LG Hamburg, Urteil vom 29.06.2016 - 332 S 61/14
Fundstelle
openJur 2016, 9404
  • Rkr:
Tenor

1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Amtsgerichts Hamburg vom 21.08.2014, Az. 20a C 207/13, teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 790,48 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 14.2.2013 sowie vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 121,24 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1.5.2013 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

2. Von den Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger 82 % und die Beklagte 18 %.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die angefochtene Entscheidung ist nach Maßgabe der Ziffer 1 ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Gründe

I.

Der Kläger unterhält bei der Beklagten eine private Krankenversicherung und verlangt die Erstattung der Kosten einer sog. LASIK-Augenlaserbehandlung gemäß Rechnung der „S. A. M.“ vom 2.4.2013 (Anlage K6) über einen Rechnungsbetrag in Höhe von insgesamt 4.508,91 €. Auf den Inhalt der Rechnung wird Bezug genommen. Ferner verlangt der Kläger Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten nach einem Gegenstandswert von 4.500,00 € in Höhe einer 2fachen Geschäftsgebühr in Höhe von insgesamt 673,54 € und hat geltend gemacht, dass dies wegen der besonderen rechtlichen Schwierigkeit und Bedeutung der Sache angemessen sei.

Das Amtsgericht hat die Klage als derzeit unbegründet abgewiesen. Es hat ausgeführt, dass die Beklagte lediglich die Behandlungskosten zu erstatten habe, die nach der jeweils geltenden Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) in Rechnung gestellt werden könnten. Diese Voraussetzungen seien nicht erfüllt, weil die Voraussetzungen von § 12 Abs. 3 Satz 1 GOÄ noch die Voraussetzungen von § 12 Abs. 4 GOÄ erfüllt seien. Danach seien erhöhte Gebührensätze auf die einzelne Leistung bezogen verständlich und nachvollziehbar schriftlich zu begründen (§ 12 Abs. 3 Satz 1 GOÄ), was nicht geschehen sei. Außerdem sei im Fall von Analogberechnungen die entsprechende Leistung für den Zahlungspflichtigen verständlich zu beschreiben und mit dem Hinweis „entsprechend“ sowie der Nummer und der Bezeichnung der als gleichwertig erachteten Leistung zu versehen (§ 12 Abs. 4 GOÄ), was ebenfalls bezüglich der Gebührenziffern 7008 und 7015 nicht eingehalten worden sei.

Ergänzend wird auf den Inhalt des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Dagegen wendet sich der Kläger. Die Rechnung sei ordnungsgemäß erstellt und fällig. Auch eine unzureichende Begründung stehe der Fälligkeit nicht entgegen. Das Amtsgericht habe nicht entscheiden dürfen, ohne zuvor ein Sachverständigengutachten über die Ordnungsmäßigkeit der Abrechnung und der Angemessenheit der Vergütung einzuholen. Für eine Analogberechnung reiche es aus, wenn die Ziffer mit „A“ bezeichnet werde. Die Entscheidung des Amtsgerichts überdehne die Anforderungen und gehe an der Praxis vorbei.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Amtsgerichts Hamburg vom 21.8.2014, 20a C 207/13, abzuändern und die Beklagte zu verurteilen,

a. an den Kläger einen Betrag in Höhe von 4.508,91 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 14.2.2013 zu zahlen,b. an den Kläger weitere 673,54 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1.5.2013 zu zahlen.

Die Beklagte hat die Klagforderung in Höhe eines Teilbetrages von 790,48 € nebst darauf entfallender Zinsen anerkannt und im Übrigen beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Das Anerkenntnis der Beklagten bezieht sich auf folgende Positionen der streitgegenständlichen Rechnung:

26.10.2010:

Ziffer

6        13,41440      23,31445      128,231202    9,921204    6,031207    9,381209    2,681216   12,201227   33,251256   10,49406     11,66Sachkosten

        177,31          177,31        59,50        18,39        4,6027.10.2010:

6        13,411202    9,921204    6,031216    12,201241    20,381242    20,381256    10,49        790,48Die Beklagte verteidigt im Übrigen die Entscheidung des Amtsgerichts und trägt darüber hinaus vor, dass auch die unter Ziffer 1249 in Höhe von 64,89 € in Hinblick auf die Bezeichnung „entspr. § 6“ eine Analogberechnung darstelle, die nicht ordnungsgemäß abgerechnet worden sei.

Zum Sach- und Streitstand wird ergänzend auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

II.

Die zulässige Berufung hat lediglich in dem anerkannten Umfang nebst einem geringen Teil der Nebenforderungen Erfolg.

1.)

a.)

