VG Potsdam, Urteil vom 16.06.2016 - 1 K 749/13
Fundstelle
openJur 2016, 8994
  • Rkr:
Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der Kosten des Beigeladenen, die dieser selber trägt.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Abschnitt des Klappgrabens in Neuruppin zwischen der B 167 und der Einleitung in den Ruppiner See ein Gewässer oder eine Abwasserbeseitigungsanlage ist.

Bei dem Klappgraben handelt es sich um einen, vermutlich bereits im Mittelalter künstlich angelegten Graben mit einer Gesamtlänge von ca. 15 Kilometern, der als einziger Abfluss aus dem Katerbower See entspringt, durch das Neuruppiner Gebiet und die Stadt Neuruppin fließt und in den Ruppiner See mündet. Historische Untersuchungen haben ergeben, dass der Klappgraben als Wasserstraße Bedeutung gehabt hat, um vom Katerbower See bis Ruppin zu fahren. Innerhalb der Stadt Neuruppin ist er für Feuerlöschzwecke und zur Befüllung der Wallgräben genutzt worden bevor er nach einem Brand in den Jahren 1790/1791 in einem Kanal durch die Stadt geleitet und zur Abwasserentsorgung an den beiden innerstädtischen Kasernen vorbeigeführt wurde. In den Jahren 1877/1878 erfolgte auf Antrag der Anwohner eine Überwölbung des Grabens im Bereich der Schinkelstrasse in Neuruppin, da der Geruch des Grabens unerträglich gewesen sei. Weitere Überwölbungen innerhalb der Stadt erfolgten in den Jahren 1898 und 1914.

Nachdem zwischen der Klägerin und dem Beigeladenen keine Einigung über die Unterhaltungspflicht des Klappgrabens in Neuruppin im Abschnitt zwischen der B 167 und der Einleitung in den Ruppiner See hatte erzielt werden können, beantragte die Klägerin mit Schreiben vom 24. August 2006 die Entscheidung der Unteren Wasserbehörde darüber, wem die Pflicht der Gewässerunterhaltung des Klappgrabens im Stadtgebiet gemäß § 86 Abs. 1 Brandenburger Wassergesetz (BbgWG) obliegt.

Mit Bescheid vom 19. Juni 2012 stellte der Beklagte fest, dass der Klappgraben im Stadtgebiet von Neuruppin, und zwar im überwiegend überwölbten Abschnitt zwischen Kreuzung der Bundestraße B 167 bis zur Einmündung in den Ruppiner See, auf einer Länge von ca. 850 m seine Gewässereigenschaft verloren habe. Die Unterhaltungspflicht als Betriebspflicht der technischen Abwasseranlage obliege deshalb dem Beseitigungspflichtigen. Zur Begründung führte er aus, der Klappgraben habe ursprünglich der Wasserversorgung und der Befüllung der Befestigungsanlagen der Stadt Neuruppin gedient. In der weiteren historischen Entwicklung habe er Bedeutung für die Beseitigung von Abwasser erlangt. Der Klappgraben weise im streitigen Abschnitt unterschiedliche Ausbauformen der Überwölbung und der Sohlebefestigung auf. Dabei seien Stahlbeton, Natursteine, Ziegelmauerwerk und Holz als Baumaterialien zum Einsatz gekommen. Er nehme laut Abwasserbeseitigungskonzept der Stadt Neuruppin Niederschlagswasser von befestigten Flächen auf. Die Klägerin nutze den Klappgraben als Abwasserbeseitigungsanlage mit Vorflut in den Ruppiner See. Per Definition sei das aus dem Bereich von bebauten und befestigten Flächen gesammelte abfließende Wasser (Niederschlagswasser) als Abwasser anzusehen. Mit ihrem Abwasserbeseitigungskonzept habe die Klägerin den Klappgraben im bebauten Innenstadtbereich von Neuruppin auch offenkundig in ihre kommunalen Abwasserbeseitigungseinrichtungen integriert. Darüber hinaus sei durch die Übernahme des verrohrten Verlaufs in das Abwasserbeseitigungskonzept auch eine quasi konkludente Widmung des Klappgrabens erfolgt.

