LSG der Länder Berlin und Brandenburg, Urteil vom 28.06.2016 - L 7 KA 16/14 KL
Fundstelle
openJur 2016, 9055
  • Rkr:

1. Der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) hat einen verfassungsrechtlich begründeten Auftrag zur Normkonkretisierung.

2. Voraussetzung für die Beurteilung der (Un-)Zweckmäßigkeit eines Arzneimittels ist stets eine vergleichende Nutzenbewertung.

3. Ein Arzneimittel ist unzweckmäßig i.S.v. § 92 Abs. 1 Satz 1 Teilsatz 4, Abs. 2 Satz 12 SGB V, wenn die mit ihm verglichenen Arzneimittel oder Behandlungsalternativen einen therapierelevant höheren Nutzen haben.

4. Die für das Aufgabenprogramm des GBA zentralen Bewertungsgrößen "Zweckmäßigkeit", (medizinischer) "Nutzen" und "Wirtschaftlichkeit" stehen gesetzessystematisch innerhalb des SGB V in einem Regelungskontext, der sich grundlegend von der Zielsetzung des Arzneimittelgesetzes und den Aufgaben der darin vorgesehenen Zulassungsbehörden unterscheidet.

5. Der arzneimittel- und krankenversicherungsrechtliche Begriff der Wirksamkeit ist nicht identisch mit dem Nutzenbegriff des SGB V.

6. Auch in Anbetracht des Widerspruchsverbots nach § 92 Abs. 1 Satz 12 SGB V sind dem GBA Therapievergleiche erlaubt, die entweder auf andere Endpunkte - insbesondere die in § 35b Abs. 1 Satz 4 SGB V genannten patientenrelevanten Endpunkte - oder andere Dosierungen als die Zulassungsbehörde abstellen oder die medikamentöse und nicht-medikamentöse Behandlungsalternativen gegenüberstellen.

7. § 92 Abs. 1 Satz 12 SGB V ordnet eine Feststellungswirkung an. Feststellungen im Sinne dieser Vorschrift können nur im Zulassungsbescheid oder - wenn dieser dem GBA nicht zugänglich gemacht wird - der Fachinformation nach § 11a AMG enthalten sein. Sie müssen hinreichend bestimmt sein.

8. Der vom GBA vorgenommene Ausschluss der Wirkstoffkombination Dipyridamol und Acetylsalicylsäure aus dem Leistungskatalog der GKV ist rechtmäßig.

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Die Klägerin wendet sich gegen einen vom beklagten Gemeinsamen Bundesausschuss (GBA) beschlossenen Verordnungsausschluss des Wirkstoffs Dipyridamol in Kombination mit dem Wirkstoff Acetylsalicylsäure (ASS).

Die Klägerin ist eine pharmazeutische Unternehmerin, der am 16. November 2001 – noch unter ihrer damaligen Firma B KG – durch das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) die Zulassung für das verschreibungspflichtige Arzneimittel Aggrenox erteilt wurde mit den arzneilich wirksamen Bestandteilen Dipyridamol (200 mg) und ASS (25 mg). Im August 2013 verlängerte das BfArM die Zulassung für Aggrenox. Beide arzneilich wirksamen Bestandteile bewirken auf unterschiedliche Weise die Hemmung der Thrombozytenaggregation. Die Zulassung erstreckt sich auf das Anwendungsgebiet „Sekundärprävention von ischämischen Schlaganfällen und transitorischen-ischämischen Attacken - TIA -“. Hierfür sind auch Arzneimittel mit ASS als einzigem Wirkstoff (Monopräparate) sowie mit dem Wirkstoff Clopidogrel zugelassen.

Nach den Angaben im o.g. Zulassungsbescheid wurde die klinische Wirksamkeit der Kombination von Dipyridamol und ASS in der European Stroke Prevention Study 2 (ESPS 2), einer multizentrischen, doppelblinden, placebo-kontrollierten Studie mit insgesamt 6000 Patienten, nachgewiesen. Untersucht worden sei „die relative Risikoreduktion bezüglich eines zweiten cerebro-vaskulären Ereignisses (Sekundärprävention)“. Als primäre Fragestellung sollte dabei untersucht werden, ob es über den Effekt der Einzelsubstanzen Dipyridamol und ASS hinaus einen additiven Effekt der Kombination beider Substanzen gebe und wie groß dieser Beitrag zur Sekundärprävention eines cerebro-vaskulären Ereignisses sei. Die primären Zielparameter seien tödlicher und nicht-tödlicher Schlaganfall, Gesamtmortalität sowie Schlaganfall und/oder Tod jeglicher Ursache gewesen. Darüber hinaus sei eine Reihe von Sekundärparametern untersucht worden, wie z.B. Myokardinfarkt, TIA. Das Design der Studie umfasste vier Gruppen: Placebo, ASS 25 mg, Dipyridamol 200 mg und Dipyridamol 200 mg + ASS 25 mg. Hinsichtlich der Sekundärprävention eines zweiten Schlaganfalles ergab sich eine (relative) Risikoreduktion gegenüber Placebo bei Dipyridamol von 16,5 %, bei ASS von 18 % sowie bei der Kombinationsgabe von 36,8 %. Zugleich ergab sich eine relative Risikoreduktion bei der Kombinationsgruppe im Vergleich zu den Monopräparaten von 24,4 % (gegenüber Dipyridamol) und 22,1 % (gegenüber ASS). An unerwünschten Begleiterscheinungen traten Blutungen in den beiden ASS einnehmenden Gruppen fast doppelt so häufig wie bei den beiden anderen, Kopfschmerzen und gastrointestinale Begleiterscheinungen hingegen in den beiden Dipyridamol-Gruppen stärker auf, vor allem jeweils im ersten Monat.

In der Fachinformation für Aggrenox stellte die Klägerin darüber hinaus die Ergebnisse der ESPRIT- und der PRoFESS-Studie dar. Bei letzterer wurde die Verhinderung von Schlaganfällen unter Aggrenox und Clopidogrel – jeweils zusätzlich zu Standardbehandlungen verabreicht – im Hinblick auf den primären Endpunkt „Dauer bis zum Auftreten eines Schlaganfallrezidivs jeglicher Genese“ untersucht. Sowohl hinsichtlich diesen primären Endpunkts als auch hinsichtlich des kombinierten Endpunktes Schlaganfallrezidive, Myokardinfarkt oder Tod mit vaskulärer Ursache sowie „Schlaganfallrezidive und bedeutsame hämorrhagische Ereignisse“ ergaben sich keine signifikanten Unterschiede. Gleiches gilt für neurologische Behinderungen drei Monate nach einem Schlaganfall-Rezidiv. Allerdings waren – wie die Klägerin im Laufe des Verfahrens mitteilte – die Blutungsraten bei der Kombinationstherapie höher.

Aufgrund eines entsprechenden Auftrags des Beklagten vom 20. Juli 2009 bewertete das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) Dipyridamol + ASS zur Sekundärprävention nach Schlaganfall oder TIA. Auf der Grundlage von sechs als für die Fragestellung relevant identifizierten Studien gelangte das IQWiG in seinem Abschlussbericht vom 14. Februar 2011 zum Ergebnis, lediglich für die Zielgrößen „Verhinderung nicht-tödlicher Schlaganfälle und TIAn“ finde sich in der Langzeittherapie (Behandlungsdauer mindestens 12 Monate) ein Hinweis auf einen Nutzen von Dipyridamol + ASS. Für die Zielgrößen (Gesamtmortalität, vaskulär bedingte Mortalität, tödlicher Schlaganfall, vaskuläre Todesfälle ohne tödliche Insulte, nicht-tödlicher Schlaganfall und TIA – jeweils Vergleich mit ASS in der Kurzzeittherapie bzw. mit ASS/ Clopidogrel in der Langzeittherapie –, kombinierter Endpunkt Schlaganfall/Tod, Beeinträchtigung durch Folgekomplikationen des ischämischen Ereignisses, nicht-tödlicher Myokardinfarkt und Hospitalisierung) ergäben sich keine Belege für einen Zusatznutzen von Dipyridamol + ASS. Es gebe somit weder einen Beleg, dass die Kombinationsbehandlung die Mortalität reduziere, noch dass sie einen Zusatznutzen gegenüber einer Monotherapie mit einem Thrombozytenaggregationshemmer (ASS oder Clopidogrel) habe; bei letzterem gebe es keine Anhaltspunkte für einen Unterschied, wenn ASS oder Clopidogrel allein als Vergleichstherapie betrachtet würden. Dem fehlenden (Zusatz-)Nutzen stünde ein Beleg für einen größeren Schaden unter der Kombinationsbehandlung gegenüber. Dieser ergebe sich insbesondere aufgrund häufiger auftretender schwerwiegender Blutungen in der Langzeittherapie. Bei Patienten unter 65 Jahren träten auch intrakranielle Blutungen häufiger als bei Clopidogrel auf. Für die Kurzzeittherapie gebe es einen Hinweis und für die Langzeittherapie einen Beleg dafür, dass Studienabbrüche wegen unerwünschter Ereignisse unter der Kombinationsbehandlung häufiger aufträten.

Der Beklagte führte daraufhin das Stellungnahmeverfahren durch und beschloss am 16. Mai 2013, die von ihm erlassenen Arzneimittel-Richtlinien (AM-RL) in Anlage III – Übersicht der Verordnungseinschränkungen und -ausschlüsse – um „Dipyridamol in Kombination mit Acetylsalicylsäure“ zu ergänzen. Zur Begründung bezog er sich im Wesentlichen auf die Feststellungen des IQWIG sowie der drei in die Bewertung einbezogenen Langzeitstudien ESPS 2, JASAP und PRoFESS. Die JASAP-Studie wurde nach Angaben der Klägerin 2009 für die Zulassung im asiatischen Markt anhand eines ausschließlich japanischen Patientenkollektivs von zirka 1290 Personen mit dem Ziel durchgeführt, die Nichtunterlegenheit von Aggrenox gegenüber einer Monobehandlung mit ASS nachzuweisen. Die ESPRIT-Studie, bei der ausweislich der o.g. Fachinformation (ein Vergleich der Kombination von Dipyridamol (400 mg täglich) + ASS (zwischen 30 und 325 mg) mit ASS stattfand, sei – so der Beklagte in den Tragenden Gründen – ausgeschlossen worden, weil ein sehr hoher Anteil der Studienteilnehmer sowohl im Interventions- als auch im Kontrollarm mit ASS-Dosierungen unter 50 mg und damit nicht zulassungskonform behandelt worden sei. Während des anschließenden Beanstandungsverfahrens veranlasste das Bundesministerium für Gesundheit weitere Stellungnahmen des Beklagten sowie die Stellungnahme des BfArM vom 7. Oktober 2013. Am 25. Februar 2014 wurde der Beschluss des Beklagten vom 16. Mai 2013 im Bundesanzeiger veröffentlicht.

Ein von der Klägerin angestrengtes Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes mit dem Ziel, vorläufig festzustellen, dass der o.g. Verordnungsausschluss unwirksam sei, blieb ohne Erfolg, weil die Klägerseite einen Anordnungsgrund (etwa eine durch den Verordnungsausschluss ausgelöste Existenzgefährdung oder eine erheblich ins Gewicht fallende Umsatzeinbuße) nicht schlüssig darlegte (Beschluss des Senats vom 1. Juli 2014).

