LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 26.05.2016 - 5 Sa 472/15
Fundstelle
openJur 2016, 9327
  • Rkr:

Eine nach der letzten mündlichen Verhandlung des Berufungsgerichts erstellte Urkunde kommt als Restitutionsgrund nur dann ausnahmsweise in Betracht, wenn es sich um eine öffentliche Urkunde handelt, die Tatsachen bekundet, die bis zu diesem Zeitpunkt verortet sind, die Urkunde aber schlechterdings nicht vor Abschluss des Vorprozesses errichtet werden konnte, z. B. die Geburtsurkunde zur Bestimmung des Empfängniszeitpunktes oder der nachträgliche Anerkennungsbescheid über die Schwerbehinderung im Kündigungsschutzprozess.

Tenor

1. Die Restitutionsklage wird verworfen.

2. Die Kosten des Restitutionsrechtsstreits trägt die Restitutionsklägerin.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Restitutions-Klägerin (künftig: Beklagte) greift mit ihrer Restitutionsklage das rechtskräftige Urteil des Landesarbeitsgerichts vom 15.04.2014, Az. 1 Sa 208/13, an, mit welchem die Klage des Restitutions-Beklagten (künftig: Kläger) auf Zahlung einer Karenzentschädigung lediglich mangels Fälligkeit abgewiesen wurde. Das Landesarbeitsgericht hatte in den Entscheidungsgründen festgestellt, dass dem Kläger dem Grunde und der Höhe nach eine Karenzentschädigung in Höhe von 65.700,00 € brutto zustehe, diese aber wegen fehlender Auskunftserteilung des Klägers über anderweitige Einkünfte noch nicht fällig sei.

Im Ausgangsverfahren stritten die Parteien - soweit hier von Belang - um den Anspruch des Klägers auf Zahlung einer Karenzentschädigung aufgrund eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbots.

Der 1949 geborene Kläger war zunächst bei einer Berufsgenossenschaft und später als freier Rentenberater tätig. Er war und ist insbesondere mit der Durchsetzung von Ansprüchen von Sportlern wegen einer Sportverletzung gegen die Träger der Sozialversicherung befasst. In diesem Zusammenhang vertrat und vertritt er namhafte Profiboxer, Berufsfußballer und Berufshandballer sowie weitere Sportler. Der Kläger ist Mitbegründer und war bis Ende 2010 auch Mitgesellschafter der Beklagten.

Die Beklagte betreibt mit ihrem Unternehmen die Finanzierung von Prozessen von Berufssportlern wegen Sportverletzungen gegen die Träger der gesetzlichen Unfall-versicherung. Die Sportler schließen mit der Beklagten einen Vertrag, der regelt, dass die Beklagte die Kosten der (außer-)gerichtlichen Auseinandersetzung trägt und im Gegenzug einen Anteil der durchgesetzten Ansprüche erhält. Die Beklagte kooperiert hierzu mit zwei Rechtsanwälten. Diesen wird von den Sportlern eine Vertretungsvollmacht erteilt. Der Beklagten selbst sind Tätigkeiten, die der Erlaubnis nach dem Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG) bedürfen, nicht erlaubt.

Ab dem 01.06.2009 war der Kläger bei der Beklagten als angestellter Rentenberater zu einem Monatsgehalt von insgesamt zuletzt 6.503,50 € brutto beschäftigt. Gemäß § 2 des Arbeitsvertrags oblag dem Kläger die Prüfung der an die Beklagte herangetragenen Rechtsstreitigkeiten anhand der vom mandatierten Anwalt erstellten Schriftsätze und weiteren Unterlagen. In § 5 des Arbeitsvertrags trafen die Parteien folgende Nebentätigkeitsabrede (Bl. 9 ff. d. A.):

„Herrn G. wird ausdrücklich gestattet, seiner Tätigkeit als selbstständiger Rentenberater weiterhin an den Wochentagen Freitag bis Sonntag nachzugehen. Dabei gelten jedoch die nachfolgenden Einschränkungen hinsichtlich der Mandatsverhältnisse:

Herrn G. wird gestattet, als selbstständiger Rentenberater folgende Mandanten weiter zu betreuen:

- Mandanten, zu denen ein Mandatsverhältnis bereits vor dem 09.08.2007 (Gründungsstichtag des Arbeitgebers) bestanden hat und welche nicht Klienten des Arbeitsgebers geworden sind. Hinsichtlich des Bestands eines Mandatsverhältnisses kommt es auf die Unterzeichnung einer Bevollmächtigung auf Herrn G. persönlich an.- Mandanten, bei denen es um die Abwicklung der Altersrente geht- Zukünftige sonstige Mandatierungen in rentenrechtlichen Angelegenheiten sind grundsätzlich nur noch über den Arbeitgeber abzuwickeln.