Entscheidungserheblich sei zudem, dass der überwölbte Klappgraben im Innerstadtbereich von Neuruppin seine Gewässereigenschaft verloren habe. Mit Beginn der Einmündung in die unterirdische Strecke an der Bundesstraße B 167 bis zur Vorflut in den Ruppiner See werde der Klappgraben nahezu vollständig in einer gewölbeähnlichen Rohrleitung auf einem für Gewässer untypischen Höhenniveau von ca. 3 m unter Gelände geführt. Der Klappgraben sei somit im strittigen Bereich vom natürlichen Wasserkreislauf abgesondert, so dass z.B. keine naturtypische Interaktion mit dem Grundwasser, keine Verdunstung und keine natürlichen Abflusskonzentrationsprozesse stattfinden könnten. Auch habe der Klappgaben seine individuelle, ökologische Funktionsfähigkeit als Lebensraum von gewässertypischen Tieren und Pflanzen verloren. Von einem oberirdischen Gewässer könne jedenfalls nicht mehr die Rede sein, wenn ein im Quellbereich noch offenes Wasser an einem bestimmten Punkt des Wasserlaufs vollständig in einer Rohrleitung gefasst werde. Unter solchen Umständen bestimme sich die wasserrechtliche Qualität der unterirdischen Gewässerstrecken nicht mehr nach der rechtlichen Zuordnung des übrigen Wasserverlaufs, sondern entsprechend ihrer tatsächlichen Absonderung nach Maßgabe einer eigenen rechtlichen Beurteilung. Die untere Wasserbehörde habe den Verlust der Gewässereigenhaft zudem in ihrer bisherigen wasserrechtlichen Zulassungspraxis insoweit berücksichtigt, als dass sie für die Einleitung der Niederschlagswasserbeseitigungsanlage, nämlich des Klappgrabens in den Ruppiner See, am 9. Januar 2001 die bis zum 31. Dezember 2015 befristete wasserrechtliche Erlaubnis erteilt habe.

Offensichtlich gehe auch die Klägerin davon aus, dass der Klappgraben in diesem Abschnitt seine Gewässereigenschaft verloren habe. Dafür spreche der Umstand, dass offenbar Veränderungen am Rohrleitungslauf des Klappgrabens am Bollwerk ohne ein Planfeststellungsverfahren vorgenommen worden seien. Die namentliche Übernahme des Klappgrabens in das Verzeichnis der nach Wasserrahmenrichtlinie berichtspflichtigen Gewässer des Landes Brandenburg ändere nichts an der rechtlichen Bewertung des Klappgrabens im Stadtgebiet von Neuruppin. Oberhalb der Bundestraße B 167 verlaufe der Klappgraben in einem naturnahen Gewässerbett, das bis zu diesem Punkt auch vom Beigeladenen unterhalten werde.

Mit Kostenbescheid vom 19. Juni 2012 wurde die Gebühr für die Feststellung der Unterhaltungspflicht des Klappgrabens auf 180,00 Euro festgesetzt.

Gegen beide Bescheide legte die Klägerin am 5. Juli 2012 Widerspruch ein. Mit Bescheid vom 30. Januar 2013 wurden die Widersprüche zurückgewiesen und im Tenor des Bescheides festgestellt, dass der Beigeladene nicht für die Gewässerunterhaltung zuständig sei. Zur Begründung wiederholte und vertiefte der Beklagte die Ausführungen aus dem Ausgangsbescheid. Hinsichtlich des Kostenbescheides führte er aus, es liege keine Befreiung von der Gebührenpflicht vor.

Am 28. Februar 2013 hat die Klägerin Klage gegen den Feststellungsbescheid und den Kostenbescheid erhoben. Zur Begründung trägt sie im Wesentlichen vor, die Feststellung des Beklagten sei rechtswidrig. Der Klappgraben im Stadtgebiet der Klägerin sei ein oberirdisches Gewässer im Sinne von § 3 Nr. 1 des Wasserhaushaltsgesetzes (WHG).

Dies folge daraus, dass der gesamte Klappgraben ein zumindest zeitweilig in einem Bett fließendes Wasser darstelle und dem Charakteristikum eines Gewässers entspreche. Er sei in den natürlichen Wasserkreislauf eingebunden. Daran ändere auch der künstlich befestigte und unterirdisch geführte Teil des Klappgrabens nichts, weil er im Verhältnis zur gesamten Länge nur einen kurzen Abschnitt darstelle und darüber hinaus Wasser aus dem offenen Bereich führe, in dem unstreitig alle Gewässerfunktionen stattfinden würden. Es handele sich um ein oberirdisches Gewässer II. Ordnung.

