LG Hamburg, Urteil vom 10.05.2016 - 316 S 80/15
Fundstelle
openJur 2016, 9477
  • Rkr:
Tenor

1. Die Berufung der Beklagten zu 1) gegen das Urteil des Amtsgerichts Hamburg-Altona vom 22.10.2015, Az. 314b C 90/14, wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte zu 1) hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Beschluss

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 16.488,00 € festgesetzt.

Gründe

I.

Die Klägerin nimmt die Beklagte zu 1), ihre Mieterin, auf Räumung und Zahlung in Anspruch, wobei sich die Beklagte zu 1) mit der Berufung nur noch gegen den Räumungsanspruch wendet.

Die Beklagte zu 1) mietete gemeinsam mit ihrem inzwischen verstorbenen Ehemann, dem früheren Beklagten zu 2), Herrn K., von der Klägerin mit Mietvertrag vom 5.10.2003 nebst Nachtrag vom 14.9./25.11.2005 eine im 1. Obergeschoss links belegene Wohnung nebst Stellplatz in der L.straße in H.. Der Beklagte zu 2) verlegte zu einem unbekannten Zeitpunkt seinen Wohnsitz nach K. und lebte dort mit der Zeugin H. zusammen, die nach dem Tod des Herrn K. aufgrund einer Rubrumsänderung Beklagte zu 2) wurde, jedoch nicht Partei des Berufungsverfahren ist.

§ 29 Ziffer 2 des Mietvertrags lautet:

Erklärungen, deren Wirkung das Mietverhältnis berührt, müssen von oder gegenüber allen Mietern abgegeben werden. Die Mieter bevollmächtigen sich gegenseitig zur Entgegennahme solcher Erklärungen. Diese Vollmacht gilt auch für die Entgegennahme von Kündigungen, jedoch nicht für Mietaufhebungsverträge.

Von März 2013 bis Februar 2015 stellte die Beklagte zu 1) die Mietzahlungen vollständig ein. Die monatliche Bruttomiete beträgt inklusive der Stellplatzmiete € 1.859,00. Im Juni 2013 und Juli 2013 leistete der frühere Beklagte zu 2) Zahlungen auf die Rückstände, so dass per August 2013 ein Rückstand von € 3.858,10 verblieb. Am 4.2.2014 erklärte die Klägerin gegenüber der Beklagten zu 1) und dem früheren Beklagten zu 2) die fristlose Kündigung wegen Zahlungsverzugs. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Anlage K 4 verwiesen.

Der frühere Beklagte zu 2) verstarb am 12.8.2014. Mit Beschluss vom 18.8.2015 wurde das Passivrubrum auf Antrag der Klägerin dahingehend geändert, dass die Zeugin H. als Rechtsnachfolgerin/Alleinerbin des ehemaligen Beklagten zu 2) neue Beklagte zu 2) wurde. Mit Beschluss vom 16.6.2015 wurde für die Beklagte zu 1) eine gesetzliche Betreuung eingerichtet, u.a. für den Aufgabenkreis der Vermögenssorge und der Wohnungsangelegenheiten. Mit Schreiben vom 16.2.2015 erklärte die Klägerin eine weitere fristlose Kündigung wegen Zahlungsverzugs, die an die Betreuerin der Beklagten zu 1) gerichtet war. Es wird insoweit auf die Anlage K 8 (Bl. 150 d.A.) Bezug genommen.

Die Klägerin hat vorgetragen, die Beklagte zu 1) sei aufgrund der fristlosen Kündigungen vom 4.2.2014 und 16.2.2015 zur Räumung verpflichtet.

Die Klägerin hat nach mehreren Klagerweiterungen zuletzt beantragt,

die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen,

1.die im Hause L.straße, H. im 1. OG links belegene Wohnung (Nr. 8.) bestehend aus 3 Zimmern, Küche, Flur, Bad, WC, 1 Kellerraum nebst Tiefgaragenstellplatz geräumt und in vertragsgemäßem Zustand an die Klägerin herauszugeben.2.an die Klägerin € 7.436,00 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der EZB auf € 1.859,00 ab 04.04.2014, auf weitere € 1.859,00´ab 7.5.2014 und auf weitere € 1.859,00 ab 05.06.2014 zu zahlen.Die Beklagte zu 1) hat beantragt,

die Klage abzuweisen;

hilfsweise der Beklagten zu 1) eine angemessene Räumungsfrist zu gewähren.