…“

Bei Abschluss des Arbeitsvertrags war von den Vertragsparteien beabsichtigt, dass die damaligen Mandanten des Klägers von diesem zum Abschluss eines Geschäftsbesorgungsvertrags mit der Beklagten bewegt werden sollten, was in der Folgezeit auch in einer Reihe von Fällen tatsächlich geschah.

Am 06.05.2010 vereinbarten die Parteien eine sofort in Kraft tretende Nebenabrede zum Arbeitsvertrag. Diese lautet auszugsweise (Bl. 370 ff. d. A.):

„I.Der Mitarbeiter bleibt als Rentenberater im Anstellungsverhältnis tätig. Die an den Arbeitsgeber herangetragenen Rechtsstreitigkeiten werden vorab anhand der von den Kunden eingereichten Unterlagen in einer Vorprüfung durch Herrn G. auf Erfolgsaussichten hin überprüft.

Alle weiteren Tätigkeiten, insbesondere die Erstellung von Schreiben und die laufende vollständige Betreuung in den sozialversicherungsrechtlichen Streitigkeiten und Maßnahmen im Bereich der Berufshilfe erfolgen ausschließlich durch die mandatierten Anwälte. Die Tätigkeit des Mitarbeiters beschränkt sich insoweit auf die mit dem Arbeitsgeber abgestimmte Vorabprüfung.

Arbeitsort ist in Abänderung des § 2 des bestehenden Arbeitsvertrages für den Mitarbeiter ausschließlich W… 2b in 24.. H.-U..…

IV.

Im Falle der Beendigung des Arbeitsverhältnisses vor Ablauf des Monats, in dem der Mitarbeiter das 65. Lebensjahr vollendet, gilt ausdrücklich folgendes Tätigkeits- und Wettbewerbsverbot:

- Dem Mitarbeiter ist es während der Dauer von 1 Jahr nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ausdrücklich untersagt, unmittelbar oder mittelbar - z. B. über eine Drittfirma - für direkte und indirekte Konkurrenten des Arbeitsgebers oder Berufsgenossenschaften wie die VBG beruflich oder anderweitig, als Angestellter, freier Berater oder im Rahmen einer Beteiligung an einem Unternehmen - gleich welcher Rechtsform - in den Ländern: Bundesrepublik Deutschland, Republik Österreich und Schweiz tätig zu sein. Ebenso ist es ausdrücklich dem Mitarbeiter untersagt, als Rentenberater oder im Bereich der Berufshilfe für andere Dritte wie z. B. Sportvereine oder Sportler unmittelbar oder mittelbar - z. B. über eine Drittfirma - tätig zu sein.…- Für die Dauer dieses Wettbewerbsverbotes zahlt der Arbeitgeber an den Mitarbeiter zum Ausgleich für das Wettbewerbs- und Tätigkeitsverbot eine monatliche Karenzentschädigung, die 100 % der zuletzt bezogenen monatlichen vertragsmäßigen Leistung entspricht.

…“

Mit Schreiben vom 22.11.2012 kündigte der Kläger das mit der Beklagten bestehende Arbeitsverhältnis zum 31.12.2012.

Der Kläger ist seit Jahren mit Rechtsanwalt P. und Herrn W. bekannt. Diese beiden Herren sind Geschäftsführer der Fa. P. & W. Unternehmensberatungs GmbH (künftig: Fa. P. & W.). Am 10.01.2013 schlossen die Herren P. und W. einen Gesellschaftsvertrag über die Gründung der Fa. A. GmbH (künftig: Fa. A.). Die Fa. A. verfolgt neben der Beratung von Vereinen denselben Geschäftszweck wie die Beklagte. Bei der Fa. P. & W. ist die Ehefrau des Klägers seit dem 01.01.2013 beschäftigt.

Unstreitig vertrat und vertritt der Kläger als Rentenberater auch nach Beendigung seines Arbeitsverhältnisses mehrere Sportler gegenüber den Sozialleistungsträgern, von denen einige auch Geschäftsbesorgungsverträge mit der Beklagten geschlossen hatten.

Die Beklagte lehnte gegenüber dem Kläger die Zahlung einer Karenzentschädigung wegen behaupteter Konkurrenztätigkeit ab.

