zuvor auf dem Bau verdient habe. Der Kläger hat eine Bescheinigung des Eidgenössischen Finanzdepartements EFD vom 25.08.2014 vorgelegt (Blatt 13 der SG-Akte) aus dem sich der Abzug der Beiträge zur ALV und Schweizer Sozialversicherung von insgesamt 6,35 % (AHV: 4,2 %; IV 0,7 %; EO 0,25 % und ALV 1,1 %) auch vom Taggeldbezug ergibt. Mit Schreiben vom 03.11.2014 (Blatt 18/20 der SG-Akte) hat der Kläger darauf hingewiesen, dass die fiktive Bemessung des Alg dazu führe, dass im grenznahen Gebiet die für die angesetzten Qualifikationsgruppen angesetzten Beträge nicht zutreffend seien. In der Schweiz habe ein durchaus höheres Einkommen generiert werden können, als auf dem deutschen Arbeitsmarkt. Daher werde die fiktive pauschale Bemessung des Alg dem Einzelfall des Klägers nicht gerecht.

Das SG hat mit Gerichtsbescheid vom 01.12.2015 die Klage abgewiesen. Der Kläger begehre mit seiner Klage sinngemäß für die Zeit vom 05.07.2014 bis 27.08.2014 um kalendertäglich 103,85 EUR höheres Alg (zusammen 5.504,05 EUR). Der Kläger habe keinen Anspruch auf höheres Alg für den streitbefangenen Zeitraum. Die Beklagte habe, soweit erforderlich, die Versicherungs- oder Beschäftigungszeiten berücksichtigt, die der Kläger nach Schweizer Recht zurückgelegt habe, als handele es sich um Versicherungszeiten, die nach dem SGB III zurückgelegt worden seien. Bei der Bemessung der Höhe des Alg seien aber ausweislich der VO 883/2004 alleine die deutschen Bemessungsvorschriften, also die §§149 ff. SGB III anzuwenden. Im vorliegenden Fall habe der Kläger in der Zeit vom 01.04.2011 bis 04.07.2014 eine berufliche Umschulung zulasten der IV durchgefühlt. Davor habe er seit dem 02.04.2009 Anspruch auf Krankentagegeld gehabt. Im Bemessungszeitrahmen habe der Kläger daher auch in der Schweiz kein Arbeitsentgelt bezogen; das gelte auch für den auf zwei Jahre erweiterten Bemessungszeitrahmen nach § 150 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB III. Krankentagegeld oder zumindest die Leistungen der IV seien auch wenn IV-Tagessätze sozialversicherungspflichtig gewesen seien, nicht zu berücksichtigen. Da der Kläger aber eine außerbetriebliche Weiterbildung absolviert habe, sei die Leistung der Schweizer IV zwar versicherungspflichtig, es handele sich aber nicht um Arbeitsentgelt. Der Kläger sei in dieser Zeit auch kein „Beschäftigter“ i.S.d. § 25 SGB III gewesen. Das Bemessungsentgelt richtete sich mithin gemäß § 151 Abs. 1 SGB III nicht nach einem durchschnittlich auf den Tag entfallenden beitragspflichtigen Arbeitsentgelt, sondern gemäß § 152 SGB III nach einem fiktiven Arbeitsentgelt. Die Rechtsauffassung der Beklagten, den Kläger in Qualifikationsgruppe 3 einzustufen, sei nicht zu beanstanden.