Für die Frage der Gewässereigenschaft sei die Einleitung von Niederschlagswasser nicht entscheidend. Maßgeblich seien die tatsächlichen in der Natur angetroffenen Verhältnisse. Ob das Gewässer von einer Abwasserbeseitigungsanlage rechtmäßig in Anspruch genommen werden könne, sei eine andere Frage. Aus ihrem Abwasserbeseitigungskonzept ergebe sich nicht, dass der Klappgraben Bestandteil der Kanalisation sei. Dass der Klappgraben im Abwasserbeseitigungskonzept erwähnt werde, sei der Tatsache geschuldet, dass eine Darstellung der kompletten Funktionsweise der Neuruppiner Regenwasserentwässerungssysteme nur möglich sei, wenn auch Gewässer I. und II. Ordnung mit in die Zeichnungen aufgenommen würden. Aufgrund der Erwähnung des Klappgrabens im Abwasserbeseitigungskonzept der Klägerin könne kein Wille zur öffentlich rechtlichen Widmung des Klappgrabens als Bestandteil der Kanalisation unterstellt werden. Es sei vielmehr ihr Wille gewesen, den Klappgraben insgesamt als Gewässer zu behandeln. So lasse sie seit dem 1. Halbjahr 2011 zur Verbesserung der ökologischen Qualität des Klappgrabensystems einen „Entwicklungsplan Wasser“ erarbeiten.

Das Niederschlagswasser, das von befestigen Flächen in den Klappgraben einfließe, werde an den Einleitstellen nach anerkannten Regeln der Technik behandelt. Für die Einordnung des Klappgrabens als oberirdisches Gewässer sei es auch unerheblich, ob Veränderungen am Rohrleitungsverlaufs ohne Planfeststellungsverfahren durchgeführt worden seien. Auch die Reduzierung des Einzugsgebiets durch eine Veränderung der Abflussverhältnisse zu Gunsten des Landwehrgrabens führe nicht zum Verlust der Gewässereigenschaft. Der Klappgraben führe unabhängig von Regenereignissen ganzjährig Wasser. Die Übernahme des Klappgrabens in das Verzeichnis nach der Wasserrahmenrichtlinie habe zumindest Indizwirkung. Dies gelte besonders deshalb, weil der Klappgraben als Fließgewässer qualifiziert worden sei. Auch im Entwässerungsentwicklungskonzept des LUGV werde von der Gewässereigenschaft des Klappgrabens ausgegangen. Keine Indizwirkung habe hingegen die bisherige Unterhaltung des Klappgrabens. Die Begehung des Grabens diente vielmehr der Kontrolle der Sicherheit für die öffentlichen Verkehrsflächen. Unterhaltungsmaßnahmen seien nicht vorgenommen worden. Eventuell fehlende wasserrechtliche Erlaubnisse könnten keine Indizwirkung gegen die Gewässereigenschaft herleiten. Der Verlust der Gewässereigenschaft würde auch zu einer Zersplitterung der Zuständigkeit für die Unterhaltung des Klappgrabens zwischen diversen Personen zur Folge haben. Die Gewässerunterhaltungspflicht obliege daher dem Beigeladenen.

Der Kostenbescheid sei ebenfalls rechtswidrig. Als Gemeinde unterfalle die Klägerin grundsätzlich der Regelung zur persönlichen Gebührenfreiheit aus § 8 Abs. 1 Nr. 6 des Gebührengesetzes Brandenburg (GebGBbg). Diese Vorschrift gelte nur dann nicht, wenn die Gebühren einem Dritten auferlegt oder in sonstiger Weise auf Dritte umgelegt werden könnten; ein solcher Fall liege hier jedoch nicht vor.

