VG Berlin, Beschluss vom 19.07.2016 - 61 K 2.16 PVL
Fundstelle
openJur 2016, 9053
  • Rkr:
Tenor

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten im Wesentlichen darum, ob der Beteiligte seiner Verpflichtung zur Durchführung von Monatsgesprächen hinreichend nachkommt.

Die Beteiligten unterrichteten die Beschäftigten der Dienststelle bis zum Mai 2015 über die Ergebnisse ihrer Monatsgespräche durch Protokolle, deren Inhalte miteinander abgestimmt waren. Im Mai 2015 beendete der Antragsteller diese Praxis und informierte die Beschäftigten über die Monatsgespräche durch Mitteilungen, die nicht mehr mit dem Beteiligten abgestimmt waren. Nachdem der Beteiligte in der Folgezeit die seitens des Antragstellers über die Monatsgespräche weitergegebenen Darstellungen als unvollständig und/oder verfälschend erachtet und gerügt hatte, ging er dazu über, den Antragsteller zu Beginn des jeweiligen Monatsgesprächs zu fragen, ob etwaige Veröffentlichungen seitens des Antragstellers zuvor mit ihm abgesprochen würden. Wenn der Antragsteller dies verneinte, händigte der Beteiligte dem Antragsteller schriftliche Äußerungen zu den Tagesordnungspunkten bzw. zu den seitens des Antragstellers zuvor angekündigten Fragestellungen aus und verlas die Äußerungen.

Seit dem Monatsgespräch vom 23. März 2016 antwortet der Beteiligte auf Nachfragen des Antragstellers zu den schriftlichen Äußerungen, sofern der Antragsteller zusichert, dass hinsichtlich der Antworten des Beteiligten auf diese Nachfragen eine nicht abgestimmte Veröffentlichung durch den Antragsteller unterbleibe.

Nach einem entsprechenden Beschluss hat der Antragsteller im März 2016 das Beschlussverfahren eingeleitet. Er ist der Auffassung, dass der Beteiligte seiner gesetzlichen Pflicht zur Durchführung von Monatsgesprächen aus § 70 Abs. 1 Satz 1 des Personalvertretungsgesetzes Berlin – PersVG Berlin – nicht nachkomme, da ein „Gespräch“ einen mündlichen Austausch verlange. Dem verweigere sich der Beteiligte jedoch.

Der Antragsteller beantragt,

festzustellen,

1.dass der Beteiligte verpflichtet ist, am Monatsgespräch gemäß § 70 Abs. 1 Satz 1 PersVG Berlin teilzunehmen und mit dem Antragsteller die von diesem gewünschten Tagesordnungspunkte zu besprechen und2.dass der Beteiligte nicht berechtigt ist, stattdessen dem Antragsteller lediglich schriftliche „Antworten“ zu seinen Tagesordnungspunkten zukommen zu lassen.Der Beteiligte beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Er ist der Auffassung, dazu berechtigt zu sein, auf die Fragen des Antragstellers in den Monatsgespräche in der geübten Weise einzugehen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird – soweit wesentlich – auf die Streitakte verwiesen, die Gegenstand der Anhörung und Beratung war.

II.

Die Anträge haben keinen Erfolg.

1. Sie sind allerdings zulässig. Bei dem Feststellungsbegehren des Antragstellers handelt es sich um einen Globalantrag; darunter ist jeder Antrag zu verstehen, der mehrere Einzelfälle umfasst (vgl. hierzu BAG, Beschluss vom 28. Mai 2002 - 1 ABR 35/01 - BAGE 101, 232 <236>; BVerwG, Beschlüsse vom 22. Juni 2005 - BVerwG 6 P 8.04 - Buchholz 251.2 § 13 BlnPersVG Nr. 3 S. 10 und vom 27. Januar 2006 - BVerwG 6 P 5.05 - Buchholz 251.4 § 86 HmbPersVG Nr. 12 S. 1 f.). Der Antragsteller begehrt keine abstrakte Feststellung, die auf einen konkreten erledigten/abgeschlossenen Sachverhalt – nämlich die seit dem Mai 2015 durchgeführten Monatsgespräche – bezogen ist und mit der festgestellt werden soll, dass ein zu erwartendes gleichartiges künftiges Verhalten der Beteiligten in einem solchen Fall ein Recht des Antragstellers verletzt, eine entsprechende Feststellung, die konkret auf den Verlauf eines oder mehrerer der vergangenen Monatsgespräche Bezug nähme, hat der Antragsteller nicht beantragt.

Vielmehr will er für alle denkbaren Einzelfälle festgestellt wissen, dass ein in den Anträgen beschriebenes Verhalten des Beteiligten während zukünftiger Monatsgespräche nicht mit § 70 Abs. 1 Satz 1 PersVG Berlin vereinbar ist. Das hierfür nach § 256 Abs. 1 der Zivilprozessordnung (ZPO) erforderliche Feststellungsinteresse ist unter dem Gesichtspunkt der Wiederholungsgefahr gegeben, da – dies hat auch die mündliche Anhörung deutlich gemacht – mit entsprechenden Fällen fortlaufend zu rechnen ist.

2. Die Anträge sind aber unbegründet. Ein Globalantrag ist insgesamt als unbegründet einzustufen, wenn darunter mindestens auch Fallgestaltungen fallen, in denen sich der Antrag als unbegründet erweist. Abweichendes gilt ausnahmsweise dann, wenn sich der Antrag – was hier nicht der Fall ist – auf voneinander zu trennende und gegeneinander klar abzugrenzende Sachverhalte bezieht (vgl. BVerwG, Beschluss vom 22. Juni 2005, a. a. O., m. w. N.).

