VG Freiburg, Urteil vom 13.07.2016 - 6 K 1596/15
Fundstelle
openJur 2016, 9614
  • Rkr:

1. Kein Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot aus § 15 Abs. 1 S. 2 BauNVO, wenn durch die plangemäße Bebauung eines Grundstücks in Kombination mit einem bereits plangemäß errichteten bestandskräftig genehmigten Nachbargebäude in der Häuserschlucht zwischen den Gebäuden eine sogenannte "Winddüse" entstünde, die durch Windbeschleunigung Windgefahren verursachen würde.

2. Wegen des durch starken Wind bereits vorbelasteten Grundstücks und dessen die "Winddüse" mitverursachender Bebauung hat der Nachbar keinen Anspruch auf Verschonung vor stärkerem Wind, sondern muss Windgefahren durch zumutbare Maßnahmen der Eigenvorsorge/-sicherung selbst vorbeugen. Aufgrund seiner eigenen Rücksichtnahmepflicht kann er nicht die hinzutretende Bebauung als solche verhindern. Zur Konfliktlösung kommt allenfalls die (zur Gefahrenabwehr auch nachträglich noch mögliche) bauordnungsrechtliche Anordnung bautechnischer Nachrüstungsmaßnahmen an beiden Gebäuden in Betracht, um die Windgefahr zu beseitigen (etwa durch Abrundung von Ecken, Bepflanzungen, Vorsprünge, Maschengitter, Vorbauten usw.).

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens als Gesamtschuldner mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.

Tatbestand

Die Kläger wenden sich gegen einen der Beigeladenen erteilten Bauvorbescheid.

Sie sind Miteigentümer einer Eigentumswohnung in der fünfgeschossigen Eigentumswohnungsanlage ...-Straße ... in ..., die zusammen mit dem direkt westlich anschließenden gleichartigen Wohnhausblock, ...-Straße ..., auf dem Grundstück Flst.Nr. ... errichtet wurde. Die beiden Wohnblocks weisen zusammen eine Länge von 48,2 m auf.

Die Wohnung der Kläger befindet sich an der der ...-Straße zugewandten Nordseite des Gebäudes in der 4. Etage. Sie weist zu dieser Straße hin einen kleinen, ca. einen halben Meter tiefen und anderthalb Meter breiten, geländerumwehrten sogenannten „Stehbalkon“ auf.

Die Beigeladene ist Eigentümerin des an der ...-Straße gegenüber dem Klägergrundstück gelegen Grundstücks Flst.Nr. yyyy, das zusammen mit dem westlich angrenzenden Grundstück Flst.Nr. yy... ein nach Westen spitz zulaufendes, mit Büschen, Rasen und ein paar großen Bäumen bewachsenes Dreieck bildet.

Die beiden Grundstücke liegen im Geltungsbereich des Bebauungsplans "Stadt am See-Rhein, 1. Änderung " vom 21.12.2007. Das Plangebiet umfasst das sogenannte „... Gelände“, das zwischen der YYY-straße und dem parallel dazu verlaufenden Seerhein liegt. Den Festsetzungen dieses Plans entsprechend ist dieses Gelände mit insgesamt fünf U-förmigen, sich zum anschließenden Seerheinufer jeweils öffnenden großen Wohnhausblöcken bebaut worden. Im östlichsten dieser Wohnhausblocks befindet sich die Wohnung der Kläger.

Bei dem Grundstück der Beigeladenen handelt es sich um den letzten, noch nicht bebauten Teil des Plangebiets. Nach den Planfestsetzungen (Baulinien, Grundflächenzahl und Zahl der Vollgeschosse) kann dieses Grundstück ebenfalls mit einem großen blockartigen Gebäude bebaut werden. Der Plan schreibt für den westlichen Teil des Grundstücks eine Bebauung mit sechs, im mittleren Teil mit fünf und im östlichen Teil mit drei Vollgeschossen vor. Die Beigeladene plant dort das sogenannte „T.-Projekt“, nämlich die Errichtung eines großen fünfgeschossigen blockartigen, einen Hotelbetrieb und Büroräume umfassenden Gebäudes.

Am 15.8.2014 stellte die Beigeladene einen Antrag auf Erteilung eines Bauvorbescheids für die Errichtung eines fünfgeschossigen Hotel-, und Bürogebäudes auf ihrem Grundstück, mit einer Höhe von 17 m, einer Länge von 47 m und - infolge des dem dreieckigen Grundstückszuschnitt angepassten, keilförmig geplanten Grundrisses - einer Breite von 10,9 m an seiner westlichen Schmalseite sowie einer Breite von 14,68 m an seiner östlichen Seite. Der Abstand zwischen den - parallel einander gegenüberliegenden - Gebäudefronten des Wohnblocks der Kläger und des geplanten blockartigen Gebäudes der Beigeladenen beträgt 15,5 m.

Im Angrenzeranhörungsverfahren erhoben die Kläger mit Schreiben vom 26.8.2014 (Behördenakten Seite [BAS] 75, 155) zahlreiche Einwendungen.

Unter anderem machten sie geltend, durch den geplanten 5-stöckigen Bau mit einer Länge von 47 m und einer Höhe von 17 m entstehe in der ...-Straße eine Schlucht bzw. Engstelle. Nach ihrem Wissensstand seien daraus resultierende gravierende Sicherheitsmängel bei der Planung nicht berücksichtigt worden. Bei den in ... vorherrschenden Westwinden sei bei Starkwind/Gewitterböen mit hohen Windgeschwindigkeiten von teilweise mehr als Windstärke 8 zu rechnen. Treffe ein solcher Wind auf eine Verengung/Schlucht, könne die Windgeschwindigkeit auf das Anderthalbfache anwachsen (sogenannter Düsen-Effekt). Bei Windstärke 8 (Sturm) bedeute das eine Zunahme auf Windstärke 12 (Orkan). Nachweislich seien in den vergangenen Jahren in der Wohnanlage an der dem Seerhein zugewandten Seite, wo sich auch eine solche Schneise befinde, bereits 30 kg schwere Pflanzkübel inklusive Bewuchs umgestoßen und Sonnenschirme durch die Luft gewirbelt worden. Die Folgen der geplanten schluchtartigen Engstelle in der ...-Straße seien vorhersehbar. Vor allem entstehe eine Gefährdung für den Personenverkehr und die dort geparkten Fahrzeuge. Derzeit sei nicht abschätzbar, inwieweit die mit einem Wärmeverbundsystem ausgestattete Hausaußenfront solchen Belastungen gewachsen sei. Hier könnten insbesondere erhöhte Nutzungswerte und in der Folge erhöhte Kosten hinsichtlich der Renovierung auftreten. Nach den Statistiken der Bauversicherungsträger seien in den letzten Jahren die Kosten für die Erneuerung von Außenfassaden im Rahmen der Abwicklung von Sturmschäden eklatant angestiegen. Da das geplante Gebäude insbesondere an der Ostseite keine aerodynamische Form aufweise, sei bei Gewitterböen mit starken Verwirbelungen zu rechnen. Insoweit fehle es hier an einer mathematischen Windsimulation-/bzw. Windstärkeanalyse, die vor Erteilung einer Baugenehmigung zwecks Risikoanalyse und Ausschluss von Gefährdungen eingeholt werden müsse. Es sei zu fordern, dass ein Bauherr eine durch Sachverständige abgesicherte Risikoanalyse im Sinne einer Unbedenklichkeitsbescheinigung wegen Windgefahren vorzulegen habe.

Mit dem hier angefochtenen Bauvorbescheid vom 9.12.2014 (BAS 297) erteilte die Beklagte der Beigeladenen den begehrten Bauvorbescheid unter Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans hinsichtlich der für den westlichen Teil des Gebäudes vorgeschriebenen sechs Vollgeschosse, sowie der - durch die Fläche der Tiefgarage überschrittenen - Grundflächenzahl und der - durch das geplante Gebäude im geringen Umfang an der nördlichen Gebäudeseite überschrittenen - Baulinie. Zur Begründung führte die Beklagte aus, die Befreiungen würden gem. §§ 30, 31 Abs. 2 BauGB erteilt, da sie städtebaulich vertretbar und dadurch nachbarliche Interessen nicht berührt seien. Die Klärung aller übrigen Detailfragen einer Bebauung sei nicht Gegenstand des Bauvorbescheids, sondern bleibt einem noch einzuleitenden Baugenehmigungsverfahren vorbehalten.

Der Bauvorbescheid wurde den Klägern zur Kenntnis gegeben, nämlich an sie adressiert am 11.12.2014 zur Post aufgegeben (BAS 321). Nach dem seitens der Beklagten unwidersprochen gebliebenen Vorbringen der Kläger ist er ihnen am 15.12.2014 zugegangen (BAS 523).

Mit Schreiben vom 14.1.2015, das bei der Beklagten am 15.1.15 einging (BAS 523), erhoben die Kläger Widerspruch gegen den Bauvorbescheid, unter anderem mit der Rüge, der Bescheid berücksichtige nicht die von ihnen im Angrenzeranhörungsverfahren geltend gemachten Windgefahren. Nach § 3 LBO seien aber bauliche Anlagen so anzuordnen, dass die öffentliche Sicherheit, insbesondere Leben, Gesundheit und die natürlichen Lebensgrundlagen nicht bedroht würden und dass Gebäude zweckentsprechend ohne Missstände nutzbar seien. Hier drohe durch das geplante Gebäude eine solche Sicherheitsgefährdung. Bedingt durch die vorherrschende Westwindrichtung und die bei Errichtung des Gebäudes entstehende Schlucht bzw. Enge sei mehrfach im Jahr ein Wind mit Windstärke 12 (Orkanstärke) möglich.

Die Beklagte wies die Kläger darauf hin (BAS 527), dass der Widerspruch zwar zulässig sei, aber keinen Erfolg haben könne und sie ihm daher nicht abhelfe. Gegenstand des Bauvorbescheids seien lediglich die konkret mit dem Bauvorbescheidantrag von der Beigeladenen aufgeworfenen baurechtlichen Fragen bezüglich der Befreiungen von den Festsetzungen des Bebauungsplans, die hier keinen nachbarschützenden Charakter aufwiesen. Die übrigen von den Klägern gerügten Punkte seien nicht Gegenstand des Bauvorbescheids. Ihre Klärung werde erst im Rahmen des Baugenehmigungsverfahrens auf der Basis der dann einzureichenden detaillierten Bauvorlagen erfolgen.

Im Widerspruchsverfahren wiesen die Kläger erneut auf die mit dem starken Wind infolge einer Schluchtbildung verbundenen Gefährdungen hin. Konkreten Hinweisen auf eine Sicherheitsgefährdung, insbesondere für das Leben und die Gesundheit, habe die Beklagte nachzugehen und zu prüfen, ob insofern nicht schon bei der Aufstellung des rechtsverbindlichen Bebauungsplans Planungsfehler gemacht worden seien. Die Hinweise der Kläger auf Windgefahren seien indessen offensichtlich bisher im gesamten Verfahren nicht gewürdigt worden. Sehenden Auges dürfe eine Behörde aber nicht zulassen, dass ein Bürger durch ein Bauvorhaben Schaden erleide. Im konkreten Fall sei durch eine simulierte Gebäudewindkraftmessung im Rahmen eines Gutachtens festzustellen, ob ein Planungsfehler vorliege.

Mit Widerspruchsbescheid vom 2.6.2015 (Widerspruchsakte S. 95) wies das Regierungspräsidium Freiburg den Widerspruch als unbegründet zurück. Der Widerspruch wurde mit Einlieferungsbeleg vom 3.6.2015 zur Post gegeben.

Mit Schreiben vom 30.6.2015 - bei Gericht eingegangen am 14.7.015 - erhoben die Kläger Klage beim Verwaltungsgericht.

Insoweit legten sie einen Einlieferungsbeleg vom 1.7.2015 vor (GAS Seite 135) und trugen vor, sie hätten die Klage bereits am 1.7.015 an das Gericht abgesandt. Daher hätten sie sich darauf verlassen können, dass die Klageschrift bei normalem Postlauf rechtzeitig beim Gericht eingehe. Sie beantragten vorsorglich die Wiedereinsetzung in die versäumte Klagefrist.

Zur Begründung ihrer Klage berufen die Kläger sich, wie sie in der mündlichen Verhandlung auf Nachfragen ausdrücklich klargestellt haben, - anders als im vorangegangenen Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren - nur noch auf die Windgefahren:

Über das Jahr gesehen sei die tägliche Windbelastung in ..., insbesondere am hier fraglichen Nordufer des Seerheins, enorm. Ausweislich einer Auskunft des Deutschen Wetterdienstes (GAS 137) habe der Wind im Jahr 2014 fünfundsiebzig mal die Windstärke 6 und sechsmal die Windstärke 8 überschritten. Die Windgeschwindigkeit im Jahre 2015 habe sich gegenüber der im Jahr 2014 sogar noch deutlich gesteigert. Während sie im Jahre 2014 insgesamt sechsmal Windstärke 8 überschritten habe, sei dies im Jahre 2015 sogar insgesamt siebzehnmal - also nahezu dreimal so häufig - der Fall gewesen. Dazu legten sie eine Tabelle vor (GAS 313).

In der Vergangenheit sei es auch schon zu erheblichen Schäden an der parallel und schluchtartig angeordneten benachbarten Eigentumswohnanlage (... Garten 2) gekommen, die direkt am Ufer des Seerheins liege. Im Jahr 2008 sei die Windbelastung teilweise so hoch gewesen, dass dort die Metall-Dachverwahrung verbogen und teilweise abgerissen worden sei. Nur ein Jahr später sei ein vergleichbarer Schaden entstanden, bei dem der Sturm wieder die Dachverwahrung herausgerissen und verbogen habe. Dazu legten die Kläger Fotografien vor (GAS 141). An den entsprechenden Tagen habe zeitweise Windstärke 9 geherrscht. Glücklicherweise sei es noch nicht zu Personenschäden gekommen. Aber an den Terrassen und Balkonen, unter anderem auch an denen des Nachbarn der Kläger, sei es zu Schäden gekommen. Massive und schwere Pflanzkübel seien umgeworfen (Foto GAS 143) und Terrassenmöbel und Schirme seien mitgerissen worden.