Am 16.01.2013 hat der Kläger vor dem Arbeitsgericht Klage erhoben und - soweit hier von Belang - zuletzt Karenzentschädigung für das Jahr 2013 in Höhe von monatlich 6.503,50 € geltend gemacht. Das Arbeitsgericht hat diesbezüglich die Klage mit Urteil vom 16.05.2013 wegen nachgewiesener Konkurrenztätigkeit durch Vertretung des Sportlers K. abgewiesen. Mit Urteil vom 15.04.2014, Az. 1 Sa 208/13, hat das Landesarbeitsgericht die Berufung des Klägers abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass ein Anspruch des Klägers auf Zahlung von Karenzentschädigung für die Monate Januar bis Dezember 2013 gemäß § 74 Abs. 2 HGB i. V. m. Ziff. IV der Nebenabrede vom 06.05.2013 grundsätzlich entstanden, aber nur in Höhe von monatlich 5.475,00 € begründet sei, aber mangels Fälligkeit noch nicht beansprucht werden könne. Die Beklagte habe nicht schlüssig dargelegt, dass der Kläger im Jahr 2013 wettbewerbswidrige Tätigkeiten ausgeübt habe. Nach dem Geschäftszweck könne dem Kläger die Vertretung von Sportlern in Form einer Tätigkeit als freier Rentenberater nicht untersagt werden. Die Reichweite des Wettbewerbsverbots sei beschränkt auf eine Tätigkeit des Klägers als Angestellter, freier Berater oder im Rahmen einer Beteiligung für Konkurrenten der Beklagten tätig zu sein. Dabei seien als Konkurrenten nur diejenigen anzusehen, die sich wie die Beklagte mit der Prozessfinanzierung befassten. Die Vertretung von Sportlern gegenüber Behörden und Gerichten sei demgegenüber nicht untersagt. Demzufolge dürfe der Kläger die ihm bisher für die Beklagte obliegenden Prüfaufgaben nicht für andere Prozessfinanzierer wahrnehmen. Das ändere aber nichts daran, dass er durch eine Tätigkeit als freier Rentenberater nicht in Konkurrenz zur Beklagten stehe. Eine Tätigkeit, mit der der Kläger gegen das vorstehend definierte Wettbewerbsverbot verstoßen habe, habe die Beklagte nicht dargelegt. Auch die behauptete Äußerung des Sportlers G. dass die Behandlung seiner Angelegenheit nicht mehr über die „a. sports, sondern über die „a. GmbH“ laufe, belege nicht, dass der Kläger als Angestellter oder freier Berater oder im Rahmen einer Beteiligung für die A. tätig gewesen sei. Die Ausführungen belegten nicht mehr als eine Kooperation zwischen dem Kläger und der A.. Hierzu sei der Kläger berechtigt. Er dürfe für Mandanten der A. die Vertretung vor Gerichten und Behörden wahrnehmen. Auch der weitere Vortrag der Beklagten über die Bekanntschaft des Klägers mit den Gesellschaftern P. und W., der Fahrzeugnutzung des Klägers oder der Tätigkeit seiner Ehefrau für die A. oder eine der anderen Gesellschaften sowie die Weiterleitung der Telefaxe belegten zwar Indizien für eine Zusammenarbeit, aber noch keinen im vorstehenden Sinne definierten Wettbewerbsverstoß des Klägers. Die Ausführungen der Beklagten zu den Gesellschafterverhältnissen der A. seien nur spekulativ und ins Blaue hinein erfolgt. Der Anspruch des Klägers auf Zahlung der Karenzentschädigung für das gesamte Jahr 2013 in Höhe von insgesamt 65.700,00 € sei indessen noch nicht fällig. Der Beklagten stehe gemäß § 74c Abs. 2 HGB ein Leistungsverweigerungsrecht zu, da der Kläger noch keine Auskunft über seinen anderweitigen Verdienst erteilt habe. Der Arbeitnehmer sei insoweit vorleistungspflichtig.

Das Urteil des Landesarbeitsgerichts vom 15.04.2014, Az. 1 Sa 208/13, ist rechtskräftig.