Gegen den seinem Bevollmächtigten am 03.12.2015 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am Montag, 04.01.2016, beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg Berufung eingelegt. Die Entscheidung des SG sei fehlerhaft. Es handele sich bei den IV-Leistungen nicht um Sozialleistungen, sondern gerade um sozialabgabenpflichtige Entgeltleistungen aus der Schweiz. Diese müssten wie Entgelt behandelt werden. Insoweit sei das Alg bereits aufgrund des zuvor erzielten Arbeitsentgeltes zu bezahlen gewesen. Das SG habe seine Auffassung auch nicht begründet, denn es habe den streitigen Punkt einfach als „gegeben" übergangen. Selbst wenn man sich der Rechtsauffassung des Beklagten anschließe, gelange man noch immer zu der Frage, wie ein fiktives Arbeitsentgelt zu ermitteln sei. Auch hier teile das SG lediglich mit, dass die Rechtsauffassung des Beklagten nicht zu beanstanden sei, ohne jedoch selbst zu begründen, weshalb die Einstufung in Qualifikationsgruppe II - gemeint III - richtig sein soll. Es fehle an jeglichen Kriterien, die eine Überprüfung dessen ermöglichten.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 01.12.2015 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheids vom 20.08.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 02.09.2014 zu verpflichten, ihm höheres Arbeitslosengeld vom 05.07.2014 bis 27.08.2014 nach den gesetzlichen Vorschriften zu bewilligen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte ist der Berufung entgegengetreten und hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Der Umstand, dass für die Taggelder in der Schweiz Sozialversicherungsbeiträge abgeführt werden müssten, führe nicht zu einer Vergleichbarkeit mit Arbeitsentgelt. Das prägende Austauschverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer liege nicht vor. Das Alg des Klägers sei daher zu Recht entsprechend § 152 SGB III fiktiv bemessen und dabei die Qualifikationsstufe 3 zugrunde gelegt worden. Der Kläger habe in der Schweiz an einer Umschulung zum Bürokaufmann teilgenommen. Auf diese Tätigkeit hätten sich die Vermittlungsbemühungen erstreckt.

Die Sach- und Rechtslage wurde mit den Beteiligten in einem nichtöffentlichen Termin am 04.03.2016 erörtert. Wegen des Inhalts und Ergebnisses des Termins wird auf die Niederschrift (Blatt 19/21b der Senatsakte) Bezug genommen.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (Blatt 24, 25 der Senatsakte).

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Senatsakte sowie die beigezogenen Akten des SG und der Beklagten Bezug genommen.

Gründe

Die gemäß § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers, über die der Senat im Einverständnis mit den Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden hat (§§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG), ist gemäß §§ 143, 144 SGG zulässig aber unbegründet.

Gegenstand der Rechtsstreits ist der Bescheid der Beklagten vom 20.08.2014 in der Fassung des Bescheids vom 25.08.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.09.2014, mit dem die Beklagte dem Kläger Alg vom 05.07.2014 bis zum 27.08.2014 auf Basis eines kalendertäglichen Bemessungsentgelts von 73,73 EUR bewilligt hatte. Soweit der Kläger beantragt hatte, das Bemessungsentgelt um 160,00 CHF zu erhöhen, versteht der Senat dies als Hinwies des Klägers auf die Größenordnung seines Begehrens, nicht aber als allein maßgeblichen Antrags. Vielmehr hat der Senat bei seiner Bewertung das Begehren des Klägers nach insgesamt höherem Alg berücksichtigt.

Die Berufung ist nicht schon deswegen erfolgreich, weil das SG seine Entscheidung nicht begründet hätte. Zwar hat der Kläger eine aus seiner Sicht zu kurze und nicht auf sein Vorbringen eingehende Darstellung der Entscheidungsgründe bemängelt, doch konnte der Senat in der vom SG gezeigten Kürze dennoch die wesentlichen Gründe der getroffenen Entscheidung und eine Auseinandersetzung mit den wesentlichen Argumenten des Klägers erkennen. Im Übrigen liegen auch nicht die Voraussetzungen des § 159 SGG vor.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung von höherem Alg für die Zeit vom 05.07.2014 bis zum 27.08.2014. Das von ihm in der Schweiz bezogene Taggeld der IV war nicht der Bemessung des bundesdeutschen Alg zugrunde zu legen.