Bezüglich der übrigen Positionen ist die Rechnung nämlich nicht fällig, weil sie nicht den Anforderungen der GOÄ entspricht. Dies hat das Amtsgericht zu Recht und mit zutreffender Begründung angenommen. Dem Amtsgericht ist darin zuzustimmen, dass die Rechnung bezogen auf die Positionen, die eine Alternativberechnung betreffen sowie die, mit denen ein erhöhter Gebührensatz berechnet wird, den formalen für die Fälligkeit der Rechnung zu erfüllenden Anforderungen nicht genügt. Zu Recht hat das Amtsgericht insoweit ausgeführt, dass die pauschale und nicht auf die einzelne Leistung bezogene Begründung für die Erhöhung auf den 2,5 bzw. 3,5fachen Satz § 12 Abs. 3 GOÄ nicht entspricht, weil dieser ausdrücklich fordert, dass bezogen auf die einzelne, d.h. konkrete Leistung, dies für den Zahlungspflichtigen verständlich und nachvollziehbar schriftlich begründet werden muss. Dem genügt die undifferenzierte und pauschale Begründung ohne jeden Bezug auf konkrete einzelne Positionen nicht.

Auch die Analogberechnung erfüllt nicht die Anforderungen von § 12 Abs. 4 GOÄ; denn weder wird der Hinweis „entsprechend“ verwendet noch wird die als gleichwertig erachtete Leistung beschrieben und die dementsprechende Nummer angegeben. Dadurch fehlt es bereits an der Prüffähigkeit der Rechnung, so dass zu Recht die Fälligkeit insoweit verneint worden ist. Dies betrifft die Rechnungspositionen, denen jeweils ein „A“ vorangestellt worden ist, aber auch die unter dem 27.10.2010 mit Ziffer 1249 Fluorezenzangiographie entspr. § 6 HH-Topographie mit 64,89 € berechnete Position. Hier ist zwar der Begriff „entsprechend“ angeführt, es wird jedoch entgegen § 12 Abs. 4 GOÄ für den Zahlungspflichtigen nicht hinreichend verständlich beschrieben worden, welche erbrachte Leistung nach welcher für gleichwertig erachteten Leistung abgerechnet wurde.

Auf die Frage der Berechtigung der erhobenen Gebühren kommt es dann nicht an, wenn diesen formalen Anforderungen nicht genügt wurde. Dem steht auch die Entscheidung des Bundesgerichtshofes aus dem Jahr 2006 nicht entgegen. Darin hat der Bundesgerichtshof die Fälligkeitsvoraussetzungen des § 12 GOÄ ausdrücklich bestätigt, lediglich in dem besonderen Fall, dass die Berechtigung einer Leistung aufgrund einer zunächst den formalen Voraussetzungen genügenden Rechnung überprüft und dann im Laufe des Rechtsstreits die Berechtigung der Berechnung nach einer anderen Gebührenziffer als zunächst in Rechnung gestellt, ermittelt wurde, davon abgesehen, dem Kläger aufzuerlegen, auf dieser Basis eine neue Rechnung auszustellen. So liegen die Umstände hier jedoch nicht. Zu Recht hat das Amtsgericht schließlich auch angenommen, dass die vom Kläger zitierten Entscheidung des Landgerichts und OLG Köln für die vorliegende Problematik nicht einschlägig sind.

Darüber hinaus fehlt es auch bezüglich nachfolgender Sachkosten an einer ordnungsgemäßen Abrechnung. Insoweit verlangt § 12 Abs. 2 Nr. 5 GOÄ, dass Sachkosten, die den Betrag von 25,56 € übersteigen, belegt werden müssen. Bezüglich der diesen Betrag übersteigenden Positionen Keratom und Schlauch für Saugring ist ein Nachweis aus den vorgelegten Belegen nicht entnehmen.

b.

Allerdings teilt die Kammer nicht die Auffassung des Amtsgerichts, dass damit die Rechnung insgesamt nicht fällig ist; die Fälligkeit fehlt vielmehr lediglich bezüglich der Positionen, deren Abrechnung den formalen Anforderungen nicht genügt (so auch Landessozialgericht Berlin-Brandenburg vom 28.07.2010, L 9 KR 534/06; LG Kempten vom 7.5.2012, 13 O 2311/11). Bezüglich der übrigen Positionen hat die Beklagte die Forderung in dieser Instanz anerkannt.

2.)

Die Beklagte hat dem Kläger aus dem Gesichtspunkt des Verzuges die vorgerichtlichen Anwaltskosten anteilig zu erstatten, soweit die Beklagte verurteilt worden ist. Dies entspricht einem Betrag in Höhe von 121,24 €, der gemäß § 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 ZPO für die Zeit nach Ablauf der mit Schreiben vom 25.3.2013 (Anlage K9) gesetzten Zahlungsfrist zu verzinsen ist.

3.)

Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 92, 708 Nr. 10, 713 ZPO.