Unter die Anträge des Antragstellers können auch Konstellationen fallen, in denen sich der Antrag als unbegründet erweist.

Allerdings ist es grundsätzlich nicht mit § 70 Abs. 1 Satz 1 PersVG Berlin vereinbar, auf die Fragen und Tagesordnungspunkte des Personalrats lediglich in schriftlichen Stellungnahmen einzugehen und diese allenfalls noch zu verlesen. Nach § 70 Abs. 1 Satz 1 PersVG Berlin sollen die Vertreter der Dienststelle und der Personalrat mindestens einmal im Monat zu gemeinschaftlichen Besprechungen, an denen auch die Schwerbehindertenvertretung und die Frauenvertreterin teilnehmen können, zusammentreten. Schon nach dem natürlichen Wortsinn verlangt der Begriff der „gemeinschaftlichen Besprechung“, der Ausdruck für ein ausführliches Gespräch über eine bestimmte Sache ist (s. Duden, http://www.duden.de/rechtschreibung/Besprechung), einen mündlichen Austausch zwischen Dienststellenleiter und Personalrat. Dies belegt auch der Zusammenhang mit § 70 Abs. 1 Satz 3 PersVG Berlin, wonach der Vertreter der Dienststelle und der Personalrat (u. a.) über strittige Fragen mit dem ernsten Willen zur Einigung zu „verhandeln“ haben. Dass ein durch gegenseitiges Misstrauen bedingter und von diesem geprägter schriftlicher Austausch zwischen Dienststellenleiter und Personalrat Sinn und Zweck des § 70 Abs. 1 PersVG Berlin nicht entspricht, wird zudem belegt durch den Umstand, dass die Vorschrift den in § 2 Abs. 1 PersVG Berlin festgelegten Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit konkretisieren und ergänzen soll (vgl. z. B. Germelmann, PersVG Berlin, 3. Aufl. 2010, § 70 Rn. 3; Altvater, in: Altvater u. a., BPersVG, 7. Aufl. 2011, § 66 Rn. 1).

Jedoch sind Fälle denkbar, in denen § 70 Abs. 1 Satz 1 PersVG Berlin durch die Verweigerung einer Besprechung und die Beschränkung auf schriftliche Äußerungen nicht verletzt wird. § 70 Abs. 1 Satz 1 ist eine Sollvorschrift, verleiht einen Anspruch auf Durchführung einer monatlichen „Besprechung“ im oben genannten Sinne also nur für den Regelfall, nicht aber auch in atypischen Ausnahmefällen (vgl. zum Inhalt gesetzlicher Sollvorschriften allgemein z. B. BVerwG, Urteil vom 17. Dezember 2015 – 1 C 31/14 – juris, Rn. 20 ff.). Ein derartiger Ausnahmefall, der dazu berechtigt, keine gemeinschaftliche Besprechung im Sinne eines mündlichen Austauschs durchzuführen, sondern sich lediglich in schriftlicher Form zu äußern, kann aber dann gegeben sein, wenn der Personalrat beharrlich unter Verletzung des Grundsatzes der vertrauensvollen Zusammenarbeit die Ergebnisse der gemeinschaftlichen Besprechung oder die Antworten des Dienststellenleiters unzutreffend an die Beschäftigten der Dienststelle weitergibt. In einem solchen Fall muss es dem Dienststellenleiter, auch unter Beachtung der das Verhältnis zwischen ihm und dem Personalrat in besonderer Weise prägenden Grundsätze der vertrauensvollen Zusammenarbeit und der Verhältnismäßigkeit (vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. Dezember 1996 – 6 P 10/94 – juris, Rn. 25), erlaubt sein, sich lediglich noch schriftlich zu den Fragestellungen des Personalrats zu äußern, um auf diese Weise gleichsam die „Hoheit“ über seine Äußerungen zu behalten und über deren Inhalt ohne weiteres den Nachweis führen zu können. Entsprechendes kann auch dann gelten, wenn der Personalrat beharrlich Dritten Mitteilungen über den wesentlichen Gesprächsverlauf der monatlichen Besprechungen macht. Denn das Monatsgespräch findet nicht öffentlich statt. Die Nichtöffentlichkeit dient der Gewährleistung einer möglichst unbefangenen Diskussion; unzulässig ist es daher den wesentlichen Gesprächsverlauf darzustellen, während die Veröffentlichung der wesentlichen Ergebnisse zulässig ist (OVG Berlin, Beschluss vom 25. Oktober 1995 – PV (Bln) 15.94 – PersR 1996, 396).

Dass eine derartige Situation im Verhältnis des Antragstellers und des Beteiligten tatsächlich eintreten könnte, belegt der – bereits in der mündlichen Anhörung erörterte – Umstand, dass der Antragsteller jedenfalls im dem von ihm erstellten Protokoll (S. 7 des Schriftsatz des Beteiligten vom 22. April 2016 – Stichwort „Angriff auf ihre Professionalität“) über das Monatsgespräch vom 17. Juni 2015 unter Verstoß gegen die Nichtöffentlichkeit des Gesprächs Äußerungen der für den Beteiligten auftretenden Verwaltungsleiterin wiedergegeben hat, die dem – vertraulich zu behandelnden – Gesprächsverlauf zuzuordnen sind.

Ungeachtet der rechtlichen Fragen regt die Kammer abschließend (erneut) an, dass die Beteiligten wieder zu einer vertrauensvollen Zusammenarbeit zurückkehren, gegebenenfalls unter Einschaltung eines Mediators, um eine effektive und sachorientierte Erledigung der ihnen gesetzlich übertragenen Aufgaben zu gewährleisten.

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