Die Beklagte zu 1) hat den Zugang der Kündigung vom 4.2.2014 sowie die Höhe des Mietrückstands bestritten. Zudem hat sie vorgetragen, ein etwaiger Zugang der Kündigung vom 4.2.2014 scheitere an der fehlenden Geschäftsfähigkeit der Beklagten zu 1). Die Kündigung vom 16.2.2015 führe ebenfalls nicht zu einer Beendigung des Mietverhältnisses, da das Kündigungsschreiben formell unwirksam sei. Es fehle an der Angabe, um welchen Mietrückstand es sich handeln solle. Zudem handele es sich um eine unzulässige Teilkündigung, da diese nur an die Beklagte zu 1) und nicht auch an die Alleinerbin des verstorbenen Herrn K., die Zeugin H., gerichtet gewesen sei. Da der ehemalige Beklagte zu 2) zum Zeitpunkt seines Todes nicht mehr mit der Beklagten zu 1) in einer Haushaltsgemeinschaft gelebt habe, werde die erbrechtliche Rechtsfolge nicht durch §§ 563, 563a BGB verdrängt.

Die Beklagte zu 1) sei auf die vermietete Wohnung angewiesen, so dass ihr eine Räumungsfrist zu gewähren sei. Aufgrund ihrer persönlichen Verhältnisse sei sie nicht in der Lage, anderweitigen Wohnraum anzumieten.

Das Amtsgericht hat Beweis erhoben zum Zugang der Kündigung vom 4.2.2014 bei der Beklagten zu 1) durch Vernehmung des Zeugen D.. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird Bezug genommen auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 9.9.2014 (Bl. 99 ff. d.A.). Zudem hat das Amtsgericht ein Sachverständigengutachten zur Frage der Prozessfähigkeit der Beklagten zu 1) eingeholt. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Gutachten des Sachverständigen Dr. K. vom 28.4.2015 (Bl. 143 ff. d.A.) verwiesen.

Der frühere Beklagte zu 2) wurde mit Teil-Versäumnisurteil vom 8.5.2014 antragsgemäß zur Räumung verurteilt. Mit einem weiteren Teil-Versäumnisurteil vom 14.8.2014 wurde er außerdem entsprechend dem Klagantrag zu 2) zur Zahlung verurteilt.

Mit Schlussurteil vom 22.10.2014 hat das Amtsgericht Hamburg-Altona die Beklagte zu 1) antragsgemäß zur Räumung und Zahlung verurteilt. Es hat den Räumungsausspruch auf die Kündigung vom 16.2.2015 gestützt und die Wirksamkeit der Kündigung vom 4.2.2014 offengelassen. Die Kündigung vom 16.2.2015 sei ausreichend begründet und es handele sich auch nicht um eine unzulässige Teilkündigung. Die Zeugin H./neue Beklagte zu 2) sei nicht in das Mietverhältnis eingetreten, da das Mietverhältnis nach dem Tod des früheren Beklagten zu 2) gem. § 563a BGB nur mit der Beklagten zu 1) fortgesetzt worden sei. Eine Auslegung der Vorschrift ergebe, dass es in der vorliegenden Konstellation nicht erforderlich sei, dass zum Zeitpunkt des Todes eine gemeinsame Haushaltsführung des verstorbenen Mieters mit dem überlebenden Mieter bestanden habe. Jedenfalls in den Fällen, in denen der überlebende Ehepartner alleine in der gemeinsam gemieteten Wohnung lebe, sei eine gemeinsame Haushaltsführung keine Voraussetzung für die Anwendbarkeit von § 563a BGB.

Eine Räumungsfrist hat das Amtsgericht zunächst nicht gewährt. Hiergegen wendete sich die Beklagte mit sofortiger Beschwerde vom 10.11.2015 und wies darauf hin, dass die Beklagte zu 1) über ihre Betreuerin ab März 2015 die Mietzahlungen wieder aufgenommen habe, was auch unstreitig ist. Daraufhin hat das Amtsgericht Hamburg-Altona mit Beschluss vom 25.11.2015 das Schlussurteil vom 22.10.2015 dahingehend abgeändert, dass der Beklagten zu 1) eine Räumungsfrist bis zum 31.7.2016 gewährt wurde.

Gegen den Räumungsausspruch in dem ihr am 27.10.2015 zugestellten Schlussurteil vom 22.10.2014 wendet sich die Beklagte zu 1) mit ihrer am 13.11.2015 beim Landgericht eingegangenen und am 9.12. 2015 begründeten Berufung.