Der von den Klägern bevollmächtigte, in der ...-Straße Nr. 17 wohnende Nachbar der Kläger hat auf Nachfragen im Termin zur mündlichen Verhandlung angegeben, auf dem Balkon seiner Wohnung sei wiederholt ein dort aufgestellter, geschätzt bis zu 50 kg schwerer Strandkorb vom Sturmwind umgerissen worden. Sturmwinde hätten auch immer wieder großflächig die auf dem Flachdach des von ihm bewohnten Hauses liegende Schicht aus Steinkieseln weggeblasen und auf die darunter liegende Straße geschleudert, so dass die Eigentümergemeinschaft, um einer Haftung vorzubeugen, die Kieselschicht mit schweren Steinen belegt und gesichert habe.

Die Kläger haben ferner eine ganze Reihe von Stellungnahmen ihrer Nachbarn vorgelegt, die sich alle ebenfalls über die erheblichen Windgefahren und Schäden beklagen (GAS 145 ff.).

Sie tragen vor, durch die parallele schluchtartige Anordnung ihres Hauses und des geplanten Gebäudes der Beigeladenen werde der aus der vorherrschenden Westwindrichtung strömende Wind wie in einem Windkanal auf teilweise bis zum Anderthalbfachen seiner Geschwindigkeit beschleunigt. Dadurch komme es vor allem an den Gebäudeecken zu gefährlichen Windwirbeln.

Vor diesem Hintergrund hätte bereits vor Aufstellung des Bebauungsplans ein aerophysikalisches Gutachten eingeholt werden müssen. Spätestens jetzt aber, vor der Genehmigung des konkreten Vorhabens der Beigeladenen, hätte eine aerophysikalische Prüfung erfolgen müssen, ob solche windbedingten Gefahren für Leib und Leben der unmittelbaren Anwohner sowie der Benutzer der Gebäude und der Verkehrswege (Passanten, Fahrradfahrer, usw.) auszuschließen seien.

Sie verweisen auf das Beispiel eines hinsichtlich einer Bebauung in Düsseldorf unter Zugrundelegung einer vom holländischen Normungsinstitut herausgegebenen technischen Norm bezüglich der Einstufung von Windgefahren (NEN 8100) erstellten aerophysikalischen Gutachtens zur Frage des Windkomforts bzw. von Windgefahren und verweisen ferner auf die Ausführungen eines Ingenieurbüros für Meteorologie sowie einer Gesellschaft zu den Themen Windkomfort/Windgefahren (GAS 171, 231 und 271).

Sie tragen vor, die Aussage der Beklagten, es handele sich um normale Windverhältnisse, sei nicht haltbar, sondern verharmlosend. Im Hinblick darauf, dass massive Blumentöpfe und Metallverkleidungen zerstört worden seien, könne von normalen Windverhältnissen nicht die Rede sein.

Die Kläger tragen schließlich vor, es stehe nicht in Rede, dass in Deutschland grundsätzlich auch einmal mit Windangriffen der Windstärke 12 gerechnet werden müsse und dass Bauwerke so konstruiert werden müssten, dass sie Windangriffen standhielten. Vielmehr gehe es um ihren Anspruch, dass bereits allgemein bestehende Windgefahren jedenfalls nicht noch durch die Errichtung von Bauwerken im konkreten Fall über das allgemeine natürliche Maß hinaus zu Lasten der Kläger verstärkt, erhöht bzw. potenziert werden dürften und dass insoweit ein nachbarlicher Abwehranspruch bestehe. Denn nach § 3 Abs. 1 S. 1 LBO sei im baurechtlichen Verfahren sicherzustellen, dass die Schutzgüter der Nachbarn, nämlich Leib, Leben, Gesundheit und Eigentum nicht durch ein Bauvorhaben verletzt würden.

Die Kläger beantragen,

den Bescheid der Beklagten vom 9.12.2014 und den Widerspruchs-bescheid des Regierungspräsidiums Freiburg vom 2.6.215 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.

Die Beklagte führt in ihrer Klageerwiderung im Wesentlichen Folgendes aus:

Die Klage sei wegen Versäumung der Klagefrist unzulässig. Die Klage sei zudem unbegründet.

Ein Abwägungsmangel bei der Aufstellung des Bebauungsplans liege nicht vor. In die Abwägung sei nur einzustellen, was nach Lage der Dinge eingestellt werden müsse. Grundsätzlich müssten bei der Zusammenstellung des Abwägungsmaterials nur das Gefahrenpotenzial bzw. die Belange oder Gegebenheiten ermittelt werden, die der Gemeinde im Zeitpunkt der Beschlussfassung über den Bebauungsplan bekannt gewesen seien oder hätten bekannt sein müssen. Anhaltspunkte für die Existenz oder Entstehung einer Windgefahr im Bereich der ...-Straße hätten der Beklagten nicht vorgelegen und seien auch nicht ersichtlich.

Die Windverhältnisse selbst seien kein von der Bebauung ausgehender Umstand, welcher Art und Maß der Nutzung im Allgemeinen betreffe. Vielmehr hätten sowohl der Bundes- als auch der Landesgesetzgeber mit der gleichrangigen Zulassung der geschlossenen Bauweise neben der offenen Bauweise klargestellt, dass die geschlossene Fassadenbauweise für sich genommen keine gravierende generelle Gefahr darstelle.

Als Abwägungsbelang kämen allenfalls die allgemeinen Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse und an die Sicherheit der Wohn- und Arbeitsbevölkerung nach § 1 Abs. 6 Nr. 1 BauGB in Betracht. Beispielhafte Beurteilungsmaßstäbe enthalte § 136 Abs. 3 Nr. 1 BauGB. Danach ergäben sich die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse und an die Sicherheit unter anderem aus dem Bauordnungsrecht der Länder sowie aus sonstigen öffentlich-rechtlichen Bauvorschriften. Aus dem Bauordnungsrecht ergäben sich insbesondere Anforderungen an die Belichtung, Besonnung und Belüftung sowie die bauliche Beschaffenheit von Gebäuden. Von Bedeutung seien weiterhin die Einwirkungen, insbesondere Immissionen, die von Grundstücken usw. ausgingen. Die Umlenkung von vorhandenen zufälligen Windeinflüssen sei für sich genommen keine solche Beeinflussung, sondern ein allgemeines Lebensrisiko, welches allein Gefahren durch die konkrete bauliche Ausführung, d.h. die Gefahren durch den Bau selbst betreffe. Allgemeine Windverhältnisse seien im Grundsatz keine der Bebauungsplanung zugänglichen Umstände, die etwa mit Hochwassergebieten oder mit durch umweltschädliche Stoffe belasteten Gebieten vergleichbar wären. Eine Veränderung dieser Windverhältnisse durch eine Bebauung könne nicht zu einer planungsrechtlich relevanten Beeinträchtigung führen, da andernfalls eine Bebauung per se ausgeschlossen wäre.

Allenfalls wenn einer planenden Gemeinde konkrete erhebliche Gefahren durch ganz besondere Windverhältnisse bekannt seien, seien diese bereits bei der Bauleitplanung als die Sicherheit der Bevölkerung berührende Umstände in die Abwägung einzustellen. Vor dem Hintergrund aber, dass der Wind von keiner öffentlich-rechtlichen Bestimmung als explizite Gefahrenquelle benannt werde, sei davon nur dann auszugehen, wenn geradezu katastrophal orkanartige Windverhältnisse als Regelfall aufzutreten drohten. Zu denken wäre hier an exponierte, freistehende Flächen in Erhöhung oder bekannte natürliche Windkanäle. Im konkret vorliegenden Planungsgebiet sei der Beklagten aber in der Vergangenheit und auch aktuell nichts dergleichen bekannt. Es habe auch sonst nie Anhaltspunkte dafür gegeben. Dass es vereinzelt zu Windspitzen kommen könne, sei ein allgemeines Lebensrisiko, welches auch unabhängig von einer Bebauung auftrete. Ins Blaue hinein müsse eine Kommune nicht ohne Anhaltspunkte erhöhte Allgemeingefahren ermitteln. Eventuelle schwere Winde im Planungsgebiet seien Einzelfälle, die gerade nicht auf eine Bebauung zurückgingen. Eines Sachverständigengutachtens hätte es deshalb vor Planaufstellung nicht bedurft.

Dass Blumentöpfe bei stärkerem Wind umfallen und exponierte Dachverkleidungen aus Leichtmetall gegebenenfalls beschädigt werden könnten, zähle zu den allgemeinen Gefahren, die jedermann unabhängig von der vorhandenen Stadtplanung zu tragen habe. Die von den Klägern genannten Gutachten anderer Gemeinden hätten vorhabenbezogene Bebauungspläne für Hochhäuser betroffen, bei denen im Gegensatz zur normalen Wohnbebauung, wie sie im hiesigen Planungsgebiet vorgesehen sei, erfahrungsgemäß die Windströmung nicht nur unerheblich verändert würden und auch sonst für das Planungsgebiet erhebliche Beeinträchtigungen zu erwarten gewesen seien, deren Einschätzung besonderer Expertise bedurft hätte. Für den hier gegebenen Regelfall einer einfachen Wohnbebauung mit normaler Geschosszahl bedürfe es hingegen ohne weitere Anhaltspunkte keiner besonderen Begutachtung. In der näheren Umgebung des Bebauungsplangebiets befänden sich der Höhe und Länge der Gebäude/Häuserschluchten nach vergleichbare Verhältnisse wie im Plangebiet, ohne dass es hier zu Missständen gekommen sei. Eine atypische Bebauung, wie etwa ein Hochhaus oder besondere Geländeverhältnisse, seien nicht gegeben. Die Stadt ... befinde sich zudem nach der Windkarte des Deutschen Wetterdienstes mit einer über das Jahr gemittelten Windgeschwindigkeit von 10 m/s über Grund im untersten Bereich der Skala.

Die bauordnungsrechtlichen Bestimmungen, insbesondere bezüglich der Einwirkungen von Windlasten, seien erst im noch ausstehenden konkreten Baugenehmigungsverfahren bezüglich der Einzelheiten der Bauausführung zu beachten.

Mit den aktuell geltenden Vorschriften würden die Verhältnisse hinsichtlich des Böengeschwindigkeitsdrucks bereits berücksichtigt. Für die bauordnungsrechtlichen Anforderungen an die Errichtung von Gebäuden gelte entsprechend § 3 Abs. 3 LBO die vom Landesumweltministerium bekanntgemachte „Liste der Technischen Baubestimmungen (LTB)“ und die in dieser Liste aufgeführte DIN-Vorschrift über die Ermittlung von Einwirkungen aus natürlichem Wind (Windeinwirkungen) auf Gebäude, nämlich die „DIN EN 1991-1-4“.

Diese Vorschriften berücksichtigten auch die regionalen Verhältnisse: Nach Ziff. 2 der Anlage 1.2/3 zu LTB gelte die in Anhang II zur LTB enthaltene „Zuordnung der Gemeinden in Baden-Württemberg zu den Windzonen der DIN-EN-1994-1-4/Nationaler Anhang -NA:2010-12“. Danach seien die bis 3 km ins Landesinnere gelegenen Bodenseeanrainergemeinden der Windzone 2 zuzuordnen. Nach Ziff.3 der Anlage 1.2/3 der LTB zur DIN EN 1991-1-4/NA seien diese Bodenseeanrainergemeinden zudem bei der Ermittlung des Böengeschwindigkeitsdrucks der Kategorie „Küste und Inseln der Ostsee (entspricht Mischprofil der Kategorien I und II) bzw. der Kategorie „küstennahe Gebiete sowie Gebiet auf den Inseln der Ostsee (entspricht ebenfalls einem Mischprofil von Geländekategorie I und II) zuzuordnen.

Diese bauordnungsrechtlichen Vorschriften berücksichtigten die regionalen Verhältnisse. Der Beklagten seien aus eigener Erfahrung keine ungewöhnlichen oder sonst in irgendeiner Weise vom normalen Maße abweichenden Windverhältnisse am ...er Seerhein bekannt.

Im Genehmigungsverfahren über den angefochtenen Bauvorbescheid sei die Einholung eines aerophysikalischen Sachverständigengutachtens nach allem nicht erforderlich gewesen. Eine Änderung der LTB, welche zu einer Einführung der niederländischen technischen Norm NEN 8100 als Rechtsgrundlage für die Anforderung eines windklimatischen Gutachtens dienen könnte, sei nach dem Wissen der Beklagten bisher nicht erfolgt.

Im Hinblick auf den Inhalt der seitens der Beigeladenen im Zusammenhang mit dem begehrten Bauvorbescheid nach § 57 LBO zur Bescheidung gestellten Fragen, wäre dies auch nicht erforderlich gewesen. Diese Fragen bezögen sich ausnahmslos auf Festsetzungen des maßgeblichen Bebauungsplans. Die von Seiten der Kläger vorgetragenen Argumente seien hierfür ohne Belang.

Erst im Rahmen eines nachfolgenden Baugenehmigungsverfahrens sei es den Klägern unbenommen, ein Gutachten im Rahmen der Nachbaranhörung in eigener Verantwortung vorzulegen. Eine Rechtsgrundlage, dies von Seiten der Bauherrschaft zu fordern, sehe die Beklagte nicht.

Das Gericht hat den Beteiligten einen ausführlichen rechtlichen Hinweis erteilt (GAS 331).

Im Termin wurde der von den Klägern für den Termin bevollmächtigte Nachbar zu den Windgefahren informatorisch angehört.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Behördenakten (zwei Hefte Bauakten der Beklagten, eine Heft Bebauungsplanakten sowie ein Heft Widerspruchsakten des Regierungspräsidiums) und der Gerichtsakten (ein Heft) sowie auf die Sitzungsniederschrift verwiesen.

Gründe

1. Die Klage ist zulässig.

1.1. Sie ist insbesondere nicht wegen Versäumung der einmonatigen Klagefrist verfristet (§ 74 Abs. 1 S. 1 VwGO).

Denn den Klägern ist gem. § 60 Abs.1, Abs. 2 S. 1 - S. 3, Abs. 4 VwGO Wiedereinsetzung in die von ihnen unverschuldet versäumte Klagefrist zu gewähren, da sie nachgewiesen haben, dass sie bereits am 1.7.2015 die Klageschrift zur Post gegeben haben und daher bei normalem Postlauf darauf vertrauen konnten, die Klage werde innerhalb der frühestens am 6.7.2015 ablaufenden Klagefrist beim Gericht eingehen und nicht - wie tatsächlich im vorliegenden Fall geschehen - erst am 14.7.2015. (Hinsichtlich der näheren Einzelnen und Nachweise wird auf den gerichtlichen Hinweis vom 10.12.2015 - GAS 279 - verwiesen, an dem das Gericht nach erneuter Prüfung festhält, zumal die Beklagte in der mündlichen Verhandlung demgegenüber keine Einwände erhoben hat).