Zutreffend hat das SG den anzuwendenden rechtlichen supranationalen Rahmen dargelegt. Insoweit war auch im Fall des Klägers bei der Prüfung des Anspruchs auf Alg die in der Schweiz zurückgelegte Versicherungszeit anspruchsbegründend zu berücksichtigen (Art 61 Abs. 1 VO 883/2004 i.V.m. dem Abkommen zwischen der Schweizer Eidgenossenschaft einerseits und der Europäischen Gemeinschaften und ihrer Mitgliedstaaten andererseits über die Freizügigkeit vom 21.06.1999, in Kraft seit 01.06.2002). Dies hat die Beklagte zutreffend getan, weshalb dem Kläger ein Alg-Anspruch über 360 Kalendertage zuzuerkennen war.

Da der Kläger in der Bundesrepublik Deutschland gewohnt, jedoch in der Schweiz gearbeitet und Taggeld bezogen hatte, sind nach Art. 62 Abs. 3, 65 Abs. 5 Buchst. a) VO 883/2004 für die Höhe der jeweiligen Alg-Leistung die bundesdeutschen Regelungen anzuwenden, mithin die §§ 149 ff. SGB III.

Damit beträgt das Alg des kinderlosen Klägers gem. § 149 SGB III 60 % des pauschalierten Nettoentgelts (Leistungsentgelt), das sich aus dem Bruttoentgelt ergibt, das er im Bemessungszeitraum erzielt hat (Bemessungsentgelt). Bemessungsentgelt ist nach § 151 Abs. 1 Satz 1 SGB III das durchschnittlich auf den Tag entfallende beitragspflichtige Arbeitsentgelt, das die oder der Arbeitslose im Bemessungszeitraum erzielt hat; Arbeitsentgelte, auf die die oder der Arbeitslose beim Ausscheiden aus dem Beschäftigungsverhältnis Anspruch hatte, gelten als erzielt, wenn sie zugeflossen oder nur wegen Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers nicht zugeflossen sind (§ 151 Abs.1 Satz 2 SGB III). Der Bemessungszeitraum umfasst die beim Ausscheiden aus dem jeweiligen Beschäftigungsverhältnis abgerechneten Entgeltabrechnungszeiträume der versicherungspflichtigen Beschäftigungen im Bemessungsrahmen (§ 150 Abs. 1 Satz 1 SGB III); er umfasst ein Jahr (§ 150 Abs. 1 Satz 2 SGB III). Der an sich einjährige Bemessungsrahmen (§ 150 Abs. 1 Satz 2 SGB III) wird gemäß § 150 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 bzw. Nr. 3 SGB III auf zwei Jahre erweitert, wenn der Bemessungszeitraum im einjährigen Bemessungsrahmen weniger als 150 Tage mit Anspruch auf Arbeitsentgelt enthält bzw. es mit Rücksicht auf das Bemessungsentgelt im erweiterten Bemessungsrahmen unbillig hart wäre, von dem Bemessungsentgelt im Bemessungszeitraum auszugehen.

Vorliegend hat der Kläger im Zeitraum von einem Jahr bzw. zwei Jahren vor dem 05.07.2014, mithin in der Zeit vom 05.07.2013 bzw. 05.07.2012 bis zum 04.07.2014, kein Arbeitsentgelt i.S.d. § 151 Abs. 1 SGB III erzielt. Im gesamten Zeitraum hat er IV-Taggeld bezogen. Dieses stellt kein Arbeitsentgelt dar.

Der Begriff des Arbeitsentgelts ist im SGB III selbst nicht definiert, sondern wird auch in § 151 Abs. 1 Satz 1 SGB III lediglich vorausgesetzt. Maßgeblich für die Auslegung des Begriffs des Arbeitsentgelts ist die Legaldefinition des § 14 Abs. 1 SGB IV, die nach § 1 Satz 2 SGB IV auch vorliegend anzuwenden ist. Danach gehören zum Arbeitsentgelt alle laufenden oder einmaligen Einnahmen aus einer Beschäftigung, gleichgültig, ob ein Rechtsanspruch auf die Einnahmen besteht, unter welcher Bezeichnung oder in welcher Form sie geleistet werden und ob sie unmittelbar aus der Beschäftigung oder im Zusammenhang mit ihr erzielt werden. Auch Entgeltteile (§ 14 Abs. 1 Satz 2 SGB IV), die – was vorliegend nicht einschlägig ist - durch Entgeltumwandlung nach § 1 Abs. 2 des Gesetzes zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung als Direktzusage oder für eine Unterstützungskasse zur betrieblichen Altersversorgung verwendet werden, sind Arbeitsentgelte.