Mit Schreiben vom 12.1.2016 sprach die Klägerin eine weitere fristlose und hilfsweise fristgemäße Kündigung gegenüber der Beklagten zu 1) und der Zeugin H. aus. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Anlage Bg 1 (Bl. 255 d.A.) verwiesen. Die Kündigung ging der Betreuerin der Beklagten zu 1) zu. Der Zugang bei der Zeugin H. ist streitig. Der Schriftsatz vom 21.1.2016, in dem diese weitere Kündigung geltend gemacht wird, ging dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten zu 1) am 29.1.2016 zu. Zahlungen auf den bis Februar 2015 aufgelaufenen Mietrückstand sind nicht geleistet worden. Seit Januar 2016 werden auch die laufenden Mieten/Nutzungsentschädigungen nicht mehr gezahlt.

Die Beklagte zu 1) wiederholt und vertieft ihren erstinstanzlichen Vortrag. Weiter macht sie geltend, das Amtsgericht habe nicht dahinstehen lassen dürfen, ob die Kündigung vom 4.2.2014 wirksam war, da es bei einer Abfolge von Kündigungen nicht dahinstehen könne, ob eine vorangegangene Kündigung zu einer Beendigung des Mietverhältnisses führe. Die Kündigungserklärung vom 16.2.2015 könne nämlich nur Wirkung entfalten, wenn zu diesem Zeitpunkt überhaupt noch ein wirksames Mietverhältnis bestanden habe. Beide Kündigungen seien wirkungslos gewesen. Zudem bestreitet sie den Zugang der Kündigung vom 12.1.2016 bei der Zeugin H.. Auch sei diese Kündigung gem. § 314 Abs. 3 verfristet, da sie auf den Zahlungsverzug für die Monate Juli 2014 bis Februar 2015 gestützt werde. Die neue Kündigung sei als neues Angriffsmittel in der Berufungsinstanz auch nicht berücksichtigungsfähig.

Die Beklagte zu 1) beantragt,

das Schlussurteil des Amtsgerichts Hamburg-Altona vom 22.10.2015 zu Nr. 1 des Tenors abzuändern und die Räumungsklage abzuweisen,

ersatzweise

die Revision zuzulassen und der Beklagte zu 1) n eine angemessene Räumungsfrist zu bewilligen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin wiederholt und vertieft ihren erstinstanzlichen Vortrag. Bei der Kündigung vom 16.2.2015 handele es sich schon deswegen nicht um eine unzulässige Teilkündigung, da der ehemalige Beklagte zu 2) bereits mit rechtskräftigem Teil-Versäumnisurteil vom 8.5.2014 rechtskräftig zur Räumung verurteilt gewesen sei.

Die Kammer hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugin D. H.. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 19.4.2016 (Bl. 294 ff. d.A.) Bezug genommen.

Mit nicht nachgelassenem Schriftsatz vom 20.4.2016 trägt die Beklagte zu 1) weiter vor, die formularrechtlich grundsätzlich zulässige Bevollmächtigung des Mitmieters zur Entgegennahme von Kündigungserklärung in § 29 Ziffer 2 des Mietvertrags bedürfe insoweit einer rechtlichen Begrenzung, als § 1361 b Abs. 3 und 4 BGB zu berücksichtigen sei. Mit der gesetzlichen Vorgabe, dass ein Ehegatte, der die Ehewohnung verlassen hat, gem. § 1361b Abs. 3 BGB alles zu unterlassen hat, was geeignet ist, das Nutzungsrecht des in der Wohnung verbliebenden Ehegatten zu erschweren und zu vereiteln, sei es unvereinbar, die Beklagte zu 1) an die Bevollmächtigung ihres getrennt lebenden Ehemannes zu binden. Dieser habe hierdurch die Möglichkeit, mittels Entgegennahme der Kündigung bei unterbliebener oder unwirksamer Kündigungserklärung gegenüber dem in der Wohnung verbliebenen Ehegatten diesen gleichwohl um das Mietverhältnis zu bringen. Hierdurch drohe die Vereitelung der Rechte des in der Ehewohnung verbliebenen Ehegatten. Zudem sei die Kündigung vom 4.2.2014 dem früheren Beklagten zu 2) nicht wirksam zugegangen, da dieser geschäftsunfähig gewesen sei und die Generalvollmacht der Zeugin H. diese Geschäftsunfähigkeit nicht überwinde. Die Wirksamkeit der Kündigungserklärung erfordere den Zugang bei dem gesetzlichen Vertreter. Auch die Kündigung vom 12.1.2016 sei nicht wirksam, da die Klägerin nicht bewiesen habe, dass die Zeugin H. überhaupt Alleinerbin des früheren Beklagten zu 2) sei. Das Bestreiten der Erbenstellung der Zeugin sei auch nicht verspätet, da die Zeugin H. erstmals in der Beweisaufnahme eingeräumt habe, dass noch weitere Testamente vorlägen. Die mündliche Verhandlung sei wiederzuöffnen. Die Zeugin H. habe das Verfahren nicht unter Berücksichtigung der Vorgaben aus § 250 ZPO aufgenommen, so dass der Rechtsstreit aufgrund des Versterbens des früheren Beklagten zu 2) nach wie vor nach § 239 ZPO unterbrochen sei. Da der frühere Beklagte zu 2) geschäfts- und prozessunfähig gewesen sei, seien ihm auch die Klagschrift und auch das Teil-Versäumnisurteil nicht wirksam zugestellt worden.