Zur Begründung ihrer am 12. März 2014 erhobenen Klage bringt die Klägerin vor:

Der Verordnungsausschluss widerspreche den Feststellungen des BfArM über Wirksamkeit und Unbedenklichkeit von Aggrenox. Die Sinnhaftigkeit und Überlegenheit der Kombination von Dipyridamol + ASS sei durch das BfArM festgestellt worden und dürfe daher vom Beklagten auch nicht durch einen Verweis auf unterschiedliche Entscheidungsgrenzen in Zweifel gezogen werden. Bereits die Initiierung der für eine Zulassung erforderlichen klinischen Prüfungen müsse nach § 41 Abs. 1 Arzneimittelgesetz (AMG) für die gesamte Patientengruppe mit einem „direkten Nutzen verbunden“ sein. Dementsprechend habe das BfArM nicht nur die Sicherheit und das Nutzen-Risiko-Verhältnis von Aggrenox, sondern auch dessen therapeutische Wirksamkeit und damit den therapeutischen Nutzen umfassend im Verhältnis zu einer Monotherapie mit ASS geprüft. Die Zulassung eines Kombinationsarzneimittels hänge nach § 22 Abs. 3a AMG davon ab, dass sich die Kombination gegenüber einer Monobehandlung als überlegen erweise. Nach der Feststellung des BfArM handele es sich bei ASS im Rahmen der Sekundärprävention für Schlaganfälle gerade nicht um eine „therapeutisch gleichwertige“, sondern um eine „unterlegene Therapieoption“. Nach § 25 Abs. 2 Nr. 5 a AMG werde verlangt, dass die Kombination der jeweiligen Wirkstoffe einen therapeutischen Vorteil gegenüber den Einzelsubstanzen besäße. Erforderlich sei der Nachweis, dass gerade die Kombination der jeweiligen Wirkstoffe einen höheren Nutzen als die jeweiligen Einzelwirkstoffe allein besitze. Entsprechende Feststellungen fänden sich auch in der Fachinformation zu Aggrenox, deren Text zu den zu prüfenden Zulassungsunterlagen gehöre (§ 22 Abs. 7 AMG) und der nach der Rechtsprechung (BGH, GRUR 2013, 649, Rn. 35 f.) von der Tatbestands- und Bindungswirkung der Zulassung erfasst sei. Im Übrigen werde nach weiterer Rechtsprechung (OVG Münster, Beschlüsse vom 17. September 2009 – 13 A 1428/08, Rn. 18, und vom 9. April 2001 – 13 b 1625/00 -, Rn. 27) auch bei der arzneimittelrechtlichen Bewertung des Nutzen-Risiko-Verhältnisses eine vergleichende Betrachtung zu anderen Behandlungsmöglichkeiten vorgenommen. Der Widerspruch des Beklagten zu der Feststellung des BfArM werde auch nicht durch die Einbeziehung zweier späterer Studien (JASAP, PRoFESS) ausgeräumt. Denn auch diese weiteren Studienergebnisse seien dem BfArM übermittelt und von diesem geprüft und bewertet worden. Beide Studien hätten daraufhin ausdrücklich Eingang in den Wortlaut der genehmigten Fachinformation gefunden. Wäre das BfArM anhand der neuen Studienergebnisse zum Ergebnis gelangt, ein therapeutischer Zusatznutzen von Aggrenox sei nicht (mehr) hinreichend begründet und/oder das Nutzen-Risiko-Verhältnis sei als ungünstig anzusehen, hätte es die Zulassung für Aggrenox nach § 30 Abs. 1 AMG widerrufen müssen. Auch die Einbeziehung und Gewichtung weiterer patientenrelevanter Endpunkte beseitige den Widerspruch nicht. Die JASAP-Studie unterliege verschiedenen Limitierungen, weil ihr ein relativ kleines, ausschließlich japanisches Patientenkollektiv zugrunde liege. Aufgrund eines Vergleichs mit der ESPS 2 sei die Pharmacovigilance Working Party (PhVWP) der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) zum Schluss gelangt, dass die Ergebnisse der JASAP-Studie das positive Nutzen-Risiko-Verhältnis der Kombination von Dipyridamol + ASS in Bezug auf die europäische Population nicht verändern würde. Vor diesem Hintergrund habe das BfArM eine Aufnahme der Ergebnisse dieser Studie in die Fachinformation nicht gefordert.

Der Beklagte könne das in § 92 Abs. 2 Satz 12 SGB V enthaltene Widerspruchsverbot auch nicht mit Hinweis auf die ihm eingeräumten Konkretisierungsbefugnisse überspielen. Dies würde auf die gesetzeswidrige Aushebelung und faktische Abschaffung dieses Verbots hinauslaufen. Die Bindungswirkung der Zulassungsentscheidung dürfe auch nicht wegen anderer patientenrelevanter Endpunkte und der hierfür verfügbaren Langzeitdaten durchbrochen werden. Auch die EMA gehe von keinem geänderten Nutzen-Risiko-Verhältnis aus. Die Geltung des Widerspruchsverbots setze jedoch entgegen der Argumentation des Beklagten keineswegs eine „Identität der Rechtskreise“ des SGB V und des AMG voraus. Die dem Beklagten eröffnete Regelungsbefugnis möge zwar durchaus die Möglichkeit einschließen, an die Erstattungsfähigkeit im System der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) weitergehende Anforderungen unter dem Aspekt der Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit zu stellen. Auch im Rahmen solcher weitergehender Regelungen dürfe sich der Beklagte jedoch nicht in Widerspruch zu den im Zulassungsverfahren getroffenen Feststellungen der Zulassungsbehörde über Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit des Arzneimittels setzen. Die Zulassungsentscheidung erweise sich insofern als „Fundament“ für die hieran anknüpfende sozialrechtliche Bewertung. Die Prüfmaßstäbe des AMG und des SGB V habe der Beklagte teilweise unzutreffend sowie unvollständig dargestellt.

Entgegen der Auffassung des Beklagten sei die Unzweckmäßigkeit von Aggrenox nicht erwiesen; die Darlegungs- und Beweislast für den Nachweis der Unzweckmäßigkeit treffe den Beklagten. Da an den Beweis der Unzweckmäßigkeit strenge Anforderungen zu stellen seien, berechtige eine unklare, heterogene Datenlage noch nicht zum Verordnungsausschluss. Im Übrigen habe der Beklagte mit dem Monopräparat Clopidogrel einen ungeeigneten Komparator gewählt, weil dieser Wirkstoff nach Nr. 21 der Anlage 3 AM-RL zur Prävention athero-thrombotischer Ereignisse bei Patienten mit Herzinfarkt, mit ischämischem Schlaganfall oder mit nachgewiesener peripherer arterieller Verschlusskrankheit grundsätzlich von der Verordnung ausgeschlossen sei. Clopidogrel stelle daher gerade keine dem allgemeinen Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Vergleichstherapie dar. Schließlich verstoße der komplette Verordnungsausschluss von Aggrenox auch gegen das Verhältnismäßigkeitsprinzip. Mit Blick auf den von der Zulassungsbehörde ausdrücklich anerkannten Zusatznutzen von Aggrenox hätte der Beklagte alternative, die Klägerin weniger belastende Regelungsmöglichkeiten erwägen müssen. Dieses sei unterblieben.

Die Klägerin beantragt,

festzustellen, dass der Beschluss des Beklagten vom 16. Mai 2013 (Verordnungsausschluss von Dipyridamol in Kombination mit ASS) unwirksam ist.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hält seinen Beschluss für rechtmäßig und trägt ergänzend vor: Die Reichweite der Bindungswirkung arzneimittelrechtlicher Zulassungsentscheidungen an der Schnittstelle von AMG zu SGB V sei nicht in der Hinsicht klar, wie es die Klägerin zu konstatieren versuche. Die an den Regelungen des SGB V orientierte Frage nach Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit eines Arzneimittels stehe nämlich eigenständig neben der arzneimittelrechtlichen Zulassung und den ihr zugrunde liegenden Feststellungen zu Wirksamkeit und Unbedenklichkeit. Von der Zulassung eines Arzneimittels dürfe daher nicht auf dessen Zweckmäßigkeit im krankenversicherungsrechtlichen Sinne geschlussfolgert werden. Ansonsten werde sein gesetzlicher Prüfauftrag zur Gewährleistung einer an der Finanzstabilität ausgerichteten zweckmäßigen Versorgung gegenstandslos. Er – der Beklagte – sei im Rahmen seiner Richtlinienkompetenz nach § 92 Abs. 1 Satz 1 Teilsätze 3 und 4 SGB V befugt, die durch § 2 und § 12 SGB V vorgeprägten Leistungskonkretisierungen und -beschränkungen auszufüllen. Zu bewerten sei, ob und inwieweit eine Leistung im Vergleich zu anderen Leistungen zur Behandlung einer Krankheit nach „Art und Umfang unentbehrlich, unvermeidbar oder unverzichtbar“ sei, um den Zweck der mit ihr verfolgten Behandlung zu erreichen. Bei der eindimensionalen Betrachtung von Leistungen erfasse man unter diesem Gesichtspunkt in der Regel den therapeutischen Nutzen einer Leistung. Die Zweckmäßigkeit einer Leistung sei damit nicht nur Ausdruck ihrer Finalität (Ausmaß der Zweckerreichung), sondern auch ihrer Planmäßigkeit (Wahrscheinlichkeit als Zweckerreichung). Wie auch die Zweckmäßigkeit fordere das Urteil der Unzweckmäßigkeit insoweit einen Vergleich verschiedener Leistungen. Dabei sei die Unzweckmäßigkeit die Schlussfolgerung, dass zwei miteinander verglichene Leistungen nicht gleichermaßen zweckmäßig seien. Ausgehend hiervon seien die verglichenen Arzneimittel danach zu bewerten, welches den gesetzlichen Zielen näherkomme, wobei als Zielgrößen insbesondere die in § 35b Abs. 1 Satz 4 SGB V genannten Kriterien heranzuziehen seien. Damit gehe es bei der Beurteilung der Unzweckmäßigkeit im Kern darum, ob das zu bewertende Arzneimittel gegenüber einer Vergleichstherapie in für die Versichertengemeinschaft unverzichtbarer Weise überlegen sei oder für die Versorgung der Versicherten die zur Verfügung stehenden Standardtherapien (noch) ausreichend seien. In diesem Sinne sei der „Nutzen“ das Ergebnis der Gesamtauswertung der Belege für das Erreichen patientenrelevanter Endpunkte hinsichtlich der in der GKV relevanten Versorgungsziele unter Einbeziehung auch etwaiger unerwünschter Nebenwirkungen. Während die Zulassungsbehörde jedoch substanzbezogen prüfe, ob der „Nutzen“ (Benefit) in einem vertretbaren Maße zu den potentiell schädlichen Wirkungen stehe (Waagschalenprinzip), baue er – der Beklagte – auf dieser Entscheidung auf, um im Vergleich zu Therapiealternativen die Abwägungsdimensionen des Nutzens und der unerwünschten Nebenwirkungen auf eine Kategorisierung des Nutzens im krankenversicherungsrechtlichen Sinne zusammenzuführen, insofern also eine Synthese herzustellen. Die Anforderungen an die Begründung von Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit eines Kombinationsarzneimittels werde damit gerechtfertigt, dass jeder weitere in ein Arzneimittel aufgenommene Wirkstoff tendenziell die Gefahr zusätzlicher unerwünschter Wirkungen erhöhe. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) setze § 25 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5a AMG nicht voraus, dass jeder arzneilich wirksame Bestandteil für sich allein genommen bei gegebener Indikation wirksam sei. Ein positiver Beitrag genüge und sei bereits anzunehmen, wenn der Wirkungseintritt, soweit therapeutisch erwünscht, früher erreicht, verstärkt, verlängert oder der erstrebte Heilerfolg mit geringerer Menge der Wirksubstanz erreicht werde (Urteil vom 16. Oktober 2003 – 3 C 3/03 –, Rn. 25). Während die Zulassungsbehörden dem Prinzip folgten, eine möglichst breite Auswahl an Therapiemöglichkeiten zu erhalten, die Wirksamkeit eines Arzneimittels zu untersuchen und in relativer Betrachtung zu Therapiealternativen allein eine Vertretbarkeitsprüfung unter dem Blickwinkel der Unbedenklichkeit nach dem Stand der gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnisse vorzunehmen, sei es seine – des Beklagten – originäre Aufgabe, unter Rezeption des Standes der wissenschaftlichen Erkenntnisse die in der GKV effektivste Versorgung anhand der in der GKV geltenden Maßstäbe zur Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit von Leistungen herauszuarbeiten. Die unterschiedlichen Zweckrichtungen einer „Nutzen-Risiko-Abwägung“ nach dem AMG und einer Nutzen-Schaden-Bilanz nach den im SGB V festgelegten Grundsätzen rechtfertigten es, eine günstigere und/oder sicherere Prognose über das erwartete Verhältnis von erwünschten und unerwünschten Folgen beim zulassungskonformen Einsatz eines Arzneimittels zu verlangen als für die arzneimittelrechtliche Zulassung erforderlich sei. Aussagen der Zulassungsbehörden, die über ihren o.g. Prüfmaßstab hinausgingen, nähmen nicht an der Bindungswirkung der Zulassung teil. Zum Nachweis eines (Zusatz-)Nutzens seien grundsätzlich nur solche Studien geeignet, die mit dem Primärziel des Erreichens patientenrelevanter Endpunkte durchgeführt würden. Die Feststellung der Unzweckmäßigkeit von Dipyridamol + ASS zeichne sich durch folgende, vom Bewertungsrahmen der Zulassungsbehörde abweichende Entscheidungsrichtlinien aus:

-Einbeziehung weiteren Erkenntnismaterials (Entscheidung auf breiterer Datenbasis)-Berücksichtigung weiterer für die Beurteilung des therapeutischen Nutzens wichtiger Eckpunkte an Hand von Langzeitdaten (Gesamtmortalität, vaskuläre Mortalität und tödliche Schlaganfälle)-Einbeziehung eines weiteren Komparators in die Vergleichsbetrachtung und Verwertung der Ergebnisse auch insoweit (Clopidogrel)-Synthese aus allen Nutzen- und Schadensaspekten hinsichtlich deren Ausmaß und Wahrscheinlichkeit („Auswahl aus den verfügbaren Arzneimitteln“)Er – der Beklagte – habe den Verordnungsausschluss weder damit begründet, dass die Kombination Dipyridamol + ASS ein über das vertretbare Maß hinausgehendes Gefährdungspotential aufweise, noch habe er durch seine Feststellung der Unzweckmäßigkeit gegenüber einer Monotherapie mit ASS oder Clopidogrel infrage gestellt, dass die Einzelbestandteile Dipyridamol und ASS jeweils einen Beitrag zur positiven Beurteilung von Dipyridamol + ASS leisteten. Er habe vielmehr den Verordnungsausschluss hinsichtlich der ihn maßgeblich interessierenden Frage eines Vergleichs zu anderen Therapieoptionen, insbesondere einer Monotherapie mit ASS oder Clopidogrel, damit begründet, dass das Ziel der Sekundärprävention nach Schlaganfall oder transitorisch-ischämischen Attacken in der Regel zweckmäßiger mit der Anwendung von Monopräparaten mit ASS oder Clopidogrel erreicht werden könne. Nach der Rechtsauffassung der Klägerin wäre es ihm – dem Beklagten – generell und entgegen des Bewertungsauftrages nach § 35a SGB V verwehrt, Ausmaß und Wahrscheinlichkeit des Zusatznutzens gegenüber der zweckmäßigen Vergleichstherapie in den Konstellationen zu bewerten, in denen die zweckmäßige Vergleichstherapie dem Komparator der für die Entscheidung über die Zulassung herangezogenen Studie entspreche. Eine solche undifferenzierte und weitreichende Sperrwirkung des Arzneimittelrechts gegenüber den sich aus dem Wirtschaftlichkeitsgebot ergebenden Anforderungen sei nicht geboten. Maßgeblich für die Beurteilung und Zweckmäßigkeit sei, welche von mehreren Therapieoptionen der Zielsetzung des SGB V näherkomme. Für die Beurteilung der Zweckmäßigkeit seien weitere für die GKV relevante Zielkriterien zu berücksichtigen. Die Klägerin verkenne, dass die teilweise festgestellten Heterogenitäten in der Datenlage nicht solche Gesichtspunkte beträfen, auf denen die Feststellung der Unzweckmäßigkeit gründe. Eine Heterogenität habe sich auf der Nutzenseite nur bei den Endpunkten „nicht-tödliche Schlaganfälle“, „vaskulär bedingte Mortalität“ und „vaskuläre Todesfälle ohne tödliche Insulte“ gezeigt. Bei Betrachtung der Einzelstudien hätten sich hierzu keine Nachweise für einen Vor- oder Nachteil von Dipyridamol + ASS gegenüber ASS bzw. Clopidogrel bei diesen Endpunkten ergeben. In der Bewertung des Schadens zeige sich bei der Gesamtrate unerwünschter Ereignisse jedoch eine Heterogenität in den beiden Langzeitstudien mit dem Komparator ASS. Bei den Major-Blutungen habe die Meta-Analyse aus den drei Langzeitstudien bei nicht-heterogener Datenlage für den Vergleich gegen ASS bzw. Clopidogrel einen statistisch signifikanten Unterschied zu Ungunsten von Dipyridamol + ASS ergeben. Die Verordnungseinschränkung von Clopidogrel stehe den Schlussfolgerungen zur Unzweckmäßigkeit des Kombinationspräparates aus Dipyridamol + ASS nicht entgegen. Die Nutzenbewertung nach § 139b Abs. 1 SGB V erfolge nicht gegenüber einer Standardtherapie, sondern gegenüber anderen für die Indikation zugelassenen Arzneimitteln und sei damit eine umfassende Bewertung. Das IQWIG habe begründet, aus welchen Erwägungen heraus es Studien mit den aktiven Komparatoren ASS und Clopidogrel zusammengefasst habe. Denn – so das IQWIG – es lägen keine Hinweise dafür vor, dass sich Nutzen und Schaden von ASS und Clopidogrel in der Sekundärprohylaxe nach Schlaganfällen voneinander unterschieden. Diese Einschätzung beruhe auf den Ergebnissen der CAPRIE-Studie, in der Clopidogrel (75 ml täglich) und ASS (325 ml täglich) in der Sekundärprophylaxe nach Herzinfarkt oder Schlaganfall oder bei symptomatischer peripherer Verschlusskrankheit miteinander verglichen worden seien und in der prädefinierten und stratifizierten Subgruppe der Patienten mit vorangegangenem Schlaganfall kein Zusatznutzen für Clopidogrel gegenüber ASS im Sinne einer Reduktion vaskulärer Ereignisse belegt worden sei, und in der zudem keine statistisch signifikanten Unterschiede zwischen Clopidogrel und ASS bei Raten schwerer gastrointestinaler oder anderer Blutungskomplikationen zu finden gewesen seien. Das IQWIG werte dies als medizinisch begründete Basishypothese. Selbst wenn die Langzeitstudie mit dem Komparator Clopidogrel (PRoFESS-Studie) nicht in die Bewertung einbezogen würde, blieben die Belege für einen größeren Schaden bei nicht belegtem Zusatznutzen gegenüber einer ASS-Monotherapie bestehen. Die Feststellungen der Pharmacovigilance Working Party der EMA vom April 2010 beziehen sich auf die Risikobewertung und damit die Frage der Sicherheit von Dipyridamol + ASS. Die JASAP-Studie weise im Hinblick auf den Einschluss der Patienten in einer bestimmten Zeit nach dem Indexereignis, der Laufzeit der Studie, der Patientencharakteristika wie Alter, Geschlecht, Schweregrad der Schlaganfälle nur geringe Unterschiede zur ESPS 2-Studie auf. Begleiterkrankungen hätten bei den Patienten in der JASAP-Studie etwas häufiger vorgelegen. Die unterschiedliche Ethnizität der Patienten in JASAP und ESPS 2 sei hinsichtlich der divergierenden Ergebnisse fraglich, weil Unterschiede in der Pharmakokinetik und Pharmakodynamik von ASS und/oder Dipyridamol nicht bekannt seien und auch klinisch keine Anhaltspunkte dafür vorlägen, dass sich die Effekte dieser Wirkstoffe „bei Kaukasiern und Asiaten“ unterschieden. Die JASAP-Studie sei eine methodisch adäquat angelegte Nicht-Unterlegenheitsstudie mit keinen wesentlichen Mängeln. Auch unter Einbeziehung der Empfehlungen der Leitlinien erweise sich die Schlussfolgerung zum Vergleich von Dipyridamol + ASS gegenüber den beiden Monotherapien nicht als schlechterdings unvertretbar.

Die beigeladene Bundesrepublik Deutschland, welche im Rechtsstreit durch das BfArM vertreten wird, verteidigt die Bewertung der JASAP-Studie durch die Pharmacovigilance Working Party.

Wegen des Sach- und Streitstandes im Einzelnen sowie wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogene Verwaltungsakte, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung war, verwiesen.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet. Nr. 53 der Anlage III der AM-RL ist rechtmäßig. Der Beklagte durfte die Arzneimittel, welche Dipyridamol in Kombination mit ASS enthalten, von der Versorgung Versicherter in der GKV ausschließen.

A. Die Klage ist zulässig. Sie ist als Feststellungsklage gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft. Die Beteiligten streiten im Hinblick auf die Rechtmäßigkeit bzw. Wirksamkeit des Beschlusses des Beklagten vom 16. Mai 2013 um das „Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses“. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) und des Senats können juristische und natürliche Personen, die durch untergesetzliche Normen in ihren rechtlich geschützten Belangen betroffen sind, Klage direkt gegen diese richten, wenn sie ansonsten keinen effektiven Rechtsschutz erreichen können. Danach ist im sozialgerichtlichen Verfahren ungeachtet des Fehlens einer § 47 VwGO entsprechenden Norm Rechtsschutz gegen Entscheidungen und Richtlinien des GBA im Wege der Feststellungsklage zu gewähren (vgl. etwa BSG, Urteile vom 14. Mai 2014 – B 6 KA 29/13 R – und vom 22. Oktober 2014 – B 6 KA 34/13 R – „Vertigoheel“; Senat, Urteil vom 10. Dezember 2014 – L 7 KA 79/12 KL – „Lacteol“; alle juris).

B. Die Klage ist unbegründet. Der Beschluss des Beklagten vom 16. Mai 2013 ist rechtmäßig.

I. Rechtsgrundlage für Nr. 53 der Anlage III der AM-RL ist § 92 Abs. 1 Satz 1, Teilsätze 1, 3 und 4, Abs. 2 Satz 12 SGB V (in der seit dem 1. Januar 2011 geltenden Fassung) i.V.m. § 16 AM-RL.

1. Danach beschließt der GBA die zur Sicherung der ärztlichen Versorgung erforderlichen Richtlinien über die Gewährung für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten; er kann dabei die Erbringung und Verordnung von Leistungen oder Maßnahmen einschränken oder ausschließen, wenn nach allgemein anerkanntem Stand der medizinischen Erkenntnisse der diagnostische oder therapeutische Nutzen, die medizinische Notwendigkeit oder die Wirtschaftlichkeit nicht nachgewiesen sind; er kann die Verordnung von Arzneimitteln einschränken oder ausschließen, wenn die Unzweckmäßigkeit erwiesen oder eine andere, wirtschaftlichere Behandlungsmöglichkeit mit vergleichbarem diagnostischen oder therapeutischen Nutzen verfügbar ist (§ 92 Abs. 1 Satz 1 Teilsätze 1, 3 und 4 SGB V). Verordnungseinschränkungen oder -ausschlüsse eines Arzneimittels wegen Unzweckmäßigkeit nach Absatz 1 Satz 1 dürfen den Feststellungen der Zulassungsbehörde über Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit eines Arzneimittels nicht widersprechen (§ 92 Abs. 2 Satz 12 SGB V).

Zur aktuellen Fassung von § 92 Abs. 1 Satz 1, Teilsatz 4, Abs. 2 Satz 12 SGB V finden sich in der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Gesundheit (BT-Drs. 17/3698, S. 19) folgende Erwägungen (a.a.O., S. 52):

„Der Gemeinsame Bundesausschuss kann die Verordnungsfähigkeit von Arzneimitteln nur dann ausschließen, wenn deren Unzweckmäßigkeit erwiesen ist, oder wenn es wirtschaftlichere Behandlungsmöglichkeiten gibt. Ein Verordnungsausschluss wegen fehlenden Nutzennachweises ist ausgeschlossen, weil bei Arzneimitteln – im Unterschied zu anderen medizinischen Methoden oder Produkten – die Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit bereits bei der arzneimittelrechtlichen Zulassung von den zuständigen Zulassungsbehörden geprüft werden. Diese Kriterien darf der Gemeinsame Bundesausschuss unter dem Aspekt des medizinischen Nutzens eines Arzneimittels nicht abweichend von der Beurteilung der Zulassungsbehörde bewerten. Im Unterschied zu anderen medizinischen Methoden oder Produkten stellt bei Arzneimitteln die arzneimittelrechtliche Zulassung sicher, dass Arzneimittel grundsätzlich für die Behandlung der zugelassenen Indikationen geeignet sind. Der Gemeinsame Bundesausschuss kann darüber hinaus den Zusatznutzen gegenüber Therapiealternativen bewerten. Dieser Aspekt wird bei der arzneimittelrechtlichen Zulassung nicht geprüft. Lässt sich nicht nachweisen, dass ein Arzneimittel einen Zusatznutzen hat, es jedoch höhere Kosten verursacht, kann der Gemeinsame Bundesausschuss die Verordnungsfähigkeit einschränken oder ausschließen. Das gilt auch, wenn der Gemeinsame Bundesausschuss nachweisen kann, dass ein Arzneimittel unzweckmäßig ist. Der Nachweis der Unzweckmäßigkeit muss dabei mit hoher Sicherheit erbracht sein. Für den Nachweis gelten die in § 35 Absatz 1b Satz 4 und 5 genannten Anforderungen entsprechend. Bei unsicherer Datenlage ist ein Verordnungsausschluss nicht verhältnismäßig. In diesem Fall kann der Gemeinsame Bundesausschuss einen Therapiehinweis nach Absatz 2 beschließen.“

In diesem Zusammenhang ist dem GBA das Recht eingeräumt, den Beweis der Unzweckmäßigkeit oder der Unwirtschaftlichkeit eines Arzneimittels zu führen, indem er dem IQWiG Aufträge zur Bewertung des Nutzens und der Kosten des Arzneimittels nach § 139b SGB V erteilt.