Einnahmen aus der Beschäftigung sind solche, die dem Arbeitnehmer im ursächlichen Zusammenhang mit der Beschäftigung zufließen (Werner in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB IV, 3. Aufl. 2016, § 14 SGB IV, RdNr. 53; vgl. auch BSG 28.01.1999 - B 12 KR 6/98 - SozR 3-2400 Nr. 16). Erforderlich ist insoweit ein unmittelbarer Zusammenhang, wie er aus dem Gegenseitigkeitsverhältnis von Arbeit und Entlohnung folgt (Werner in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB IV, 3. Aufl. 2016, § 14 SGB IV, RdNr. 53), oder ein zumindest mittelbarer (innerer, sachlicher) Zusammenhang mit der Beschäftigung (BSG 29.01.2004 - B 4 RA 19/03 R - juris). Arbeitsentgelt sind insoweit alle Einnahmen, die ohne die Beschäftigung beim Arbeitnehmer nicht denkbar wären (Werner in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB IV, 3. Aufl. 2016, § 14 SGB IV, RdNr. 53). Für den ursächlichen Zusammenhang zur Beschäftigung genügt es, dass die Zuwendung wesentlich von dem Ziel mitbestimmt wird, den Arbeitnehmern eine (zusätzliche) Vergütung für die Arbeit zu verschaffen (Werner in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB IV, 3. Aufl. 2016, § 14 SGB IV, RdNr. 53 unter Hinweis auf BSG 26.10.1988 - 12 RK 18/87 - SozR 2100 § 14 Nr. 19 = juris).

Mag zwar das IV-Taggeld in der Schweiz auch zur ALV der Schweiz beitragspflichtig sein, so handelt es sich dennoch nicht um Arbeitsentgelt i.S.d. § 14 Abs. 1 Satz 1 SGB IV, da es nicht auf einer Beschäftigung beruht bzw. im Zusammenhang mit einer Beschäftigung steht; auch in der Bundesrepublik Deutschland ist insoweit z.B. Krankengeld und Übergangsgeld zur Arbeitslosenversicherung beitragspflichtig (§ 345 Abs. 1 Nr. 5 SGB III), stellt aber kein Arbeitsentgelt i.S.d. § 151 Abs. 1 Satz 1 SGB III dar. So fehlt es bei den IV-Taggeldern schon an einem Austauschverhältnis von Arbeit und Gegenleistung. Es wird vielmehr für die Zeit einer Umschulung gezahlt und ergänzt Eingliederungsmaßnahmen der IV (vgl. Broschüre 4.02 Leistungen der IV – Taggelder der IV, herausgegeben vom AHV/IV, die als allgemeinkundige Quelle auch im Termin am 04.03.2016 besprochen und an die Beteiligten ausgegeben worden war, im Internet vgl. https://www.ahv-iv.ch/p/4.02.d). Die Taggelder sollen den Lebensunterhalt der Versicherten und ihrer Familienangehörigen während der Eingliederung sichern (Broschüre 4.02 a.a.O. Seite 1 „Auf einen Blick“). Damit entspricht das IV-Taggeld nicht dem Arbeitsentgelt sondern dem bundesdeutschen Übergangsgeld. Letzteres stellt aber auch kein Arbeitsentgelt i.S.d. § 151 Abs. 1 Satz 1 SGB III dar. Alleine die Beitragspflichtigkeit der Taggelder zur ALV genügt nicht, um diese als Arbeitsentgelt zu qualifizieren.