Die Klägerin beantragt,

1. den Bescheid vom 19. Juni 2012 sowie den Kostenbescheid vom 19. Juni 2012 jeweils in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. Januar 2013 aufzuheben und

2. den Beklagten zu verpflichten festzustellen, dass dem Gewässerunterhaltungsverband Oberer Rhin/Temnitz die Pflicht zur Unterhaltung des Klappgrabens im Stadtgebiet von Neuruppin auf dem überwiegend überwölbten Abschnitt zwischen der Kreuzung der Bundesstraße B 167 bis zur Einmündung in den Ruppiner See auf einer Länge von ca. 850 m obliegt,

hilfsweise

den Beklagten zu verpflichten, den Antrag der Klägerin vom 24. August 2006 auf Entscheidung über die Pflicht zur Gewässerunterhaltung des Klappgrabens im Stadtgebiet von Neuruppin auf dem überwiegend überwölbten Abschnitt zwischen der Kreuzung der Bundesstraße B 167 bis zur Einmündung in den Ruppiner See auf einer Länge von ca. 850 m unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung wiederholt er im Wesentlichen seine Ausführungen aus dem Ausgangs- und Widerspruchsbescheid.

Der Beigeladene stellt keinen Antrag, trägt jedoch vor, dass seiner Auffassung nach der Klappgraben seine Gewässereigenschaft verloren habe und als Abwasserbeseitigungsanlage anzusehen sei.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie auf den vom Beklagten vorgelegten Verwaltungsvorgang Bezug genommen.

Gründe

Die Klage ist zulässig aber unbegründet. Der Bescheid des Beklagten vom 19. Juni 2012 sowie der Kostenbescheid vom 19. Juni 2012 - jeweils in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. Januar 2013 - sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO).

Gemäß § 86 Abs. 1 Satz 1 BbgWG kann die Wasserbehörde im Streitfall auf Antrag eines der Beteiligten feststellen, wem die Pflicht zur Gewässerunterhaltung oder eine besondere Pflicht im Interesse der Gewässerunterhaltung obliegt.

Der Beklagte hat zu Recht festgestellt, dass die Gewässerunterhaltungspflicht nicht dem Beigeladenen obliegt.

Eine Gewässerunterhaltungspflicht des Beigeladenen besteht nur dann, wenn es sich bei dem Klappgraben im hier streitgegenständlichen Abschnitt zwischen der B 167 bis zur Einmündung in den Ruppiner See um ein Gewässer II. Ordnung handelt. Gemäß § 79 BbgWG obliegt die Unterhaltung der Gewässer als öffentlich-rechtlicher Verpflichtung für Gewässer II. Ordnung den Gewässerunterhaltungsverbänden nach dem Wasserverbandsgesetz und dem Gesetz über die Bildung von Gewässerunterhaltungsverbänden. Eine Definition des Begriffs „Gewässer“ findet sich weder im WHG noch im BbgWG. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sind Gewässer dadurch gekennzeichnet, dass sie in den natürlichen Wasserkreislauf eingebunden sind,

vgl. BVerwG, Urteil vom 15. Juni 2005 – 9 C 8/04 –, juris,

und damit auch Verbindung zur Ökologie haben. Die Einbindung in den natürlichen Wasserkreislauf setzt die Teilhabe an der Gewässerfunktion voraus; sie ist gegeben, wenn natürliche Prozesse wie Verdunstung, Versickerung, Auffangen von Regenwasser und Auffangen von aufsteigendem Grundwasser stattfinden.

vgl. etwa Czychowski/Reinhardt, WHG, 11. Auflage, § 3 RdNr. 1ff.

Anderenfalls handelt es sich um vom natürlichen Wasserhaushalt abgesondertes Wasser, nicht jedoch um ein Gewässer. Gemäß § 3 Abs. 1 BbgWG werden oberirdische Gewässer nach ihrer wasserwirtschaftlichen Bedeutung für den gesamten Wasserhaushalt, für Natur- und Gewässerschutz sowie für die Gewässernutzung eingeteilt in Gewässer I. Ordnung, das sind die in der Anlage 1 zum BBgWG genannten Gewässer, und in Gewässer II. Ordnung, das sind alle anderen oberirdischen Gewässer. Da es sich bei dem Klappgraben nicht um ein Gewässer I. Ordnung handelt, denn er ist nicht in der Anlage zum BbgWG genannt, kommt allenfalls eine Einordnung als Gewässer II. Ordnung in Frage. Nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 WHG ist ein oberirdisches Gewässer u.a. das ständig oder zeitweilig in Betten fließende oder stehende oder aus Quellwasser wild abfließende Wasser. Unter den Anwendungsbereich des § 2 Abs. 1 Nr. 1 WHG fallen auch künstliche Gewässer (§ 3 Nr. 4 WHG), so dass es unerheblich ist, dass der Klappgraben vermutlich geplant angelegt wurde.