2. Die o.g. parlamentsgesetzlichen Vorgaben hat der GBA in § 16 der von ihm auf der Grundlage von § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 SGB V erlassenen AM-RL konkretisiert. Gemäß § 16 Abs. 1 AM-RL dürfen Arzneimittel von Versicherten nicht beansprucht, von den behandelnden Ärztinnen und Ärzten nicht verordnet und von Krankenkassen nicht bewilligt werden, wenn nach dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse

1. der diagnostische oder therapeutische Nutzen oder

2. die medizinische Notwendigkeit oder

3. die Wirtschaftlichkeit

nicht nachgewiesen ist. Diese Voraussetzungen treffen insbesondere zu, wenn ein Arzneimittel unzweckmäßig ist (§ 16 Abs. 2 Nr. 1 AM-RL) oder an Stelle von fixen Wirkstoffkombinationen das angestrebte Behandlungsziel mit therapeutisch gleichwertigen Monopräparaten medizinisch zweckmäßiger und/oder kostengünstiger zu erreichen ist (§ 16 Abs. 2 Nr. 5 AM-RL).

Der therapeutische Nutzen im Sinne der AM-RL besteht in einem nach dem allgemeinen anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse relevanten Ausmaß der Wirksamkeit bei einer definierten Indikation (§ 9 Abs. 1 Satz 5 AM-RL). Im 2. Abschnitt des 4. Kapitels („Bewertung von Arzneimitteln und Medizinprodukten“) der Verfahrensordnung (VerfO) des GBA ist – in Umsetzung des ausdrücklichen gesetzlichen Auftrags in § 91 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SGB V – das Verfahren zur Bewertung des therapeutischen Nutzens beschrieben. Nach dessen § 6 („Therapeutischer Nutzen“) Abs. 1 erfolgt die Bewertung des therapeutischen Nutzens eines Arzneimittels auf der Grundlage von Unterlagen entweder zum Ausmaß des therapeutischen Nutzens des Arzneimittels bei einer bestimmten Indikation oder durch Vergleich mit anderen Arzneimitteln oder Behandlungsformen unter Berücksichtigung des therapeutischen Zusatznutzens für die Patientinnen oder Patienten. Maßgeblich für die Beurteilung des therapeutischen Nutzens ist nach Abs. 2 der Vorschrift das Ausmaß der Beeinflussung patientenrelevanter Endpunkte, insbesondere Morbidität, Mortalität und Lebensqualität.

II. Die Stellung des GBA als untergesetzlichem Normgeber zwingt zu Einschränkungen bei der gerichtlichen Kontrolle.

391. Ausgangspunkt ist der verfassungsrechtlich begründete Auftrag des GBA zur Normkonkretisierung.

a. Unterwirft der Gesetzgeber Personen der Pflichtversicherung und dem Beitragszwang in einem System der sozialen Sicherheit, bedarf der darin liegende Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) der Rechtfertigung durch eine entsprechende Ausgestaltung der ausreichenden solidarischen Versorgung, die den Versicherten für deren Beitrag im Rahmen des Sicherungszwecks des Systems zu erbringen ist. Der Pflichtversicherte hat allerdings typischerweise keinen unmittelbaren Einfluss auf die Höhe seines Beitrags und auf Art und Ausmaß der ihm im Versicherungsverhältnis geschuldeten Leistungen. In einer solchen Konstellation der einseitigen Gestaltung der Rechte und Pflichten der am Versicherungsverhältnis Beteiligten durch Gesetz (vgl. § 31 Sozialgesetzbuch / Erstes Buch - SGB I -) und durch die auf ihm beruhenden Rechtsakte der Leistungskonkretisierung schützt das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG den beitragspflichtigen Versicherten vor einer Unverhältnismäßigkeit von Beitrag und Leistung. Daraus lässt sich in der gesetzlichen Krankenversicherung zwar kein verfassungsrechtlicher Anspruch auf bestimmte Leistungen der Krankenbehandlung ableiten. Jedoch sind gesetzliche oder auf Gesetz beruhende Leistungsausschlüsse und Leistungsbegrenzungen daraufhin zu prüfen, ob sie im Rahmen des Art. 2 Abs. 1 GG gerechtfertigt sind.

Daneben kommt dem grundgesetzlichen Sozialstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 1, Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG) bei der näheren Bestimmung und Entfaltung der dargestellten Schutzfunktion des Art. 2 Abs. 1 GG maßgebliche Bedeutung zu. Der Schutz des Einzelnen in Fällen von Krankheit ist in der sozialstaatlichen Ordnung des Grundgesetzes eine Grundaufgabe des Staates. Ihr ist der Gesetzgeber nachgekommen, indem er durch Einführung der gesetzlichen Krankenversicherung als öffentlich-rechtlicher Pflichtversicherung für den Krankenschutz eines Großteils der Bevölkerung Sorge getragen und die Art und Weise der Durchführung dieses Schutzes geregelt hat. In Konkretisierung des Sozialstaatsprinzips richtet er u.a. die Beiträge an der – regelmäßig durch das Arbeitsentgelt oder die Rente bestimmten – wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des einzelnen Versicherten (§ 226 SGB V) und nicht am individuellen Risiko aus und ist ferner auf Stabilität der Beitragssätze bedacht (§ 71 SGB V).

Darüber hinaus sind auch die Grundrechte auf Leben und körperliche Unversehrtheit aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG Maßstab für die Beurteilung der Verfassungsmäßigkeit des Leistungsrechts der gesetzlichen Krankenversicherung und seiner fachgerichtlichen Auslegung und Anwendung im Einzelfall. Zwar folgt aus diesen Grundrechten regelmäßig kein verfassungsrechtlicher Anspruch gegen die Krankenkassen auf Bereitstellung bestimmter und insbesondere spezieller Gesundheitsleistungen. Die Gestaltung des Leistungsrechts der gesetzlichen Krankenversicherung hat sich jedoch an der objektiv-rechtlichen Pflicht des Staates zu orientieren, sich schützend und fördernd vor die Rechtsgüter des Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG zu stellen (BVerfG, Beschluss vom 06. Dezember 2005 - 1 BvR 347/98 -, juris, m.w.N.).

Danach ist es verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass die gesetzliche Krankenversicherung den Versicherten Leistungen nach Maßgabe eines allgemeinen Leistungskatalogs (§ 11 SGB V) nur unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots (§ 12 SGB V) zur Verfügung stellt, soweit diese Leistungen nicht der Eigenverantwortung der Versicherten zugerechnet werden (§ 2 Abs. 1 Satz 1 SGB V). Es steht auch mit dem Grundgesetz im Einklang, wenn der Gesetzgeber vorsieht, dass die Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich zu sein haben und nicht das Maß des Notwendigen überschreiten dürfen. Der Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung darf daher auch von finanzwirtschaftlichen Erwägungen mitbestimmt sein. Gerade im Gesundheitswesen hat der Kostenaspekt für gesetzgeberische Entscheidungen erhebliches Gewicht. Die gesetzlichen Krankenkassen sind von Verfassungs wegen daher nicht gehalten, alles zu leisten, was an Mitteln zur Erhaltung oder Wiederherstellung der Gesundheit verfügbar ist (BVerfG a.a.O.). Dass die Stabilität und Finanzierbarkeit der gesetzlichen Krankenversicherung einen überragend wichtigen Gemeinwohlbelang darstellt, hat das BVerfG im Übrigen auch im Zusammenhang mit dem Grundrecht auf Berufsfreiheit (Art. 12 GG) stets betont (vgl. nur BVerfG, Beschluss vom 20. März 2001 - 1 BvR 491/96 -, juris, m.w.N.).

Es ist dem Gesetzgeber schließlich nicht von Verfassungs wegen verwehrt, zur Ausrichtung der Leistungen am Gesichtspunkt der Zweckmäßigkeit ein Verfahren vorzusehen, in dem zugelassene Arzneimittel aufgrund fehlender Zweckmäßigkeit aus dem Leistungskatalog der GKV ganz oder teilweise ausgeschlossen werden. Gleiches gilt für die parallel getroffene Entscheidung des Gesetzgebers, die nähere Konkretisierung der durch unbestimmte Gesetzesbegriffe festgelegten Leistungsverpflichtung im Einzelfall vertragsärztlichen Vorgaben, z.B. durch Normverträge (§§ 82 ff., 87, 125, 127, 131 SGB V), oder Entscheidungen des GBA vorzubehalten (vgl. BVerfG a.a.O.).

b. Wegen dieser verfassungsrechtlichen Vorgaben stehen Entscheidungen des GBA, die dieser im Rahmen der Norm- und Leistungskonkretisierung zu treffen hat, regelmäßig in einem Spannungsfeld, welches durch den Schutz von Leben und körperlicher Unversehrtheit auf der einen und der Finanzierbarkeit des GKV-Systems auf der anderen Seite geprägt ist.

Insbesondere steht der Gesetzgeber im Bereich der Gewährung von Gesundheitsdienstleistungen zur Konkretisierung der Leistungsansprüche der Versicherten vor dem Problem, das aufgrund des medizinisch-wissenschaftlichen Fortschritts, aber auch der wirtschaftlichen Interessen der Leistungserbringer ständig wachsende Angebot so zu begrenzen, dass einerseits keine unwirksamen oder unzweckmäßigen Leistungen finanziert und andererseits keine Leistungen vorenthalten werden, die zur Sicherung der o.g. grundrechtlichen Gewährleistungen unabdingbar sind. Da das Verfassungsrecht nach der gefestigten Rechtsprechung des BVerfG – wie auch in der o.g. Entscheidung vom 6. Dezember 2005 zum Ausdruck kommt – keine einfach handhabbaren Kriterien für einen Leistungsausschluss zur Verfügung stellt, muss sich die gesetzliche Steuerung in diesem Bereich auf die Vorgaben allgemeiner Kriterien und insbesondere von organisatorischen und verfahrensrechtlichen Regelungen konzentrieren (Kluth, Rechtsgutachten zur verfassungsrechtlichen Beurteilung des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA) nach § 91 SGB V, 2015, abrufbar unter https://www.g-ba.de/downloads/17-98-3899/Rechtsgutachten_G-BA_Kluth_2015-04-13.pdf).

2. Bei der Prüfung ist der für jeden Normgeber kennzeichnende Gestaltungsspielraum des GBA beim Erlass von Richtlinien zu respektieren. Daher beschränkt sich die gerichtliche Kontrolle untergesetzlicher Normen regelmäßig darauf, ob die Grenzen der Rechtssetzungsbefugnis durch den Normgeber eingehalten wurden; dies ist der Fall, wenn sich die getroffene Regelung auf eine ausreichende Ermächtigungsgrundlage stützen kann und die maßgeblichen Verfahrensvorschriften sowie die Grenzen des dem Normgeber ggf. zukommenden Gestaltungsspielraums beachtet worden sind (BSG, Urteil vom 13. Mai 2015 - B 6 KA 14/14 R -, juris, m.w.N.).

3. Die eingeschränkte gerichtliche Kontrollkompetenz korrespondiert mit der begrenzten Begründungspflicht des GBA. Die durch § 94 Abs. 2 S 1 SGB V vorgeschriebene Bekanntmachung der tragenden Gründe für die Normsetzungsentscheidung des Beklagten erfordert schon nach dem begrifflichen Gehalt von "tragend" weder die Angabe aller Unterlagen, Erwägungen und Gründe noch eine umfassende, vollumfängliche Begründung mit allen wissenschaftlichen Belegen in Bezug auf alle vorgetragenen Argumente noch gar eine darüber hinausgehende Auseinandersetzung mit allen weiteren denkmöglichen Argumenten und Problemkonstellationen. Es genügt insoweit die Mitteilung der Gründe, die aus der Sicht des GBA tragend sind, also ihn veranlasst haben, einen Beschluss mit einem bestimmten Inhalt zu fassen. Nach dem Zweck der förmlichen Begründung – den Normsetzungsakt transparent zu machen (Begründung zum „Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung“ <GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz - GKV-WSG>, BT-Drucks 16/3100, S. 135) – schuldet der Beklagte mithin nur ein ernsthaftes Bemühen, die von ihm für maßgeblich gehaltenen Gesichtspunkte mitzuteilen. Unerheblich ist dagegen, ob die bekanntgemachten tragenden Gründe im Einklang mit den inhaltlichen Anforderungen an die Rechtmäßigkeit des Beschlusses stehen. Auch hier muss sich der Beklagte nur hinreichend bemühen, die Ergebnisse der klinischen Studien fachlich und methodisch aufzubereiten, um die tragenden Gründe nachvollziehbar zu machen. Er verletzt weder seine förmliche Begründungspflicht noch das Transparenzgebot (vgl. die Begründung zum „Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit in der Arzneimittelversorgung“ <Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz - AMNOG>, BT-Drucks 16/194, S. 8), wenn ihm dabei inhaltliche Fehler unterlaufen. Soweit keine ausdrücklich gesetzlich geregelte Pflicht des Beklagten besteht, eine qualifizierte Begründung als Bestandteil der Beschlussfassung im Zusammenhang mit der Bekanntgabe des Beschlusses mitzuteilen, oder diese Pflicht nur eingeschränkt besteht, führen im Zeitpunkt der Beschlussfassung inhaltlich fehlerhafte, unzureichende oder nicht mitgeteilte Begründungen, die ausdrückliche gesetzliche Begründungsanforderungen nicht verletzen, nicht zur Nichtigkeit eines Beschlusses des Beklagten. Es bedurfte verfahrensrechtlich – über das Dokumentierte und die tatsächlich erfolgte Veröffentlichung der tragenden Gründe entsprechend Kap 1 § 7 VerfO hinaus – keiner gesonderten Begründung. Für Normgeber besteht grundsätzlich keine Begründungspflicht (BSG, Urteil vom 17. September 2013 - B 1 KR 54/12 R -, juris, m.w.N.).

