VG Stade, Urteil vom 30.06.2016 - 1 A 1432/14
Fundstelle
openJur 2016, 9262
  • Rkr:
Tatbestand

Die Klägerin begehrt von dem Beklagten den Erlass einer allgemeinen Vorschrift nach Art. 2 und Art. 3 Abs. 2 der VO (EG) Nr. 1370/2007.

Der Beklagte ist ein Zweckverband, in dem sich Aufgabenträger auf dem Gebiet des öffentlichen Personennahverkehrs zusammengeschlossen haben und zwar die Landkreise Ammerland, Diepholz, Oldenburg, Osterholz, Wesermarsch und Verden sowie die Städte Bremen, Bremerhaven, Delmenhorst und Oldenburg. Über einen Assoziierungsvertrag sind 13 kreisangehörige Gemeinden aus den Landkreisen Cuxhaven, Rotenburg/Wümme und Nienburg in den Verkehrsverbund integriert. Nach § 4 der Satzung des Beklagten ist er im Verbandsgebiet u.a. Aufgabenträger für den öffentlichen Personennahverkehr im Sinne des Personenbeförderungsgesetzes - PBefG -. In dem Nahverkehrsplan, den der Beklagte für sein Zuständigkeitsgebiet aufgestellt hat, ist die Anwendung des Tarifs des Verkehrsverbundes Bremen/Niedersachsen (VBN-Tarif) im gesamten Gebiet des Zweckverbandes vorgesehen.

Am 30. April 2013 beantragte die Klägerin mit einem Haupt- und sechs Hilfsanträgen bei der zuständigen Genehmigungsbehörde im Sinne des PBefG, der F. - G. - GmbH, die Wiedererteilung der Genehmigung für den eigenwirtschaftlichen Linienverkehr für die Zeit nach dem 31. Juli 2015 bis zum 31. Juli 2025 für die im Nahverkehrsplan 2013 - 2017 des Beklagten dem Linienbündel Osterholz-West zugeordneten Linien 641, 642, 643, 644, 645, 646, 650 und 677. Die Anträge erläuterte sie mit gesondertem Schreiben. Zu ihrem Hauptantrag gab sie an, sie gehe davon aus, dass es politisch gewünscht sei, den status quo hinsichtlich des Leistungsumfanges sowie des Tarifs (VBN-Tarif) beizubehalten. Dies mache einen Ausgleich über eine allgemeine Vorschrift erforderlich und zwar in Höhe von mindestens 668.011,31 € p. a.. Die Klägerin stellte den Haupt- sowie die sechs Hilfsanträge erneut, wobei umstritten ist, wann diese Anträge bei der G. GmbH eingegangen sind.

Mit Schreiben vom 8. Juli 2013 wandte sich die Klägerin an den Beklagten. Sie informierte ihn über die gestellten Anträge und erklärte zusätzlich, die zuständige Genehmigungsbehörde werde die Anhörung gemäß § 14 PBefG nicht vor Ablauf der Frist zur Einreichung eigenwirtschaftlicher Anträge am 31. Juli 2014 starten. Allerdings werde der Erlass einer allgemeinen Vorschrift längere Vorbereitungszeit erfordern. Deswegen wende sie sich bereits jetzt an den Beklagten. Fristen, nach denen frühestens die Wiedererteilung der Genehmigung beantragt werden könne, sehe das PBefG nicht mehr vor. Die Klägerin bat den Beklagten, sich zu den Genehmigungsanträgen zu äußern. Sie, die Klägerin, mache einen Anspruch auf auskömmliche Tarife geltend.

Im Oktober 2013 machte der Beklagte im Supplement zum Amtsblatt der EU eine Vorabinformation nach der Richtlinie 2004/18/EG bekannt. Er kündigte eine Direktvergabe des Dienstleistungsauftrages für sieben Linien des Linienbündels Osterholz-West an, nämlich für die Linien 641 - 646 und 650. In der Vorabbekanntmachung wurde dem künftigen Auftragnehmer aufgegeben, den jeweils gültigen VBN-Tarif sowie die jeweils gültigen Tarif- und Beförderungsbedingungen des VBN anzuwenden.

In der Folgezeit erkundigte sich die G. GmbH bei der Klägerin, wie mit ihren Anträgen verfahren werden solle. Der Hauptantrag und ein Teil der Hilfsanträge gingen von Ausgleichszahlungen aufgrund einer allgemeinen Vorschrift aus. Der Aufgabenträger habe aber durch die Vorabbekanntmachung dahingehend interveniert, keine allgemeine Vorschrift zu erlassen. Die übrigen Hilfsanträge seien im Hinblick auf die Genehmigungsfähigkeit problematisch, da sie sich nicht auf die Vorabbekanntmachung bezögen und insbesondere nicht dem dort durch den Aufgabenträger formulierten Niveau entsprächen.

Die Klägerin trat dem entgegen. Die Vorabbekanntmachung umfasse nicht das Bündel, das sie beantragt habe. Der Aufgabenträger habe kein Wahlrecht zwischen dem Erlass einer allgemeinen Vorschrift und der Vergabe eines öffentlichen Dienstleistungsauftrages. Eine Erledigung ihrer Anträge sei nicht eingetreten. Die Vorabbekanntmachung sei rechtswidrig. Sie stelle Forderungen auf, die dem geltenden Nahverkehrsplan insbesondere hinsichtlich der Linienbündelung widersprächen. So sei die Linie 677 laut Vorabbekanntmachung nicht von der Direktvergabe erfasst. Die Vorabbekanntmachung weise weitere Fehler auf. Sie könne für die zuständige Genehmigungsbehörde nicht maßgeblich sein. Höchst hilfsweise stelle sie mit Schreiben vom 23. Januar 2014 weitere Hilfsanträge. Diese Anträge stünden zueinander sowie zu den zunächst gestellten Anträgen im Verhältnis von Haupt- und Hilfsanträgen; sämtliche Anträge seien eigenwirtschaftlich. Die neu gestellten Hilfsanträge unterschieden sich von den bereits gestellten Haupt- und Hilfsanträgen dadurch, dass die Linie 677 nicht enthalten sei, wie dies von der Vorabbekanntmachung vorgesehen sei.

Mit Beschluss vom 12. Februar 2014 wies die Vergabekammer Bremen beim Senator für Umwelt, Bau und Verkehr Bremen den Vergabenachprüfungsantrag der Klägerin zurück (H.).

Nach Anhörung der Klägerin versagte die G. GmbH mit Bescheid vom 18. Juli 2014 die Erteilung der von der Klägerin beantragten gebündelten Genehmigung für die Errichtung, die Linienführung und den Betrieb von eigenwirtschaftlichen Linienverkehren im Hinblick auf die Linien 641 - 646, 650 und 677.

Am 19. August 2014 hat die Klägerin hiergegen Klage erhoben, die sich sowohl gegen die G. GmbH als auch gegen den Beklagten gerichtet hat. Mit ihrem Hauptantrag zu 1. hat sie begehrt, die G. GmbH zu verpflichten, ihr die Genehmigung für die Erbringung des eigenwirtschaftlichen Linienverkehrs mit Kostenausgleich durch eine allgemeine Vorschrift für das Linienbündel Osterholz-West bestehend aus den Linien 641 - 646, 650 und 677 für den Zeitraum vom 1. August 2015 bis zum 31. Juli 2025 zu erteilen. Die Klägerin hat im Übrigen mehrere Hilfsanträge gestellt. Sie hat sich weiter gegen den Kostenfestsetzungsbescheid der G. GmbH vom 7. August 2014 gewandt. Die Kammer hat das Verfahren abgetrennt, soweit sich die Klage gegen die G. GmbH gerichtet hat. Soweit die Klägerin die Erteilung einer Linienverkehrsgenehmigung begehrt, ist das Verfahren unter dem Aktenzeichen 1 A I. anhängig. Dieses Verfahren hat die Kammer dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegt, um das örtlich zuständige Gericht zu bestimmen (§ 53 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 VwGO). Die Klage gegen den Kostenfestsetzungsbescheid ist bei der erkennenden Kammer unter dem Aktenzeichen 1 A J. anhängig.

Mit ihrer gegen den Beklagten gerichteten Klage begehrt die Klägerin die Verpflichtung des Beklagten, eine allgemeine Vorschrift im Sinne der VO (EG) 1370/2007 zu erlassen, mit welcher ihr die Anwendung des VBN-Tarifs als gemeinwirtschaftliche Verpflichtung auferlegt und ihr der durch die Anwendung des VBN-Tarifs entstehende Kostennachteil ausgeglichen wird.