Wegen der Einzelheiten des Vorbringens wird auf die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

II.

Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet. Zu Recht hat das Amtsgericht die Beklagte zu 1) zur Räumung verurteilt. Das Mietverhältnis zwischen der Klägerin und der Beklagten zu 1) wurde durch die Kündigung vom 4.2.2014 wirksam beendet, so dass die Beklagte zu 1) gem. § 546 Abs. 1 BGB zur Räumung verpflichtet ist.

1. Unstreitig war die Klägerin gem. § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BGB zur Kündigung berechtigt. Das Kündigungsschreiben enthielt auch die nach § 569 Abs. 4 BGB erforderliche Begründung.

2. Das Kündigungsschreiben vom 4.2.2014 ist der Beklagten zu 1) auch wirksam zugegangen. Zwar war die Beklagte zu 1) zum Zeitpunkt der Zustellung nach dem vom Amtsgericht eingeholten Gutachten des Herrn Dr. K. vermutlich geschäftsunfähig. Aufgrund der im Mietvertrag unter § 29 Ziffer 2 vereinbarten Empfangsbevollmächtigung des früheren Beklagten zu 2) zur Entgegennahme von Kündigungen konnte dieser jedoch die Kündigung für die Beklagte zu 1) wirksam in Empfang nehmen.

a) Die in § 29 Abs. 2 des Mietvertrags vereinbarte Empfangsbevollmächtigung ist formularrechtlich nicht zu beanstanden (BGH, Rechtsentscheid vom 10.9.1997, VIII ARZ 1/97, NJW 1997, 3437). Entgegen der Ansicht der Beklagten erfordern auch § 1361 b Abs. 3 und 4 BGB im vorliegenden Fall keine Einschränkung der Wirksamkeit dieser Formularklausel.

§ 1361 b Abs. 4 BGB stellt zwar eine unwiderrufliche Vermutung dafür auf, dass ein Ehegatte, der aus der Ehewohnung ausgezogen ist, dem in der Ehewohnung verbliebenen Ehegatten das alleinige Nutzungsrecht überlassen hat, falls er diesem gegenüber nicht binnen sechs Monaten nach seinem Auszug eine ernstliche Rückkehrabsicht mitgeteilt hat. Im vorliegenden Verfahren wurde jedoch bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung nicht vorgetragen, wann der Beklagte zu 2) aus der gemeinsamen Ehewohnung ausgezogen ist. Anhand des Parteivortrags ist somit nicht feststellbar, dass der frühere Beklagte zu 2) zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung vom 4.2.2014 bereits sechs Monate aus der früheren Ehewohnung ausgezogen war. Die Zeugin H. hat hierzu ebenfalls keine Angaben gemacht. Sie hat zwar erklärt, dass der frühere Beklagte zu 2) bereits im November 2013 ein Schwerstpflegefall gewesen sei und eine Betreuung rund um die Uhr benötigt habe. Rückschlüsse darauf, ob er bereits im August 2013 und somit sechs Monate vor der Kündigung bei der Zeugin gewohnt hat, lässt dies jedoch nicht zu. Selbst wenn man den Vortrag der Beklagten zu 1) im Schriftsatz vom 20.4.2016 dahingehend auslegen würde, dass darin indirekt behauptet wird, der frühere Beklagte zu 2) habe bei Zugang der Kündigung bereits länger als sechs Monate von der Beklagten zu 1) getrennt gelebt, so wäre dieser Vortrag jedenfalls gem. §§ 525, 296a ZPO nicht mehr zu berücksichtigen, da er erst nach Schluss der mündlichen Verhandlung in einem nicht nachgelassenen Schriftsatz erfolgt ist.