Im Oktober 2014 erhob der Kläger vor dem Arbeitsgericht Neumünster nochmals Klage auf Zahlung einer Karenzentschädigung über 65.700,00 €, Az. 2 Ca 1293 a/14, nachdem er zuvor mit Schreiben vom 19.09.2014 der Beklagten seine Einkommenssteuererklärung für das Jahr 2013 vorgelegt hatte. Widerklagend beantragte die Beklagte, den Kläger zu verurteilen, die Vollständigkeit und Richtigkeit der erteilten Auskünfte betreffend sein Einkommen im Kalenderjahr 2013 an Eides Statt zu versichern. Nach Beweiserhebung gab das Arbeitsgericht in jenem Verfahren der Widerklage mit Teilurteil vom 08.10.2015 statt. Das Ergebnis der Beweisaufnahme habe ergeben, dass der Kläger zur Verschleierung eigenen Einkommens mit der Fa. P. & W. zugunsten seiner Ehefrau einen Anstellungsvertrag und einen Kfz-Überlassungsvertrag geschlossen habe, obwohl der Zahlung von Arbeitsentgelt und der Überlassung des Kfz keine entsprechenden Leistungen der Ehefrau des Klägers gegenüberstehen sollten. Der Anstellungsvertrag und der Kfz-Überlassungsvertrag seien nur zur Verschleierung des klägerischen Einkommens mit der Ehefrau des Klägers abgeschlossen worden. Dies berechtigte zu der Annahme, dass die vom Kläger abgegebene Erklärung seiner Einkünfte im Jahr 2013 nicht vollständig sei. Der Kläger gab daraufhin die titulierte eidesstattliche Versicherung ab.

Am 29.10.2015 hat die Beklagte vor dem Landesarbeitsgericht die vorliegende Restitutionsklage erhoben.

Die Beklagte behauptet,nachdem die Kooperation zwischen dem Kläger und der Fa. A. zwischenzeitlich beendet worden sei, hätten deren Gesellschafter P. und W. ihr Anfang März 2015 einige Unterlagen/Urkunden zur Verfügung gestellt. Hierbei handele es sich u. a. um den notariellen Treuhandvertrag vom 10.01.2013 zwischen der Ehefrau des Klägers als Treugeberin und Herrn P. als Treuhänder über den dritten Geschäftsanteil der Fa. A. in Höhe von 8.333,00 € (Anlage B2, Bl. 46 ff. d. A.). Des Weiteren beruft sich die Beklagte auf den Anstellungsvertrag zwischen der Ehefrau des Klägers und der Fa. P. & W. Unternehmensberatungs-GmbH vom 10.01.2013 (Anlage B3, Bl. 50 ff. d. A.), die Dienstwagenvereinbarung zwischen der Ehefrau des Klägers und der Fa. P. & W. Unternehmensberatungs-GmbH vom 10.01.2013 (Anlage B4, Bl. 58 ff. d. A.), die Vergütungsrechnung nach §§ 2, 13 RVG des Klägers an Rechtsanwalt P. vom 14.03.2013 (Anlage B5, Bl. 62), die Vergütungsrechnung des Rechtsanwalts P. an die Fa. A. (Anlage B7, Bl. 64). Die Zeugen W. und P. könnten bestätigen, dass die Ehefrau des Klägers nur als Strohfrau für den Kläger den Treuhandvertrag abgeschlossen habe, weil eine direkte Beteiligung des Klägers an der Fa. A. wegen des Wettbewerbsverbots nicht in Betracht gekommen sei. Die tatsächliche Gesellschafterstellung habe nicht Frau G., sondern der Kläger innegehabt. Tatsächlich sei die Ehefrau des Klägers auch von der Fa. A. angestellt worden. Erst nachdem der Kläger im Prozess behauptet habe, dass diese bei der Fa. P. & W. Unternehmensberatungs-GmbH beschäftigt sei, habe man den Vertrag rückdatiert geändert. Das Arbeitsverhältnis sei nur begründet worden, um die Tätigkeit des Klägers für die Fa. A. zu verschleiern und dem Kläger über dessen Ehefrau einen Teil seiner Vergütung zukommen zu lassen. Die Ehefrau des Klägers habe keine Arbeitsleistungen erbracht, weder für die Fa. A. noch für die Fa. P. & W. Unternehmensberatungs-GmbH. Auch das Dienstfahrzeug habe ausschließlich der Kläger genutzt. Für seine Tätigkeit für Fa. A. im Januar 2013 habe der Kläger dem Zeugen P. eine Rechnung erteilt (Anlage B5), die auch beglichen worden sei. Sodann habe Rechtsanwalt P. der A. genau diesen Betrag ebenfalls in Rechnung gestellt (Anlage B7).