1.2. Die Kläger sind auch gem. § 42 Abs. 2 VwGO klagebefugt.

1.2.1. Das gilt allerdings nur insoweit, als sie als Miteigentümer ihrer Eigentumswohnung eine Beeinträchtigung ihres Sondereigentums (Art. 14 GG) an ihrer Wohnung rügen, nämlich hier sinngemäß Beeinträchtigungen der Substanz des individuell ihrer Wohnung zugeordneten Balkons bzw. der darauf von ihnen abgestellten Gegenstände und Beeinträchtigungen der Nutzbarkeit dieses Balkons durch stürmischen oder orkanartigen Wind geltend machen, der auch Gefahren für Leib und Leben mit sich bringe, welche die Ausnutzbarkeit des Balkons reduziere. Denn das Wohnungseigentum, das nach § 1 Abs. 2 WEG aus dem Sondereigentum an einer Wohnung in Verbindung mit dem Miteigentumsanteil an dem gemeinschaftlichen Eigentum besteht, zu dem es gehört, vermittelt grundsätzlich eine abwehrfähige öffentlich-rechtliche Rechtsposition (vgl. BVerwG, B. v. 20. 8.1992 - 4 B 92.92 -, juris; OVG NRW, B. v. 28.2.1991 - 11 B 2967/90 -, NWVBl. 1991, 265; OVG Berlin, U. v. 25.2.1994 - 2 B 11.91 -, BRS 56 Nr.172; Bay. VGH, B. v. 22.3. 2010 -15 CS 10.355-, juris).

1.2.2. Nicht klagebefugt sind die Kläger hingegen, soweit sie sich darüber hinaus mit ihrer Klage auch auf eine Verletzung des Gemeinschaftseigentums der Wohnungseigentümer am Grundstück, nämlich darauf berufen, durch den stürmischen/orkanartigen Wind, der bei Ausführung des Bauvorhabens der Beigeladenen in verschärfter Form zu erwarten sei, könne es auch zu Beschädigungen der Außenfassade (inklusive der Wärmedämmung), des Dachs und ggf. auch der Dachverblendung/-verkleidung kommen. Insoweit ist allein die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer klagebefugt. Denn nur die Wohnungseigentümergemeinschaft und nicht der einzelne Wohnungseigentümer aufgrund seines Anteils am gemeinschaftlichen Eigentum (§ 1 Abs. 5 WEG) ist berechtigt, Beeinträchtigungen des gemeinschaftlichen Eigentums im eigenen Namen im Wege von Abwehrrechten gegen ein Bauvorhaben auf einem Nachbargrundstück geltend zu machen (vgl. OVG Berlin-Bbg., B. v. 15.10. 2012 - OVG 2 N 111.10 -, juris; Bay. VGH, B. v. 12.9.2005 - 1 ZB 05.42 -, BRS 69 Nr. 181). Bei der Geltendmachung von Nachbarrechten wegen einer Verletzung von öffentlich-rechtlichen Vorschriften, die dem Schutz des gemeinschaftlichen Eigentums dienen, handelt es sich nämlich um eine Maßnahme der Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums (§ 20 Abs. 1 WEG). Diese steht gemäß § 21 Abs. 1 WEG grundsätzlich den Wohnungseigentümern gemeinschaftlich zu. Der einzelne Wohnungseigentümer gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1, § 21 Abs. 1 WEG ist nicht berechtigt, aufgrund seines ideellen Anteils am gemeinschaftlichen Eigentum wegen Beeinträchtigung dieses Eigentums Abwehrrechte gegen ein Bauvorhaben auf dem Nachbargrundstück geltend zu machen. Soweit die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer das gemeinschaftliche Eigentum verwaltet und dabei am Rechtsverkehr teilnimmt, ist sie gemäß § 10 Abs. 6 WEG auch rechtsfähig (vgl. BGH, B. v. 2. 6. 2005 - V ZB 32/05 -, NJW 2005, 2061 = juris) und damit im Verwaltungsverfahren und im verwaltungsgerichtlichen Verfahren beteiligtenfähig (§ 61 Nr. 2 VwGO). Entgegen der von den Klägern vertretenen Ansicht ist es auch nicht so, dass ein einzelner Wohnungsmiteigentümer grundsätzlich immer befugt wäre, Beeinträchtigungen des Gemeinschaftseigentums selbst klageweise geltend zu machen, solange die Wohnungseigentümergemeinschaft nicht diese Angelegenheit gewissermaßen „an sich gezogen hat“ bzw. ihn ausdrücklich dazu ermächtigt hat. Vielmehr kann ein einzelner Sondereigentümer eine Beeinträchtigung des gemeinschaftlichen Eigentums lediglich in den engen Grenzen einer Notgeschäftsführung (§ 21 Abs. 2 WEG) und nur in Prozessstandschaft für die Eigentümergemeinschaft abwehren. Die Voraussetzungen einer Notgeschäftsführung wurden im vorliegenden Fall jedoch weder geltend gemacht, noch liegen diese erkennbar vor. Es wäre außerdem der Hausverwaltung ohne Weiteres möglich gewesen, im Namen der Eigentümergemeinschaft Klage gegen die Baugenehmigung zu erheben und sei es nur zur Fristwahrung. Die Klageerhebung hätte im Nachhinein durch einen Beschluss der Eigentümergemeinschaft genehmigt werden können (so ausführlich BayVGH, U. v. 12.7.2012 - 2 B 12.1211 -, BauR 2012, 1925 = juris Rn. 21).

2. Die Klage ist indessen unbegründet.

Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 S. 1 VwGO).

Nach §§ 57 Abs. 1 S. 1 und Abs. 2 sowie 58 Abs. 1 S. 1 und S. 2 LBO kann auf schriftlichen Antrag des Bauherrn ein schriftlicher Bescheid zu einzelnen Fragen des Vorhabens bereits vor Einreichen eines Bauantrags erteilt werden (Bauvorbescheid). Insoweit gilt § 58 Absatz 1 S. 1 LBO entsprechend. Danach ist eine Baugenehmigung bzw. ein Bauvorbescheid zu erteilen, wenn dem genehmigungspflichtigen Vorhaben keine von der Baurechtsbehörde zu prüfenden öffentlich-rechtlichen Vorschriften entgegen stehen. Soweit nicht § 52 LBO (vereinfachtes Baugenehmigungsverfahren) Anwendung findet, sind gemäß §§ 58 Abs. 1 S. 2 LBO alle öffentlich-rechtlichen Vorschriften zu prüfen, die Anforderungen an das Bauvorhaben enthalten und über deren Einhaltung nicht eine andere Behörde in einem gesonderten Verfahren durch Verwaltungsakt entscheidet.

Nach diesen Maßstäben und Grundsätzen hat die Beklagte der Beigeladenen den Bauvorbescheid zu Recht erteilt.

2.1. Das Vorhaben der Beigeladenen entspricht - im Rahmen der dazu nach § 31 Abs. 2 Nr. 2 BauGB erteilten Befreiungen, bezüglich deren die Kläger keine Verletzung nachbarlicher Rechte (mehr) geltend machen - den Festsetzungen des Bebauungsplans (§ 30 Abs.1 BauGB).

Dieser Bebauungsplan ist im vorliegenden Fall auch als gültig anzusehen. Dabei kommt es auf die von den Klägern aufgeworfene Frage gar nicht an, ob dieser Bebauungsplan an einem Abwägungsmangel leidet, weil die Beklagte im Rahmen der Planaufstellung womöglich zu berücksichtigende Windgefahren gar nicht berücksichtigt und als Abwägungsmaterial in die Abwägung mit eingestellt hat (§ 2 Abs. 3 BauGB). Selbst wenn nämlich insoweit ein nach § 214 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BauGB im Grundsatz beachtlicher Abwägungsmangel vorläge, wäre dieser Mangel nach dem Planerhaltungsgrundsatz wegen Ablaufs der Jahresfrist des § 215 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BauGB hier jedenfalls unbeachtlich. Ein solcher Mangel wurde nämlich nicht binnen eines Jahres nach Bekanntmachung der Bebauungsplansatzung schriftlich gegenüber der Beklagten geltend gemacht, obwohl im Rahmen der Bekanntmachung auf die Voraussetzungen für die Geltendmachung sowie auf deren Rechtsfolgen hingewiesen worden ist (vgl. die Bekanntmachung der Bebauungsplansatzung nebst entsprechenden Hinweisen am 22.1.2007 im Südkurier - siehe Ziff.1 der Bebauungsplanakte).

2.2. Der den Festsetzungen des mithin als gültig zu betrachtenden Bebauungsplans entsprechende Bauvorbescheid verstößt auch nicht gegen das Rücksichtnahmegebot, das in § 15 Abs. 1 S. 1 BauVNO seinen Niederschlag gefunden hat (vgl. BVerwG, U. v. 23.9.1999 - 4 C 6/98 -, NVwZ 2000, 1050 = juris; siehe zum nachbarschützenden Charakter des § 15 Abs. 1 S. 2 BauNVO auch Dürr/Leven/Speckmaier, Baurecht, 15.Aufl., 2015, S. 160 Rnr. 290). Danach ist ein Vorhaben, selbst wenn es den Festsetzungen des Bebauungsplans entspricht, im Einzelfall unzulässig, wenn „von ihm Belästigungen oder Störungen ausgehen können“, die nach der Eigenart des Baugebiets im Baugebiet selbst oder in dessen Umgebung „unzumutbar“ sind.

Auf dieses Gebot nachbarlicher Rücksichtnahme käme es im Übrigen für die mit der Klage gerügte Verletzung nachbarlicher Rechte genauso an, wenn der Bebauungsplan aufgrund eines Abwägungsmangels nichtig wäre. Denn dann wäre die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens nach der für den unbeplanten Innenbereich geltenden Vorschrift des § 34 Abs.1 BauGB zu beurteilen, der wiederum das Gebot der Rücksichtnahme im Begriff des „Einfügens“ mitenthält (vgl. Dürr/Leven/Speckmaier, a.a.O. Rn. 296 und 304 m.w.Nw.). Nach Art, Lage und Ausmaß würde sich insoweit das Vorhaben im Grundsatz auch in die Umgebungsbebauung des dann unbeplanten Innenbereichs „einfügen“, die durch die bereits vorhandene, im Wesentlichen vergleichbare und bestandskräftig genehmigte Bebauung des ... Gartengeländes mit mehreren fünfgeschossigen blockartigen Wohngebäuden maßgeblich geprägt würde.

2.2.1. Entgegen der Ansicht der Beklagten und der Widerspruchsbehörde geht das Gericht davon aus, dass die von den Klägern geltend gemachten Windgefahren nicht erst im Rahmen eines noch ausstehenden Baugenehmigungsverfahrens (§ 58 LBO) unter dem bauordnungsrechtlichen Aspekt des nachbarschützenden § 3 Abs. 1 LBO (vgl. VGH Bad.-Württ. , B. v. 9.2.1995 - 3 S 3407/94 -, NVwZ-RR 1995, 561 = juris) zu prüfen und zu berücksichtigen sind, weil sie etwa vom Regelungsgehalt des Bauvorbescheids gar nicht erfasst und schon von daher für dessen Rechtmäßigkeit von vornherein unerheblich wären.

Denn der angefochtene Bauvorbescheid der Beklagten vom 9.12.2014 (BAS 297) beantwortet zwar konkret nur die drei von der Beigeladenen im entsprechenden Antrag aufgeworfenen Fragen nach der bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit des Vorhabens trotz der damit verbundenen Abweichungen von den Festsetzungen des Bebauungsplans hinsichtlich der Vollgeschosszahl, der Grundflächenzahl und der Baulinien und erklärt ausdrücklich, Gegenstand seien die drei entsprechenden Fragen, eine bauordnungsrechtliche Präventivkontrolle sei nicht Gegenstand, die Klärung der übrigen Detailfragen sei dem noch einzuleitenden Baugenehmigungsverfahren vorbehalten (siehe dazu Ziff. 1, 5 und Anmerkung im Anschluss an Ziff. 9 des Bescheids). Der Bauvorbescheid bestätigt nach seinem Regelungsgehalt jedoch grundsätzlich die planungsrechtliche Zulässigkeit des durch die eingereichten Bauvorlagen hinsichtlich seiner konkreten Lage und Kubatur (Breite, Höhe, Länge) bestimmten Vorhabens, indem er im Ergebnis ausführt, dass das Vorhaben unter Berücksichtigung der erteilten Befreiungen den Festsetzungen des Bebauungsplans entspricht. Gerade diese Lage und Kubatur aber soll nach Auffassung der Kläger zur Bildung einer schluchtartigen Enge bzw. eine sogenannten Winddüse beitragen, durch welche die von ihnen befürchteten Windgefahren verursacht werden sollen.

2.2.2. Mit diesem Inhalt verstößt der Bauvorbescheid jedoch nicht zu Lasten der Kläger gegen das Rücksichtnahmegebot.

Rücksicht zu nehmen ist insofern nur auf den begrenzten Kreis derjenigen, die von den Auswirkungen des Vorhabens in „qualifizierbarer und zugleich indvidualisierbarer Weise “ betroffen werden (vgl. BVerwG, U. v. 5.8.1983 - 4 C 96/79 - NJW 1984, 138 -juris). Nur in diesem Umfang kommt diesem Gebot drittschützender Charakter zu.

Das Rücksichtnahmegebot soll einen angemessenen Ausgleich zwischen den Belangen des Bauherrn und seiner Umgebung bewirken. Je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung desjenigen ist, dem die Rücksichtnahme im gegebenen Zusammenhang zugutekommt, umso mehr kann er an Rücksichtnahme verlangen. Je verständlicher und unabweisbarer die mit dem Vorhaben verfolgten Interessen sind, umso weniger braucht derjenige, der das Vorhaben verwirklichen will, Rücksicht zu nehmen. Abzustellen ist darauf, was einerseits dem Rücksichtnahmebegünstigten und andererseits dem Rücksichtnahmepflichtigen nach Lage der Dinge zuzumuten ist (vgl. BVerwG, U. v. 25. 2. 1977 - 4 C 22.75 - , BVerwGE 52, 122 = Juris).