49III. Die Entscheidung des Beklagten, Arzneimittel, die Dipyridamol in Kombination mit ASS enthalten, aus dem Leistungskatalog der GKV grundsätzlich auszuschließen, ist vor diesem Hintergrund rechtlich nicht zu beanstanden. Der Beklagte durfte davon ausgehen, dass die Unzweckmäßigkeit dieser Wirkstoffkombination zur Sekundärprophylaxe bei Schlaganfällen und TIAn erwiesen ist.

501. Die "Zweckmäßigkeit" ist ein Teilelement des in § 12 Abs. 1 Satz 1 SGB V normierten Wirtschaftlichkeitsgebots im weiteren Sinne. Danach müssen die Leistungen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich (im engeren Sinne) sein; sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Eine nähere Konkretisierung des Begriffes enthalten weder Gesetz noch AM-RL oder VerfO. Nach der herrschenden Auffassung ist eine Leistung zweckmäßig, wenn diese auf eines der in den §§ 11 Abs. 1, Abs. 2 und 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V genannten Ziele objektiv ausgerichtet ist und auch hinreichend wirksam ist, um diese Ziele zu erreichen (z.B. Wagner, in: Krauskopf, SGB V, 2015, § 12 Rd. 6; Engelhard, in: jurisPK-SGB V, 3.A. 2016, § 12 Rd. 53; Ulmer, in: Eichenhofer/Wenner, SGB V, 2.A. 2015, § 12 Rd. 12; Rixen, SGb 2013, 140 <142>; Roters, NZS 2010, 612 <616>; siehe auch Noftz, in: Hauck/Noftz, SGB V, 2000, § 12 Rd. 19; Greiner/Benedix, SGb 2013, 1 <3>). Bei der Prüfung der Wirksamkeit einer Leistung – als Teilelement des Begriffes der "Zweckmäßigkeit" – sind die allgemeinen Anforderungen des Leistungsrechts in die Betrachtung einzubeziehen (in diesem Sinne auch Noftz aaO Rd. 20; Kruse, in: Lehr- und Praxiskommentar-SGB V, 4. A. 2012, § 12 R. 7; Roters, in: Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, Stand März 2016, § 12 SGB V, Rd. 25a): § 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V bestimmt, dass Qualität und Wirksamkeit der Leistungen dem allgemeinen Stand der medizinischen Erkenntnisse zu entsprechen und den medizinischen Fortschritt zu berücksichtigen haben; nach § 28 Abs. 1 Satz 1 SGB V umfasst die ärztliche Behandlung die Tätigkeit des Arztes, die (u.a.) zur Behandlung von Krankheiten "nach den Regeln der ärztlichen Kunst" ausreichend und zweckmäßig ist (BSG, Urteil vom 13. Mai 2015 - B 6 KA 14/14 R -, juris, m.w.N.; skeptisch zur Anwendung des Zweckmäßigkeitsbegriffs aus § 12 Abs. 1 Satz 1 SGB V im Rahmen von § 92 Abs. 1 Satz 1, Teilsatz 4, Abs. 2 Satz 12 SGB V: Roters a.a.O., § 92 Rd. 8c).

Der o.g. Begriff der "Wirtschaftlichkeit" im engeren Sinne fordert, entsprechend dem Minimalprinzip, mit dem geringstmöglichen Aufwand die erforderliche – ausreichende und zweckmäßige – Leistung zu erbringen. Bezogen auf die Krankenversicherung bestimmt der Begriff – als Kernbestandteil des Wirtschaftlichkeitsgebots im engeren Sinne – die Relation zwischen dem Kostenaufwand und dem Nutzen in Form des Heilerfolgs. Der Nachweis der Wirtschaftlichkeit im Sinne des Minimalprinzips bedingt den Beleg, dass bei Existenz verschiedener gleich zweckmäßiger und notwendiger Behandlungsmöglichkeiten die Kosten für den gleichen zu erwartenden Erfolg geringer oder zumindest nicht höher sind (BSG, Urteil vom 13. Mai 2015 - B 6 KA 18/14 R -, juris; zum Maximalprinzip im Zusammenhang mit dem Wirtschaftlichkeitsgrundsatz Engelhard, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 3. Aufl. 2016, § 12 SGB V, Rd. 103).

In diesen gesetzlichen Rahmen fügen sich die Regelungen des GBA zur „Feststellung der Unzweckmäßigkeit“ (Kap. 4 § 12 VerfO) widerspruchslos ein. Danach gilt:

(1) Das zu bewertende Arzneimittel ist unzweckmäßig, wenn die mit ihm verglichenen Arzneimittel oder Behandlungsformen einen therapierelevant höheren Nutzen haben und deshalb als zweckmäßige Therapie regelmäßig dem zu bewertenden Arzneimittel vorzuziehen sind. Die Unzweckmäßigkeit kann auch für relevante Patientengruppen oder Indikationsbereiche festgestellt werden.

(2) Die Bewertung der Zweckmäßigkeit eines Arzneimittels erfolgt auf der Grundlage der Fachinformation und von klinischen Studien zum Ausmaß des therapeutischen Nutzens des Arzneimittels im Vergleich zu anderen Arzneimitteln oder Behandlungsformen. Maßgeblich für die Beurteilung des therapeutischen Nutzens ist das Ausmaß der Beeinflussung patientenrelevanter Endpunkte. Ein höherer Nutzen kann auch eine Verringerung der Häufigkeit oder des Schweregrades therapierelevanter Nebenwirkungen sein. Vorrangig sind klinische Studien, insbesondere direkte Vergleichsstudien mit anderen Arzneimitteln oder Behandlungsformen zu berücksichtigen.

55Voraussetzung für die Beurteilung der (Un-)Zweckmäßigkeit eines Arzneimittels ist daher stets eine (vergleichende) Nutzenbewertung (so auch die Begründung zum Entwurf des AMNOG, BT-Drs. 17/2413 S. 20). Die Befürchtung, bei Übernahme der vom BSG zu § 12 Abs. 1 Satz 1 SGB V entwickelten Kriterien zur Bestimmung der Zweckmäßigkeit im Rahmen von § 92 SGB V lasse sich eine Unzweckmäßigkeit i.S.v. § 92 Abs. 1 Satz 1, Teilsatz 4, Abs. 2 Satz 12 SGB V kaum erweisen (so Roters a.a.O., Rd. 8c; vgl. auch Kingreen, NZS 2011, 441 <445>), ist bei Anlegung dieses Maßstabs aus Sicht des Senats unbegründet.

2. Der GBA ist daher insbesondere berechtigt, die Zweckmäßigkeit von Arzneimitteln einer vergleichenden Betrachtung zu unterwerfen und weniger zweckmäßige Arzneimittel aus der Versorgung Versicherter auszuschließen oder einzuschränken. Auch wenn § 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V nicht zwingend verlangt, dass dann, wenn mehrere Methoden mit nachgewiesenem Wirkungszusammenhang zur Verfügung stehen, die anerkannteste bzw. besterprobte zu erbringen ist, hat die Rechtsprechung des BSG ein solches Vorgehen des GBA in Bezug auf Arzneimittel ausdrücklich gebilligt (BSG, Urteil vom 14. Dezember 2011 - B 6 KA 29/10 R - „Monapax“, juris, für die Annahme, Monopräparate seien im Regelfall medizinisch zweckmäßiger als fixe Wirkstoffkombinationen und/oder kostengünstiger; für Medizinprodukte: BSG, Urteil vom 13. Mai 2015 - B 6 KA 14/14 R - „Jacutin“, juris, m.w.N.). Eine solche Vergleichsbetrachtung ist im Bereich der GKV für Arzneimittel gesetzlich ausdrücklich vorgegeben. Dies belegen neben § 92 Abs. 1 Satz 1 Teilsatz 4 SGB V insbesondere die durch das AMNOG zum 1. Januar 2011 eingeführten Vorschriften zur Bewertung des Nutzens von Arzneimitteln mit neuen Wirkstoffen – die sog. frühe Nutzenbewertung – (§ 35a Abs. 1 Satz 2 „Bewertung des Zusatznutzens gegenüber der zweckmäßigen Vergleichstherapie“, Satz 4 „vergleichbar mit Festbetragsarzneimitteln“) und zur Kosten-Nutzen-Bewertung von Arzneimitteln (§ 35b Abs. 1 Satz 3 „Bewertung erfolgt durch Vergleich mit anderen Arzneimitteln und Behandlungsformen“). Daher bewegt sich der GBA, wenn er seine Entscheidungen aufgrund eines Vergleichs von Behandlungsalternativen trifft, wie auch in § 16 Abs. 2 Nr. 5 AM-RL, Kap. 4 § 6 Abs.1 oder § 12 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 VerfO vorgesehen, generell auf dem Boden des SGB V.

573. Die für das Aufgabenprogramm des GBA zentralen Bewertungsgrößen „Zweckmäßigkeit“ und (medizinischer) „Nutzen“ stehen damit gesetzessystematisch innerhalb des SGB V in einem Regelungskontext, der sich grundlegend von der Zielsetzung des AMG und den Aufgaben der darin vorgesehenen Zulassungsbehörden unterscheidet.

a. Das Arzneimittelrecht einerseits und die Vorschriften des SGB V andererseits dienen nicht denselben Zwecken und machen demgemäß die Zulassung von Arzneimitteln zum Verkehr und die Verordnungsfähigkeit von Arzneimitteln zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung von verschiedenen Voraussetzungen abhängig. Die Vorschriften des SGB V sind auf die Gewährleistung einer therapeutisch und wirtschaftlich möglichst effizienten Verordnung von Arzneimitteln gerichtet. Das Arzneimittelgesetz verfolgt dagegen den Zweck, im Interesse einer ordnungsgemäßen Arzneimittelversorgung von Mensch und Tier für die Sicherheit im Verkehr mit Arzneimitteln zu sorgen. Dies schließt neben der Unbedenklichkeit auch die Prüfung der Qualität und der Wirksamkeit des jeweiligen Arzneimittels ein (§ 1 AMG). Arzneimittelrecht ist Ordnungsrecht (BGH, Urteil vom 23. April 1968 - VI ZR 217/65 -; Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 11. Februar 2009 - 13 A 977/07 -; jeweils juris; Wiebe, GewArch 2016, 138ff). Es ist daher unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten nicht bedenklich, die Verordnungsfähigkeit eines Arzneimittels zu verneinen, wenn und solange dieses nicht arzneimittelrechtlich zugelassen ist. Mit der arzneimittelrechtlichen Zulassung verfügen die Krankenkassen über ein eindeutiges und zugängliches Kriterium bei der Entscheidung über die Verordnungsfähigkeit von pharmazeutischen Produkten. Dieses Kriterium ist auch zuverlässig, denn die Zulassungsentscheidung nach §§ 21ff. AMG ergeht auf der Grundlage aufwendiger Zulassungsunterlagen des Antragstellers mit sachangemessener behördlicher Kompetenz (BVerfG, Kammerbeschluss vom 05. März 1997 - 1 BvR 1071/95 -, juris). Die Zielsetzungen des SGB V reichen hingegen weit über die des AMG hinaus.