Am 02.10.2015 habe sie, die Beklagte, schließlich Kenntnis von der Rechnung des Klägers an die Fa. A. vom 16.05.2014 erhalten mit folgendem Inhalt (Anlage B10, Bl. 84 d. A.):

„Bezug: Mündliche Vereinbarung zwischen Ihnen, Herrn RA P. und dem UnterzeichnerBetr. Monatliche GarantiezahlungenSehr geehrter Herr W.,unter Bezugnahme auf die zwischen Ihnen, Herr RA P. und dem Unterzeichner getroffene mündliche Vereinbarung darf ich Ihnen nachfolgend die Kosten für die Zeit vom 01.02.2013 bis 30.04.2014 aufgeben:Vereinbarte mtl. Zahlung                   6.000,00 Euro

Vom 01.02.2013 bis 30.04.201415 Monat x 6.000,00 Euro= 90.000,00 Euro        19 % MwSt.= 17.100,00 Euro        Insgesamt 107.000,00 EuroDen vorgenannten Betrag bitte ich bis zum 31.05.2014 auf das u. a. Konto zu überweisen.“

Dies belege, dass der Kläger im streitgegenständlichen Zeitraum Januar bis Dezember 2013 gegen das Wettbewerbsverbot verstoßen habe, indem er für die Fa. A. tätig gewesen sei. Wahrheitswidrig habe er bislang jedwede Kooperation mit der Fa. A. abgestritten. Hätten dem Landesarbeitsgericht in dem Verfahren die vorgenannten Urkunden vorgelegen, hätte es die Klage auf Karenzentschädigung bereits dem Grunde nach abgewiesen. Die Anlage K10 sei trotz des Ausstellungsdatums 16.05.2014 als Urkunde i. S. d. § 580 Nr. 7b ZPO anzuerkennen, weil diese Rechnung sich auf den streitgegenständlichen Zeitraum von Februar bis Dezember 2013 beziehe und die gleiche Beweiskraft aufweise, wie bereits eine im früheren Verfahren existente Urkunde. Mit Schriftsatz vom 23.04.2016 hat die Beklagte ein Schreiben des Klägers an die Fa. A. vom 03.10.2014 betreffend „Geschäftsbesorgungsverträge“ (Bl. 123 d. A.) sowie diverse „Honorarvereinbarungen“ vom 03.10.2014 vorgelegt, die nur vom Kläger als Rentenberater nicht aber von der Fa. A. als Prozessfinanzierer unterzeichnet waren (Bl. 125 ff. d. A.). Die Beklagte behauptet, diese Unterlagen seien ihr am 14.04.2016 per Email vom 14.06.2016 durch Herrn W. zugesandt worden.

Die Beklagte und Restitutionsklägerin beantragt,

das rechtskräftige Urteil des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein vom 15.04.2014, Az. 1 Sa 208/13, aufzuheben und die Klage auf Zahlung einer Karenzentschädigung mangels Anspruchsgrundes abzuweisen.

Der Kläger und Restitutionsbeklagte beantragt,

die Restitutionsklage abzuweisen.

Der Kläger meint,die Restitutionsklage sei bereits unzulässig. Die Beklagte habe die Klagefrist gemäß § 586 Abs. 1 ZPO nicht gewahrt. Von den zur Akte gereichten Urkunden der Anlagen B3 2, B4, B5 und B7 habe die Beklagte unstreitig spätestens im März 2015 Kenntnis gehabt. Bezogen auf die Anlage B10 habe die Beklagte nicht glaubhaft gemacht, dass sie hiervon erst am 02.10.2015 erfahren habe. Ungeachtet dessen scheide die Rechnung des Klägers vom 16.05.2014 als Urkunde i. S. v. § 580 Nr. 7b ZPO aus, da sie erst nach Erlass des angefochtenen rechtskräftigen Urteils vom 15.04.2014 erstellt worden sei. Vorliegend handele es sich auch nicht um eine zulässige Ausnahme. Voraussetzung für die Zulässigkeit einer Ausnahme sei, dass es sich um staatliche Urkunden handele, die später errichtet wurden und nach dem Gesetz mit rückwirkender Kraft Geschehnisse der Vergangenheit beweisen. Dies sei hier aber nicht der Fall. Ungeachtet dessen würden diese Unterlagen aber auch nicht einen Wettbewerbsverstoß belegen, aufgrund dieser das Landesarbeitsgericht eine andere Entscheidung getroffen hätte. Dies gelte auch für die Anlage B10. Die Fa. A. hat auf das Schreiben vom 16.05.2014 mit Schreiben vom 27.05.2014 ihm gegenüber „angeblich vereinbarte Zahlungen vollstens“ zurückgewiesen (Bl. 99 d. A.). Er sei auch zu keinem Zeitpunkt Gesellschafter der Fa. A. gewesen, auch nicht mittelbar. Es sei zwar richtig, dass er mit Rechtsanwalt P. als Rentenberater zusammengearbeitet habe und es sich dabei zum Teil um Mandanten gehandelt habe, die mit der Fa. A. einen Prozessfinanzierungsvertrag abgeschlossen hatten. Dies sei aber keine wettbewerbswidrige Tätigkeit im Verhältnis zur Beklagten. Ob seine Ehefrau die gegenüber der Fa. P. & W. geschuldete Arbeitsleistung erbracht habe oder nicht, sei nicht Gegenstand dieses Verfahrens. Indessen sei der Vortrag der Beklagten richtig zu stellen, da seine Frau nur deshalb nicht habe arbeiten können, weil es der Fa. P. & W. nicht gelungen sei, einen Heimarbeitsplatz mit Zugriff auf den Firmenserver einzurichten. Soweit der Zeuge P. in dem Verfahren vor dem Arbeitsgericht Neumünster, 2 Ca 1293 a/14, ausgesagt habe, dass er, der Kläger, für die Fa. A. die Vorprüfung der Verträge, die zwischen Sportlern und A. geschlossen wurden, habe vornehmen sollen, treffe dies nicht zu. Dass er diese Prüftätigkeit auch tatsächlich für die Fa. A. ausgeübt habe, hätten selbst die Zeugen P. und W. nicht bestätigt.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien in der Berufungsinstanz wird auf den Inhalt ihrer wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen sowie den Inhalt der Sitzungsniederschrift vom 26.05.2016 verwiesen.