Im Rahmen der hiernach gebotenen (Zumutbarkeits-)Abwägung können allerdings die Interessen der Beteiligten ein unterschiedliches Gewicht haben, je nachdem, ob es um ein Vorhaben geht, das grundsätzlich zulässig und nur ausnahmsweise unzulässig ist oder umgekehrt (vgl. BVerwG, B. v.14.2.1994 - 4 B 152.93 -, juris, Rn. 18, 19 = BRS 56, Nr. 165).

Innerhalb dieses Rahmens muss jeder Bauherr bedenken, welche Folgen die Verwirklichung seines Vorhabens für die Umgebung haben wird. Er muss dabei zwar nicht eigene Interessen hintanstellen, um lediglich gleichgewichtige Belange anderer zu schonen. Wenn aber ein Nachbar durch das Vorhaben einer ihm im Hinblick auf die jeweilige Situation billigerweise nicht mehr zumutbaren Beeinträchtigung ausgesetzt wird, muss der Bauherr unter Umständen sogar ein nach den baurechtlichen Vorschriften an sich zulässiges Vorhaben ändern.

Das Rücksichtnahmegebot verpflichtet allerdings nicht nur den Bauherrn zur Rücksichtnahme, sondern umgekehrt auch den Nachbarn, soweit es um schützenswerte Belange des Bauherrn geht. Das Gebot gilt nämlich nicht einseitig, sondern verpflichtet vielmehr gleichermaßen beide Konfliktparteien zur gegenseitigen Rücksichtnahme. Nutzungen, die geeignet sind, Spannungen und Störungen hervorzurufen, sind daher einander so zuzuordnen, dass Konflikte möglichst vermieden werden. Die Rücksichtnahmepflicht belastet also nicht nur den Immissionsverursacher, sondern auch denjenigen, der sich den Wirkungen einer solchen Immission selbst aussetzt. Was dem Rücksichtnahmeverpflichteten, aber umgekehrt auch dem Rücksichtnahmeberechtigten im Einzelnen zur Konfliktvermeidung zuzumuten ist, richtet sich dabei nach der jeweiligen konkreten Grundstücksituation. Die Situation, in die ein Grundstück nach seiner Lage und Beschaffenheit hineingestellt ist (Situationsgebundenheit), wirkt bezogen auf die mit seiner Nutzung ggf. verbundenen Beeinträchtigungen einerseits als Situationsbelastung, nach der anderen Seite aber auch als Situationsberechtigung. Schutzmindernd kann sich daher auswirken, wenn eine Nutzung zuerst aufgenommen wurde, es sich um eine genehmigte Nutzung handelt und diese Bestandsschutz genießt, d.h. wenn der sie Ausübende darauf vertrauen durfte, sie ohne Einschränkungen bzw. ohne den Vorbehalt künftiger Einschränkungen ausüben zu können.

Dabei müssen allerdings sowohl eine bestandskräftig genehmigte, als auch eine nach einem Bebauungsplan in diesem Gebiet grundsätzlich zulässige Nutzung - wenn irgend möglich - beide ausgeübt werden können. Das Rücksichtnahmegebot bietet mithin dem Inhaber des Bestandsschutzes keine Handhabe, die Erteilung einer Baugenehmigung für die auf einem Grundstück baurechtlich allgemein zulässige Nutzung von vornherein ganz abzuwehren. Er kann also nicht beanspruchen, dass dem hinzutretenden Bauwilligen zur Entschärfung des Konflikts die Erteilung einer Baugenehmigung von vornherein ganz versagt wird. Vielmehr kann es ihm aufgrund der inneren Wechselbeziehung zwischen dem Baurecht und dem Immissionsschutzrecht obliegen, im Rahmen der dynamischen immissionsschutzrechtlichen Betreiberpflichten auch nachträglich Vorkehrungen zur Vermeidung bzw. Reduzierung von Emissionen seiner Anlage zu treffen, welche andernfalls dem hinzutretenden Bauwilligen die Ausführung seines Vorhabens unmöglich machen oder diese übermäßig beschränken würden.

Umgekehrt kann aber auch für einen hinzukommenden neuen Nutzer eine Pflicht bestehen, sich nicht „schutzlos“ den vorhandenen Immissionen auszusetzen, sondern durch zumutbare Maßnahmen der Emissionsvermeidung und -minderung zu einem beiderseits zumutbaren verträglichen Interessenausgleich beizutragen. Wer insofern darauf verzichtet, ihm technisch mögliche, naheliegende und wirtschaftlich zumutbare Gestaltungsmittel zu wählen oder auf entsprechende bauliche Vorkehrungen verzichtet, also eine solche ihm mögliche und zumutbare „architektonische Selbsthilfe“ unterlässt, welche seine Beeinträchtigung durch die Immissionen spürbar vermindern würden, handelt seinerseits rücksichtslos und kann für ein in dieser Hinsicht gegen das Rücksichtnahmegebot verstoßendes Bauvorhaben nicht die Erteilung einer Baugenehmigung beanspruchen (vgl. zu alldem im Einzelnen BVerwG, U. v. 18.5.1995 - 4 C 20/94 -, NVwZ 1996, 379 = juris, Rn. 20 - 25; BVerwG, U. v. 23.9.1999 - 4 C 6/98 - NvwZ 2000, 1050 = juris, Rn. 20 - 30; OVG NRW, U. v. 1.6.2011 - 2 A 1058/09 -, BauR 2012, 476 = juris, Rn. 74 ff.).

Im vorliegenden Fall entfaltet dieses Rücksichtnahmegebot zumindest den Klägern gegenüber auch drittschützende Wirkung. Sie berufen sich zwar auf Gefahren, die das Vorhaben durch eine ungünstige Beeinflussung der Strömung und Geschwindigkeit des Windes verursachen soll, also einer unbeherrschbaren Naturgewalt, mit einem im städtebaulichen Kontext komplexen und daher nicht oder nur schwer überschaubaren weitläufig ausgedehnten Wirkungsgefüge (vgl. zum Stand und den Schwierigkeiten der sogenannten „urban physics“- Stadtwind-Forschung: Asendorpf, „Architektur im Windkanal“, Die ZEIT Nr. 22 v. 27.5.2010, - www.zeit.de/ 2010/22/Staedte-Windkanal/komplettansicht?print). Sie zählen aber noch zu dem „indvidualisierbaren und qualifizierbaren“ Kreis derjenigen, die direkt von Windgefahren betroffen wären, die von dem geplanten Vorhaben der Beigeladenen womöglich mitverursacht werden. Denn sie sind Miteigentümer eines Gebäudes, das zusammen mit dem direkt gegenüber in 15 m Abstand geplanten Vorhaben der Beigeladenen eine Straßenschlucht und damit die sog. „Winddüse“ bilden soll, von der sie gerade eine gefährliche Erhöhung der Windgeschwindigkeit befürchten (siehe hingegen zu dem mangels hinreichend abgrenzbar erkennbaren Personenkreises fehlenden Drittschutz der die Naturgewalt „Wasser“ betreffenden wasserrechtlichen Vorschriften bezüglich eines Überschwemmungsgebiets OVG Hamburg, B. v. 28.1.2016 - 2 Bs 254/15 -, BauR 2016, 1125 = juris, Rn. 30 -34 und U. v. 9.4.1997 - Bf V 64/95 -, juris, Rn.38 - 42).

Bei der Beurteilung der Frage, ob das Rücksichtnahmegebot zu Lasten der Kläger durch den Bauvorbescheid verletzt wird, kann hier offenbleiben, ob sich aus der Kombination des Vorhabens der Beigeladenen mit dem Gebäude der Kläger tatsächlich eine Winddüse ergibt, die den Wind, der durch die ...-Straße strömt, sehr stark beschleunigt und dadurch bereits vorhandene Windgefahren deutlich verschärft und potenziert, wie dies die Kläger mit ihrem Beweisantrag in der mündlichen Verhandlung behauptet haben.

Denn selbst wenn dies - unterstellt - der Fall wäre, würde sich daraus keine zur Rechtswidrigkeit des Bauvorbescheids führende Rücksichtslosigkeit des Vorhabens der Beigeladenen ergeben.

Vielmehr erweist sich das von den Klägern mit der vorliegenden Baunachbarklage gegenüber der Beigeladenen verfolgte Ansinnen als rücksichtlos, diese müsse aus Rücksicht darauf, den Klägern die Benutzbarkeit ihres kleinen Stehbalkons im bisherigen Umfang ungeschmälert zu erhalten, auf die grundsätzlich zulässige Bebauung ihres Grundstücks ganz oder in wesentlichem Umfang verzichten und der ihr erteilte Bauvorbescheid sei deshalb aufzuheben. Denn die Kläger haben infolge der Situationsbedingtheit ihres Eigentums keinen Anspruch auf Verschonung von stärkerem Wind, zumindest aber könnten sie sich selbst durch zumutbare Maßnahmen der Eigenvorsorge/Eigensicherung gegenüber den Gefahren sichern und schützen und wegen der wechselseitigen Rücksichtnahmepflichten der Kläger und der Beigeladenen kämen zur Konfliktlösung allenfalls bauordnungsrechtlich ggf. auch nachträglich beiderseitige bautechnische Nachrüstungsmaßnahmen an beiden Gebäuden zur Vermeidung von Gefahren in Betracht. Das ergibt sich aus der im Nachfolgenden dargestellten Bewertung des jeweiligen Gewichts und der Schutzwürdigkeit der gegenläufigen baurechtlichen Interessen der Kläger und der Beigeladenen und der Abwägung dieser Interessen gegeneinander:

Bauplanungsrechtlich ist das Vorhaben der Beigeladenen nämlich im Plangebiet nicht nur ausnahmsweise, sondern grundsätzlich genauso zulässig, wie die im selben Plangebiet im gleichen Umfang zugelassene Bebauung des Grundstücks der Kläger. Daraus ergibt sich eine gleichgewichtige Verpflichtung sowohl der Kläger als auch der Beigeladenen zur wechselseitigen Rücksichtnahme.

Dem Umstand, dass das Grundstück der Kläger bereits bebaut war, als die Beigeladene ihren Antrag auf Erteilung eines Bauvorbescheids stellte, kommt dabei keine das Gewicht der Rücksichtnahmeverpflichtung zu Lasten der Beigeladenen verschiebende Bedeutung zu.

Denn wann sich die für beide Grundstücke von Anfang an gleichermaßen gegebene plangemäße Bebaubarkeit durch eine tatsächliche Bebauung realisiert, hängt von reinen Zufälligkeiten ab, wie etwa dem Entstehen des Bauwunsches und der Verfügbarkeit finanzieller Mittel zu seiner Realisierung. Die Kläger können sich also gegenüber der Beigeladenen nicht etwa darauf berufen, ihr Haus sei gewissermaßen „zuerst da gewesen“, so dass in erster Linie die Beigeladene als später Hinzutretende mit ihrem Vorhaben auf die vorhandene Bebauung des Klägergrundstücks Rücksicht zu nehmen habe. Vielmehr war die Grundstückssituation der Kläger aufgrund der klaren Festsetzungen des Bebauungsplans von Anfang an mit der Möglichkeit der plangemäßen Bebauung des Nachbargrundstücks der Beigeladenen belastet, so dass schon kein schutzwürdiges Vertrauen auf ein Ausbleiben einer solchen Nachbarbebauung entstehen konnte.

Das Bauvorhaben der Beigeladenen ist auch nicht etwa deshalb rücksichtlos, weil die Beigeladene damit die von den Klägern für ihr Grundstück befürchtete Gefahrenlage allein verursachen würde.

Der Annahme einer solchen monokausalen, allein der Beigeladenen anzulastenden und sie daher zu einer gesteigerten Rücksichtnahme verpflichtenden Gefahrenverursachung steht hier schon der Umstand entgegen, dass die von den Klägern befürchtete gefahrverursachende Winddüse sich (wenn überhaupt) erst aus der Kombination ihres Gebäudes und desjenigen der Beigeladenen ergeben würde. Das heißt, das Gebäude der Kläger würde zu genau dem gleichen Anteil zu der Gefahrenverursachung beitragen, wie dasjenige der Beigeladenen, und wäre damit gleichermaßen Teil des Problems. Augenfällig zeigt dies bereits die Rüge der Kläger, der Bebauungsplan sei abwägungsfehlerhaft, weil er nicht berücksichtigt habe, dass sich infolge der Bebauung auf beiden Seiten der ...-Straße eine „Straßenschlucht“, bzw. eine „schluchtartige Enge“ ergebe, die eine das Gefahrenrisiko verstärkende Winddüse bilde. Würde man nämlich dieser Argumentation folgen, so hätte der Plangeber, um diesen Bedenken Rechnung zu tragen, dann nicht nur die Bebaubarkeit des Grundstücks der Beigeladenen, sondern konsequenterweise auch die Bebaubarkeit des Grundstücks der Kläger nur in einer hinsichtlich der Höhe sowie Länge eines Baukörpers und seines Abstandes zu dieser Straße sehr eingeschränkten Form festsetzen dürfen.

Trotz dieser Konstellation fehlt es allerdings nicht schon an dem vom Rücksichtnahmegebot in § 15 Abs. 1 S. 2 BauNVO vorausgesetzten Merkmal, dass die (von den Klägern erwarteten unzumutbaren) Belästigungen oder Störungen durch Windgefahren (zumindest auch) „von der (durch die Beigeladene geplanten) baulichen Anlage ausgehen“ müssen.