Gleichwohl ergibt sich ein Zusammenspiel zwischen Arzneimittel- und Leistungsrecht der GKV insofern, als das SGB V bei Arzneimitteln in Bezug auf die Qualitätssicherung weitgehend auf eigene Vorschriften verzichtet und insoweit an das Arzneimittelrecht anknüpft (BSG, Urteile vom 03. Juli 2012 - B 1 KR 22/11 R - „Atorvastatatin II“, und vom 11. Mai 2011 - B 6 KA 13/10 R -, jeweils juris, m.w.N.). Eine rechtsgebietsübergreifende Bindung in dem Sinne, dass all dasjenige, was arzneimittelrechtlich zulässig ist, zwingend auch zur krankenversicherungsrechtlichen Leistungspflicht der Krankenkassen führen müsste, ist allerdings gesetzlich nicht angeordnet worden. Auch die bisher vom BSG angenommene Bindungswirkung von Entscheidungen auf Grund des Arzneimittelrechts bezieht sich allein auf die arzneimittelrechtliche Beurteilung der Rechtslage. Ausgeschlossen ist es demgegenüber nicht, sondern prägend und typisch, dass das Krankenversicherungsrecht zusätzliche, über das Arzneimittelrecht hinausgehende Anspruchsvoraussetzungen für die Pflicht zur Leistungsgewährung aufstellt. Die arzneimittelrechtliche Zulässigkeit einer Arzneimittelanwendung stellt in diesem Sinne für die gesetzliche Krankenversicherung immer nur ein "Mindestsicherheits- und Qualitätserfordernis" dar und ist nur "negativ vorgreiflich", weil eine erforderliche, aber nicht vorhandene Zulassung auch die Verordnungsfähigkeit stets ausschließt (BSG, ständige Rechtsprechung, vgl. Urteil vom 27. September 2005 - B 1 KR 6/04 R -, Urteil vom 22. Oktober 2014 - B 6 KA 34/13 R -, Urteil vom 15. Dezember 2015 - B 1 KR 30/15 R -; jeweils juris).

b. Zentrales Anliegen des AMG ist – wie bereits festgestellt – u.a., die Wirksamkeit von Arzneimitteln zu gewährleisten (§ 1 AMG). Fehlt einem Arzneimittel die vom pharmazeutischen Unternehmer (§ 4 Abs. 18 AMG) als Antragsteller angegebene therapeutische Wirksamkeit oder ist sie nach dem jeweils gesicherten Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse vom Antragsteller unzureichend begründet, stellt dies einen Grund dar, die Zulassung zu versagen (§ 25 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 AMG). Wirksamkeit i.S.d. AMG bezeichnet den vom pharmazeutischen Hersteller gewünschten Erfolg bei den von ihm definierten Anwendungsgebieten; maßgeblich ist daher der vom pharmazeutischen Hersteller seinem Arzneimittel beigemessene Wirksamkeitsanspruch (Rehmann, AMG, 4. A., § 25 Rd. 7). Es sind keine Hinweise dafür ersichtlich, dass das SGB V, welches die Wirksamkeit einer Leistung zur conditio sine qua non für die Aufnahme in den Leistungskatalog der GKV erklärt (vgl. § 2 Abs. 1 Satz 3, § 137c Abs. 1 Satz 2, § 137h Abs. 1 Satz 4 Nr. 3, § 140a Abs. 2 Satz 3 SGB V), – zumindest für den Bereich der Arzneimittelversorgung – von einem abweichenden Wirksamkeitsbegriff ausgeht.

61Entgegen den klägerseitigen Ausführungen ist der (arzneimittel- und krankenversicherungsrechtliche) Begriff der Wirksamkeit nicht identisch mit dem Nutzenbegriff des SGB V. Allerdings existiert für den Begriff des (therapeutischen bzw. medizinischen) Nutzens, trotz häufiger Verwendung innerhalb des SGB V (vgl. §§ 25a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2, 34 Abs. 4 Satz 1, 35 Abs. 1b Sätze 1, 3 und 9, 35a, 35b, 35c Abs. 1 Satz 1, 73 Abs. 8 Satz 1, 91 Abs. 4 Satz 1, 92 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 3, 92a Abs. 1 Satz 4 Nr. 6, 130b, 135 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 137c Abs. 1 Sätze 2 und 3, 137e Abs. 1 Satz 1, 137h Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 und 2, 138, 139 Abs. 4, 139a Abs. 3 Nr. 5 und Abs. 4 Satz 1, 139d Satz 1 SGB V), keine Legaldefinition (allgemein zum Nutzenbegriff im SGB V Windeler/Lange, Bundesgesundhbl 2015, 220; Wegscheider/Drabik/Bleich/Schulz, Bundesgesundhbl 2015, 298; Roters, NZS 2010, 612; Francke/Hart MedR 2008, 26, die u.a. auf Definitionsdifferenzen zwischen den Bereichen Recht und Health Technology Assessment <HTA> hinweisen). Soweit der Begriff des therapeutischen oder (Zusatz-) Nutzens innerhalb des SGB V im Hinblick auf die Versorgung der Versicherten mit Arzneimitteln verwandt wird, ist er offenkundig nicht bedeutungsgleich mit dem Begriff der Wirksamkeit. Ferner entnimmt der Senat dem jeweiligen Kontext jedenfalls den Willen des Gesetzgebers, mit dem Nutzen einen therapeutischen Vorteil eines Wirkstoffs oder Arzneimittels im Vergleich zu anderen Therapiealternativen zum Ausdruck zu bringen (so auch BSG, Urteil vom 06. März 2012 - B 1 KR 24/10 R -, juris; Senat, Urteil vom 7. Juni 2013 - L 7 KA 164/09 KL -, juris). So geht auch der Gesetzgeber davon aus, ein höherer Nutzen könne „sich insbesondere daraus ergeben, dass das Arzneimittel eine überlegene Wirksamkeit gegenüber Arzneimitteln der Wirkstoffgruppe zeigt“ (Begründung zum Entwurf des GKV-WSG, BT-Drs. 16/194, S.8)

62Vor diesem Hintergrund ist die Feststellung, der GBA dürfe die Kriterien Qualität, Wirksamkeit und medizinische Unbedenklichkeit eines Arzneimittels oder Wirkstoffs nicht unter dem Aspekt des "medizinischen Nutzens" abweichend von der Beurteilung der für die Zulassung nach dem AMG zuständigen Behörde bewerten (so BSG, Urteil vom 31. Mai 2006 - B 6 KA 13/05 R - „Clopidogrel“, a.a.O.; ihm folgend: Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit zum Entwurf des AMNOG“ BT-Drs. 17/3698, S. 52) dahin zu verstehen, dass der GBA im Rahmen der Nutzenbewertung für ein zugelassenes Arzneimittel zwar zu einem negativen Ergebnis gelangen darf, dies aber nicht auf eine von der Zulassung abweichende Einschätzung zur (arzneimittelrechtlichen) Qualität, Wirksamkeit oder Unbedenklichkeit stützen darf. Verwehrt wäre ihm daher z.B. auch eine abweichende Beurteilung der Wirksamkeit eines Arzneimittels auf der Grundlage einer nach der Zulassung veröffentlichten Studie. Ermöglicht sind dem GBA jedoch Therapievergleiche, die entweder auf andere Endpunkte – insbesondere die in § 35b Abs. 1 Satz 4 SGB V genannten patientenrelevanten Endpunkte (Verbesserung des Gesundheitszustandes, Verkürzung der Krankheitsdauer, Verlängerung der Lebensdauer, Verringerung der Nebenwirkungen sowie Verbesserung der Lebensqualität) – oder andere Dosierungen als die Zulassungsbehörde abstellen oder die medikamentöse und nicht-medikamentöse Behandlungsalternativen gegenüberstellen. Verneint der GBA auf dieser Grundlage die Zweckmäßigkeit eines Arzneimittels, berührt dies den Aufgabenbereich der Zulassungsbehörden nicht.

Die teilweise vertretene These, die arzneimittelrechtlichen Vorgaben für die Zulassung eines (Fertig-)Arzneimittels sähen gerade keinen Vergleich mit anderen Behandlungsmöglichkeiten vor (Roters, a.a.O., § 92 Rd. 8c), trifft in dieser Allgemeinheit nicht zu. Zwar mag auch das für die Zulassung relevante günstige Nutzen-Risiko-Verhältnis (§ 25 Abs. 2 S. 1 Nr. 5 AMG) keinen Vergleich mit anderen Arzneimitteln verlangen, sondern nur ein Überwiegen der positiven therapeutischen Wirkungen gegenüber seinen möglichen Nachteilen (§ 4 Abs. 28 AMG; Roters, a.a.O., § 92 SGB V Rd. 8c, m.w.N.). Allerdings sieht § 24b Abs. 1 Satz 3 AMG für die Zulassung von Generika unter bestimmten Voraussetzungen einen bedeutenden klinischen Nutzen „im Vergleich zu bestehenden Therapien“ vor. Darüber hinaus erfordert jede Zulassung eines Arzneimittels, das mehr als einen Wirkstoff enthält (Kombinationspräparat), eine ausreichende Begründung, dass jeder Wirkstoff einen Beitrag zur positiven Beurteilung des Arzneimittels leistet“ (§ 25 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5a AMG; ähnlich schon § 22 Abs. 3a AMG; s.a. BVerwG, Urteile vom 9. April 2014 - 3 C 10/13 - und vom 16. Oktober 2003 - 3 C 28/02 und 3 C 3/03 -, Beschluss vom 8. Januar 2007 - 3 B 16/06 -; juris). Hinsichtlich der Anforderungen, die an eine Kombinationsbegründung zu stellen sind, orientiert sich das BfArM an der für das europäische Zulassungsverfahren aktuell gültigen Leitlinie „Guideline on clinical development of fixed combination medicinal products“ (CHMP/EWP/240/95, in revidierter Form gültig seit dem 1. September 2009) mit u.a. folgenden Regelungen:

6.5 Therapeutical trialsConfirmatory clinical trials are necessary to prove efficacy, preferably by parallel group comparisons in which the fixed combination is compared to its individual substances. Inclusion of a placebo group is recommended whenever feasible. Comparative clinical studies of the fixed combination versus reference treatment might be necessary in order to put into perspective the improvement obtained with the fixed combination.

Kombinationspräparate betreffende Studien, die Vergleiche mit etablierten Behandlungsalternativen beinhalten, sind daher im Regelfall sinnvoll und werden arzneimittelrechtlich verlangt, zumal ein Vergleich gegen Placebo u.U. aus ethischen Gründen nicht in Frage kommt.

c. Demgegenüber sind die für die GKV zentralen Kategorien „Wirtschaftlichkeit“ und – als eines deren Teilelemente (BSG, Urteil vom 13. Mai 2015 - B 6 KA 14/14 R -, juris) – „Zweckmäßigkeit“ dem Arzneimittelrecht fremd. Feststellungen des GBA zur (Un-)Wirtschaftlichkeit oder (Un-)Zweckmäßigkeit eines Arzneimittels können daher allenfalls dann den Wertungen des AMG widersprechen, wenn sie z.B. gerade mit der fehlenden Wirksamkeit des Arzneimittels begründet werden. Der GBA wird in diesem Zusammenhang nicht als Ordnungsbehörde tätig; sein Aufgabenspektrum gleicht vielmehr dem einer Regulierungsbehörde, weil er auf den GKV-Markt als Wirtschaftssektor einwirkt, um sowohl Bedingungen für Wettbewerb zu schaffen und aufrechtzuerhalten, als auch anstelle einer staatlichen Eigenvornahme die Gemeinwohlsicherung, insbesondere eine flächendeckende Versorgung in diesem Bereich zu garantieren (Kluth, a.a.O., S. 57, m.w.N.).

4. Einer darüber hinaus gehenden Abklärung der Frage, wie AMG und SGB V voneinander abzugrenzen sind, bedarf es im Rahmen des vorliegenden Rechtsstreits nicht. Denn der Ausschluss von Dipyridamol + ASS verstößt nicht gegen § 92 Abs. 2 Satz 12 SGB V. Die Entscheidung des Beklagten steht nicht im Widerspruch zu den Feststellungen des BfArM.