Es ist daher nicht ersichtlich, dass das in § 1361 b Abs. 3 BGB vorgesehene Wohlverhaltensgebot im vorliegenden Fall schon von seinen tatsächlichen Voraussetzungen hier überhaupt eingreift und einem Zugang der Kündigung beim früheren Beklagten zu 2) entgegenstehen könnte.

b) Die Zeugin H. hat auch glaubhaft ausgesagt, dass sie das Kündigungsschreiben vom 4.2.2014 erhalten und dieses dem früheren Beklagten zu 2) vorgelesen hat. Er habe das Schreiben auch gesehen. Die Kammer hat keine Zweifel an der Glaubhaftigkeit der Bekundungen der Zeugin. Ihre Angaben waren widerspruchsfrei und nachvollziehbar. Die Zeugin äußerte sich inhaltlich differenziert und war ersichtlich um eine wahrheitsgemäße Aussage bemüht, wobei ihr deutlich anzumerken war, wie erschüttert sie nach wie vor über die schwere Erkrankung ihres damaligen Lebensgefährten, dessen Vorgeschichte mit der Beklagten zu 1) und dessen Tod ist. Die Aussage im vorliegenden Verfahren ist ihr erkennbar sehr schwer gefallen, wobei sie jedoch keine Belastungstendenzen zu Lasten der Beklagten zu 1) gezeigt hat. Die Glaubhaftigkeit ihrer Aussage wird zudem dadurch unterstrichen, dass sie die Kündigung vom 4.2.2014 in ihren Unterlagen beim Termin dabei hatte. Auch wurde als Anlage K 7 der von der Zeugin H. unterzeichnete Rückschein vorgelegt.

c) Offen bleiben kann, ob der frühere Beklagte zu 2) zum Zeitpunkt des Zugangs des Kündigungsschreibens vom 4.2.2014 noch geschäftsfähig war. Nach Aussage der Zeugin H. war er zu diesem Zeitpunkt bereits schwer erkrankt und konnte nicht mehr richtig sprechen. Sie erklärte, dass sie aber an seinen Augen gesehen habe, dass er den Inhalt des Kündigungsschreibens mitbekommen habe.

Die Zeugin hat im Termin eine vom 15.11.2012 datierende notarielle Generalvollmacht vorgelegt, mit der die Zeugin vom früheren Beklagten hinsichtlich aller vermögensrechtlicher und persönlicher Angelegenheiten bevollmächtigt wurde. Diese Generalvollmacht ermächtigte die Zeugin auch, die Kündigungserklärung für den früheren Beklagten zu 2) und somit auch für ihn als Empfangsvertreter der Beklagten zu 1) in Empfang zu nehmen. Die Zeugin war durch die erteilte Generalvollmacht zu allen Rechtsgeschäften berechtigt, bei denen Vertretung zulässig ist (Beck’scher Online-Kommentar BGB, 38. Edition, Stand 1.11.2013, § 167 Rz. 20). Hierzu gehört auch die Entgegennahme von Post bzw. die Befugnis, Willenserklärungen für den Vollmachtgeber entgegenzunehmen, soweit diese keine höchstpersönlichen Geschäfte betrafen. Dass die Vollmacht im vorliegenden Fall auch die Entgegennahme von Willenserklärungen umfassen sollte, ergibt sich auch bereits daraus, dass die Vollmacht ausdrücklich auch dann wirksam bleiben sollte, wenn der frühere Beklagte geschäftsunfähig werden sollte. In einem solchen Fall konnte die Generalvollmacht nur dann sinnvoll ausgeübt werden, wenn sie auch die Entgegennahme von Willenserklärungen umfasste.