Bei der lediglich durch die Lage und Größe eines oder mehrerer Baukörper ggf. verursachten bloßen Beschleunigung der Strömungsgeschwindigkeit der Umgebungsluft (Wind) handelt es zwar nicht um eine von diesen Gebäuden „ausgehende“ Emission. Vielmehr handelt es sich lediglich um einen allgemeinen natürlichen physikalischen Vorgang. Dieser wird von dem Emissionsbegriff des § 3 Abs. 3 BImSchG („von einer Anlage ausgehende Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütterungen, Licht, Wärme, Strahlen oder ähnliche Erscheinungen“) ebenso wenig erfasst wird, wie etwa von den (im privaten Nachbarrecht einschlägigen) vergleichbaren Begrifflichkeiten des § 906 Abs. 1 S. 1 BGB („Zuführung von Gasen, Dämpfen, …. Erschütterungen, Geräuschen oder ähnliche von einem anderen Grundstück ausgehende Einwirkungen“). Denn sogenannten „negativen Einwirkungen“ zählen dazu nicht, wie etwa die Wind, Lichtzufuhr oder Funkwellen „abschattende“ oder „umlenkende“ Wirkung eines Gebäudes (siehe dazu BGH, U. v. 22.2.1991 - V ZR 308/89 - NJW 1991, 1671 [1672] = juris Rn. 10 unter Hinweis auf RG, Warn 1914, Nr. 57 = JW 1914, 196 und OLG München, DW 1957, 68, wonach es eine solche, von § 906 Abs. 1 S. 1 BGB nicht erfasste „negative Einwirkung“ darstellt, wenn ein Gebäude die „Bewegung des Windes zum Nachteil des Nachbargrundstücks beeinflusst, weil ein Windstau entsteht“; ebenso zu dem „von einem Gebäude abprallenden Wind und Regen“ BGH, U. v. 21.10.1983 - V ZR 166/82 -, NJW 1984, 729 = juris, Rn. 8 und insbes.Rn. 13 m.w.Nw.; so auch zu der „Verwirbelung des Windes“ durch eine Windkraftanlage [WKA], die dadurch die effizienten Abläufe einer dahinter liegenden WKA eines anderen Anlagenbetreibers stört und beeinträchtigt] OLG Frankfurt a.M., U. v. 9.3.2000 - 15 U 118/99 -, NJW-RR 2000, 1542 [1544] = juris, Rn. 35; a. A. aber VG Schleswig-Holstein, U. v. 11.12.2008 - 12 A 10/07 -, juris, Rn. 27, wonach es sich bei den - direkt durch den Betrieb einer WKA ausgelösten -Windverwirbelungen/Turbulenzen um eine den Luftverunreinigungen, Erschütterungen, Strahlen usw. „ähnliche Umwelteinwirkung“ i.S.d. § 3 Abs. 1 BImSchG handeln soll; siehe im Übrigen Münchener Kommentar, 6. Aufl. 2013, Rn. 100 - 115, Fußnote 244 m. w. Rspr.Nw. sowie Staudinger/Roth, [BGB-Kommentar, juris], 2016, Rn. 122, 123.; zur Zurechenbarkeit von Störungen durch Naturereignisse, wenn menschliches Handeln oder Unterlassen deren Auswirkungen mitbeeinflusst BGH, U. v. 14.11.2003 - V ZR 102/03 -, NJW 2004, 1037 = juris, Rn. 24; siehe allerdings zur „Bündelung von Sonnenlichtstrahlen durch ein Glasdach“ bzw. zur „Umlenkung von Sonnenstrahlen durch eine Photovoltaikanlage“ und dadurch auf dem Nachbargrundstück verursachte “Blendeinwirkungen“ als von diesen Anlagen „ausgehenden Einwirkungen“ LG Frankfurt a.M., U. v. 21.7.1995 - 21/11 O 33/94 - Leitsatz Nr. 2 = DWW 1998, 57 = juris [nur LS] bzw. OLG Stuttgart, U. v. 30.4.2013 - 3 U 46/13 -, BauR 2013, 1463 = juris, Rn. 16).

Dass die vorliegend geltend gemachten Windgefahren keine Emissionen des Gebäudes i.S. d. § 3 Abs. 3 BImSchG darstellen, steht indessen der Einschlägigkeit des Rücksichtnahmegebots aus § 15 Abs. 1 S. 2 BauNVO nicht entgegen.

Denn bei den Emissionen/Immissionen i.S.d. § 3 BImSchG handelt es sich zwar um den Hauptfall der von einer baulichen Anlage ausgehenden Störungen/Belästigung, nicht aber um den einzigen Anwendungsfall. Vielmehr ist § 15 Abs. 1 S. 2 BauNVO trotz seines Wortlauts („von der Anlage ausgehenden“ Belästigungen) nach Sinn und Zweck weiter zu verstehen, nämlich dahin, dass es dabei ganz generell um negative Auswirkungen einer Anlage auf andere Nutzungsmöglichkeiten in der Umgebung geht, die von der Anlage in ihrem Einwirkungsbereich nachteilig beeinflusst/betroffen werden. Von daher können alle Beeinträchtigungen in Betracht kommen, die ohne das Vorhaben nicht vorhanden wären und sich in der Umgebung des Vorhabens in irgendeiner Weise auf die gesunden Wohn- und Arbeitsverhältnisse im Sinne des § 1 Abs. 6 Nr. 1 BauGB auswirken können und insoweit städtebauliche Bedeutung haben können, weil sie eine aus der konkreten Bodennutzung resultierende Konfliktlage betreffen, die im Planungsrecht unter anderem durch die Festsetzung von einzuhaltenden Abständen und von überbaubaren Grundstücksflächen gelöst werden können (vgl. Söfker, in: Ernst/Zinkhahn/Bielenberg/Krautzberger [E/Z/B/K], BauGB, Kom., 120 Erg.Lfg. Feb. 2016, Rn. 21 zu § 15 BauNVO unter Verweis auf BVerwG, U. v. 25.1.2007 - 4 C 1.06 -, NVwZ 2007, 587 = juris, Rn.14 und 15, wonach z.B. auch mögliche Gefahren für die Nachbarschaft einer diplomatischen Einrichtung durch diesen geltende terroristische Anschläge als Störungen i.S.d. § 15 Abs. 1 S. 2 BauNVO in Betracht kommen können).

In diesem Sinne aber werden im Planungsrecht nicht nur die im Zusammenhang mit der Nutzung einer geplanten Landebahnanlage direkt von Flugzeugen im Landeanflug ausgelösten Windverwirbelungen (sog. „Wirbelschleppen“) als planungsrechtlich zu berücksichtigende Störungen angesehen (vgl. etwa BayVGH, U. v. 19.2.2014 - 8 A 11.40040 -, BayVBl. 2016, 155 = juris, Rn.563 - 575; siehe auch HessVGH, U. v. 21.8.2009 - 11 C 227/08.T, NVwZ 2010, 334 = juris, Rn. 1197), sondern auch die „Verminderungen von Windgeschwindigkeiten und Kaltluftabflüssen/Frischluft-zuflüssen“ durch Bauvorhaben, welche durch ihre „riegelartige Lage im Windstrom“ bestimmte „Winde behindern, blockieren oder umlenken“ und sich dadurch nachteilig auf das Kleinklima und mittelbar auf die gesunden Wohnverhältnisse auswirken könnten (vgl. VGH Bad.-Württ., B. v. 9.2.1995 - 3 S 3407/94 -, NVwZ-RR 1995, 561 = juris, Rn. 3 - 9 und U. v. 20.5.2010 - 3 S 2099/08 -, VBlBW 2011, 97 = juris, Rn. 34, 35, 45 - 49; zum Wind als Teil-Faktor des Begriffs „Klima“ i.S.d. § 1 Abs. 6 Nr. 7a BauGB siehe E/Z/B/K, a.a.O., Rn. 144b zu § 1 BauGB und Rn. 114 ff. zu § 1 BauGB zum Begriff „gesunde Wohnverhältnisse“ iSd. § 1 Abs. 6 Nr. 1 BauGB; siehe auch Ziff. 3.4.2 „Städtebauliche Klimafibel Online - Hinweise für die Bauleitplanung“, Ministerium für Verkehr und Infrastruktur Bad.-Württ - www. staedtebauliche-klimafibel.de/ ?p=27&p2=3.4.2., wonach in stark windbelasteten Gebieten eine Reduzierung von Druck- und Sogkräften bezüglich der Hauptwindrichtung durch Schrägstellung der Baukörper zur Reduzierung einer Angriffsfläche für den Wind empfehlenswert sei, bzw. es bezüglich der Hauptwindrichtung gelte, Lücken- und Düsenwirkungen durch die Baukörperstellung zu vermeiden und ggf. im Bereich von Gebäudelücken ein - am besten pflanzlicher - Windschutz vorgesehen werden könne)

Auch wenn in diesem Sinne eine Windgefahr in Form einer Beschleunigung der Windgeschwindigkeiten durch eine aus dem Haus der Kläger und dem geplanten Gebäude der Beigeladenen gebildete Winddüse - falls überhaupt - sowohl eine vom Haus der Kläger, als auch eine vom geplanten Gebäude der Beigeladenen „ausgehende“ Störung/Belästigung für die Umgebung im Sinne des § 15 Abs. 1 S. 2 BauNVO darstellen würde, ergibt sich jedoch wegen des gleichrangigen Verursachungsbeitrags der beiden Gebäude keine stärkere, überwiegende oder gar einseitige Rücksichtnahmeverpflichtung der Beigeladenen gegenüber den Klägern, als sie umgekehrt diesen gegenüber der Beigeladenen obliegt.

2.2.3.

Vor diesem Hintergrund erweist sich das Vorhaben der Beigeladenen nicht als rücksichtslos gegenüber den Klägern, selbst wenn (unter anderem auch) durch dieses Vorhaben eine Windgefahr zu Lasten der Kläger potenziert und verschärft wird, indem die Windgeschwindigkeit so gesteigert wird, dass die Kläger im Einzelfall bei besonders starkem oder gar stürmischem Wind ihren Stehbalkon nicht mehr bzw. nicht mehr im selben zeitlichen Umfang durch einen Aufenthalt im Freien auf diesem Balkon ohne Gesundheitsgefahren nutzen können bzw. eine Beschädigung oder gar einen Verlust ihres Sondereigentums am Balkon bzw. an auf diesem Balkon von ihnen plazierten, hingestellten oder gelagerten privaten Gegenständen (wie z.B. Stühlen, Tischchen, Sonnenschirm) durch Umwerfen, Fortwehen zu gewärtigen hätten.

Die damit verbundenen Störungen/Beeinträchtigungen ihres Eigentums bzw. ihrer Gesundheit wären nämlich nur dann „rücksichtslos“, wenn sie „unzumutbar“ wären. An dieser „Unzumutbarkeit“, wie sie § 15 Abs. 1 S. 2 BauNVO für eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots erfordert, fehlt es jedoch im vorliegenden Fall.

2.2.3.1.

Welche Störungen/Belästigungen „unzumutbar“ sind, kann sich aus Rechtsnormen ergeben, die insoweit verbindliche Grenzwerte vorschreiben, wie etwa das BImSchG i.V.m. einzelnen dazu ergangenen Verordnungen - oder aber aus Technischen Regelwerken, denen zwar die Verbindlichkeit einer Norm fehlt, die aber zumindest als Orientierungshilfe bei der Auslegung des Begriffs der „Zumutbarkeit“ i.S.d. § 15 Abs. 1 S. 2 BauNVO herangezogen werden können, wie z.B. DIN-Vorschriften (vgl. E/Z/B/K a.a.O. Rn. 117 zu § 1 BauGB zu den „Anforderungen an gesunde Wohnverhältnisse“ i.S.d. § 1 Abs. 6 Nr. 1 BauGB; ders., a.a.O. Rn. 50 b zu § 34 BauGB zur fehlenden Rücksichtslosigkeit bei Einhaltung der Vorschriften des BImSchG und der Grenzwerte der technischen Regelwerke).

Was Windeinwirkungen/Windgefahren angeht finden sich insoweit allerdings im deutschen Recht lediglich die von der Beklagten in der Klageerwiderung genannten bauordnungsrechtlichen Vorschriften, die in Verbindung mit den entsprechenden DIN-Vorschriften (DIN EN 1991-1-4) zum Schutz der Standsicherheit und Substanz der Gebäude selbst sowie zum Schutz Dritter vor umherfliegenden, abgerissenen Gebäudeteilen an die konkrete Ausführung von Bauwerken sicherheitstechnische Anforderungen im Hinblick auf ihre Belastbarkeit gegenüber Windlasten stellen, d.h. Einwirkungen von Druck- und Sogkräften auf ein Bauwerk, die aus Windangriffskräften resultieren (vgl. dazu Bekanntmachung des Ministeriums für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden-Württemberg v. 6.6.2012 - Az: 25-2601.1/43-,https://um. baden-wuerttemberg.de/fileadmin/redaktion/m-um/intern/Dateien/ Dokumente/3_ Um welt/Baurechts-_und_Bergbeh%C3%B6rde/ LTB_vom_06-06-2012.pdf; vgl. auch die einführende Erläuterung der DIN EN 1991-1-4 durch: Schmidt, Einwirkungen auf Tragwerke, https://www.bundesanzeiger-verlag.de/fileadmin/BIV-Portal/Bautechnik_WKD/Schneider-Bautabellen/Ingenieure/LP_BTI_2 014_03_024-047.pdf).

Im privaten Versicherungs- und Haftungsrecht in Deutschland gilt - in Anlehnung an die Verlegrichtlinien des Zentralverbandes des Deutschen Dachdeckerhandwerks (ZDDH) - der Grundsatz, dass Dacheindeckungen von Häusern grundsätzlich so konstruiert sein müssen, dass sie Windangriffen bis Windstärke 12 (Orkan) standhalten (vgl. BGH, U. v. 7.10.1975 - VI ZR 103/74 -, juris, Rdnr. 7 und U. v. 23.3.1993 - VI ZRE 176/92 -, Rdnr. 7 = NJW 1993, 1782 sowie ausführlich OLG Hamm, U. v. 14.7.2010 - 13 U 145/09 -, juris Rdnr. 9; so auch zum seinerzeit noch öffentlich-rechtlichen Elementarschadensrecht VGH Bad.-Württ., U. v. 27.9.1994 - 9 S 459/92 -, VersR 1995, 1090 = juris, Rdnr. 19; siehe zu den Fachregeln des Dachdeckerhandwerks über die sturmsichere Verklammerung und Verschraubung von Dacheindeckungen auch Galuba, Verhütung und Minimierung von Sturmschäden, in: Schadensprisma, Heft 1/1997, S. 4- unter www.schadensprisma.de>Archiv>Themen>Sturm).