68a. Die durch § 92 Abs. 2 Abs. 12 SGB V angeordnete Bindung des GBA an die arzneimittelrechtlichen Feststellungen der Zulassungsbehörde geht über eine bloße Tatbestandswirkung hinaus.

aa. Ob die Entscheidung einer Behörde außer für die unmittelbar davon betroffenen Adressaten auch (Dritt-)Bindungswirkung gegenüber einer anderen Behörde entfaltet, bestimmt sich nicht nach einheitlichen Grundsätzen. Eine solche Wirkung kann regelmäßig nur von Verwaltungsakten (§ 31 SGB X) ausgehen, die eine gestaltende und konstitutiv-feststellende Wirkung entfalten, nicht aber auch von nur deklaratorisch-feststellenden Verwaltungsakten. Die Drittbindungswirkung besteht insbesondere dann, wenn eine Behörde mit einem Regelungsmonopol ausgestattet ist und erfordert das Vorhandensein entsprechender gesetzlicher Regelungen, in denen der Umfang der Bindung wiederum bereichsspezifisch und abhängig von ihrem erkennbaren Regelungszweck unterschiedlich ausgestaltet sein kann (BSG, Urteil vom 13. Dezember 2000 - B 6 KA 26/00 R -, juris; Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Sozialgerichtsgesetz, 11.A., § 141 Rd. 4; jeweils m.w.N.). Weit verbreitet ist insoweit die Unterscheidung zwischen Tatbestands- und Feststellungswirkung, zweier Rechtsinstitute, die die Rechtsordnung zur Verhütung eines ständigen Wiederaufgreifens rechtlich geklärter Lebenssachverhalte und zur Vermeidung divergierender Entscheidungen entwickelt hat. Durch die Feststellungswirkung werden Gerichte und Verwaltungsbehörden gegenseitig und untereinander an Entscheidungselemente, an tatsächliche Feststellungen und rechtliche Wertungen in Urteilen und Verwaltungsakten gebunden. Im Gegensatz zur Tatbestandswirkung, bei der eine Rechtsvorschrift an die Tatsache anknüpft, dass eine bestimmte Entscheidung, sei es Verwaltungsakt oder Urteil, ergangen ist, zieht die Feststellungswirkung auch Sachverhaltsmerkmale und rechtliche Wertungen in die Bindung mit ein; durch sie wird die betroffene Behörde (oder das Gericht) daran gehindert, über einen Sachverhalt oder eine Rechtsfrage abweichend von dieser Feststellung zu entscheiden. Sie kann mithin über die Grenzen der materiellen Bestands- bzw. Rechtskraft einer Entscheidung hinausgehen (grundlegend: BSG, Urteil vom 19. März 1998 - B 7 AL 86/96 R -; zur Tatbestandswirkung s.a. Urteil vom 08. September 2015 - B 1 KR 16/15 R -; jeweils juris und m.w.N.).

bb. Hieran gemessen ordnet § 92 Abs. 2 Satz 12 SGB V eine Feststellungswirkung an. Denn der GBA muss nicht nur die Existenz einer arzneimittelrechtlichen Entscheidung (z.B. die Zulassung eines Arzneimittels) beachten, sondern wird darüber hinaus auch an die in der arzneimittelrechtlichen Entscheidung enthaltenen Feststellungen zu Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit des Arzneimittels gebunden.

b. Allerdings liegt nicht in jedem Verhalten des BfArM zugleich eine Feststellung der Zulassungsbehörde über Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit eines Arzneimittels i.S.v. § 92 Abs. 2 Satz 12 SGB V.

aa. Es versteht sich zunächst von selbst, dass nicht veröffentlichte Stellungnahmen des BfArM keine Bindungswirkung zu Lasten des GBA entfalten können. Soweit also dem GBA der an den pharmazeutischen Hersteller gerichtete Zulassungsbescheid, etwa unter Berufung auf Datenschutzgründe oder Betriebsgeheimnisse, nicht zugänglich gemacht wird – für eine förmliche Bekanntgabe i.S.v. § 41 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) durch das BfArM fehlt die Rechtsgrundlage –, wird er die „Feststellungen der Zulassungsbehörde über Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit eines Arzneimittels“ regelmäßig nur der – an die jeweiligen Fachkreise gerichteten – Fachinformation nach § 11a AMG, welche dem Zulassungsantrag beizufügen ist (§ 22 Abs. 7 Satz 1 AMG) und vom pharmazeutischen Hersteller auf Anforderung den Fachkreisen zur Verfügung zu stellen ist (Rehmann, a.a.O., § 11a Rd. 1), entnehmen können. Es ist daher nicht zu beanstanden, dass das IQWiG, welches die Entscheidung des GBA zur Nutzenbewertung gemäß § 139a Abs. 3 Nr. 5 SGB V vorbereitet hat und dessen gesetzeskonformen Bewertungen eine Richtigkeitsgewähr zukommt (BSG, Urteil vom 01. März 2011 - B 1 KR 7/10 R - „Atorvastatin I“, juris), Informationen anhand öffentlich zugänglicher Zulassungsunterlagen sucht (Ziffer 4.2.2.2 seines Abschlussberichts vom 14. Februar 2011, https://www.iqwig.de/download/A09-01_Abschlussbericht_Dipyridamol_ASS_nach_Schlaganfall_oder_TIA.pdf;) und den Zulassungsstatus (nur) anhand der Fachinformation prüft, wenn ihm der Zulassungsbescheid der Klägerin nicht zugänglich gemacht wird. Legt der pharmazeutische Hersteller – wie offenkundig im vorliegenden Fall – den Zulassungsbescheid erstmals im gerichtlichen Verfahren vor, wäre der GBA an darin enthaltene Feststellungen zur Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit nicht gebunden, wenn sie über die in der Fachinformation enthaltenen hinausreichten.

bb. Auch stellt nicht jedes Verhalten der Zulassungsbehörde zugleich eine Feststellung i.S.v. § 92 Abs. 2 Satz 12 SGB V dar. Eine Untätigkeit oder ein Schweigen der Zulassungsbehörde als Reaktion auf vom pharmazeutischen Hersteller nach der Zulassungserteilung eingereichtes Studienmaterial kommt schon begrifflich keiner Feststellung im o.g. Sinne gleich. Hätte der Gesetzgeber auch das Unterlassen einer Äußerung für eine Feststellung i.S.v. § 92 Abs. 2 Satz 12 SGB V genügen lassen wollen, hätte er dies ausdrücklich anordnen müssen.

cc. Außerdem müssen die in der Fachinformation bzw. dem Zulassungsbescheid enthaltenen „Feststellungen der Zulassungsbehörde über Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit eines Arzneimittels“ hinreichend bestimmt sein. Insofern liegt es nahe, zur Bestimmtheit der Feststellungen die zu § 33 Abs. 1 SGB X / § 37 VwVfG entwickelten Kriterien heranzuziehen (vgl. Engelmann, in: v. Wulffen/Schütze, SGB X, 8.A., § 33 Rn. 3ff, m.w.N.). Die Feststellungen müssen demnach in sich widerspruchsfrei sein; Unklarheiten können nicht zu Lasten des GBA gehen.

dd. Da § 92 Abs. 2 Satz 12 SGB V nur die Feststellungen „der Zulassungsbehörde“ (Singular) erwähnt, wollte der Gesetzgeber die Bindungswirkung offensichtlich auf die Verlautbarungen derjenigen Zulassungsbehörde begrenzen, die im jeweiligen Einzelfall für die arzneimittelrechtliche Zulassung zuständig war, d.h. BfArM oder EMA. Äußerungen der „anderen“ Zulassungsbehörde sind daher schon mangels deren Zuständigkeit nicht geeignet, den GBA zu binden. Auf die Stellungnahmen der PhVWP, einer Arbeitsgruppe innerhalb der EMA, kommt es daher nicht an. Offen bleiben kann daher, ob auch Verlautbarungen eines Funktionsbereichs einer Zulassungsbehörde zu den Feststellungen i.S.v. § 92 Abs. 2 Satz 12 SGB V zählen oder nur solche der Behörde(nleitung) an sich.

c. Nach diesen Maßstäben steht der Ausschluss von Dipyridamol + ASS nicht in Widerspruch zu den Feststellungen des BfArM zu Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit von Aggrenox. Denn die Feststellungen des BfArM zur Wirksamkeit von Aggrenox sind unklar (hierzu aa. bis dd.). Angesichts dessen sind die an weiteren patientenrelevanten Endpunkten orientierten Ergebnisse des Beklagten nicht zu beanstanden (hierzu ee.)

aa. Der Fachinformation ist bereits nicht zweifelsfrei zu entnehmen, im Hinblick auf welchen Endpunkt die Wirksamkeit von Aggrenox festgestellt wurde. Nach den vorliegenden Fachinformationen von Juli 2013 und Juni 2015 ergibt sich die Wirksamkeit dieses Arzneimittels aus den Studien ESPS 2, ESPRIT und PRoFESS (vgl. jeweils Ziffer 5.1 „pharmakodynamische Eigenschaften“ der Fachinformation).

(1) Die Wirksamkeitsbeurteilungen der ESPS 2-Studie „schlossen Analysen tödlicher oder nicht-tödlicher Schlaganfälle und Todesfälle jeglicher Genese mit ein.“ Die Wirksamkeit des Arzneimittels beruht offenkundig auf der Feststellung, dass Aggrenox „das Schlaganfallrisiko“ im Vergleich zu Dipyridamol bzw. ASS in dem aus dem Tatbestand ersichtlichen Umfang reduzierte. Welcher konkrete Endpunkt hiermit gemeint ist, ergibt sich aus dem weiteren Text der Fachinformation nicht.

(2) Das primäre Hauptereignis der ESPRIT-Studien war ein kombinierter Endpunkt aus Todesfällen vaskulärer Genese, nicht-tödlichen Schlaganfällen und Herzinfarkten oder schweren Blutungskomplikationen. Patienten mit einer Kombination von Dipyridamol und ASS zeigten eine 20%ige Risikoreduktion im primären Endpunkt im Vergleich zu denen mit einer ASS-Monotherapie. In welcher Weise die o.g. Ereignisse kombiniert wurden, sprich: wann der „kombinierte“ Endpunkt als erreicht galt, ist der Fachinformation nicht zu entnehmen.

(3) Bei der PRoFESS-Studie wurde die Verhinderung von Schlaganfällen unter Aggrenox und Clopidogrel sowie unter Telmisartan und entsprechendem Placebo bei Patienten verglichen, die zuvor einen ischämischen Schlaganfall nicht-kardioembolischer Ursache erlitten hatten. Der primäre Endpunkt war die Dauer bis zum Auftreten eines Schlaganfallrezidivs jeglicher Genese. Die Häufigkeit des primären Endpunkts war vergleichbar in beiden Behandlungsgruppen. Es wurden keine signifikanten Unterschiede für andere bedeutsame, vorher spezifizierte Endpunkte zwischen den Aggrenox- und Clopidogrelbehandlungen gefunden, einschließlich des kombinierten Endpunktes Schlaganfallrezidive, Myokardinfarkt oder Tod mit vaskulärer Ursache sowie der kombinierte Endpunkt aus Schlaganfallrezidiven und bedeutsamen hämorrhagischen Ereignissen. Für die kombinierten Endpunkte gilt das zu (2) Gesagte.

bb. Aber auch aus dem Zulassungsbescheid vom 16. November 2001 ergibt sich nicht zweifelsfrei, im Hinblick auf welche(n) Endpunkt(e) die Wirksamkeit von Aggrenox festgestellt wurde. Nach diesem Zulassungsbescheid, der sich zur Beurteilung der Wirksamkeit ausschließlich auf die Ergebnisse der ESPS 2-Studie stützt, wurde eine relative Risikoreduktion bezüglich eines zweiten cerebro-vaskulären Ereignisses (Sekundärprävention) untersucht. Als primäre Zielparameter werden zunächst „tödlicher und nicht tödlicher Schlaganfall“, „Gesamtmortalität“ und „Schlaganfall und/ oder Tod jeglicher Ursache“ genannt. Die in einer Tabelle dargestellten „hoch signifikanten“ Ergebnisse beziehen sich demgegenüber auf „die primären Zielparameter Schlaganfälle“. Dies lässt nicht erkennen, im Hinblick auf welche(n) Endpunkt die Wirksamkeit von Aggrenox festgestellt wurde. Auch der Hinweis auf darüber hinaus untersuchte Sekundärparameter, wie z.B. Myokardinfarkt, transitorisch-ischämische Attacke (TIA) und andere, hilft nicht weiter, da die Ergebnisse hierzu dem Bescheid nicht zu entnehmen sind.

cc. Aufgrund dieser unpräzisen Angaben ist unklar, im Hinblick auf welchen konkreten Bezugspunkt Aggrenox seitens des BfArM eine Wirksamkeit attestiert wurde. Damit wird nicht die Tatsache in Frage gestellt, dass das BfArM Aggrenox arzneimittelrechtlich Wirksamkeit attestierte. Es lässt sich aber weder anhand des Zulassungsbescheids noch der Fachinformation bestimmen, welchen konkreten vom pharmazeutischen Hersteller gewünschten Erfolg der Einsatz von Aggrenox zeitigen soll. Einen hinreichend konkreten Wirksamkeitsanspruch kann der Senat daher diesen Unterlagen nicht entnehmen, sondern nur, dass dieses Arzneimittel im Rahmen der „Sekundärprävention von ischämischen Schlaganfällen und transitorisch-ischämischen Attacken - TIA -“ in irgendeiner Weise vorteilhaft ist.

dd. Hinzukommt, dass im vorliegenden Zusammenhang die Ergebnisse der ESPRIT-Studie aus den vom Beklagten genannten Gründen nicht verwertbar sind. Bei dieser Studie wurden die Monotherapie mit ASS einerseits und die Kombination von Dipyridamol mit einer (in Grenzen) frei wählbaren ASS-Dosis verglichen. Auffällig ist, dass die ASS-Dosierung fast die Hälfte der Patienten (42% bzw. 46 %) in beiden Kombinationsarmen unter 50 mg pro Tag lag. Weil ASS in Deutschland aber erst ab einer Dosierung von 50 mg arzneimittelrechtlich zugelassen ist, wurde eine Vielzahl der Studienteilnehmer nicht zulassungskonform behandelt. Schon dies schließt die Berücksichtigung der ESPRIT-Studie aus.

ee. Ist somit schon nicht bestimmbar, von welchen Feststellungen der Zulassungsbehörde zur Wirksamkeit von Aggrenox der Beklagte überhaupt abweichen könnte, ist auch sein weiteres Vorgehen zur Bewertung von Nutzen und Zweckmäßigkeit dieses Arzneimittels nicht zu beanstanden.