Zur Begründung ihrer Klage trägt die Klägerin vor:

Wenn der Aufgabenträger in die Tarifhoheit der Verkehrsunternehmen zugunsten der Fahrgäste eingreife, setze ein solcher Eingriff zwingend voraus, dass die hieraus erwachsenden Mindereinnahmen durch den Aufgabenträger ausgeglichen würden. Dies ermögliche das europäische Recht durch den Erlass einer allgemeinen Vorschrift gemäß Art. 3 Abs. 2 VO (EG) Nr. 1370/2007. Sie, die Klägerin, habe ein Recht auf einen auskömmlichen Tarif. Ansonsten liege ein Verstoß gegen die Vorschriften des europäischen Rechts vor, werde ihr durch Art. 12 GG garantiertes Recht auf Gewerbefreiheit verletzt und der bundesrechtlich in § 8 Abs. 4 Satz 1 PBefG in Verbindung mit dem in § 8a Abs. 1 PBefG verankerten Vorrang der Eigenwirtschaftlichkeit unterlaufen.

Ihr Anspruch auf Erlass einer allgemeinen Vorschrift nach Art. 3 Abs. 2 VO 1370/2007 folge bereits aus allgemeinen Grundsätzen. Jede natürliche Person und jedes Unternehmen, das eine Leistung erbringe, habe Anspruch auf eine angemessene Vergütung. Es gelte der allgemein anerkannte Grundsatz: „keine Leistung ohne Gegenleistung“. Staatliche Eingriffe in die unternehmerische Freiheit, die gleichzeitig auch einen Eingriff in das private Eigentum bedeuteten, führten zu einem Ausgleichsanspruch. Dieser Grundsatz ergebe sich auch aus Art. 14 Abs. 3 GG. Jede Beschränkung des Eigentums führe zu einem Anspruch auf angemessenen Ausgleich der durch das staatliche Handeln hervorgerufenen Nachteile. Bereits in der VO (EWG) Nr. 1191/69 des Rates vom 26. Juli 1969 über das Vorgehen der Mitgliedstaaten bei mit dem Begriff des öffentlichen Dienstes verbundenen Verpflichtungen auf dem Gebiet des Eisenbahn-, Straßen- und Binnenschiffsverkehrs sei die Möglichkeit vorgesehen gewesen, Verkehrsunternehmen als gemeinwirtschaftliche Verpflichtung eine Tarifpflicht aufzuerlegen. Die Verpflichtung, hierfür einen Ausgleich zu gewähren, habe sich aus Art. 6 Abs. 2 der genannten Verordnung ergeben. Der in der VO (EWG) Nr. 1191/69 verwandte Begriff des „öffentlichen Dienstes“ sei mit dem Begriff der „gemeinwirtschaftlichen Verpflichtung“ gleichzusetzen, den nunmehr die VO (EG) 1370/2007 verwende. Ebenso wie bei der VO (EWG) Nr. 1191/69 ergebe sich aus der VO (EG) Nr. 1370/2007 der Grundsatz, dass eine Beschränkung der unternehmerischen Freiheit, insbesondere auch der Freiheit der Entgeltbestimmung, nur möglich sein solle, wenn hierfür ein Ausgleich gezahlt werde. Die Ausgleichsleistung für die Auferlegung einer gemeinwirtschaftlichen Verpflichtung werde vom europäischen Gesetzgeber in Art. 3 Abs. 1 der VO (EG) Nr. 1370/2007 vorausgesetzt. Diese Verordnung gehe davon aus, dass die Auferlegung einer gemeinwirtschaftlichen Verpflichtung jedenfalls im Rahmen der Vergabe eines öffentlichen Dienstleistungsauftrages erfolge und somit auch die Ausgleichsleistung Gegenstand des öffentlichen Dienstleistungsauftrages sei.

Für den Bereich der Tarifvorgaben gelte Art. 3 Abs. 2 der VO (EG) Nr. 1370/2007 als spezielle Regelung. Für die Auferlegung eines Tarifzwangs werde der Ausgleich durch eine sogenannte „allgemeine Vorschrift“ verlangt. Der Begriff „Höchsttarif“, der in dieser Vorschrift genannt werde, sei missverständlich. Er sei auf Drängen derjenigen Mitgliedstaaten aufgenommen worden, in denen es Verbund- und Gemeinschaftstarife gebe und die hätten verhindern wollen, dass ein Betreiber eines öffentlichen Dienstes allein aufgrund eines Umstandes den Vergaberegeln der VO (EG) Nr. 1370/2007 unterworfen werde, dass er einen Verbund- oder Gemeinschaftstarif anwende. Daher ergebe sich auch aus der VO (EG) Nr. 1370/2007, dass die Auferlegung einer gemeinwirtschaftlichen Verpflichtung ausgleichsbedürftig sei. Der europäische Gesetzgeber setze dies in der genannten Verordnung schlicht voraus. Die VO (EG)                       Nr. 1370/2007 lege fest, wie ein Ausgleich für die Auferlegung der gemeinwirtschaftlichen Verpflichtung gewährt werden könne.

Ihr Anspruch auf Erlass einer allgemeinen Vorschrift ergebe sich auch aus verfassungsrechtlichen Grundsätzen. Art. 12 Abs. 1 GG garantiere den Verkehrsunternehmen, dass sie ihr Gewerbe grundsätzlich ohne Eingriffe der öffentlichen Hand wählen und ausüben könnten. Im Bereich der eigenwirtschaftlichen Verkehrserbringung stehe es ihnen - anders als bei der Vergabe eines öffentlichen Dienstleistungsauftrages - frei, wie sie den von ihnen angebotenen Verkehr ausgestalteten, solange sie die öffentlichen Verkehrsinteressen berücksichtigten und eine ausreichende Verkehrsbedienung sicher stellten. Das Gestaltungsrecht eines eigenwirtschaftlichen Verkehrs sei der Ausgleich für das Risiko, das das Verkehrsunternehmen durch die Erbringung dieses Verkehrs übernehme. Bei eigenwirtschaftlichen Verkehren sei gemäß § 8 Abs. 4 Satz 2 PBefG der Finanzierungsbedarf allein aus Beförderungserlösen und deren Ersatzleistungen gemäß § 45a PBefG und § 145 SGB IX zu decken. Durch die Novelle des PBefG zur Anpassung an die VO (EG) Nr. 1370/2007 sei die Möglichkeit eingeführt worden, derartige Verkehre ohne den Verlust der Eigenwirtschaftlichkeit über eine allgemeine Vorschrift zu finanzieren.

Es sei geklärt, dass der eigenwirtschaftlichen Verkehrserbringung Vorrang vor der Vergabe eines öffentlichen Dienstleistungsauftrages zukomme. Dies sei auch nach der Novellierung des Personenbeförderungsgesetzes aufrechterhalten worden und sei ausdrücklich in § 8 Abs. 4 Satz 1 PBefG und § 8a Abs. 1 Satz 1 PBefG geregelt. Deswegen ergebe sich ein Definitionsrecht des Aufgabenträgers für einen öffentlichen Dienstleistungsauftrag nur, wenn eine eigenwirtschaftliche Verkehrserbringung nicht möglich sei. Die Beurteilung, wann eine Verkehrserbringung eigenwirtschaftlich sei, erfolge durch den Markt. Mit den Vorgaben, die der Beklagte zum Leistungsumfang mache und dazu, dass der politisch gewollte VBN-Tarif angewendet werden müsse, verhindere er eine eigenwirtschaftliche Verkehrserbringung. Damit werde das Definitionsrecht der Verkehrsunternehmen massiv eingeschränkt. Für die eigenwirtschaftliche Verkehrsdienstleistung habe der Beklagte bereits von dem Definitionsrecht Gebrauch gemacht, das ihm erst im Rahmen der Vergabe eines öffentlichen Dienstleistungsauftrages zukomme. Gegenstand des vorliegenden Streits sei daher das allgemeine Definitionsrecht im öffentlichen Personennahverkehr - ÖPNV - für die eigenwirtschaftliche Verkehrserbringung. Der Beklagte überschreite mit seinen Vorgaben seine Eingriffsbefugnisse. Solange er dies tue, müsse er ihr, der Klägerin, zumindest einen angemessenen Ausgleich gewähren, der die Möglichkeit der eigenwirtschaftlichen Verkehrserbringung sicherstelle. Diese Möglichkeit bestehe auch, ohne dass die Eigenwirtschaftlichkeit beseitigt werde. Denn § 8 Abs. 4 Satz 2 PBefG sehe die Gewährung von Ausgleichszahlungen nach der VO (EG) Nr. 1370/2007 ausdrücklich und vorrangig vor. Der Anspruch auf Erlass einer allgemeinen Vorschrift kollidiere nicht mit dem verfassungsrechtlich normierten Recht des Beklagten auf Selbstbestimmung aus Art. 28 Abs. 2 GG, denn im Bereich der eigenwirtschaftlichen Verkehrsbestimmung sei fraglich, ob sich der Beklagte hierauf berufen könne. Der Gesetzgeber habe durch den Vorgang der Eigenwirtschaftlichkeit gerade das Selbstbestimmungsrecht des Beklagten als gegenüber der Gewerbefreiheit der Klägerin nachrangig ausgestaltet. Im Übrigen habe der Beklagte dieses Recht bereits dadurch ausgeübt, dass er im Rahmen der Aufstellung des Nahverkehrsplanes und der Vorabbekanntmachung Vorgaben für die eigenwirtschaftliche Verkehrserbringung aufgestellt habe.