Ansonsten finden sich bezüglich eines Schutzes vor Windangriffsgefahren lediglich im Forstrecht der Länder einzelne Rechtsvorschriften, wonach eine Rodung/bzw. ein Kahleinschlag eines Waldes zu unterlassen ist, wenn dadurch dem benachbarten Wald der abschirmende Schutz („Deckungsschutz“) gegenüber Windgefahren/Sturmschäden genommen würde (vgl. die „Schutzwaldregelung“ in § 10 Abs. 2 BayWaldG und dazu BayOLG, U. v. 29.6.1990 - 14 U 7/90 8 - 10 -, NJW-RR 1991, 1048 = juris. Rn.; siehe ferner OLG Koblenz, U. v. 28.7.2010 - 1 U 46/09 -, DVBl. 2011, 60 = juris, Rn. 28 -31 zu § 10 Abs. 1 S. 1 RhlPfl-WaldG; ebenso Österreichischer VwGH, U. v. 14.9.2004 - 2001/10/0072 zu § 14 Abs. 2 Ö-ForstG).

Bezüglich der Zumutbarkeit von Gefahren für Leib, Leben oder Eigentum durch einen mit hoher Geschwindigkeit strömenden Wind finden sich in der deutschen Rechtsordnung hingegen keinerlei gesetzlichen Vorschriften bzw. technische Regelwerke und somit auch keine verbindlichen Grenzwertfestsetzungen bzw. Orientierungswerte.

Soweit ersichtlich, gibt es in Deutschland bislang keine DIN-Vorschrift, die der vom Niederländischen Normeninstitut herausgegebenen Vorschrift über den „Windkomfort und Windgefahren in bebauten Gebieten - NEN 8100“ vergleichbar wäre (siehe Ruscheweyh „Windeinwirkungen im Spiegel der europäischen Normung“ - Windtechnologische Gesellschaft WtG e.V, 10.11.2011 - http://www.wtg-dach.org/fileadmin/user_upload/WtG-Berichte-12_IN HALTSVERZEICHNIS_2011-11-10.pdf).

Als ein technisches Regelwerk, das insoweit gewisse Orientierungspunkte liefert, wird die NEN 8100 jedoch auch in Deutschland Gutachten zu Fragen einer Beeinträchtigung des Windkomforts bzw. der Auslösung von Windgefahren durch Bebauung zugrunde gelegt (siehe Abdruck der NEN 8100 und Erläuterung dazu bei Peutz, Gutachten „Heerdter Krankenhaus Düsseldorf, 23.4.2013, S. 4, 8 - 11, Ziff.4.5 - www. o-sp.de/download/duesseldorf/84103, als Abdruck von den Klägern vorgelegt -GAS 171 ff.).

Sie beruht auf der international anerkannten Klassifizierung der Windgeschwindigkeiten nach 12 Windstärken, die auch als Beaufort-Skala bekannt ist. Ein Wind mit Windstärke 7 ist danach ein „steifer Wind“ mit einer Geschwindigkeit zwischen ca. 14 - 17 m/s (= 50 - 60 km/h), der die Bäume zum Schwanken bringt und beim Gehen gegen den Wind einen Widerstand darstellt. Bei Windstärke 8 liegt ein „stürmischer Wind“ vor, der eine Geschwindigkeit zwischen ca. 17 - 20 m/s (= 62 - 74 km/h) aufweist und große Bäume bewegt, Fensterläden öffnet, Zweige von Bäumen abbricht und das Gehen erheblich behindert. Bei Windstärke 9 handelt es sich um einen „Sturm“ mit einer Geschwindigkeit von ca. 21 - 24 m/s (= 75 -88 km/h), der Äste abbricht, kleinere Schäden an Häusern auslöst, Ziegel und Rauchhauben von den Dächern hebt, Gartenmöbel umwirft und verweht und das Gehen erheblich behindert. Ein „schwerer Sturm“ liegt bei Windstärke 10 vor, einem Wind mit einer Geschwindigkeit von ca.24 - 28 m/s (= ca. 89 -102 km/h), der Bäume entwurzelt, Baumstämme bricht, Gartenmöbel wegbläst, größere Schäden an Häusern anrichtet und im Landesinneren nur selten vorkommt. Mit Windstärke 11 bläst schließlich ein „orkanartiger Sturm“, der eine Geschwindigkeit von ca. 28 - 33 m/s (= ca. 103 - 117 km/h) aufweist, und mit heftigen Böen schwere Sturmschäden sowie schwere Schäden in Wäldern durch Windbruch anrichtet, Dächer abdeckt, Autos aus der Spur wirft, dicke Mauern beschädigt, das Gehen unmöglich macht und im Landesinneren sehr selten vorkommt. Erreicht der Wind schließlich Windstärke 12, so handelt es sich um einen „Orkan“, der eine Geschwindigkeit von ca. 33 m/s (= ca. 117 km/h) überschreitet, schwerste Sturmschäden und Verwüstungen verursacht und im Landesinneren nur äußerst selten auftritt (vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Beaufortskala).

Im Hinblick auf solche Windstärken qualifiziert die NEN 8100 eine örtliche Situation dann als „gefährlich“, verbunden mit der Forderung, entsprechende Bereiche für Menschen unzugänglich zu gestalten, wenn die Grenze einer mittleren Windgeschwindigkeit 15 m/s ( = 54 km/h d.h. in etwa Windstärke 7 -„steifer Wind“) an mehr als 0,3 % der Jahresstunden überschritten wird, wenn also bei 365 Tagen zu je 24 Stunden an diesem Ort während insgesamt 262,8 Stunden im Jahr Winde mit Windstärken von Windstärke 8 (stürmisch) an aufwärts bis Windstärke 12 (Orkan) herrschen.

Bloße Beeinträchtigungen des Wind-„komforts“, d.h. Windstärken, die ein Verweilen an einem Ort durch Sitzen, bzw. ein Vorbeischlendern oder ein Durchqueren infolge des Windzugs, der Windkräfte, des Abkühlens, der sonstigen Störungen als „unbehaglich“, „unangenehm“, „ungemütlich“, also nicht mehr komfortabel erscheinen lassen, sollen hingegen nach der - insoweit an subjektive Erfahrungswerte anknüpfenden - NEN 8100 vorliegen, wenn an einem Ort eine Komfort-Windgrenzge-schwindigkeit von 5 m/s (= 18 km/h, entspricht etwa einer „schwachen Brise“) in einem Umfang zwischen 5 - 20 % der Jahresstunden überschritten wird, d.h. wenn in diesen Stunden Windgeschwindigkeiten zwischen Windstärke 4 (mäßige Brise) und Windstärke 7 (steifer Wind) herrschen.

Vor diesem Hintergrund würde sich das Vorhaben der Beigeladenen aber selbst dann nicht als rücksichtlos erweisen, wenn - zumindest auch dadurch verursacht -entlang der ...-Straße eine aus dem Haus der Kläger und dem geplanten Gebäude der Beigeladenen zusammengesetzte Winddüse entstehen würde, durch welche der Wind derart beschleunigt würde, dass er nunmehr - anders als womöglich vorher - im Jahresmittel die nach der NEN 8100 bezüglich Windgefahren zugrunde zulegende Windgrenzgeschwindigkeit von 15 m/s an mehr als 0,3% der Jahresstunden überschreiten würde und damit eine nach der NEN 8100 als „gefährlich“ einzustufende Situation entstünde.

Denn auch dann wären die damit verbundenen Störungen/Belästigungen für die Kläger nicht im Sinne von § 15 Abs. 1 S. 1 BauNVO „unzumutbar“, wie folgende Erwägungen zeigen:

Beim Wind handelt es sich um eine unbeherrschbare Naturgewalt, nämlich ein allgemeines physikalisches Phänomen, das von einer Vielzahl von Faktoren abhängt, die ein komplexes und nur begrenzt berechenbares Wirkungsgefüge ergeben. Klimaveränderungen aber auch Bebauungen an weit entfernten Stellen, die in keinem direkt erkennbaren Zusammenhang stehen, können den Wind, seine Richtung und Stärke sowie örtliche Ausprägung beeinflussen und verändern. Die Auswirkungen dieses Naturphänomens sind daher grundsätzlich als situationsgebunden und sozialadäquat hinzunehmen (so etwa zu den von Bäumen auf dem Nachbargrundstück ausgehenden typischen natürlichen Auswirkungen wie Schattenwurf, Laub- und Samenanfall, verzögerte Abtrocknung von Flächen und Zäunen VG Minden, U. v. 3.3.2016 - 9 K 529/15 -, juris. Rn. 50). Selbst insoweit erhöhte Gefährdungspotentiale sind grundsätzlich zumutbar, wenn sie noch im Rahmen der allgemein akzeptierten Risikoakzeptanzschwelle, nämlich der in der Lebenswirklichkeit typischerweise auftretenden Gefährdungen, liegen und daher noch als sozialadäquat einzustufen sind (vgl. zu diesen Begrifflichkeiten in Bezug zu den von einem Flugbetrieb ausgehenden Beeinträchtigungen durch Windwirbelschleppen BayVGH, U. v. 19.2.2014 - 8 A 11.40040, juris, Rn. 566, 568 und HessVGH, U. v. 21.8.2009 - 11 C 227/08.T -, juris, Rn. 1129, 1130, 1207, 1215 - 1220).

Die regional herrschende Windsituation bestimmt insoweit die von Lage, Beschaffenheit und den Umweltverhältnissen abhängige Grundstückssituation mit. Die daraus resultierende Situationsgebundenheit wiederum bestimmt und beschränkt den Inhalt des konkreten Grundeigentumsrechts (siehe zur rechtlichen Kategorie der Situationsgebundenheit eines Grundstücks BVerfG, B. v. 2.3.1999 - 1 BvL 7/091 -, NJW 1999, 2877 = juris, Rn. 83 m.w.Nw. d. Rspr.; zu den „Umweltverhältnissen“ die als „weitere Grundstückmerkmale“ i.S.d. § 6 ImmoWertV den Wert eines Grundstücks auch prägen BGH, U. v. 30.9.1963 - III ZR 59/61-, NJW 1964, 202; zur Situationsgebundenheit des Grundeigentums ferner: Battis, Öffentliches Baurecht und Raumordnungsrecht, 5. Aufl. 2006, S. 64 ff.). Hier wird hinsichtlich der Windverhältnisse die Grundstückssituation des Grundstücks der Kläger außerdem auch noch durch dessen Bebauung mit einem hohen, langen Gebäude mitbestimmt, welches die topographische Kontur dieses Grundstücks verändert und eine Windbeschleunigung durch einen Düseneffekt nach dem Klägervorbringen mitverursachen soll.

Auch in den Grenzen seiner Situationsgebundenheit garantiert das Eigentumsgrundrecht schließlich nicht die Möglichkeit seiner optimalen, bestmöglichsten bzw. ggf. auch einträglichsten Ausnutzbarkeit (BVerfG, B. v. 14.4.2010 - 1 BvR 2140/08 -, NVwZ 2010, 957 = juris, Rn.19 unter Verweis auf b. v. 2.3.1999 - 1 BvL 7/91 -, NJW 1999, 2877 = juris, Rn. 84), zumal, wenn es um die allgemeinen Klima- und Windverhältnisse geht. Von daher stellt der bloße Umstand, ggf. den Balkon an zusätzlichen Tagen wegen starken Windes nicht zum Aufenthalt im Freien nutzen zu können, d.h. weniger oft als zuvor nutzen zu können, für sich genommen keine unzumutbare Eigentumsbeeinträchtigung dar.

Im vorliegenden Fall liegt das Grundstück der Kläger in einem Gebiet, das nach der „Zuordnung der Gemeinden in Baden-Württemberg zu den Windzonen der DIN-EN-1994-1-4/Nationaler Anhang -NA:2010-12“ der Windzone 2 zuzuordnen ist, die wiederum einem küstennahen Gebiet bzw. einer Insel der Ostsee vergleichbar ist. Nach den von den Klägern vorgelegten Windtabellen für ... (Klageschriftsatz v. 7.12.2015 - GAS 137-139 sowie SS. v. 15.3.2016 - GAS 313) erreichte der Wind hier im Jahr 2014 in 75 Fällen Windstärken von 6 bzw. sogar 7 Beaufort (also starker Wind/steifer Wind) und in 6 Fällen sogar Windstärke 8 (stürmischer Wind) oder noch mehr (nämlich in einem der 6 Fälle sogar Windstärke 10 „schwerer Sturm“ und zweimal Windstärke 9 „Sturm“). Im Jahr 2105 trat in 51 Fällen Wind mit Windstärke 6 bzw. 7 auf und in 17 Fällen sogar mit Windstärke 8 bzw. sogar mehr. Allein im Januar 2016 erreichte der Wind schon in 5 Fällen Windstärke 8 bzw. sogar 9.

Das Grundstück ist damit schon ganz unabhängig von dem Vorhaben der Beigeladenen bereits einer starken Windbelastung ausgesetzt und dadurch vorbelastet, wie auch die von den Klägern bzw. von ihrem Nachbarn in der mündlichen Verhandlung angeführten Beispiele konkreter, bereits jetzt schon oder in der Vergangenheit erfolgter Windbeeinträchtigungen in den - insoweit allerdings dem offenen Uferstreifen zugewandten - Nachbarhäusern zeigen (Umwerfen von Pflanzkübeln, Abreißen der Dachverblendung, Herunterwehen von Kieseln vom Dach).

Es bestand also schon immer keine Möglichkeit für die Kläger, ihren Balkon von Windkräften ungestört uneingeschränkt nutzen zu können. Vielmehr war der Balkon als eine im Freien gelegene Nutzungsform schon immer dadurch beeinträchtigt, dass man ihn aus Gründen des selbst zu verantwortenden Eigenschutzes bei starkem Wind nicht betreten konnte, weil man sich ab gewissen Windstärken besser nicht im Freien aufhält, wenn man nicht geschädigt werden will, bzw. dass man die Balkontür und die Fenster schließen und die auf dem Balkon stehenden Gegenstände entweder hereinholen bzw. festzurren oder sonst irgendwie fixieren musste, um sie gegen eine Beschädigung durch Umwerfen bzw. gegen Wegwehen durch den Wind zu sichern (zum Verhalten bei starkem Wind siehe die Empfehlungen der Schweizerischen Naturgefahrenfachstelle - www.naturgefahren.ch/home/umgang-mit-naturge fahren/verhaltensempfehlungen.html; ebenso die Empfehlungen unter www.un wetter.de/pages/gefahren_ wind.php). Zudem ist das Haus der Kläger bereits jetzt, nämlich schon immer bautechnisch so zu errichten und zu unterhalten gewesen, dass seine Dacheindeckung bzw. -verblendung starken Windangriffskräften der Windzone 2 bzw. haftungs- und versicherungsrechtlich gesehen sogar bis zu Orkanwindstärke (12) standhält.