Gründe

Die Restitutionsklage ist bereits unzulässig.

Gemäß § 79 Satz 1 ArbGG in Verbindung mit § 589 Abs. 1 Satz 1 ZPO ist von Amts wegen zu prüfen, ob die Restitutionsklage an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist erhoben worden ist. Die Restitutionsklage ist zwar an sich statthaft (1.), indessen weder fristgerecht (2.) noch formgerecht (3. - 5.) erhoben worden.

1. Die Restitutionsklage ist gemäß § 578 Abs. 1 ZPO statthaft.

a) Mit der Restitutionsklage begehrt die Beklagte die Aufhebung des rechtskräftigen Urteils des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein vom 15.04.2014, Az. 1 Sa 208/13.

b) Der Statthaftigkeit der Restitutionsklage steht auch nicht das fehlende Rechtsschutzinteresse entgegen. Zwar hat das Landesarbeitsgericht die Berufung des Klägers gegen das klagabweisende Urteil des Arbeitsgerichts zurückgewiesen und damit im Ergebnis die Klagabweisung durch das Arbeitsgericht bestätigt. Indessen ist die Beklagte gleichwohl durch das mit der Restitutionsklage angefochtene Urteil des Landesarbeitsgerichts beschwert, weil das Landesarbeitsgericht in den Urteilsgründen ausgeführt hat, dass die Entschädigungsklage dem Grunde und der Höhe nach in Höhe von 65.700,00 € brutto begründet, aber noch nicht fällig sei. Die Rechtskraftwirkung eines Urteils, mit dem die Klage wegen Fehlens eines bestimmten Tatbestandsmerkmals (z. B. mangelnde Fälligkeit des Anspruchs) als - zur Zeit - unbegründet abgewiesen wird, kann zwar dahin eingeschränkt sein, dass sie der späteren klageweisen Geltendmachung desselben Anspruchs mit der Begründung, dass das bisher fehlende Tatbestandsmerkmal nunmehr gegeben sei, nicht entgegensteht. Das setzt aber stets voraus, dass die Auslegung des Vorurteils ergibt, dass die Klage gerade wegen des Fehlens des Tatbestandsmerkmals, dessen Vorliegen in dem neuen Prozess dargetan werden soll, abgewiesen worden ist (BGH, Urt. v. 17.12.2002 - XI ZR 90/02 - Rn. 13, juris). Vor diesem Hintergrund hat der Kläger nunmehr nochmals Klage auf Zahlung einer Karenzentschädigung - beruhend auf demselben Lebenssachverhalt - vor dem Arbeitsgericht erhoben (2 Ca 1923 a/14). Die Beklagte ist mithin durch die konkreten Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils beschwert, da der Kläger nicht gehindert ist, den gleichen Zahlungsanspruch, der jetzt auch fällig ist, nochmals klagweise geltend zu machen.