Auch wenn der Kläger neben den IV-Taggeldern aus seinem Praktikum Lohn bezogen hatte, führt dies nicht dazu, dass dieses vorliegend als Arbeitsentgelt zu berücksichtigen war. Denn hat der Kläger neben dem in Form von IV-Tagegeldern bezogenen Übergangsgeld eine entgeltliche Beschäftigung – hier eine entgeltliche Praktikumsbeschäftigung - ausgeübt, so sind diese Zeiten nach § 150 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB III nicht bei der Ermittlung des Bemessungszeitraums zu berücksichtigen, mithin ist auch das insoweit erzielte Einkommen unbeachtlich und nicht bei der Bemessung des Alg zu berücksichtigen.

Damit hat der Kläger unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt Arbeitsentgelt erzielt, das innerhalb des ein- bzw. zweijährigen Bemessungsrahmen zu berücksichtigen wäre. Kann aber – wie vorliegend - ein Bemessungszeitraum von mindestens 150 Tagen mit Anspruch auf Arbeitsentgelt innerhalb des auf zwei Jahre erweiterten Bemessungsrahmens nicht festgestellt werden, ist als Bemessungsentgelt ein fiktives Arbeitsentgelt zugrunde zu legen (§ 152 Abs. 1 Satz 1 SGB III). Für die Festsetzung des fiktiven Arbeitsentgelts ist der Arbeitslose der Qualifikationsgruppe zuzuordnen, die der beruflichen Qualifikation entspricht, die für die Beschäftigung erforderlich ist, auf die die Agentur für Arbeit die Vermittlungsbemühungen für die Arbeitslose oder den Arbeitslosen in erster Linie zu erstrecken hat (§ 152 Abs. 2 Satz 1 SGB III). Dabei ist zugrunde zu legen für Beschäftigungen, die (1.) eine Hochschul- oder Fachhochschulausbildung erfordern (Qualifikationsgruppe 1), ein Arbeitsentgelt in Höhe von einem Dreihundertstel der Bezugsgröße, (2.) einen Fachschulabschluss, den Nachweis über eine abgeschlossene Qualifikation als Meisterin oder Meister oder einen Abschluss in einer vergleichbaren Einrichtung erfordern (Qualifikationsgruppe 2), ein Arbeitsentgelt in Höhe von einem Dreihundertsechzigstel der Bezugsgröße, (3.) eine abgeschlossene Ausbildung in einem Ausbildungsberuf erfordern (Qualifikationsgruppe 3), ein Arbeitsentgelt in Höhe von einem Vierhundertfünfzigstel der Bezugsgröße, und (4.) keine Ausbildung erfordern (Qualifikationsgruppe 4), ein Arbeitsentgelt in Höhe von einem Sechshundertstel der Bezugsgröße (§ 152 Abs. 2 Satz 2 SGB III).

Vorliegend hat der Kläger nach einer Tätigkeit am Bau in der Schweiz eine Umschulung zum Bürokaufmann absolviert, sodass sich auch in der Bundesrepublik Deutschland die Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit entsprechend der beruflichen Qualifikation des Klägers in erster Linie auf den Bereich der gelernten kaufmännischen Angestellten zu erstrecken hat. Er ist daher in Qualifikationsgruppe 3 einzustufen.

Ausgehend von dieser Einstufung hat die Beklagte das Alg des Klägers zutreffend nach einem kalendertäglichen Bemessungsentgelt von einem Vierhundertfünfzigstel der Bezugsgröße (Bezugsgröße in den alten Bundesländern für das Jahr 2014: 2.765,00 EUR/Monat x 12 ./. 450 = 73,73 EUR/Tag) berechnet.