Wie der statistische Überblick (s.o.) außerdem zeigt, haben die Starkwindereignisse allein in den Jahren 2014 bis Anfang 2016 schon ganz unabhängig von dem Vorhaben der Beigeladenen zahlenmäßig zugenommen. Ob dies auf den Klimawandel oder andere Faktoren, wie etwa die zunehmende Versiegelung der Böden durch Bebauung, zurückzuführen ist, kann dahinstehen. Denn daraus wird jedenfalls deutlich, dass es einen „Anspruch“ der Kläger nicht geben kann, zumindest vor einer weiteren Zunahme von starken Winden, d.h. vor einer Potenzierung oder Verschärfung der Situation durch das Vorhaben der Beigeladenen verschont zu bleiben, weil es eine solche stabile „Situation“ hinsichtlich der Windgefahren gar nicht gibt, die als Ausgangspunkt für die Feststellung einer (negativen zahlenmäßigen) Verschlechterung dienen könnte.

2.2.3.2. Jedenfalls aber ergibt sich die Zumutbarkeit einer - womöglich in Folge einer Düsenbildung entstehenden - zusätzlichen, verschärften bzw. potenzierten Windgefährdung, und damit die fehlende Rücksichtslosigkeit des Vorhabens der Beigeladenen daraus, dass es den Klägern möglich ist, sich in tatsächlich und finanziell zumutbarer Weise durch eigene Maßnahmen gegenüber diesen Gefährdungen zu schützen.

Es entspricht insoweit dem allgemein von der Gesellschaft akzeptierten und daher sozialadäquaten Umgang mit nicht weiter beherrschbaren Naturgefahren, ihnen mit einem - durch Hinweise, Prognosen, Warnungen und Risikoanalysen bzw. Risikokartierungen unterstützten - eigenen Vermeidungsverhalten zu begegnen, etwa indem man sich in risikobelasteten Gegenden gar nicht erst ansiedelt, oder bei stürmischem Wetter den Aufenthalt im Freien meidet, wo man als Mensch selbst durch starken Wind umgeworfen oder aber durch umherfliegende eigene oder fremde Gegenstände verletzt werden könnte. Ferner entspricht es diesem Umgang, Beschädigungen des eigenen Eigentums, die diesem durch Naturgefahren drohen können, durch Abschluss von Sachversicherungen bzw. eine spezielle, Extremlasten durch Lastannahmen nach DIN genügende, bautechnische Herstellung oder ggf. nachträgliche technische Ertüchtigung des Objekts bzw. das Ergreifen sonstiger technischer Sicherungsmaßnahmen zu begegnen (vgl. insoweit die instruktive Darstellung zum Umgang mit Naturgefahren des Schweizer Naturgefahrenfachstelle - www.naturge fahren.ch/home/umgang-mit-naturgefahren/verhaltensempfehlungen.html;siehe auch Galuba, Verhütung und Minimierung von Sturmschäden, in: Schadenprisma, Heft 1/1997, S. 4 - siehe www.schadenpris ma.de, dort unter Archiv>Themen>Sturm).

Insoweit ist es technisch und finanziell ohne Weiteres möglich und den Klägern daher auch zumutbar, sich bei starkem Wind nicht im Freien auf ihrem Balkon oder auf der Freifläche vor dem Haus aufzuhalten, Fenster und Balkontüren zu schließen und geschlossen zu halten, ggf. eine Seitenverglasung des Balkons als Windschutz anzubringen, sowie gefährdete Gegenstände auf ihrem Balkon hereinzuholen bzw. diese gegen Um-, bzw. Fortwehen durch technische Vorkehrungen (Anbinden, Verschrauben, Arretieren) zu sichern. Das zeigt beispielsweise auch der vom Nachbarn der Kläger geschilderte Umstand, dass die Miteigentümer zur Vermeidung von Haftungsrisiken die Gefahr eines Fortwehens von Kieseln von ihrem Flachdach durch den Wind durch Beschweren mit größeren Steinen behoben haben.

Dass solches Verhalten nicht unzumutbar, sondern sinnvoll und praxisnah ist, zeigen etwa auch Auflagen zu einem Planfeststellungsbeschluss für eine Flughafenerweiterung, die wegen der Gefahr durch den Flugbetrieb verursachter sogenannte Wirbelschleppen die besondere Verklammerung von Dacheindeckungen aufgeben bzw. die Hinweise an die Wohnbevölkerung im Risikogebiet enthalten, dass Markisen und Sonnenschirme „so zu installieren und zu unterhalten sind“, dass sie auch kräftigen Windböen standhalten können (vgl. dazu BayVGH, U. v. 19.2.2014 - 8 A 11.40040, juris, Rn. 565, 568, 570 -572, unter anderem darauf verweisend, dass eine unzumutbare Einschränkung der Ausnutzbarkeit von Außenwohnbereichen, Freisitzen, Balkonen oder Dachterrassen nicht zu erwarten sei und dass Balkone ohnehin bauordnungsrechtlich sicher umwehrt sein müssten; siehe ferner zur Obliegenheit des Inhabers eines Getränkehandels, durch Wirbelschleppen bedingte Gefahren eines Menschen gefährdenden Umherfliegens von Getränkekisten und einzelner Flaschen durch entsprechende Betriebsorganisation zu vermeiden, und zur speziell im Planfeststellungsbeschluss angeordneten Verklammerung von Dacheindeckungen im Gefährdungsbereich von Wirbelschleppen HessVGH, U. v. 21.8.2009 - 11 C 227/08.T -, juris, Rn. 1209, 1210 und 1211).

Die Windstärkenprognosen bzw. auch ausdrücklichen Warnungen vor starken Winden/Stürmen/Orkanen, an denen sich die Kläger dabei im Vorfeld bei der Prüfung der Frage orientieren können, ob und inwieweit Sicherungsmaßnahmen zu ergreifen sind, sind im Übrigen heutzutage auch derart ausgereift und geographisch kleinräumig zellengenau, dass sie als Grundlage einer individuellen Vorsorge taugen (zu der Möglichkeit des Deutschen Wetterdienstes neuerdings - auch mit WetterApps - nicht nur Landkreiswarnungen, sondern einzelne Gemeindewarnungen herauszugeben http://www.dwd.de/DE/wetter/warnungen_aktuell/neuerungen/gemeindewarnungen_ node.html). Dass die Kläger - wie in der mündlichen Verhandlung von ihnen vorgetragen - damit nicht gegen außerhalb eines solchen Prognoserahmens liegende, „plötzlich auftretende böenartige Windstöße“ zu sichern sind, mag sein, ändert aber an der dargelegten Einschätzung der Zumutbarkeit der durch eine Düse womöglich verursachten Windgefahren nichts, weil die Zufälligkeit des Windes als solche nicht Auswirkung einer sogenannten Winddüse, sondern allgemeines Charakteristikum dieses Naturphänomens ist.

2.2.3.3. Selbst wenn man aber davon ausginge, eine Winddüse würde infolge der Bebauung des Beigeladenengrundstücks entstehen und Gefährdungen verursachen, denen gegenüber sich selbst durch Eigenverhalten zu sichern den Klägern nicht mehr zumutbar sei, so würde sich nach den oben dargelegten Grundsätzen zum Rücksichtnahmegebot wegen der Pflicht zur wechselseitigen Rücksichtnahme daraus gleichwohl keine Handhabe der Kläger ergeben, um deshalb den der Beigeladenen erteilten Bauvorbescheid wegen Rücksichtlosigkeit als rechtswidrig aufheben zu lassen, also im Ergebnis der Beigeladenen die grundsätzliche Möglichkeit der plangemäßen Bebauung ihres Grundstücks ganz oder in wesentlichem Umfang zu nehmen.

Vielmehr könnte die Konfliktbewältigung allein darin liegen, dass durch entsprechende gestalterische und bautechnische Maßnahmen die Auswirkungen eines Düseneffekts deutlich abgemildert werden, und zwar sowohl durch Maßnahmen am und um das Gebäude der Beigeladenen aufgrund entsprechender Auflagen im noch ausstehenden bauordnungsrechtlichen Genehmigungsverfahren, als auch durch Maßnahmen am und um das Gebäude der Kläger aufgrund auch noch nachträglich zur Gefahrenabwehr möglicher bauordnungsrechtlicher Anordnungen gem. § 58 Abs. 6 LBO.

Als solche wirksamen Maßnahmen zur Beseitigung oder deutlichen Reduzierung der negativen Auswirkungen des sogenannten Düseneffekts werden insoweit in der aerophysikalischen Fachliteratur Maßnahmen genannt, die die äußere Form und Gestaltung der Gebäude, ihrer Ecken und Oberflächen so modifizieren, dass sie weniger Angriffsfläche bieten, den Windstrom mehr behindern, die Wirbelentstehung insbesondere an den Gebäudeecken weniger begünstigen und den Wind weniger leicht an ihren Oberflächen entlangströmen lassen. Dies kann etwa durch Anbringung von Durchlässen, Vordächern, Vorsprüngen und Erkern, aber auch durch die Ausgestaltung rauer bzw. poröser Oberflächen bzw. die Anbringung engmaschiger Drahtgeflechte geschehen, und auch dadurch, dass die Ecken und Kanten von Gebäuden besonders geformt werden, sowie schließlich durch das Anpflanzen von Büschen, Bäumen und Hecken um die Gebäude herum (siehe Fischer, „Standortvorbereitung im Hochhausbau“, Diss. Darmstadt, 2003, S. 96 - 98 und 237 - http://tuprints.ulb.tu-darmstadt.de/414/1/Dissertation_TFischger.pdf unter Verweis auf Limberger/ Bartholomäi, „Das Baurecht der Hochhaustürme“, ZfBR 1991, 242 [248] und auf Gerhardt, “Windeinwirkungen“ in: Eisele/Kloft, Hochhausatlas, 2002, S. 136; ferner Visser, „Hochbau bedroht das Windklima unserer Städte“, August 2001, S. 8, 14, 20 und 21 - publications.tno.nl/publication/34620078/2xLI6u/visser-2001-hochbau.pdf; siehe auch Stadtklima Stuttgart, Heft 13, dort am Ende des Abschnitts „Windkomfort“ zu gezielten Windschutzmaßnahmen - https://www.stadtklima-stuttgart.de/in dex.php?klima_s21_themenhefte_h13; vgl. außerdem Eichler/Gedgaudas, „Wohnen im Hochhaus“, März 2006, S. 32, Ziff. 6.3.3 - www.desglaubi.net/gedgaudas/downloads /Seminar. pdf; Peutz, Gutachten „Heerdter Krankenhaus Düsseldorf, 23.4.2013, S.18 und 19; Institut für Aerodynamik, Hochschule Aachen, Fachliche Stellungnahme v. 21.7.201,S,2 - https://umwelt-beteiligung.de/berlin/sites/default/files/proceedings/public-files/2014-07-22-fachl-stellungnahme-windkomfort.pdf; siehe auch www.weatherpark. com/windkomfort/ und www.ifi-aachen.de/de/content/wind-komfort; ferner Klingenberg, „Sicherung von Verkehrsteilnehmern im Bereich von Bauwerken“, S. 1090, 1091 - http://www.e-periodica.ch/cntmng?pid=bse-cr-001:1964:7::1244).

3. Zur Vermeidung künftigen Rechtsstreits im Rahmen des noch ausstehenden Baugenehmigungsverfahrens sei abschließend noch auf Folgendes hingewiesen:

Für die Annahme der Entstehung einer Winddüsenwirkung bei Ausführung des geplanten Bauvorhabens der Beigeladenen fehlt nach allem Dafürhalten jeglicher Anhaltspunkt.

3.1. Die gesamten einschlägigen Veröffentlichungen zeigen nämlich, dass Düseneffekte, die zu gefährlich hohen Windgeschwindigkeiten führen können, überhaupt nur ernsthaft diskutiert werden, soweit es um riegelartig quer im Hauptwindstrom liegende, sehr hohe und sehr breite Gebäude (von mindestens 40 m Höhe und 40 m Breite), bzw. um echte Hochhäuser mit über 100 m Höhe geht und soweit sehr enge Winddurchlässe vorhanden sind, wie etwa Schluchten zwischen echten Hochhäusern oder ganz schmalen Passagen in einem quer zum Windstrom liegenden Gebäude, wie z.B. im Erdgeschoss unter einem großen Hochhaus tunnelartig hindurchführende Fußgängerpassagen. Das liegt zum einen daran, dass der Wind in größeren Höhen auch höhere Geschwindigkeiten aufweist, also erst beim Auftreffen auf Gebäuden in größerer Höhe überhaupt einen entsprechend hohen Staudruck erzeugen kann, der dann zu einer Beschleunigung des Windes führt, weil dieser genötigt wird, zum Abbau des Staudrucks seitlich bzw. über Ausweichöffnungen wie Schluchten oder Passagen auszuweichen und dabei beschleunigt mit höheren Geschwindigkeiten abzufließen. Zum anderen baut sich ein solcher Staudruck umso mehr auf, je frontaler der Wind auf ein Bebauungshindernis trifft, und umso weniger, je weiter der Baukörper als Hindernis aus der Hauptwindrichtung weggedreht liegt, so dass der Wind nicht darauf trifft, sondern parallel vorbeistreicht und so keinen Druck aufbauen kann (instruktiv insoweit Fischer, „Standortvorbereitung im Hochhausbau“, Diss. Darmstadt, 2003, S. 1 - 9, 96 - 98, 237 http://tuprints.ulb.tu-darmstadt.de/414/1/Disserta tion_TFischger.pdf unter Verweis auf Limberger/Bartholomäi, „Das Baurecht der Hochhaustürme“, ZfBR 1991, 242 [248] und auf Gerhardt, “Windeinwirkungen“ in: Eisele/Kloft, Hochhausatlas, 2002, S. 136; siehe die übersichtliche Darstellung auch bei Visser, „Hochbau bedroht das Windklima unserer Städte“, August 2001, S. 8, 14, 20 und 21 - publications.tno.nl/publication/34620078/2xLI6u/visser-2001-hochbau. pdf; siehe Eichler/ Gedgaudas, „Wohnen im Hochhaus“, März 2006, Ziff. 6.3.1. und 6.3.3., http://www.desglaubi.net/gedgaudas/downloads/Seminar.pdf; VDI-Blog, „Wieso ist es um Hochhäuser herum immer so windig ?“, 6.12.2014, https://blog.vdi.de/2014/12 /wieso-ist-es-um-ein-hochhaus-herum-immer-so-windig/).