2. Die Restitutionsklage ist indessen nicht fristgerecht erhoben worden und bereits aus diesen Gründen unzulässig.

a) Die Restitutionsklage muss gemäß § 586 Abs. 1 ZPO i. V. m. 79 ArbGG vor Ablauf einer Notfrist von einem Monat erhoben werden. Die Frist beginnt mit dem Tag, an dem die Partei von dem Anfechtungsgrund Kenntnis erlangt hat, jedoch nicht vor eingetretener Rechtskraft des Urteils, § 586 Abs. 2 ZPO. Gemäß § 589 Abs. 2 ZPO sind die Tatsachen, die ergeben, dass die Klage vor Ablauf der Notfrist erhoben ist, glaubhaft zu machen. Die Beklagte beruft sich mit ihrer Restitutionsklage ausschließlich auf den Restitutionsgrund des § 580 Nr. 7b ZPO. In diesem Falle ist die Restitutionsklage nur zulässig, wenn der Zeitpunkt des Auffindens der Urkunde unstreitig ist oder der Kläger diesen Zeitpunkt glaubhaft macht.

b) Soweit der Kläger sich auf diverse Urkunden (Treuhandvertrag, Anstellungsvertrag, Dienstwagenvereinbarung, Rechnungen etc.) beruft, die ihr von den Zeugen P. und W. im März 2015 zur Verfügung gestellt worden sind, ist die Klagefrist gemäß § 586 Abs. 1 ZPO augenscheinlich nicht gewahrt. Die Beklagte kann sich allenfalls auf die Urkunde der Anlage B10, an die Fa. A. gerichtete Rechnung des Klägers vom 16.05.2014 (aa) sowie die Urkunden des Anlagenkonvoluts B13, d. h. die vom Kläger vorbereiteten Honorarvereinbarungen mit der Fa. A. vom 03.10.2014 (bb) berufen. In beiden Fällen hat die Beklagte indessen die Wahrung der Klagefrist nicht glaubhaft gemacht.

aa) Der Kläger hat bestritten, dass die Beklagte erst am 02.10.2015 in den Besitz der Anlage B10 gelangt sei. Die Beklagte hat zwar vorgetragen, dass der Zeuge P. ihr im Nachgang zu der Kammerverhandlung vor dem Arbeitsgericht vom 17.09.2015 (2 Ca 1293 a/14) diese Urkunde erstmals per Email am 02.10.2015 übersandt hat. Sie hat aber weder diese Email selbst zur Akte gereicht noch diese Tatsache durch eine eidesstattliche Versicherung des Zeugen P. oder anderweitig gemäß § 294 ZPO glaubhaft gemacht.

bb) Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 23.04.2016 - bei Gericht eingegangen am 26.04.2016 - das Anlagenkonvolut B13 vorgelegt, und behauptet, dass sich aus diesen Urkunden ebenfalls die Konkurrenztätigkeit des Klägers im streitgegenständlichen Zeitraum von Januar bis Dezember 2013 ergebe. Diese Urkunden habe ihr Prozessbevollmächtigter erst nach einem Telefonat von dem Zeugen W. am 14.06.2016 per Email zugesandt bekommen. Auch diese behauptete Tatsache hat die Beklagte nicht gemäß §§ 589 Abs. 2, 294 ZPO glaubhaft gemacht.

3. Die Unzulässigkeit der Restitutionsklage folgt aber auch daraus, dass es sich bei der von der Beklagten zur Begründung der Restitutionsklage vorgelegten Urkunde der Anlage B10 grundsätzlich nicht um eine Urkunde gemäß § 580 Nr. 7b ZPO handelt.

a) Nach § 580 Nr. 7 b ZPO findet die Restitutionsklage statt, wenn eine Partei eine Urkunde auffindet, die eine ihr günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würde. Diese Möglichkeit kann jedoch nur bei Urkunden bestehen, die bei der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz des Vorprozesses überhaupt hätten vorgelegt und vom Gericht berücksichtigt werden können; § 580 Nr. 7 b ZPO findet daher grundsätzlich nur bezüglich solcher Urkunden Anwendung, die zum Zeitpunkt des früheren Verfahrens bereits existiert haben. Maßgeblich ist dabei der Schluss der letzten mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz des Vorprozesses (hier: 11.03.2014) bzw. der Ablauf der Berufungsfrist beim nicht angegriffenen erstinstanzlichen Urteil.

b) Hieran gemessen ist die von der Beklagten als Restitutionsgrund herangezogene Urkunde der Anlage B10 kein gesetzlicher Restitutionsgrund gemäß § 580 Nr. 7b ZPO, weil die Rechnung vom 16.05.2014 erst nach der Berufungsverhandlung vom 11.03.2014 und auch nach dem Verkündungstermin vom 15.04.2014 entstanden ist.