Auch aus dem Abkommen zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Bundesrepublik Deutschland über Arbeitslosenversicherung vom 20.10.1982 (DS AL-Abk.) ergibt sich – soweit dieses neben der VO 883/2004 noch Geltung beansprucht - nicht anderes. Denn nach Art. 6 i.V.m. Art. 7 Abs. 2 Buchst. a) DS AL-Abk. wird für die Berechnung des Alg das am Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthaltsort des Arbeitslosen maßgebliche tarifliche oder mangels einer tariflichen Regelung ortsübliche Arbeitsentgelt derjenigen Beschäftigung zugrunde gelegt, für die der Arbeitslose nach seinem Lebensalter und seiner Leistungsfähigkeit unter billiger Berücksichtigung seines Berufes und seiner Ausbildung nach Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes in Betracht kommt. Diese fiktive Bemessung des Alg entspricht in der Sache der Regelung des § 152 SGB III, sodass sich insoweit ein höheres Bemessungsentgelt nicht ergibt. Der Kläger kann auch nicht geltend machen, dass er sich dem Schweizer Arbeitsmarkt zur Verfügung stellt und daher das dort erzielbare Entgelt zu berücksichtigen sei. Denn das nach Art. 7 Abs. 2 Buchst. a) DS AL-Abk. maßgebliche Entgelt bemisst sich gerade nach dem Wohnsitz des Klägers, mithin nach dem bundesdeutschen Arbeitsmarkt.

Ebenso ergibt sich aus Art. 8 Abs. 1 des DS AL-Abk. kein Anspruch auf höheres Bemessungsentgelt. Hiernach erhalten Grenzgänger Alg nach den Bestimmungen des Wohnsitzstaates. Mithin sind auch nach diesen Vorschriften die Regelungen des SGB III anzuwenden, wonach der Kläger Alg nach einem fiktiven Bemessungsentgelt erhält. Da der Kläger aber in der Bundesrepublik Deutschland wohnt und hier zur Aufnahme einer unselbständigen Erwerbstätigkeit berechtigt ist, greift Art. 8 Abs. 2 DS AL-Abk. vorliegend nicht ein.

Soweit der Kläger geltend macht, ihm entstehe ein unbillige Härte, weil er aus hohem Schweizer Einkommen und hohen Schweizer IV-Taggeldern Beiträge zur Schweizer ALV gezahlt habe und auch der in der Schweiz für ihn nach der Umschulung in Betracht kommende Arbeitsmarkt ein viel höheres Entgelt verspreche, als das nach einer fiktiven Bemessung gemäß § 152 SGB III angenommene Bemessungsentgelt oder der deutsche Arbeitsmarkt, so folgt ihm der Senat nicht. Zwar ist es zutreffend, dass die gezahlten Beiträge aus einem höheren Entgelt gezahlt wurden und auch dass der Kläger in der Schweiz höheres Arbeitsentgelt erzielen könnte, als in der Bundesrepublik Deutschland. Doch ließe sich im Fall des Klägers mangels berücksichtigungsfähigem Arbeitsentgelt Alg in zahlbarer Höhe nicht berechnen. Insoweit ist es dem Gesetzgeber auch im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1, Art. 12 und Art. 14 GG gestattet, im Rahmen einer zulässigen und pauschalierenden Regelung für Fälle, in denen nach den bundesdeutschen und den europarechtlich anzuwendenden Regelungen ein Alg deshalb nicht berechnet werden kann, weil kein zu berücksichtigendes Arbeitsentgelt vorhanden ist, zunächst von der Berechnung anhand früher erzieltem Arbeitsentgelt abzusehen und das Alg nach dem Arbeitsentgelt zu bemessen, das in der Bundesrepublik Deutschland in dem der beruflichen Qualifikation des Arbeitslosen entsprechenden und insoweit für eine Vermittlung durch die Beklagte in Betracht kommenden Arbeitsmarkt erzielt werden kann. Auch insoweit ist dann die Pauschalisierung anhand der sozialversicherungsrechtlichen Bezugsgröße nach § 18 Abs. 1 bzw. 2 SGB IV zulässig, da diese das Durchschnittsentgelt der gesetzlichen Rentenversicherung im vorvergangenen Kalenderjahr, aufgerundet auf den nächsthöheren, durch 420 teilbaren Betrag darstellt und somit ein Spiegelbild der sozialversicherungsrechtlichen Arbeitsentgelte darstellt. Verfassungsrechtliche Bedenken wurden insoweit weder in der Literatur (vgl. z.B. Valgolio in Hauck/Noftz, SGB III § 152 RdNr. 46) noch der höchstrichterlichen Rechtsprechung (BSG, 21.07.2009 – B 7 AL 23/08 RSozR 4-4300 § 132 Nr. 3 = SozR 4-1500 § 130 Nr. 3 = juris; BSG 29.05.2008 - B 11a AL 23/07 R - BSGE 100, 295 = SozR 4-4300 § 132 Nr. 1 = juris) geäußert. Solche hat der Kläger zwar angedeutet, hatte diese jedoch nicht näher argumentativ unterlegt. Auch der Senat konnte verfassungsrechtliche Zweifel an den vorliegend anzuwendenden Regelungen nicht feststellen. Vielmehr hat das BSG (BSG, 21.07.2009 – B 7 AL 23/08 RSozR 4-4300 § 132 Nr. 3 = SozR 4-1500 § 130 Nr. 3 = juris) die Bemessung des Alg nach Qualifikationsgruppen nicht als Verstoß gegen höherrangiges Recht angesehen. Dem schließt sich der Senat an.