Ihr Anspruch auf Erlass einer allgemeinen Vorschrift ergebe sich auch aus den Regelungen des Personenbeförderungsgesetzes. Er resultiere zunächst aus § 39 PBefG, wonach sie, die Klägerin, das Recht habe, die anzuwendenden Tarife zu bestimmen. In diesem Bereich komme der Genehmigungsbehörde allein die Rechtsaufsicht zu. Hieraus ergebe sich ein Rechtsanspruch der Verkehrsunternehmen auf ein angemessenes Beförderungsentgelt. Sei die vorrangige eigenwirtschaftliche Verkehrserbringung gefährdet, müsse sich die Genehmigungsbehörde - sofern die Erhöhung der Beförderungsentgelte nach ihrer Ansicht mit den öffentlichen Verkehrsinteressen nicht in Einklang zu bringen sei - mit dem Aufgabenträger in Verbindung setzen um zu klären, welche tarifpolitischen Zielsetzungen er verfolge. Halte die Genehmigungsbehörde die Tariferhöhungen ganz oder teilweise für unerwünscht habe sie dem Aufgabenträger nahezulegen, eine Ausgleichszahlung an das Verkehrsunternehmen über eine allgemeine Vorschrift zu gewähren. Dies könne nach Teilen der Literatur sogar in Form eines Verwaltungsaktes erfolgen. Wolle der Aufgabenträger an dem niedrigen Tarif festhalten, habe er dem Verkehrsunternehmen die gemeinwirtschaftliche Verpflichtung aufzuerlegen, diesen Tarif anzuwenden, der die Eigenwirtschaftlichkeit gefährde. Gleichzeitig habe er dem Verkehrsunternehmen jedoch den hierdurch entstehenden Nachteil durch Erlass der allgemeinen Vorschrift auszugleichen, um die Eigenwirtschaftlichkeit sicherzustellen. Der Beklagte müsse sich entscheiden, ob er der Klägerin zur Sicherung der Eigenwirtschaftlichkeit einen höheren, aber auskömmlichen Haustarif gewähre oder ob er an seinen tarifpolitischen Zielen festhalte und der Klägerin zur Sicherung der Eigenwirtschaftlichkeit einen Ausgleich über eine allgemeine Vorschrift zahle. Der Anwendungszwang des VBN-Tarifs ohne den Ausgleich über eine allgemeine Vorschrift beschränke sie in unzulässiger Weise in ihrem Tarifgestaltungsrecht aus § 39 PBefG.

Der mit dem vorliegenden Verfahren verfolgte Anspruch ergebe sich auch aus § 13 Abs. 2a PBefG in Verbindung mit dem Vorrang der Eigenwirtschaftlichkeit. Aus Satz 5 des § 13 Absatz 2a PBefG ergebe sich der gesetzgeberische Wille, dass eine Vorgabe des Aufgabenträgers hinsichtlich des anzuwendenden Tarifes nur dann verbindlich sein könne, wenn er hierfür auch einen angemessenen Ausgleich zahle. Nur in diesem Fall könne ein abweichender eigenwirtschaftlicher Antrag von der Genehmigungsbehörde versagt werden. § 13 Abs. 2a PBefG solle gerade die eigenwirtschaftliche Erbringung sicherstellen. Dies sei die zwingende Folge des im PBefG gesetzgeberisch festgelegten Vorrangs der Eigenwirtschaftlichkeit. Das Ausgestaltungs- und Tarifbestimmungsrecht im Bereich der eigenwirtschaftlichen Verkehrserbringung liege nach dem Willen des Gesetzgebers bei dem Unternehmen. Greife der Aufgabenträger im Bereich der eigenwirtschaftlichen Verkehrserbringung in die Ausgestaltungsrechte des Unternehmens ein, könne er dies nur, sofern er dem Unternehmen für die hierdurch entstehenden Nachteile einen Ausgleich nach Art. 3 Abs. 2 der VO (EG) Nr. 1370/2007 gewähre. Da § 13 Abs. 2a PBefG die eigenwirtschaftliche Verkehrserbringung sicherstellen solle und wegen der Definition der Eigenwirtschaftlichkeit in § 8 Abs. 4 PBefG könne der Ausgleich nur durch den Erlass einer allgemeinen Vorschrift erfolgen. Denn die Vergabe eines öffentlichen Dienstleistungsauftrages stehe der Eigenwirtschaftlichkeit entgegen. Da der Gesetzgeber eigenwirtschaftliche Verkehre als gegenüber der Vergabe eines öffentlichen Dienstleistungsauftrages vorrangig festgelegt habe, habe er zugleich festgelegt, dass der Erlass einer allgemeinen Vorschrift vorrangig vor der Vergabe eines öffentlichen Dienstleistungsauftrages sei. Diese Rechtsauffassung teile auch das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur in seinem Schreiben vom 11. September 2014.

Dem Beklagten stehe im Rahmen des Art. 3 der VO (EG) Nr. 1370/2007 kein Wahlrecht zu. Dies gelte ungeachtet des Wortlauts der Vorschrift. Diese stelle lediglich klar, dass der Behörde zwei Möglichkeiten zur Verfügung stünden, einen Ausgleich zu leisten. Ein Vorrangverhältnis zwischen diesen beiden Möglichkeiten regele Art. 3 VO (EG) Nr. 1370/2007 nicht. Wegen der unterschiedlichen Ausformungen der nationalrechtlichen Vorschriften der Mitgliedstaaten sei dies auch gar nicht möglich. Als sekundäres Gemeinschaftsrecht habe die Vorschrift den Anspruch, in jedem Mitgliedstaat unmittelbare und verbindliche Geltung zu entfalten. Der europäische Gesetzgeber müsse sich deswegen auf eine allgemeine Auflistung der zulässigen Möglichkeiten beschränken. Die VO (EG) Nr. 1370/2007 sei ausdrücklich auf gemeinwirtschaftliche Verkehre beschränkt. Sie beanspruche gerade keine Geltung für alle Angebote des öffentlichen Personennahverkehrs. Insbesondere stelle der Erwägungsgrund Nr. 5 der Verordnung klar, dass kommerzielle, d.h. eigenwirtschaftliche Verkehre der Verordnung nicht unterfallen sollten. Für den eigenwirtschaftlichen Bereich solle die Vorschrift keine unmittelbare Anwendung finden. Damit habe der europäische Verordnungsgeber auch den in Deutschland nach § 8 Abs. 4 PBefG in Verbindung mit § 8 Abs. 1 Satz 1 PBefG bestehenden Vorrang der Eigenwirtschaftlichkeit unangetastet gelassen.

Nach § 8 Abs. 4 PBefG ließen auch Ausgleichsleistungen auf der Basis einer allgemeinen Vorschrift nach Art. 3 Abs. 2 VO (EG) Nr. 1370/2007 die Eigenwirtschaftlichkeit unberührt. Dies ergebe sich aus der Gesetzesbegründung. Der nationale Gesetzgeber habe sich für die eigenwirtschaftliche Verkehrserbringung des Finanzierungsinstruments der allgemeinen Vorschrift bedient. Ausgleichsleistungen auf der Basis einer allgemeinen Vorschrift seien als Bestandteil der Eigenwirtschaftlichkeit integriert worden. Der nationale Gesetzgeber habe ausdrücklich nur auf das Finanzierungsinstrument des Art. 3 Abs. 2 VO (EG) Nr. 1370/2007 abgestellt und gerade nicht auf das gesamte Regelungsgefüge des Art. 3 VO (EG) Nr. 1370/2007.

Für den Anspruch auf Erlass einer allgemeinen Vorschrift, den sie, die Klägerin, geltend mache, seien daher gerade nicht vorrangig die Regelungen der VO (EG)           Nr. 1370/2007 maßgeblich, sondern ausschließlich die nationalen Regeln des § 8 Abs. 4 PBefG in Verbindung mit § 8a Abs. 1 Satz 1 PBefG. Die Regelungen zu Ausgleichsleistungen über allgemeine Vorschriften der VO (EG) Nr. 1370/2007 kämen in der Bundesrepublik lediglich aufgrund des ausdrücklichen Verweises in § 8 Abs. 4 Satz 2 PBefG und § 13 Abs. 2a Satz 5 PBefG zur Anwendung. Der europäische Verordnungsgeber habe den Rahmen und das „Handwerkszeug“ der Regulierung und Finanzierung des ÖPNV vorgegeben, die national rechtliche Ausgestaltung jedoch den einzelnen Mitgliedstaaten überlassen. Mit dem Verweis in § 8 Abs. 4 Satz 2 PBefG auf Art. 3 Abs. 2 und 3 der VO (EG) Nr. 1370/2007 und mit dem Verweis in § 13 Abs. 2a Satz 5 PBefG habe der nationale Gesetzgeber unter Berücksichtigung des Vorrangs der Eigenwirtschaftlichkeit der Verkehrsunternehmen einen Ausgleichsanspruch über eine allgemeine Vorschrift nach Art. 3 Abs. 2 VO (EG) Nr. 1370/2007 eingeräumt, wenn der Aufgabenträger die Anwendung eines unauskömmlichen Tarifs auch im eigenwirtschaftlichen Bereich als zwingend vorgebe.

Nach § 8 Abs. 4 PBefG i.V. mit § 8a Abs. 1 Satz 1 PBefG bestehe gerade kein Wahlrecht, sondern die vorrangige Pflicht, Verkehre eigenwirtschaftlich zu erbringen. Bei eigenwirtschaftlichen Anträgen müsse der Beklagte vorrangig eine allgemeine Vorschrift erlassen, um die eigenwirtschaftliche Verkehrserbringung zu ermöglichen. Erst wenn der Verkehr auch unter Einbeziehung des Ausgleichs des Deltas zwischen einem auskömmlichen und einem unauskömmlichen Tarif nicht eigenwirtschaftlich zu erbringen sei, könne der Beklagte einen öffentlichen Dienstleistungsauftrag vergeben.

Auch aus § 8a Abs. 1 Satz 2 PBefG ergebe sich kein Wahlrecht des Aufgabenträgers. Dies gelte ungeachtet des Wortlauts, der zwei Alternativen nenne. § 8a Abs. 1 Satz 2 PBefG sei aufgrund seiner systematischen Stellung im Zusammenhang mit § 8a Abs. 1 Satz 1 PBefG zu lesen.

Die Klägerin stellt folgende Anträge:

Haupt- und Hilfsanträge vom 30.4.2013:

1. Der Beklagte wird verpflichtet, eine allgemeine Vorschrift im Sinne des Art. 3 Abs. 2 VO (EG) 1370/2007 zu erlassen, mit welcher der Klägerin die Anwendung des VBN-Tarifs als gemeinwirtschaftliche Verpflichtung auferlegt und der Klägerin der durch die Anwendung des VBN-Tarifs entstehende Kostennachteil gemäß ihrem Hauptantrag vom 30.4.2013 in Höhe von EUR 668.011,31 p. a. ausgeglichen wird.

Hilfsweise:

2. Der Beklagte wird verpflichtet, eine allgemeine Vorschrift im Sinne des Art. 3 Abs. 2 VO (EG) 1370/2007 zu erlassen, mit welcher der Klägerin die Anwendung des VBN-Tarifs als gemeinwirtschaftliche Verpflichtung auferlegt und der Klägerin der durch die Anwendung des VBN-Tarifs entstehende Kostennachteil gemäß ihrem Hilfsantrag 4 vom 30.4.2013 in Höhe von EUR 468.854,77 p. a. ausgeglichen wird.

Hilfsweise:

3. der Beklagte wird verpflichtet, eine allgemeine Vorschrift im Sinne des Art. 3 Abs. 2 VO (EG) 1370/2007 zu erlassen, mit welcher der Klägerin die Anwendung des VBN-Tarifs als gemeinwirtschaftliche Verpflichtung auferlegt und der Klägerin der durch die Anwendung des VBN-Tarifs entstehende Kostennachteil gemäß ihrem Hilfsantrag 5 vom 30.4.2013 in Höhe von EUR 631.721,21 p. a. ausgeglichen wird.

Hilfsweise:

4. der Beklagte wird verpflichtet, eine allgemeine Vorschrift im Sinne des Art. 3 Abs. 2 VO (EG) 1370/2007 zu erlassen, mit welcher der Klägerin die Anwendung des VBN-Tarifs als gemeinwirtschaftliche Verpflichtung auferlegt und der Klägerin der durch die Anwendung des VBN-Tarifs entstehende Kostennachteil gemäß ihrem Hilfsantrag 6 vom 30.4.2013 in Höhe von EUR 124.883,91 p. a. ausgeglichen wird.

Hilfsweise zu den Haupt und Hilfsanträgen vom 30.4.2013 (Anträge vom 1.5.2013):

5. Der Beklagte wird verpflichtet, eine allgemeine Vorschrift im Sinne des Art. 3 Abs. 2 VO (EG) 1370/2007 zu erlassen, mit welcher der Klägerin die Anwendung des VBN-Tarifs als gemeinwirtschaftliche Verpflichtung auferlegt und der Klägerin der durch die Anwendung des VBN-Tarifs entstehende Kostennachteil gemäß ihrem Hauptantrag vom 1.5.2013 in Höhe von EUR 668.011,31 p. a. ausgeglichen wird.

Hilfsweise:

6. Der Beklagte wird verpflichtet, eine allgemeine Vorschrift im Sinne des Art. 3 Abs. 2 VO (EG) 1370/2007 zu erlassen, mit welcher der Klägerin die Anwendung des VBN-Tarifs als gemeinwirtschaftliche Verpflichtung auferlegt und der Klägerin der durch die Anwendung des VBN-Tarifs entstehende Kostennachteil gemäß ihrem Hilfsantrag 4 vom 1.5.2013 in Höhe von EUR 468.854,77 p. a. ausgeglichen wird.

Hilfsweise:

7. Der Beklagte wird verpflichtet, eine allgemeine Vorschrift im Sinne des Art. 3 Abs. 2 VO (EG) 1370/2007 zu erlassen, mit welcher der Klägerin die Anwendung des VBN-Tarifs als gemeinwirtschaftliche Verpflichtung auferlegt und der Klägerin der durch die Anwendung des VBN-Tarifs entstehende Kostennachteil gemäß ihrem Hilfsantrag 5 vom 1.5.2013 in Höhe von EUR 631.721,21 p. a. ausgeglichen wird.

Hilfsweise:

8. Der Beklagte wird verpflichtet, eine allgemeine Vorschrift im Sinne des Art. 3 Abs. 2 VO (EG) 1370/2007 zu erlassen, mit welcher der Klägerin die Anwendung des VBN-Tarifs als gemeinwirtschaftliche Verpflichtung auferlegt und der Klägerin der durch die Anwendung des VBN-Tarifs entstehende Kostennachteil gemäß ihrem Hilfsantrag 6 vom 1.5.2013 in Höhe von EUR 124.883,91 p. a. ausgeglichen wird.

Hilfsweise zu den Haupt- und Hilfsanträgen vom 1.5.2013 (Anträge vom 23.1.2014):

9. Der Beklagte wird verpflichtet, eine allgemeine Vorschrift im Sinne des Art. 3 Abs. 2 VO (EG) 1370/2007 zu erlassen, mit welcher der Klägerin die Anwendung des VBN-Tarifs als gemeinwirtschaftliche Verpflichtung auferlegt und der Klägerin der durch die Anwendung des VBN-Tarifs entstehende Kostennachteil gemäß ihrem Hilfsantrag 7 in Höhe von EUR 408.211,50 p. a. ausgeglichen wird.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung trägt er vor:

Die Frage des Erlasses einer allgemeinen Vorschrift könne sich erst dann stellen, sofern sich die Intervention des Aufgabenträgers auf reine Tarifintervention beschränke. Sei es darüber hinaus im öffentlichen Verkehrsinteresse erforderlich, etwa bei Fahrplan, Qualität oder der Integration des ÖPNV einzugreifen, sei für die Maßnahmen der Abschluss eines öffentlichen Dienstleistungsauftrages erforderlich. Da er, der Beklagte, ausdrücklich durch einen öffentlichen Dienstleistungsauftrag in den ÖPNV eingreifen wolle, sei kein Raum für den Erlass allgemeiner Vorschriften. Im Übrigen ergebe sich aus den maßgeblichen Rechtsgrundlagen keine Pflicht zum Erlass allgemeiner Vorschriften. Da sämtliche gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen, die über eine Höchsttarif-Intervention hinausgingen, zwingend in einem öffentlichen Dienstleistungsauftrag zu regeln seien, gelte der Vorrang der eigenwirtschaftlichen Erbringung von Verkehrsleistung insofern nur bedingt. Er sei eine reine Marktabgrenzungsregelung, die keinerlei Konsequenzen für die Art und Weise habe, wie der Aufgabenträger seinen Sicherstellungsauftrag ausführe. Es gebe deswegen keine Verpflichtung des Aufgabenträgers, allgemeine Vorschriften zu erlassen.

Diese Auffassung werde auch seit jeher vom Bund/Länder-Fachausschuss „Straßenpersonenverkehr“ geteilt. Das Wahlrecht des Aufgabenträgers ergebe sich aus Art. 3 VO (EG) Nr. 1370/2007. Dieses könne nicht durch nationales Recht eingeschränkt werden. Auch die Gesetzesbegründung zu § 13 Abs. 2a PBefG spreche für ein derartiges Wahlrecht. Daraus werde deutlich, dass der deutsche Gesetzgeber nicht nur ein ausdrückliches Wahlrecht des Aufgabenträgers vorsehe, sondern einen Vorrang des öffentlichen Dienstleistungsauftrages. Einer bundesrechtlichen Regelung, die einen Anspruch auf Erlass einer allgemeinen Vorschrift vorsehe, stünden verfassungsrechtliche Bedenken entgegen, denn für den ÖPNV seien die Länder zuständig. Aus dem Vorrang der Eigenwirtschaftlichkeit könne ein Anspruch auf die Schaffung allgemeiner Vorschriften nicht hergeleitet werden. Ausgleichszahlungen auf der Grundlage von allgemeinen Vorschriften nach Art. 3 Abs. 2 und Abs. 3 der VO (EG) Nr. 1370/2007 gehörten zu den Erträgen von Verkehrsunternehmen, die eine Eigenwirtschaftlichkeit der betreffenden Verkehrsleistung begründen könnten. § 8 Abs. 4 PBefG regele nichts dazu, wie die Finanzierung der zur Eigenwirtschaftlichkeit führenden Erträge aufzubringen sei. Der Vorrang der Eigenwirtschaftlichkeit sei nach der Systematik des § 8 Abs. 4 PBefG Rechtsfolge der Ertragslage eines Verkehrsunternehmens, nicht aber Tatbestandsvoraussetzung für die Gewährung bestimmter Finanzierungsleistungen an die Verkehrsunternehmen. Die Klägerin könne sich auch nicht mit Erfolg auf die unternehmerische Handlungsfreiheit im Sinne einer „autonomen gewerblichen Planung“ berufen. Auch im Falle eigenwirtschaftlicher Verkehrsleistungen könne der Unternehmer hinsichtlich der Verkehrsleistungen und des anzuwendenden Tarifs niemals gänzlich frei agieren. Dies folge daraus, dass die Durchführung von ÖPNV-Leistungen verkehrsgewerberechtlich zugelassen werden müsse und von der Einhaltung konkreter Anforderungen abhängig sei. Hierzu gehöre unter anderem § 13 Abs. 2 Nr. 3 PBefG, wonach die Genehmigung zwingend zu versagen sei, sofern durch den beantragten Verkehr die öffentlichen Verkehrsinteressen beeinträchtigt würden. Neben den in § 13 Abs. 2 Nr. 3 lit a) - lit c) genannten Verkehrsinteressen zählten hierzu auch unbenannte öffentliche Verkehrsinteressen wie beispielsweise die fehlende Unauskömmlichkeit der Verkehre sowie die Unvereinbarkeit mit einem Nahverkehrsplan des Aufgabenträgers, wie es sich ausdrücklich aus § 13 Abs. 2a PBefG ergebe.

Der Nahverkehrsplan als Rahmenplan sei das Instrument des Aufgabenträgers, die Anforderungen an den von ihm gewünschten Verkehr zu definieren. Dabei sei es unerheblich, ob es sich um einen eigen- oder einen gemeinwirtschaftlichen Verkehr handele. Bei dessen Konkretisierung sei der Aufgabenträger im Rahmen seines Ermessensspielraums frei. Dies ergebe sich ausdrücklich aus § 8 Abs. 3 Satz 1 PBefG sowie aus § 4 in Verbindung mit § 6 NNVG. Die eigenverantwortliche Entscheidung des Aufgabenträgers über die Planung und die Verwendung der Haushaltsmittel für Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften sei durch Art. 28 Abs. 2 GG garantiert.

Wenn die Klägerin ausführe, im Falle gemeinwirtschaftlicher Verkehre stehe den Unternehmen keine Gewerbefreiheit zu, sei dies fehlerhaft. Auch die Verkehrsdurchführung auf „vertraglicher“ Basis sei nicht per se eine Einschränkung der Gewerbefreiheit. Denn gerade die Wahl des Verkehrsvertrages erlaube eine mehr oder weniger starke Verantwortung des Verkehrsunternehmers für die beauftragten Verkehre. Es gebe keinen Unterschied zwischen einer eigenwirtschaftlichen und einer gemeinwirtschaftlichen Genehmigung. Eine solche Klassifizierung finde sich im PBefG in der nun geltenden Fassung nicht wieder. Aus § 39 PBefG ergebe sich der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch ebenfalls nicht. Eine Tarifgenehmigung erfolge nicht „im luftleeren Raum“, sondern der Unternehmer habe nur dann einen Anspruch auf Tarifzustimmung, sofern der Tarif im öffentlichen Verkehrsinteresse liege. Wünsche der Aufgabenträger einen anderen Tarif als denjenigen, der von dem Unternehmer beantragt werde, stehe es in seinem Ermessen, dies im Rahmen eines öffentlichen Dienstleistungsauftrages zu regeln und auszugleichen. Es folge gerade keine Pflicht zum Erlass einer allgemeinen Vorschrift.

Entgegen der Auffassung der Klägerin habe der Unternehmer auch keinen Anspruch auf einen auskömmlichen bzw. kostendeckenden Tarif, d.h., dass ihm letztlich sämtliche Verluste im Wege allgemeiner Vorschriften ausgeglichen werden müssten, damit die Verkehre wegen des vermeintlichen Vorrangs eigenwirtschaftlich erbracht werden könnten. Das sei schon deswegen nicht zutreffend, weil über die allgemeine Vorschrift nur Tarifausgleiche geleistet werden dürften. Betriebskosten dürften gerade nicht über dieses Instrument getragen werden. Dabei sei der Begriff des Höchsttarifes wörtlich zu nehmen; es dürften nur Tarife im Sinne gemeinwirtschaftlicher Verpflichtungen reduziert werden. Die ursprünglichen Tarife hingegen müssten kostendeckend sein, denn sonst könnten sie am Markt nicht bestehen. Über eine allgemeine Vorschrift sei es nicht möglich, ein bestimmtes Angebotsniveau vorzuschreiben oder zu fördern. Es gebe gerade keinen Anspruch auf die Genehmigung auskömmlicher, d.h. kostendeckender Tarife. Das Bundesverwaltungsgericht habe mehrfach für Recht erkannt, dass der ÖPNV regelmäßig defizitär sei und dass der Tarif auch sozialen Aspekten gerecht werden müsse, so dass Rabatte zu gewähren seien, die im Ergebnis nur sehr begrenzt durch Einnahmen bei anderen Fahrausweisen ausgeglichen werden könnten. Unrichtig sei auch die Auffassung der Klägerin, dass die VO (EG) Nr. 1370/2007 auf eigenwirtschaftliche Genehmigungen nicht anzuwenden sei. Eine Teilbereichsausnahme, wie sie Art. 1 Abs. 1 Unterabsatz 2 der VO (EWG) Nr. 1191/69 für eigenwirtschaftliche Verkehre vorgesehen habe, sei in der VO (EG) Nr. 1370/2007 nicht mehr geregelt.

Ein Anspruch auf Erlass einer allgemeinen Vorschrift folge auch nicht aus § 13 Abs. 2a PBefG bzw. dem Vorrang der Eigenwirtschaftlichkeit. Zwar könne der Klägerin zugestimmt werden, wenn sie davon ausgehe, dass § 13 Abs. 2a PBefG der Sicherstellung der eigenwirtschaftlichen Verkehrserbringung dienen solle. Allerdings spreche diese Regelung eher dafür, eine von Seiten des Aufgabenträgers vorgesehene wettbewerbsrechtliche Vergabe gegen eigenwirtschaftliche Verkehrsleistungen abzusichern, die nicht den Vorgaben der Vorabbekanntmachung entspreche.

Wegen des weiteren Vortrags der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze, wegen des Sachverhalts im Übrigen wird auf die Gerichtsakten sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der LNVG GmbH Bezug genommen.

Gründe

Die Klage bleibt sowohl mit dem Hauptantrag als auch mit sämtlichen Hilfsanträgen ohne Erfolg.

Die Klägerin kann allerdings ihr Begehren im Wege der Verpflichtungsklage verfolgen, denn die von der Klägerin erstrebte allgemeine Vorschrift kann auch durch einen Verwaltungsakt in Form einer Allgemeinverfügung im Sinne des § 35 Satz 2 VwVfG (i.V. mit § 1 Nds.VwVfG) ergehen; das ist ein Verwaltungsakt, der sich an einen nach allgemeinen Merkmalen bestimmten oder bestimmbaren Personenkreis richtet oder die öffentlich-rechtliche Eigenschaft einer Sache oder ihre Benutzung durch die Allgemeinheit betrifft.

Die allgemeine Vorschrift ist durch die Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 des europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2007 über öffentliche Personenverkehrsdienste auf Schiene und Straße und zur Aufhebung der Verordnungen (EWG)  Nr. 1191/69 und (EWG) Nr. 1107/70 des Rates - VO (EG) Nr. 1370/2007 - (Abl. L 315/1) eingeführt worden. Sie ist eine Maßnahme, die diskriminierungsfrei für alle öffentlichen Personenverkehrsdienste derselben Art in einem bestimmten geografischen Gebiet gilt, das im Zuständigkeitsbereich einer zuständigen Behörde liegt [Art 2 lit. I) der VO (EG) Nr. 1370/2007] und beruht auf Art. 3 der VO (EG) Nr. 1370/2007. Gewährt eine zuständige Behörde dem ausgewählten Betreiber ausschließliche Rechte und/oder Ausgleichsleistungen gleich welcher Art für die Erfüllung gemeinwirtschaftlicher Verpflichtungen, so erfolgt dies nach Art. 3 Abs. 1 VO (EG) Nr. 1370/2007 im Rahmen eines öffentlichen Dienstleistungsauftrages. Abweichend von Art. 3 Abs. 1 können nach Art. 3 Abs. 2 Satz 1 der VO (EG) Nr. 1370/2007 gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen zur Festsetzung von Höchsttarifen für alle Fahrgäste oder bestimmte Gruppen von Fahrgästen auch Gegenstand allgemeiner Vorschriften sein. Die zuständige Behörde gewährt hiermit den Betreibern eines öffentlichen Dienstes nach den in Art. 4 und 6 und im Anhang der Verordnung festgelegten Grundsätzen eine Ausgleichsleistung für die - positiven oder negativen - finanziellen Auswirkungen auf die Kosten und Einnahmen, die auf die Erfüllung der in den allgemeinen Vorschriften festgelegten tariflichen Verpflichtungen zurückzuführen sind; dabei vermeidet sie eine übermäßige Ausgleichsleistung [Art. 3 Abs. 2 Satz 2 VO (EG) Nr. 1370/2007]. Dies gilt ungeachtet des Rechts der zuständigen Behörde, gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen zur Festsetzung von Höchsttarifen in öffentliche Dienstleistungsaufträge aufzunehmen [Art. 3 Abs. 2 Satz 3 der VO (EG) Nr. 1370/2007].

Die allgemeine Vorschrift in diesem Sinne ist ein Instrument, mit dem der Staat Verkehrsunternehmen eine Ausgleichsleistung für die Kosten gewähren kann, die ihnen dadurch entstehen, dass sie gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen in Form von Höchsttarifen, die den Unternehmen verpflichtend vorgegeben werden, erfüllen (Schieferdecker, Die Rechtsgrundlage zum Erlass allgemeiner Vorschriften im Sinne von Art. 3 Abs. 2 der VO (EG) 1370/2007, GewArch 2014, 6 ff; Winnes, Die allgemeine Vorschrift als Steuerungs- und Finanzierungsinstrument im ÖPNV, Kommunale Praxis Spezial 2/2013, S. 96 ff). Die Vorgaben der allgemeinen Vorschrift gelten flächendeckend für alle gleichartigen Verkehrsangebote eines bestimmten Gebietes (hierzu: Winnes, Die allgemeine Vorschrift als Steuerungs- und Finanzierungsinstrument im ÖPNV, Kommunale Praxis Spezial 2/2013, S. 96). „Gemeinwirtschaftliche Verpflichtung“ ist dabei eine von der zuständigen Behörde festgelegte oder bestimmte Anforderung im Hinblick auf die Sicherstellung von im allgemeinen Interesse liegenden öffentlichen Personenverkehrsdiensten, die der Betreiber unter Berücksichtigung seines eigenen wirtschaftlichen Interesses nicht oder nicht im gleichen Umfang oder nicht zu den gleichen Bedingungen ohne Gegenleistung übernommen hätte [Art. 2 lit. e) VO (EG) Nr. 1370/2007].

Die Allgemeinverfügung im Sinne des § 35 Satz 2 VwVfG ist ein für den Erlass einer allgemeinen Vorschrift geeignetes Handlungsinstrument, da sie zum einen die notwendige Verbindlichkeit hat, zum anderen für ein bestimmtes geografisches Gebiet erlassen werden kann (so auch Fehling in Heinze/Fehling/Fiedler, PBefG, 2. Aufl., § 8a   Rn. 17; Schieferdecker, Die Rechtsgrundlage zum Erlass allgemeiner Vorschriften im Sinne von Art. 3 Abs. 2 der VO (EG) Nr. 1370/2007, GewArch 2014, 6, m.w.N.; a. A. wohl: Winnes, Die allgemeine Vorschrift als Steuerung- und Finanzierungsinstrument im ÖPNV, Kommunale Praxis Spezial 2/2013, der nur die Satzung als mögliche Handlungsform nennt).

59Die Klägerin hat aber keinen Anspruch darauf, dass der Beklagte in einem bestimmten Geltungsgebiet eine allgemeine Vorschrift erlässt, mit welcher der Klägerin die Anwendung des VBN-Tarifs als gemeinwirtschaftliche Verpflichtung auferlegt und ihr der durch die Anwendung des VBN-Tarifs entstehende Kostennachteil in der von der Klägerin in ihren Anträgen geltend gemachten Höhe ausgeglichen wird.

Ein solcher Anspruch ergibt sich zunächst nicht aus dem Personenbeförderungsgesetz vom 8. August 1990, BGBl I S. 1690, in der Fassung des Gesetzes zur Änderung personenbeförderungsrechtlicher Vorschriften vom 14. Dezember 2012, BGBl. I 2012, 2598, zuletzt geändert durch Gesetz vom 17. Februar 2016, BGBl. I, 203 - PBefG -. Dabei kann offen bleiben, inwiefern insoweit überhaupt subjektiv-öffentliche Rechte der Klägerin bestehen können. Denn dem PBefG kann bereits nicht die Verpflichtung des Aufgabenträgers entnommen werden, vor der Vergabe eines öffentlichen Dienstleistungsauftrages vorrangig von dem Instrument der allgemeinen Vorschrift im Sinne des Art. 3 Abs. 2 der VO (EG) Nr. 1370/2007 Gebrauch zu machen. Das Gesetz enthält keine Vorschrift, die eine derartige Verpflichtung zum Inhalt hat. Aus dem Zusammenhang einzelner Bestimmungen untereinander ergibt sich ebenfalls kein Vorrang der allgemeinen Vorschrift.

Ein solcher folgt zunächst nicht aus § 8a PBefG oder aus § 8 Abs. 4 PBefG. Nach § 8a Abs. 1 Satz 2 PBefG kann die zuständige Behörde im Sinne der VO (EG)                   Nr. 1370/2007 zur Sicherstellung einer ausreichenden Verkehrsbedienung allgemeine Vorschriften im Sinne des Art. 3 Abs. 2 und 3 der VO (EG) Nr. 1370/2007 erlassen  oder öffentliche Dienstleistungsaufträge nach Maßgabe des Art. 3 Abs. 1 der VO (EG) Nr. 1370/2007 erteilen. Nach dem Wortlaut des § 8a Abs. 1 Satz 2 PBefG sind beide Handlungsoptionen nebeneinander vorgesehen, ein Vorrangverhältnis zu Gunsten der allgemeinen Vorschrift besteht danach nicht (so auch VG Augsburg, Urt. v. 24.3.2015 - Au 3 K 15.79 -, Fehling in Heinze/Fehling/Fiedler, PBefG, 2. Aufl., § 8a Rn. 19; Knauff, Defizitausgleich und öffentliche Verkehrsinteressen im ÖPNV, GewArch 2014, 157). Ohne Erfolg beruft sich die Klägerin auf die Regelung des § 8 Abs. 4 Satz 1 PBefG, wonach Verkehrsleistungen im öffentlichen Personennahverkehr eigenwirtschaftlich zu erbringen sind. Dabei sind nach § 8 Abs. 4 Satz 2 PBefG Verkehrsleistungen eigenwirtschaftlich, deren Aufwand gedeckt wird durch Beförderungserlöse, Ausgleichsleistungen auf der Grundlage von allgemeinen Vorschriften nach Art. 3 Abs. 2 und 3 der VO (EG) Nr. 1370/2007 und sonstige Unternehmenserträge im handelsrechtlichen Sinne, soweit diese keine Ausgleichsleistungen für die Erfüllung gemeinwirtschaftlicher Verpflichtungen nach Art. 3 Abs. 1 der VO (EG) Nr. 1370/2007 darstellen und keine ausschließlichen Rechte gewährt werden. Zwischen § 8 Abs. 4 Satz 1 PBefG einerseits und § 8 Abs. 4 Satz 2 PBefG andererseits besteht aber kein Zusammenhang in dem Sinne, dass die zuständige Behörde verpflichtet wäre, eine allgemeine Vorschrift zu erlassen, um eine eigenwirtschaftliche Verkehrserbringung zu ermöglichen. § 8    Abs. 4 Satz 2 PBefG selbst bestimmt einen solchen Vorrang nicht. Die Vorschrift stellt - wie bisher - (vergleiche hierzu: BVerwG, Urt. v. 29.10.2009 - 3 C 1.09 -, juris; Knauff, Der Vorrang eigenwirtschaftlicher Verkehre im ÖPNV auf Grundlage des novellierten Personenbeförderungsgesetzes, GewArch 2013, 283) lediglich die Legaldefinition dessen dar, was als „eigenwirtschaftlich" im Sinne des PBefG zu verstehen ist und stellt klar, dass Ausgleichsleistungen, die in (bereits erlassenen) allgemeinen Vorschriften enthalten sind, die Eigenwirtschaftlichkeit nicht entfallen lassen. Dies zeigt auch die Gesetzesbegründung (BR-Drs. 462/11 S. 24), in der es u.a. heißt:

„Die Definition der Eigenwirtschaftlichkeit in § 8 Abs. 4 Satz 2 muss im Hinblick auf die Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 angepasst werden. Die Definition wird wie bisher sehr breit angelegt, um möglichst viele Einnahmen der Verkehrsunternehmen zu erfassen (zum Beispiel Fahrzeugförderung, Werbeeinnahmen). Andererseits darf die Definition nicht dazu führen, dass die Anwendbarkeit der Verordnung eingeschränkt wird. Keine Eigenwirtschaftlichkeit liegt deshalb vor, wenn der Aufgabenträger (oder eine andere zuständige Stelle) durch einen (individuellen) Dienstleistungsauftrag Ausgleichsleistungen für die Erfüllung gemeinwirtschaftlicher Verpflichtungen gewährt.

(...)

Dagegen können Ausgleichsleistungen auf der Grundlage allgemeiner Vorschriften nach Art. 3 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 als unschädlich angesehen werden. Hierunter fallen zum Beispiel die Ausgleichszahlungen für den Ausbildungsverkehr nach § 45a oder Ausgleichszahlungen für Höchsttarife in Verkehrsverbünden.“

Auch die Zusammenschau von § 8 Abs. 4 Satz 1 und Satz 2 PBefG einerseits und § 8a Abs. 1 Satz 1 PBefG andererseits vermag die Rechtsansicht der Klägerin nicht zu stützen. Wenn es in § 8a Abs. 1 Satz 1 PBefG heißt:

„Soweit eine ausreichende Verkehrsbedienung für eine Gesamtleistung nach     § 8a Absatz 2 Satz 4 oder für eine Teilleistung nicht entsprechend § 8 Absatz 4 Satz 1 möglich ist, ist die VO (EG) Nr. 1370/2007 maßgebend."

wird lediglich ein bestimmter Sachverhalt festgestellt, nämlich, dass eine ausreichende Verkehrsbedienung nicht eigenwirtschaftlich möglich ist, und als Rechtsfolge die Anwendbarkeit der VO (EG) Nr. 1370/2007 bestimmt. Ein Vorrang einer der Handlungsmöglichkeiten, die Art. 3 VO (EG) Nr. 1370/2007 eröffnet, ist nach dem Wortlaut der Vorschrift nicht vorgesehen. Aus der Gesetzesbegründung ergeben sich ebenfalls keine Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber von der Verpflichtung des Aufgabenträgers ausgegangen ist, vorrangig von dem Instrument der allgemeinen Vorschrift Gebrauch zu machen. In der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BT-Drs. 17/10857 S. 20) heißt es:

„Mit dem in § 8a Absatz 1 eingefügten Satz 2 wird klargestellt, über welche Handlungsmöglichkeiten die zuständige Behörde verfügt. Mit dem den Satz 1 einleitenden Wort 'soweit' wird daran festgehalten, dass eine eigenwirtschaftliche Erbringung auch für Teile eines von der zuständigen Behörde geplanten Verkehrsangebotes möglich ist, wenn dies nicht in der Vorabbekanntmachung ausgeschlossen wird….“

Die Wortwahl des Gesetzgebers, der von „Handlungsmöglichkeiten" spricht, lässt im Gegenteil den Schluss zu, dass er von einem Wahlrecht des Aufgabenträgers ausgeht.

Ohne Erfolg beruft sich die Klägerin auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu dem Vorrang der Eigenwirtschaftlichkeit auf der Grundlage des PBefG in der Fassung, wie es vor seiner Anpassung an die Vorgaben der VO (EG)                          Nr. 1370/2007 durch das Gesetz zur Änderung personenbeförderungsrechtlicher Vorschriften vom 14. Dezember 2012, BGBl. I 2012, 2598 galt - PBefG a.F. -. Insbesondere rechtfertigt das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 29. Oktober 2009 (- 3 C 1. 09 -, juris) nicht die Annahme eines Vorrangs der allgemeinen Vorschrift im Sinne der VO (EG) Nr. 1370/2007. Nach dieser Rechtsprechung war die Genehmigung einer auferlegten oder vereinbarten Verkehrsleistung nach § 13a PBefG a.F. rechtswidrig, wenn der Aufgabenträger den Vorrang eigenwirtschaftlicher Verkehrsleistungen missachtet hatte. Die Genehmigungsbehörde war an der Erteilung einer gemeinwirtschaftlichen Linienverkehrsgenehmigung gehindert, wenn die Verfahrensgestaltung durch den Aufgabenträger dem Vorrang der Eigenwirtschaftlichkeit, wie er sich aus §§ 8              Abs. 4,13 und 13a PBefG a. F. ergab, nicht hinreichend Rechnung getragen hatte. Der Aufgabenträger hatte vor seiner Initiative, die Verkehrsbedienung durch gemeinwirtschaftliche Verkehrsleistung sicherzustellen, prognostisch zu entscheiden, ob eine ausreichende Verkehrsbedienung durch eigenwirtschaftliche Verkehrsleistungen möglich ist. Diese Prognose bedurfte einer durch die Verfahrensgestaltung gesicherten Grundlage, nämlich eine Art von Genehmigungswettbewerb, der dem Ausschreibungswettbewerb vorzuschalten war (zu allem: BVerwG, Urt. v. 29.10.2009 - 3 C 1. 09 -, juris).

Für das Verhältnis zwischen allgemeiner Vorschrift einerseits und öffentlichem Dienstleistungsauftrag andererseits im Sinne von Art. 3 der VO (EG) Nr. 1370/2007 in Verbindung mit § 8a Abs. 1 PBefG, lässt sich aus dieser Rechtsprechung aber ebensowenig herleiten, wie für die Frage, ob ein Anspruch auf Erlass einer allgemeinen Vorschrift besteht. Abgesehen davon, dass sich diesem Urteil kein isoliert einklagbarer Anspruch des Unternehmers auf Durchführung eines bestimmten Verfahrens durch den Aufgabenträger entnehmen lässt, kann die zur Eigenwirtschaftlichkeit im PBefG a.F. ergangene Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts auf die neue Rechtslage nicht ohne weiteres übertragen werden (vergleiche hierzu Knauff, Defizitausgleich und öffentliche Verkehrsinteressen im ÖPNV, GewArch 2014, 157). Wenn auch das seit 2013 geltende, an die VO (EG) Nr. 1370/2007 angepasste PBefG - wie die Regelung in § 8 Abs. 4 Satz 1 PBefG zeigt -, am Vorrang der Eigenwirtschaftlichkeit festhält, so gilt dieser Vorrang doch nur noch in den Grenzen und in dem Umfang, wie er durch die neue Legaldefinition der Eigenwirtschaftlichkeit in § 8 Abs. 4 Satz 2 PBefG und in den sonstigen Regelungen des PBefG vorgesehen ist sowie in dem von der VO (EG)               Nr. 1370/2007 gesetzten Rahmen (Knauff, Der Vorrang eigenwirtschaftlicher Verkehre im ÖPNV auf Grundlage des novellierten Personenbeförderungsgesetzes, GewArch 2013, 283, 284). Die am 3. Dezember 2009 in Kraft getretene VO (EG) Nr. 1370/2007 ist eine Verordnung im Sinne des Artikels 288 AEUV. Sie ist vorrangiges und unmittelbar anwendbares Unionsrecht (Fehling in Heinze/Fehling/Fiedler, PBefG, 2. Aufl. § 8a Rn. 1; Otting/Olgemöller/Tresselt, in Gabriel/Krohn/Neun, Handbuch des Vergaberechts, § 54 Einführung zur VO 1370/2007, Rn. 3; Zuck in Ziekow/Völlink, Vergaberecht, 2. Auflage 2013, vor Art. 1 VO 1370, Rn. 36).

Die VO (EG) Nr. 1370/2007 begründet ebenfalls nicht die Verpflichtung des Aufgabenträgers, vorrangig allgemeine Vorschriften zu erlassen. Hierzu hat das Verwaltungsrecht Augsburg (Urt. v. 24.3.2015 - Au 3 K 15.79 -) ausgeführt:

„Ein solcher Anspruch, wie von der Klägerin reklamiert, ergibt sich nicht aus Gemeinschaftsrecht. Die zuständigen Behörden (Aufgabenträger) haben vielmehr ein Wahlrecht, wie sie - ob durch einen öffentlichen Dienstleistungsauftrages oder durch eine allgemeine Vorschrift - die Erfüllung gemeinwirtschaftlicher Verpflichtungen durch Verkehrsunternehmen sicherstellen und die dafür zu gewährenden Ausgleichsleistungen regeln. Ausgehend von Wortlaut und Systematik der Regelungen in Art. 3 Abs. 1 und 2 der VO (EG) Nr. 1370/2007 kann nicht erkannt werden, dass Aufgabenträger bei der Entscheidung, wie sie die Finanzierung eines ansonsten defizitären Linienverkehrs sicherstellen, in irgendeiner Weise dahingehend gebunden wären, vorrangig das Instrument der allgemeinen Vorschrift so zu wählen. Vielmehr spricht manches dafür, dass er das Gegenteil zutrifft (so auch in einem obiter dictum VG Münster, U.v. 24.10.2014 -10 K 2076/12-juris).

Art. 3 Abs. 1 der VO (EG) Nr. 1370/2007 formuliert als Grundsatz, dass die Gewährung ausschließlicher Rechte und/oder von Ausgleichsleistungen gleich welcher Art für die Erfüllung gemeinwirtschaftlicher Verpflichtungen im Rahmen des an im Rahmen eines öffentlichen Dienstleistungsauftrages erfolgt. Gegenstand der gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen können alle möglichen im öffentlichen Interesse liegenden Anforderungen an Personenverkehrsdienste (zum Beispiel Einhaltung von Höchsttarifen, Umfang der Verkehrsleistung, Umwelt-, Sozial-und sonstige Qualitätsstandards, „Verbundpflichten“ zur Gewährleistung der verkehrsmittelübergreifenden Integration) sein. Hieraus ergibt sich die Bedeutung des öffentlichen Dienstleistungsauftrages als dem „wichtigsten Instrument der Verordnung“ (so wörtlich Zuck in Ziekow/Völlink, Vergaberecht, 2. Aufl. 2013, Art. 4 VO (EG) Nr. 1370/2007 Rn. 5; ebenso Heinze/Fehling/Fiedler, Personenbeförderungsgesetz 2. Auflage 2014, § 8a PBefG Rn. 21, der vom "zentralen Instrument der VO und des novellierten PBefG" spricht). Nach Art. 3 Abs. 2 der VO (EG) Nr. 1370/2007 „können“ „abweichend von Absatz 1“, so der ausdrückliche Wortlaut der Verordnung, ausschließlich Pflichten zur Einhaltung von Höchsttarifen in einer allgemeinen Vorschrift festgelegt und wiederum ausschließlich dafür Ausgleichsleistungen vorgesehen werden.Es kann dahingestellt bleiben, ob diese Regelungsstruktur nicht sogar die Annahme zulässt, dass Abs. 1 und Abs. 2 in einem normativ vorgegebenen und zu beachtenden Regel-Ausnahme-Verhältnis stehen, wobei der öffentliche Dienstleistungsauftrag die Regel, die allgemeine Vorschrift die Ausnahme ist. Ein gemeinschaftsrechtlich begründeter und von Aufgabenträgern zu beachtender Vorrang der allgemeinen Vorschrift zu Lasten des öffentlichen Dienstleistungsauftrags erscheint jedenfalls ausgeschlossen. Vielmehr ist davon auszugehen, dass die Aufgabenträger jedenfalls ein Wahlrecht zwischen den beiden durch die europarechtliche Verordnung vorgegebenen Instrumenten hat (so auch Zuck in Ziekow/Völlink, a.a.O., Art. 4 VO (EG) Nr. 1370/2007 Rn. 5; Heinze/Fehling/ Fiedler, Personenbeförderungsgesetz 2. Auflage 2014, § 8a PBefG Rn. 19; Knauff, GewArch 2014, 157/158 m.w.N. aus der Literatur). Dies entspricht im Übrigen auch der Auffassung des Österreichischen Verwaltungsgerichtshofs, der insoweit insbesondere darauf hinweist, dass nach dem „9. Erwägungsgrund zur VO 1370/2007 … alle zuständigen Behörden die Möglichkeit haben müssen, die Betreiber eines öffentlichen Dienstes gemäß den Bestimmungen dieser Verordnung frei auszuwählen“ (ÖstVerwGH, Erk.v. 9.4.2013 – Gz. 2011/04/0042 – www.ris.bka-gv.at, Dokumentnummer JWR_2011040042_20130409X05). Darüber hinaus wird die nicht durch unionsrechtliche Vorgaben gebunden Befugnis der zuständigen Behörden (Aufgabenträger), zwischen den Instrumenten des öffentlichen Dienstleistungsauftrags und der allgemeinen Vorschrift nach Ermessen auswählen zu können, nicht zuletzt auch besonders deutlich durch den in Art. 3 Abs. 2 Satz 3 der VO (EG) Nr. 1370/2007 enthaltenen ausdrücklichen Hinweis auf das Recht der zuständigen Behörde, gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen zur Festsetzung von Höchsttarifen auch in öffentliche Dienstleistungsaufträge aufzunehmen (so auch Knauff, a.a.O). Das bedeutet, dass der Aufgabenträger selbst dann einen öffentlichen Dienstleistungsauftrag erteilen kann (und nicht zum Instrument der allgemeinen Vorschrift greifen muss), wenn er ausschließlich die Anwendung eines Höchsttarifs als gemeinwirtschaftliche Verpflichtung sicherstellen will und lediglich für tarifbedingte Nachteile Ausgleichsleistungen gewährt."

Diesen in jeder Hinsicht überzeugenden Ausführungen schließt sich die erkennende Kammer an.

Zuletzt folgt eine Verpflichtung des Aufgabenträgers, vor Vergabe eines öffentlichen Dienstleistungsauftrages eine allgemeine Vorschrift zu erlassen, weder aus § 13      Abs. 2a PBefG noch aus § 39 PBefG. Wenn auch gerade durch § 13 Abs. 2a PBefG der Vorrang der Eigenwirtschaftlichkeit ausgestaltet und konkretisiert werden soll (BT-Drs. 17/10587 S. 20; vgl. auch Knauff, Der Vorrang eigenwirtschaftlicher Verkehre im ÖPNV auf Grundlage des novellierten Personenbeförderungsgesetzes, GewArch 2013, 283, 287; Heinze in Heinze/Fehling/Fiedler, PBefG, 2. Aufl. 2014, § 13 Rn. 161), so geschieht dies lediglich im Rahmen des Regelungsgegenstands der Vorschrift und in dem dort bestimmten Umfang. Dabei zeigt § 13 Abs. 2a PBefG der Genehmigungsbehörde auf, nach welchen Kriterien sie Genehmigungsanträge zu entscheiden hat (BT-Drs. 17/10587 S. 20). Eine Einschränkung des aus § 8a PBefG folgenden Wahlrechts des Aufgabenträgers durch § 13 Abs. 2a PBefG ist nicht zu erkennen. Wenn es in der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BT-Drs. 17/10587 S. 20) hierzu u.a. heißt:

„Hinsichtlich der Anwendung verbundener Beförderungstarife und -bedingungen wird vorausgesetzt, dass die zuständige Behörde Ausgleichszahlungen in einem öffentlichen Dienstleistungsauftrag oder auf der Grundlage von allgemeinen Vorschriften nach Artikel 3 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 vorsieht. Diese Regelung ersetzt die bisherige Regelung von § 39 Absatz 2 Satz 2 PBefG, einen Ausgleich für die Versagung eines an sich genehmigungsfähigen Tarifs zu gewähren, wenn dies aus Gründen des öffentlichen Verkehrsinteresses oder des Gemeinwohls geboten war."

spricht dies dafür, dass der Gesetzgeber auch in diesem Zusammenhang nicht davon ausgegangen ist, der Aufgabenträger müsse Ausgleichszahlungen vorrangig durch allgemeine Vorschriften im Sinne von Art. 3 Abs. 2 der VO (EG) Nr. 1370/2007 gewähren. Zuletzt bietet das Verfassungsrecht keine Grundlage für den von der Klägerin geltend gemachten Anspruch, insbesondere ergeben sich aus Art. 12 GG und aus Art. 14 GG keine unmittelbaren Leistungsansprüche in dem beantragten Sinne.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO; die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus § 167 VwGO, 708, 711 ZPO.

Die Berufung wird zugelassen, weil die zwischen den Beteiligten umstrittene Frage, ob ein Anspruch auf Erlass einer allgemeinen Vorschrift im Sinne des Art. 3 Abs. 2 der VO (EG) Nr. 1370/2007 besteht, grundsätzliche Bedeutung hat (§§ 124 Abs. 2 Nr. 3, 124 a Abs. 1 Satz 1 VwGO).