Untersuchungen des Windkomforts bzw. von Windgefahren im Rahmen der Bauleitplanung werden denn auch nur bezüglich der Planung von Hochhäusern oder in ganz besonders exponierten Lagen empfohlen oder aber hinsichtlich der bauordnungsrechtlich relevanten Sicherheitsfragen nur bezüglich der Errichtung komplexer Bauwerke, die für Windgefahren bzw. deren Mitverursachung anfällig sind, und in der Praxis erstellt, wie z.B. bezüglich der Errichtung hoher Industriekamine, großer Brückentragwerke, Photovoltaik-Anlagen an Türmen, Windkraftanlagen usw. (Fischer, „Standortvorbereitung im Hochhausbau“, Diss. Darmstadt, 2003, S. 96 - http://tuprints.ulb.tu-darmstadt. de/414/1/Dissertation_ TFischger.pdf unter Verweis auf Limberger/Bartholomäi, „Das Baurecht der Hochhaustürme“, ZfBR 1991, 242 [248]; siehe Städtebauliche Klimafibel online, Ziff. 3.4.2. - https://www.staedtebau liche-klimafibel.de/?p=28&p2=3.4.2 und Windtechnologische Gesellschaft.e.V., „Der natürliche Wind - Windkomfort“, www.wtg-dach.org/index. php?id=244&L ==%5C%5C; siehe Ruscheweyh „Windeinwirkungen im Spiegel der europäischen Normung“ - Windtechnologische Gesellschaft WtG e.V, 10.11.2011 - http://www.wtg-dach.org/fileadmin/user_upload/WtG-Berichte-12_IN HALTSVERZEICHNIS_2011-11-10.pdf ).

Soweit Untersuchungen von Windeinwirkungen im Zusammenhang mit Bauleitplanungen in der Praxis tatsächlich angestellt wurden, wurden selbst im Rahmen ausführlicher Gutachten echte Windgefahren - im Sinne der oben genannten niederländischen Norm NEN 8100 - soweit aufgrund einer Internetrecherche ersichtlich -praktisch nie festgestellt. Risiken wurden allenfalls einmal ganz ausnahmsweise bei sehr hohen Hochhäusern an äußerst exponierten Stellen wie etwa Dachkanten oder Terrassenrüstungen in den obersten Etagen festgestellt (vgl. Peutz, Gutachten, Heerdter Krankenhaus Düsseldorf, 23.4.2013, Ziff. 5.2.1.2. S. 16, www.o-sp.de/down load/duesseldorf/84103: Selbst bei Hochhaus erst ab 12.OG erst eine Risikostufe 1, indessen noch keine „Windgefahr“; Institut für Aerodynamik, Hochschule Aachen, Fachliche Stellungnahme, 21.7.201 - https://umwelt-beteiligung.de/berlin/sites/de fault/files/proceedings/public-files/2014-07-22-fachl-stellungnahme-windkomfort.pdf: Nur bei hohen Häusern und größeren Gebäuderiegeln kann es bei engen Straßenzügen zu Düseneffekten kommen; Senatsverwaltung Berlin, VO Entwurf, BPlan I-15b, Bezirk Mitte, Ortsteil Mitte, 7.9.2010, S. 27 - http://www.parlament-berlin.de/ados/16/BauWohn/vorgang/ bw16-0222-v.pdf: Düseneffekt mit höheren Windgeschwindigkeiten bei Übergang von 180 m breitem Platz zu 22 m breitem Straßenraum; Ökoplana, Gutachten zum BPlan-Benj.Franklin Village, Mannheim, 8.6.2015, S. 38 Ziff. 6.3 und S. 42,43 - https://www. mannheim.de/sites/ default/files/page/74512/oekoplana_klimagutachten_bfv_08062015_klein.pdf: Selbst an Hochhäusern zwar Windbeschleunigungseffekte, aber im Ergebnis keine Windgefahren; siehe zudem BPlan „Hochhaus Mercedesstraße -Fisherman Tower - Düsseltal, 3.2.2010, Ziff.4.8.4. - www.o-sp.de/download/duesseldorf/44649: : selbst bei Hochhaus an keinem der Messpunkte je Werte zur Überschreitung der Risikoschwelle des Gefahrenkriteriums nach der NEN 8100 gemessen; Stadtklima Stuttgart, Heft 13, dort am Ende des Abschnitts „Windkomfort“ zu gezielten Windschutzmaßnahmen - https://www.stadtklima-stuttgart.de/index.php?klima_s21_themen hefte_h13; Landeshauptstadt München, Bebauungsplan 2086, Planbegründung S. 93 und S. 285 - https://www.ris-muenchen.de/RII/RII/DOK/SITZUNGSVORLAGE/ 3609879.pdf und http://www.muenchen. info/plan/bebauungsplan/p_8867_2068.pdf: neuer Stadtteil an Außenbereich grenzend mit riegelartiger, den Hauptwindstrom [West/ Südwestwind] abblockender Blockrandbebauung mit VI bzw. VII Vollgeschossen, Düseneffekte und Eckeneffekte ausgeprägt bei die „Umgebungsbebauung deutlich überragenden Gebäuden“, bzw. den direkt an Freifläche angrenzenden Gebäuden, höhere Windgeschwindigkeit, zugige Bereiche, aber offenbar keine Wind-“gefahren“, daher in diesen Bereichen zur Verbesserung des Windkomforts: Schutz durch Hecken und Wände, abgerundete Gebäudeecken bzw. Vordächer geplant).

Falls überhaupt Windgefahren oder -risiken ermittelt werden, wird im Planungsrecht die Lösung nicht im völligen Verzicht auf eine Bebauung gefunden, sondern dadurch, dass die Lage der Baukörper zur Verminderung der Angriffsfläche für den Wind und damit zur Reduzierung von Druck- und Sogkräften in eine Position schräg zur Hauptwindrichtung gedreht wird (Städtebauliche Klimafibel online, Ziff. 3.4.2. - https://www.staedtebauliche-kllimafibel.de/?p=28&p2=3.4.2). Oder aber es wird empfohlen über Baulinienfestsetzungen strömungsgünstige Grundrisse von Gebäuden festzulegen (Fischer, Standortvorbereitung im Hochhausbau, Diss. Darmstadt, 2003, S. 97, 98 - http://tuprints.ulb.tu-darmstadt. de/414/1/Dissertation_ TFischger.pdf). Ist - wie in den meisten Fällen - eine entsprechende Bauparzellierung bzw. bei bereits vorhandenen Straßenverkehrsschneisen eine Schrägstellung von Baukörpern nicht mehr möglich, werden die sonstigen Windschutzmaßnahmen empfohlen (Vordächer Bepflanzungen, Vorsprünge im Sockelbereich - s.o).

Dieser Befund, wonach es außer in sehr exponierten Lagen oder bei einer wirklichen Hochhausbebauung im Regelfall eben zu keinen ernsthaften Windgefahren kommt, wird letztlich auch dadurch bestätigt, dass es bisher soweit ersichtlich in der gesamten Verwaltungspraxis bzw. verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung keine Fälle gibt, in denen etwa ein Bauvorhaben mit Blick auf Windgefahren als planungsrechtlich oder bauordnungsrechtlich unzulässig eingestuft worden wäre. Dabei ist das Phänomen einer Bildung von „Häuserschluchten“ durch die Hochhausbebauung insbesondere in Großstädten ebenso wenig neu, wie der Umstand, dass viele Gebiete in Deutschland durch starke Winde geprägt sind. Hinzu kommt, dass die Bildung von „Häuserschluchten“ im Rahmen der Rechtsordnung nichts Außergewöhnliches ist, da zum einen die bauordnungsrechtlichen Vorschriften insbesondere in innerstädtischen Gebieten/Kerngebieten/Sondergebieten/Industriegebieten sogar reduzierte Abstandsflächen von lediglich 0,2 oder gar nur noch 0,125 der Wandhöhe zulassen (vgl. etwa § 5 Abs. 7 S. 1 Ziff. 2 und 3 LBO) und zum anderen das Bauplanungsrecht im Grundsatz durchaus die geschlossene Bauweise kennt und zulässt (§ 9 Abs. 1 Ziff. 2 BauGB, § 22 Abs. 1, 3 und 4 BauNVO). Gleichwohl ist das Phänomen enger Häuserschluchten im Baurecht bisher offenbar allein unter dem Gesichtspunkt einer Verschattung bzw. des „optischen Erdrückens“ durch eine riegelartige, hoch aufragende, bedrängende Wirkung einer Häuserschlucht auf die Grundstücksnachbarn diskutiert worden: vgl. etwa OVG Bln.Brdbg.- B. v. 19.5.2014 - OVG 2 S 8.14 -, juris, OVG Saarl., B. v. 21.11.2012 - 2 B 284/12 -, juris, HessVGH, U. 7.10.2005 - N 710/05 -, juris, OVG NRW, U. v. 91.12.2009 - 8D12/08.AK - juris) bzw. es wurde allenfalls der umgekehrt Fall geprüft, dass eine Bebauung Windzufuhr und damit Frischluftzufuhr von einem Nachbargrundstück abhält und dadurch ggf. eine nachteilige Beeinträchtigung des Mikroklimas auslöst. Zu baulichen Missständen infolge einer Missachtung ernsthafter, etwa durch Winddüsenwirkungen ausgelöster Windgefahren ist es - soweit ersichtlich - trotz der zulässigen Bildung von Häuserschluchten bisher offenbar selbst in Großstädten wie etwa Frankfurt oder etwa New York offenbar nicht gekommen, die bekanntermaßen eine ausgeprägte schluchtartige Hochhausbebauung aufweisen. Jedenfalls ist den oben erwähnten Quellen zum Thema Windgutachten, Stadtwindklima, „urban breeze“, bzw. „urban physiscs“ dazu kein Anhaltspunkt zu entnehmen.

3.2. Vor diesem Hintergrund ist für die von den Klägern befürchtete Düsenbildung hier im konkreten Fall überhaupt kein Anhaltspunkt erkennbar:

Das Gebäude der Kläger und das geplante Gebäude der Beigeladenen weisen nämlich jeweils nur fünf Vollgeschosse, eine Höhe von ca. 17 m und eine Länge von ca. 48 m auf. Es handelt sich damit also nicht um Hochhäuser, sondern um eine im städtischen Bereich normale Bebauung ohne besondere Höhe. Getrennt durch die ...-Straße weisen die Gebäude einen Abstand von 15 m auf. Diese Straße verläuft nicht einmal in der Hauptwindrichtung (West), sondern in Richtung Nordwest-Südost. Das Gebäude der Beigeladenen weist zudem seinem Grundriss nach die Form eines mit seinem schmalen, abgestumpften westlichen Ende gegen die Hauptwindrichtung gerichteten Keils auf. Selbst wenn man davon ausginge, dass die ... Straße (B 33) in der Hauptwindrichtung West/Ost verläuft und entlang ihrer beiden Seiten dicht bebaut ist, und wenn man zusätzlich davon ausginge, dass die westliche Seite des Gebäudes der Beigeladenen direkt von Nord nach Süd verlaufen und somit vollständig quer zur Hauptwindrichtung West liegen würde, könnte angesichts seiner Keilform und der Breite dieser Fassade von lediglich 10 m und einer Höhe von 17 m wohl kaum von einer den Hauptwindstrom riegelartig blockierenden Bebauung die Rede sein. Dies gilt zumal dann, wenn man bedenkt, dass die in ihrem westlichen Verlauf ca. 20 m breite ... Straße sich bis auf die Höhe des westlichen Endes des geplanten Gebäudes der Beigeladenen auf eine Breite von ca. 50 m erweitert, wenn man die Breite der von ihr abzweigenden ...-Straße hinzuzählt. Auf einer „Windkanal“-Breite von insgesamt ca. 50 m würde dem Windstrom also lediglich ein Hindernis mit einer Breite von ca. 10 m entgegenstehen. Der Wind könnte also schon wegen der Keilform des Gebäudes aber auch wegen dessen vergleichsweise geringer Höhe und wegen der links und rechts von diesem Gebäude verbleibenden hindernisfreien Bereiche der ...-Straße mit 15 m Breite bzw. der ... Straße mit an dieser Stelle 25 m Breite im Wesentlichen unbehindert dem Gebäude der Beigeladenen ausweichen. Davon, dass die ...-Straße mit 15 m Breite eine „schluchtartige Enge“ oder „Verengung“ bilden würde, kann daher keine Rede sein. Der Wind könnte schließlich am Ende der ...-Straße auch auf die anschließende, große mit Bäumen bewachsene Freifläche des YY-Parks ausweichen, würde sich also nicht stauen, sondern dort durch den Bewuchs in seiner Geschwindigkeitsentwicklung aufgelöst bzw. reduziert, wie durch das bebauungsfrei bleibende, begrünte spitze westliche Ende des Grundstücks der Beigeladenen (Flst.Nr.10414).

Dafür, dass Windgefahren nicht zu befürchten sind, spricht schließlich auch, dass der Beklagten, wie sie auf Nachfrage im Termin vortrug, trotz der am Bodensee durchaus besonderen stärkeren Windexposition bisher in keinem ihrer städtischen Gebiete irgendwelche Missstände oder gar Unfälle oder dergleichen durch die Bebauung oder vergleichbare Straßenschluchten hervorgerufener gefährlicher Windgeschwindigkeiten je bekannt geworden sind. Nach allem hätte sie somit auch bei Aufstellung des im vorliegenden Fall einschlägigen Bebauungsplans keinen Anlass gehabt, ein Gutachten zu Windgefahren einzuholen.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs.1, 159 S. 2, 162 Abs. 3 VwGO. Danach tragen die Kläger als unterliegende Beteiligte gesamtschuldnerisch die Kosten des Verfahrens. Die Beigeladene trägt hingegen aus Gründen der Billigkeit ihre eigenen außergerichtlichen Kosten selbst, da sie mangels eigener Antragstellung auch kein eigenes Prozesskostenrisiko eingegangen ist (vgl. § 154 Abs. 3 VwGO).

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