Für den Zugang der Kündigungserklärung beim früheren Beklagten wäre auch im Fall einer Geschäftsunfähigkeit nicht die Bestellung einer gesetzlichen Betreuung erforderlich gewesen. Zwar gilt gem. § 131 Abs. 1 BGB, dass eine Willenserklärung, die gegenüber einem Geschäftsunfähigen abgegeben wird, nicht wirksam wird, bevor sie dem gesetzlichen Vertreter zugeht. Hat der Geschäftsunfähige jedoch noch vor Eintritt der Geschäftsunfähigkeit einem Vertreter Generalvollmacht erteilt, genügt der Zugang einer an den Geschäftsunfähigen gerichteten Willenserklärung an den Vertreter; die Bestellung eines Betreuers gem. § 1896 BGB ist nicht erforderlich (Staudinger, BGB, 2012, § 131 Rz. 7) Vielmehr steht es der Bestellung eines gesetzliche Betreuers entgegen, wenn der Betroffene eine Generalvollmacht erteilt hat, da die Einrichtung einer gesetzlichen Betreuung stets subsidiär ist und nicht für solche Angelegenheiten bestellt werden darf, die auf Veranlassung des Betroffenen hin von Dritten besorgt werden können (vgl. Palandt, BGB, 75. Auflage, § 1896 Rz. 12 sowie vor § 1896 Rz. 5). Wenn auch der Generalbevollmächtigte formell nicht gesetzlicher Vertreter des Geschäftsunfähigen ist, so ist seine Stellung jedoch der eines gesetzlichen Vertreters stark angenähert (LG Leipzig, Beschluss vom 1.10.2009, 4 T 549/08). Die Einrichtung einer gesetzlichen Betreuung trotz des Vorliegens einer Vorsorge- oder Generalvollmacht kommt nur bei Nichteignung des Bevollmächtigten, Zweifeln an seiner Redlichkeit oder bei einem möglichen Widerruf der Vollmacht (vgl. Palandt, a.a.O., § 1896 Rz. 12a). Hierfür bestehen vorliegend keinerlei Anhaltspunkte.

3. Die Kündigung ist auch nicht gemäß § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB unwirksam geworden. Ein Ausgleich der Mietrückstände ist unstreitig nach wie vor nicht erfolgt.

4. Die mündliche Verhandlung ist auch nicht deswegen wieder zu eröffnen, weil die Zeugin H. als Beklagte zu 2) den Rechtsstreit nicht wirksam für den früheren Beklagten zu 2) gem. § 250 ZPO wieder aufgenommen hätte oder weil ihre Erbenstellung derzeit unklar wäre. Parteien des vorliegenden Berufungsverfahrens sind ausschließlich die Klägerin und die Beklagte zu 1), so dass es auf das Prozessverhältnis zwischen der Klägerin und dem früheren Beklagten zu 2) bzw. der Zeugin H. in ihrer Stellung als neuer Beklagter zu 2) in dem Verfahren erster Instanz nicht ankommt. Auch die Frage der Erbenstellung der Zeugin H. nach dem früheren Beklagten zu 2) kann offen bleiben, da das Mietverhältnis bereits durch die Kündigung vom 4.2.2014, die noch gegenüber der Beklagten zu 1) und dem früheren Beklagten zu 2) erfolgte, wirksam beendet wurde.

5. Eine weitere Räumungsfrist war der Beklagten zu 1) nicht zu gewähren. Das Amtsgericht Hamburg-Altona hat der Beklagten zu 1) mit Beschluss vom 25.11.2015 eine Räumungsfrist bis zum 31.7.2016 eingeräumt. Trotz der schwierigen gesundheitlichen Situation der Beklagte zu 1) n ist der Klägerin eine Verlängerung der Räumungsfrist nicht zumutbar, da bereits erhebliche Mietrückstände bestehen und seit Januar 2016 die laufende Nutzungsentschädigung erneut nicht bezahlt wird. Das Interesse der Beklagte zu 1) an einem Erhalt der Wohnung über den 31.7.2016 hinaus muss daher hinter dem Räumungsinteresse der Klägerin zurückstehen.

6. Die Revision wird nicht zugelassen, da die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern. Die Frage, wie sich das aus § 1361b Abs. 3 BGB ergebende Wohlverhaltensgebot zur Frage der AGB-rechtlichen Zulässigkeit der Ermächtigung des Mitmieters zur Entgegennahme von Kündigungen verhält, musste vorliegend nicht entschieden werden, da bereits die tatsächlichen Voraussetzungen eines Eingreifens von § 1361b Abs. 3 BGB nicht vorlagen.

7. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat seine Grundlage in § 708 Nr. 7, 711 ZPO.