c) Die Anlage B10 kann aber auch nicht ausnahmsweise als Restitutionsgrund im Sinne von § 580 Nr. 7b ZPO zugelassen werden.

aa) Ausnahmsweise ist auch eine nachträglich errichtete Urkunde als gesetzlicher Restitutionsgrund anzuerkennen. Dabei ist aber der Kreis der nach § 580 Nr. 7 b ZPO zuzulassenden nachträglich errichteten Urkunden eng zu ziehen, weil mit der Restitution stets die nur ausnahmsweise zulässige Durchbrechung der Rechtskraft des Urteils einhergeht und bei nachträglich errichteten Urkunden die Gefahr des Missbrauchs besteht (BAG, Urt. v. 22.01.1998 - 2 AZR 455/97 -, Rn. 22, juris). Eine nach der letzten mündlichen Verhandlung des Berufungsgerichts erstellte Urkunde kommt als Restitutionsgrund mithin nur dann ausnahmsweise in Betracht, wenn es sich um eine öffentliche Urkunde handelt, die Tatsachen bekundet, die bis zu diesem Zeitpunkt verortet sind, die Urkunde aber schlechterdings nicht vor Abschluss des Vorprozesses errichtet werden konnte, z. B. die Geburtsurkunde zur Bestimmung des Empfängniszeitpunktes, nachträglicher Anerkennungsbescheid über die Schwerbehinderung im Kündigungsschutzprozess (PG/Meller-Hannich, ZPO, 8. Aufl., Rn. 14 zu § 580).

bb) Hieran gemessen kann die Urkunde der Anlage B10 auch nicht ausnahmsweise als Restitutionsgrund gemäß § 580 Nr. 7b ZPO herangezogen werden. Es liegt kein berechtigter Ausnahmefall vor. Der Kläger hätte die dort auf den streitgegenständlichen Zeitraum Februar bis Dezember 2013 entfallenden monatlichen Garantiezahlungen spätestens im Januar 2014 in Rechnung stellen können. Damit liegt aber kein zwingender Grund vor, dass die in der Rechnung vom 16.05.2014 verorteten Beträge erst nach Schluss der Berufungsverhandlung erstellt werden konnten.

4. Die Beklagte kann sich aber auch nicht mit Erfolg zur Begründung der Restitutionsklage auf die Urkunden des Anlagenkonvoluts B13 berufen. Bei den vorgelegten „Honorarvereinbarungen“ vom 03.10.2014 handelt es sich erkennbar nur um Entwürfe oder einseitige Angebote und nicht um entsprechende Vereinbarungen, d. h. um schriftliche Verträge, die von beiden Seiten unterzeichnet worden sind. Urkunden sind im Sinne von § 580 Nr. 7 b ZPO die Urkunden nach §§ 415 ff. ZPO, die schriftlich verkörperte Gedankenerklärungen enthalten und durch deren Vorlage ein Urkundenbeweis gemäß § 420 ZPO geführt werden kann (OLG Köln, Urt. v. 18.12.2014 - 7 U 106/14 -, Rn. 18, juris). Dementsprechend handelt es sich bei dem Anlagenkonvolut B13 nicht um Urkunden, die eine Vielzahl von geschlossenen Honorarvereinbarungen zwischen dem Kläger und der Fa. A. gemäß § 416 ZPO bestätigen.

5. Auch das von der Beklagten eingereichte Vernehmungsprotokoll des Arbeitsgerichts Neumünster vom 17.09.2015, Az. 2 Ca 1293 a/14, ist grundsätzlich nicht geeignet, einen Restitutionsgrund nach § 580 Nr. 7b ZPO darzustellen (BAG, Urt. v. 22.01.1998 - 2 AZR 455/97 - Rn. 27, juris; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 74. Aufl., Rn. 13 zu § 580; PG/Meller-Hannich, a.a.O, Rn. 14 zu § 580 ZPO). Selbst wenn dem Landesarbeitsgericht dieses Vernehmungsprotokoll vorgelegen hätte, wäre es an die protokollierten Aussagen der Zeugen W. und P. nicht gebunden gewesen. Es hätte möglicherweise die Zeugen erneut vernommen.

6. Nach alledem war die Restitutionsklage als unzulässig zu verwerfen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

Ein gesetzlich begründbarer Anlass zur Zulassung der Revision liegt nicht vor, § 72 Abs. 2 ArbGG.