Darüber hinaus konnte der Senat im konkreten Fall des Klägers auch eine verfassungsrechtlich unzulässige Bemessung des Alg nicht erkennen. Es ist keine willkürliche sachwidrige Gleichbehandlung ungleicher Sachverhalte, wenn ein im Grenzbereich lebender Versicherter mit allen sonstigen im Inland wohnenden Versicherten bei der Bemessung des Alg gleichgestellt ist. Die Anknüpfung an das in der Vergangenheit erzielte Arbeitsentgelt im Ausland verbietet sich gerade dann, wenn kein aktueller Bezug zur Arbeitslosmeldung mehr besteht und gerade deshalb eine fiktive Bemessung stattzufinden hat (BSG, 21.07.2009 a.a.O.). Damit entfällt aber auch die Grundlage der vom Kläger im Ergebnis geltend gemachten verfassungskonformen Auslegung mit zwingender Berücksichtigung ggfs. höherer Tariflöhne in der betreffenden Branche im Ausland, zumal nur in speziellen Einzelfällen die Vermittlungsbemühungen der Beklagten auf Auslandsbeschäftigungen zu erstrecken sind. Eine gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz verstoßende, sachwidrig unterbliebene Differenzierung bei der fiktiven Bemessung des Alg-Anspruchs des Klägers liegt nicht vor. Vielmehr unterfällt die Unbeachtlichkeit einer spekulativ möglichen Auslandsbeschäftigung mit höherem Arbeitsentgelt der noch hinzunehmenden Unschärfe und den Härten bei grundsätzlich rechtlich zulässigen - wie hier - pauschalisierenden Regelungen.

Aus den völkerrechtlichen Regelungen ergibt sich nichts anderes.

Auch das bekanntermaßen bestehende Lohngefälle zwischen der Schweiz und der Bundesrepublik Deutschland führt nicht dazu, dass sich in den anzuwendenden supranationalen Regelungen eine Lücke ergäbe, die zu einer anderen Bemessung des Alg zwingen würde. Denn in den anzuwendenden internationalen Regelungen (DS AL-Abk und EU-Recht) wurde es gerade hingenommen, dass ein Alg-Anspruch zwar durch Berücksichtigung von Versicherungszeiten aus einen Hochlohnland erworben werden kann, die Bemessung des Alg der Höhe nach aber nach den Regelungen des Wohnsitzlandes nach dessen, an niedrigeren Löhnen orientierten Bestimmungen zu erfolgen hat. Sehen die internationalen Bestimmungen trotz der auch in Europa bekannten Unterschiede im Lohnniveau insoweit gerade keine Regelungen dieses Einkommensgefälles vor, bedeutet dies, dass die Vertragsstaaten sehenden Auges die Folgen unterschiedlichen Lohnniveaus und mithin die beim Kläger vorliegende Konstellation hingenommen haben. Vor diesem Hintergrund konnte der Senat eine ergänzungsbedürftige Lücke im supranationalen Recht nicht erkennen.

Damit hat der Kläger keinen Anspruch auf Berechnung seines Alg nach einem höheren Bemessungsentgelt. Die Berufung war daher zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht.