VG Frankfurt (Oder), Beschluss vom 04.08.2016 - 6 L 164/16.A
Fundstelle
openJur 2016, 9123
  • Rkr:

Entscheidet das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge über einen Asylantrag nach Aktenlage gemäß § 25 ABs. 5 Satz 3 AsylG, weil die Ausländerin ohne genügende Entschuldigung nicht zur persönlichen Anhörung erschienen ist und sich innerhalb der gesetzten Monatsfrist schriftlich nicht geäußert hat, so beschränkt sich die gerichtliche Überprüfung dieser Entscheidung darauf, ob die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür vorlagen und ob der Inhalt der Entscheidung von der Aktenlage beim Bundesamt - unter weiterer Berücksichtigung der fehlenden Mitwirkung - gedeckt war (Anschluss VG München, Urteil vom 12. Februar 2007 - 22 K 05.50382 -, juris).

Tenor

1. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes wird abgelehnt.

2. Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wird abgelehnt.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.

Gründe

1. Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe ist abzulehnen, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung aus den nachfolgend genannten Gründen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat (§ 166 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - i. V. m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

2. Der Antrag der Antragstellerin,

die aufschiebende Wirkung ihrer Klage – VG 6 K 619/16.A – gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 18. März 2016 anzuordnen,

hat keinen Erfolg.

Nach Art. 16a Abs. 4 GG, § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylG kann die Aussetzung der Abschiebung im Falle der Ablehnung eines Asylantrags als offensichtlich unbegründet nur angeordnet werden, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Bescheides bestehen. Ernstliche Zweifel liegen dann vor, wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die Maßnahme einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhält (BVerfG, Urteil vom 14. Mai 1996 - 2 BvR 1516/93 -, BVerfGE 94, 166). Daran gemessen bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Bescheides.

Gemäß § 30 Abs. 3 Nr. 5 AsylG ist ein unbegründeter Asylantrag als offensichtlich unbegründet abzulehnen, wenn der Ausländer seine Mitwirkungspflichten nach § 13 Abs. 3 Satz 2, § 15 Abs. 2 Nr. 3 bis 5 oder § 25 Abs. 1 gröblich verletzt hat, es sei denn, er hat die Verletzung der Mitwirkungspflichten nicht zu vertreten oder ihm war die Einhaltung der Mitwirkungspflichten aus wichtigen Gründen nicht möglich. Davon ausgehend spricht Überwiegendes dafür, dass die Antragsgegnerin den Asylantrag der Antragstellerin zutreffend als offensichtlich unbegründet abgelehnt hat.

7a) Entscheidet das Bundesamt wie hier nach Aktenlage gemäß § 25 Abs. 5 Satz 3 AsylG, weil die Antragstellerin ohne genügende Entschuldigung nicht zur Anhörung erschienen ist und sich auch nicht innerhalb der gesetzten Frist von einem Monat zur schriftlichen Stellungnahme geäußert hat, beschränkt sich die gerichtliche Überprüfung der Entscheidung darauf, ob die gesetzlichen Voraussetzungen vorlagen und ob der Inhalt der Entscheidung von der Aktenlage beim Bundesamt – unter weiterer Berücksichtigung des Nichterscheinens des Ausländers, § 25 Abs. 5 Satz 3 AsylG – gedeckt war. Ist dies der Fall, so ist nachträgliches Vorbringen, insbesondere zu den Asylgründen, unbeachtlich. Ein wesentliches asylverfahrensrechtliches Prinzip ist es nämlich, dass sich ein Asylsuchender möglichst zeitnah und auch vor dem Bundesamt als der eigens zu diesem Zweck errichteten Behörde zu seiner Flucht und zu seinen Fluchtgründen umfassend erklärt (vgl. § 18 Abs. 1, § 18 a Abs. 1, § 19 Abs. 1, § 24 Abs. 1, § 25 Abs. 1 und Abs. 3 AsylG). Kommt der Asylsuchende dieser Obliegenheit nicht nach, so greift die zwingende gesetzliche Sanktion des § 25 Abs. 5 Satz 3 AsylG; das Bundesamt hat dann ohne die Inhalte einer persönlichen Anhörung nach Aktenlage zu entscheiden. Diesem Prinzip würde es widersprechen, wenn das Gericht im Rahmen der Überprüfung der Aktenlageentscheidung bei deren rechtlicher Korrektheit nachträglich erstmals genau den inhaltlichen Vortrag zuließe, der nach der Anordnung des Gesetzgebers im Verfahren vor dem Bundesamt zu erfolgen gehabt hätte. Ein Asylsuchender hätte es sonst in der Hand, zwingende Verfahrensvorschriften des Asylverfahrensgesetzes und die Erstzuständigkeit des Bundesamts für die Entgegennahme und Prüfung des Asylbegehrens zu umgehen und erst vor Gericht sich erstmals zu seiner Flucht zu äußern. Die Vorstellung eines möglichst zeitnahen Erstvorbringens würde damit ebenso konterkariert wie der damit verbundene Aspekt möglichst wirklichkeitsnaher Erklärung. Die Bestimmung des § 77 Abs. 1 AsylG, wonach das Gericht bei seiner Entscheidung auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung abzustellen hat, steht dieser Auffassung nicht entgegen. Denn das Gericht prüft die Aktenlageentscheidung des Bundesamtes vollen Umfangs im Zeitpunkt der Entscheidung, allerdings nach dem vom Gesetz in § 25 Abs. 5 Satz 3 AsylG vorgegebenen Prüfungsmaßstab. § 77 Abs. 1 AsylG erlaubt nicht das Abweichen von zwingenden Verfahrensvorschriften des Asylverfahrensgesetzes, hier der zeitnahen Erstbefassung des Bundesamtes mit dem inhaltlichen Asylbegehren. Erst wenn diese Erstbefassung vorgelegen hat, ist weiteres Vorbringen gemäß § 77 Abs. 1 AsylVfG grundsätzlich beachtlich (vgl. zu § 25 Abs. 4 Satz 4 AsylG bzw. AsylVfG VG München, Urteil vom 12. Februar 2007 – M 22 K 05.50382 -, juris Rn. 16 f.).

Die Aktenlageentscheidung des Bundesamtes ist auch mit großer Wahrscheinlichkeit rechtmäßig ergangen. Die Antragstellerin ist ohne genügende Entschuldigung nicht zur Anhörung vor dem Bundesamt erschienen und hat auch nicht innerhalb der ihr gesetzten Monatsfrist schriftlich Stellung genommen. Soweit sie einwendet, sie habe weder eine Einladung zum Anhörungstermin am 28. Januar 2016 erhalten noch sonst Schreiben zu ihrem Asylverfahren – wie das an ihre vormalige Anschrift zugestellte Anhörungsschreiben vom 28. Januar 2016 -, kann sie damit nicht durchdringen. Gemäß § 10 Abs. 1 AsylG (zuvor § 10 Abs. 1 AsylVfG) hat sie während der Dauer des Asylverfahrens dafür vorzusorgen, dass sie Mitteilungen des Bundesamtes erreichen, und muss sie jeden Wechsel ihrer Anschrift auch dem Bundesamt unverzüglich anzeigen. Gemäß Absatz 2 der Vorschrift muss sie grundsätzlich Zustellungen und formlose Mitteilungen unter der letzten Anschrift, die der jeweiligen Stelle aufgrund ihres Asylantrages oder ihrer Mitteilung bekannt ist, gegen sich gelten lassen. Über diese Vorschriften ist sie ausweislich des Verwaltungsvorgangs der Antragsgegnerin bereits am 16. Juli 2015 schriftlich hinreichend belehrt worden. Dennoch hat sie den wohl im Oktober 2015 erfolgten Umzug an ihre aktuelle Anschrift dem Bundesamt nicht mitgeteilt und hatte das Bundesamt ausweislich der Akten auch nicht anderweitig Kenntnis davon. Nichts anderes folgt aus dem Vorbringen der Antragstellerin, bei der Ummeldung vor der Ausländerbehörde der Stadt F... im Oktober 2015 habe die Mitarbeiterin auf eine Frage des Dolmetschers, ob im Zusammenhang damit noch etwas zu tun wäre, geantwortet, es werde alles automatisch weitergeleitet. Zum einen ist dieser Vortrag weder näher substantiiert noch glaubhaft gemacht. Zum anderen musste der Antragstellerin, wie ausgeführt, bekannt sein, dass sie selbst für die Angabe der aktuellen Anschrift gegenüber dem Bundesamt verantwortlich ist.

Aufgrund der Aktenlage im Zeitpunkt des Bescheiderlasses ist die Entscheidung des Bundesamtes, dass die Antragstellerin auch unter Berücksichtigung der Nichtmitwirkung eine begründete Furcht vor Verfolgung oder die Drohung eines ernsthaften Schadens nicht glaubhaft gemacht habe, rechtlich nicht zu beanstanden und hat das Bundesamt den Asylantrag zutreffend nach § 30 Abs. 3 Nr. 5 AsylG i. V. m. § 25 Abs. 1 AsylG als offensichtlich unbegründet abgelehnt.

b) Der Antrag hätte im Übrigen auch unter Berücksichtigung der im Gerichtsverfahren von der Antragstellerin gegebenen Schilderung von Problemen in ihrem Herkunftsland keinen Erfolg. Der Vortrag lässt kein hinreichend intensives Verfolgungsschicksal erkennen und rechtfertigt nicht den Schluss, dass die Antragstellerin sich aus begründeter Flucht vor Verfolgung wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Überzeugung außerhalb ihres Herkunftlandes befindet (vgl. §§ 3 Abs. 1, 3a, 3b AsylG) oder ihr bei Rückkehr ein ernsthafter Schaden im Sinne von § 4 Abs. 1 AsylG droht. Schließlich geht aus den vorgelegten Arztberichten ein aktueller Behandlungsbedarf in Bezug auf ihre in Deutschland behandelte Erkrankung nicht hervor und sind keine Anhaltspunkte für das Bestehen eines Abschiebeverbotes im Sinne von § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG erkennbar.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1 VwGO, 83b AsylG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).

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