(1) Zunächst hat der Beklagte – wie aus dem Tatbestand ersichtlich – den Nutzen von Aggrenox anhand zahlreicher, im Einzelnen benannter medizinischer Parameter, welche sich den in § 35b Abs. 1 Satz 4 SGB V erwähnten patientenrelevanten Endpunkten zuordnen lassen, untersucht. Seine Beurteilung beruht daher auf einer erheblich breiteren Basis als die Prüfung der Wirksamkeit durch das BfArM, welche die aus dessen Sicht maßgeblichen Endpunkte – wie bereits dargestellt – nicht erkennen lässt.

(2) Im Gegensatz zum Zulassungsbescheid und zu den Fachinformationen ist den Tragenden Gründen des Beklagten (https://www.g-ba.de/downloads/40-268-2322/2013-05-16_AM-RL-lIII_Dipyridamol-ASS_TrG.pdf, S. 7f) exakt zu entnehmen, welche statistischen Ergebnisse hinsichtlich welchen konkreten Endpunkts er ermittelt und seinem weiteren Vorgehen zugrunde gelegt hat. Anhaltspunkte für Zweifel an der Richtigkeit dieser statistischen Ergebnisse sind weder nach dem klägerischen Vorbringen noch anderweitig ersichtlich.

(3) Die JASAP-Studie durfte aus den vom Beklagten genannten Gründen einbezogen werden. Der wesentliche Einwand gegen die Berücksichtigung dieser Studie, nämlich die Frage, ob wegen der ausschließlich asiatischen Studienteilnehmer die Ergebnisse auf hiesige Verhältnisse übertragbar seien, geht fehl. Eine auf der unterschiedlichen Ethnizität beruhende unterschiedliche Pharmakodynamik und -kinetik von ASS und / oder Dipyridamol ist nicht belegt und wird von der Klägerseite auch nicht behauptet.

5. Zu Recht ist der Beklagte von der Unzweckmäßigkeit der Wirkstoffkombination Dipyridamol + ASS ausgegangen. Die hiergegen gerichteten Einwände der Klägerseite überzeugen nicht.

a. Der Beklagte hat zunächst die Studienlage zutreffend, insbesondere vollständig erfasst. Dies gilt – wie soeben festgestellt – auch für den Ausschluss der ESPRIT-Studie und die Einbeziehung der JASAP-Studie.

b. Auch die Bewertung der Studienlage ist nicht zu beanstanden. Insoweit gilt es, den bereits dargestellten eingeschränkten Prüfungsmaßstab des Gerichts zu beachten. Nachvollziehbar und widerspruchsfrei ist der Beklagte zum Ergebnis gelangt, dass wegen der deutlich ungünstigeren Auswirkungen auf der Schadensseite die Monotherapie zumindest mit ASS, grundsätzlich aber auch mit Clopidogrel, vorzuziehen ist.

aa. In der Gesamtbetrachtung der drei Langzeitstudien ESPS 2, PRoFESS und JASAP zeigt sich, dass das Ergebnis bei den nicht tödlichen Schlaganfällen zugunsten von Dipyridamol + ASS in ESPS 2 durch das negative Ergebnis der JASAP-Studie infrage gestellt wird. Auf der Schadensseite dagegen zeigen sich signifikante Unterschiede zuungunsten von Dipyridamol plus ASS bei den unerwünschten Ereignissen (UEs) und Abbrüchen wegen UEs. Bei den Endpunkten vaskulär bedingte Mortalität und vaskuläre Todesfälle ohne tödliche Insulte wiesen die Studien eine Heterogenität auf; dies hat lediglich zur Folge, dass kein Gesamtschätzer berechnet wurde, ein Unterschied zwischen den Therapieoptionen ist bei diesen Endpunkten hingegen nicht gerechtfertigt. Insgesamt ergäbe sich auch ohne Einbeziehung der JASAP-Studie dasselbe Ergebnis in der Nutzen-Schaden-Abwägung von Dipyridamol + ASS gegenüber ASS bzw. Clopidogrel.

bb. Der Einwand, dass eine heterogene Datenlage einen Verordnungsausschluss nicht ermögliche, verkennt, dass sich die Heterogenität auf der Nutzenseite nur bei drei Endpunkten – nicht tödliche Schlaganfälle, vaskulär bedingte Mortalität sowie vaskuläre Todesfälle ohne tödliche Insulte – zeigte. Bei Betrachtung der Einzelstudien ergaben sich jedoch keine Nachweise für einen Vor- oder Nachteil von Dipyridamol + ASS gegenüber ASS bzw. Clopidogrel bei diesen Endpunkten. In der Bewertung des Schadens zeigte sich bei der Gesamtrate unerwünschter Ereignisse eine Heterogenität in den beiden Langzeitstudien mit dem Komparator ASS, hier ergaben jedoch beide Einzelstudien einen statistisch signifikanten Unterschied zuungunsten von Dipyridamol + ASS. Bei den Studienabbrüchen wegen unerwünschter Ereignisse erbrachten die Meta-Analysen heterogene Ergebnisse, zwei der drei Langzeitstudien zeigten jedoch statistisch signifikante Unterschiede zuungunsten von Dipyridamol + ASS. Bei den Major Blutungen ergab die Meta-Analyse aus den drei Langzeitstudien bei nicht-heterogener Datenlage für den Vergleich gegen ASS bzw. Clopidogrel einen statistisch signifikanten Unterschied zuungunsten von Dipyridamol + ASS. Zusammenfassend ergibt sich trotz der teilweise festgestellten Heterogenitäten eine negative Nutzen-Schaden-Bilanz für Dipyridamol + ASS im Vergleich zu ASS bzw. Clopidogrel.

cc. Die Verordnungseinschränkung von Clopidogrel steht den Schlussfolgerungen des GBA zur Unzweckmäßigkeit des Kombinationspräparates aus Dipyridamol + ASS nicht entgegen. Hinsichtlich des Verordnungsausschlusses von Dipyridamol + ASS aufgrund von Unzweckmäßigkeit ist die Monotherapie mit ASS die regelmäßig vorzuziehende Therapie. Dies gilt nicht für die Patienten, die trotz des Verordnungsausschlusses von Clopidogrel als Monotherapie diesen Wirkstoff ausnahmsweise zur Prävention atherothrombotischer Ereignisse bei Patienten mit Herzinfarkt, mit ischämischem Schlaganfall oder mit nachgewiesener peripherer arterieller Verschlusskrankheit erhalten können.

Die Bewertung erfolgte unter Zusammenfassung der Komparatoren ASS und Clopidogrel. Bei ASS und Clopidogrel handelt es sich um zwei Wirkstoffe aus der Gruppe der Thrombozytenaggregationshemmer. Es liegen keine Hinweise dafür vor, dass sich Nutzen und Schaden von ASS und Clopidogrel in der Sekundärprophylaxe nach Schlaganfällen voneinander unterscheiden. Diese Einschätzung beruht auf den Ergebnissen der CAPRIE-Studie, in der Clopidogrel (75 mg täglich) und ASS (325 mg täglich) in der Sekundärprophylaxe nach Herzinfarkt oder Schlaganfall oder bei symptomatischer peripherer Verschlusskrankheit miteinander verglichen wurden und in der prädefinierten und stratifizierten Subgruppe der Patienten mit vorangegangenem Schlaganfall kein Zusatznutzen für Clopidogrel gegenüber ASS im Sinne einer Reduktion vaskulärer Ereignisse belegt werden konnte und in der zudem keine statistisch signifikanten Unterschiede zwischen Clopidogrel und ASS bei den Raten schwerer gastrointestinaler oder anderer Blutungskomplikationen zu finden waren.

Selbst wenn die Langzeitstudie mit dem Komparator Clopidogrel (PRoFESS) nicht in die Bewertung einbezogen würde, blieben die Belege für einen größeren Schaden aufgrund unerwünschter Ereignisse und Studienabbrüchen aufgrund unerwünschter Ereignisse bei nicht belegtem Zusatznutzen gegenüber einer ASS-Monotherapie bestehen, sodass die vom Beklagten vorgenommene Einstufung von ASS als Therapiestandard nicht zu beanstanden ist.

6. Der angefochtene Beschluss des Beklagten verstößt auch nicht gegen das Verhältnismäßigkeitsprinzip. Ein milderes Mittel ist bei als unzweckmäßig eingestuften Arzneimitteln im Allgemeinen nicht denkbar, weil unzweckmäßige Leistungen nach § 12 Abs. 1 Satz 1 SGB V von vornherein nicht zum Leistungskatalog der GKV gehören.

a. Aus diesem Grund greift im vorliegenden Fall § 92 Abs. 2 Satz 11 SGB V nicht ein. Danach kann der GBA die Verordnung eines Arzneimittels nur einschränken oder ausschließen, wenn die Wirtschaftlichkeit nicht durch einen Festbetrag nach § 35 SGB V oder durch die Vereinbarung eines Erstattungsbetrags nach § 130b SGB V hergestellt werden kann. Die Festsetzung eines Festbetrages scheidet hier aus zwei Gründen aus: Zum einen besteht die hierfür unabdingbare therapeutische Vergleichbarkeit zwischen den einzelnen Wirkstoffen nach dem oben Gesagten gerade nicht. Zum anderen bleiben Arzneimittel, für die ein Festbetrag festgesetzt wurde, in der GKV grundsätzlich verordnungsfähig, was mit dem generellen Ausschluss unzweckmäßiger Leistungen (§ 12 Abs. 1 Satz 1 SGB V) unvereinbar wäre. Die Vereinbarung eines Erstattungsbetrags nach § 130b SGB V kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil eine hier erforderliche Nutzenbewertung nach § 35a SGB V nicht erfolgt ist.

b. Im konkreten Fall war dem (vollständigen) Verordnungsausschluss von Dipyridamol + ASS auch nicht eine Verordnungseinschränkung oder ein Therapiehinweis (§ 92 Abs. 2 Sätze 1 und 6 bis 9 SGB V) als milderes Mittel vorzuziehen. Eine Verordnungseinschränkung, die den Ausschluss der Wirkstoffkombination auf bestimmte Patientengruppen beschränkt, ist nicht möglich, weil solche Patientengruppen in den durch das IQWiG und den Beklagten verwerteten Studien nicht identifiziert wurden. Wie ein Therapiehinweis, der u.U. den Einsatz von Dipyridamol + ASS vorsieht, im Rahmen eines gestuften Vorgehens konkret ausgestaltet sein könnte, ist für den Senat weder nach dem klägerischen Vorbringen noch anderweitig erkennbar. Insoweit ist auch zu berücksichtigen, dass nach der Einschätzung des Beklagten, der der Senat folgt, mit ASS und Clopidogrel – auch angesichts dessen weitgehenden Verordnungsausschlusses durch den Beschluss des Beklagten vom 18. September 2008 (BAnz. Nr. 161 vom 23. Oktober 2008) – allgemeine Behandlungsalternativen zur Verfügung stehen. Soweit im Einzelfall diese Therapiemöglichkeiten ausgeschlossen sind, steht der Weg über eine Verordnung nach § 31 Abs. 1 Satz 4 SGB V offen.

C. Die Kostenentscheidung folgt aus § 197 a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung.

Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG) zugelassen.

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