Kennzeichnend für ein oberirdisches Gewässer ist die nicht nur gelegentliche Wasseransammlung in einem Gewässerbett. Damit ist auch nach dem allgemeinen Sprachgebrauch der Begriff des Gewässerbettes dahingehend zu verstehen, dass es sich um eine äußerlich erkennbare natürliche oder künstliche Begrenzung des Wassers in einer Eintiefung an der Erdoberfläche handelt. Befindet sich das Wasser an einem solchen Ort, ist es in den natürlichen Wasserkreislauf eingebunden und hat Anteil an den Gewässerfunktionen. In dieser Eigenschaft soll es der wasserrechtlichen Benutzungsordnung unterliegen und nach Menge und Güte durch deren Instrumentarium gesteuert werden,

vgl. BVerwG, Urteil vom 27. Januar 2011 - 7 C 3/10 -, juris.

Entgegen der Auffassung der Klägerin ist allerdings der Begriff des „zeitweilig“ in einem Gewässerbett fließenden Wassers nicht dahingehend zu verstehen, dass das abschnittsweise Fehlen eines Gewässerbettes unschädlich für die Gewässereigenschaft und der Klappgraben in seiner Gesamtheit zu beurteilen ist. Der Begriff bezieht sich vielmehr darauf, dass das Wasser bei (regelmäßig oder unregelmäßig) wiederkehrenden Verhältnissen, also nicht nur gelegentlich am betreffenden Ort steht oder fließt,

vgl. BVerwG, Urteil vom 27. Januar 2011 - 7 C 3/10 -, juris.

Gemäß § 3 Abs. 3 BbgWG gehören zu den oberirdischen Gewässern auch unterirdische Strecken und geschlossene Gerinne, soweit sie deren Fortsetzung oder Bestandteil sind. Dass es sich bei dem Klappgraben im Übrigen, nicht strittigen Bereich, um ein Gewässer handelt, wird weder von den Beteiligten noch vom Gericht in Frage gestellt. Ob dem Klappgraben jedoch auch in dem strittigen Abschnitt eine Gewässereigenschaft zuzuschreiben ist hängt davon ab, ob dieser ein Bestandteil des übrigen Gewässers oder ob er davon abgesondert ist. So kann eine Einbindung in den natürlichen Wasserkreislauf vorhanden sein, wenn bei einer funktionsbezogenen, an den tatsächlichen Gegebenheiten orientierten Betrachtungsweise das Wasser lediglich von einem Gewässer in das andere geleitet wird,

vgl. BVerwG, Urteil vom 27. Januar 2011 - 7 C 3/10 -, juris.

Unter Berücksichtigung aller Umstände ist die Kammer zu der Überzeugung gelangt, dass der Klappgraben seine Gewässereigenschaft auf dem strittigen Abschnitt verloren hat, denn hier wird der Wasserlauf vollständig in eine Abwasseranlage einbezogen. Gemäß § 1 Abs. 5 BbgWG sind das in Wasserversorgungs- und Abwasserentsorgungsanlagen oder auf andere Weise vom natürlichen Wasserhaushalt abgesonderte Wasser, insbesondere in Drainageeinrichtungen, und das Niederschlagswasser keine Gewässer. Zwar ist nicht allein ausschlaggebend, dass der Klappgraben in diesem Teil weitestgehend verrohrt ist, denn eine unterirdische in Rohren verlaufende Wasserführung ist auch aus städtebaulichen oder verkehrstechnischen Gründen denkbar. Er wird jedoch in diesem Abschnitt zusätzlich auf ein Niveau von 2 bis 3 Metern unter der Geländeoberfläche geführt und nimmt erst in diesem Abschnitt Niederschlagswasser auf, welches gemäß § 54 Abs. 1 Nr. 2 WHG Abwasser ist. Aus der Entwurfsplanung zur Rekonstruktion des Klappgrabens ergibt sich, dass der Klappgraben in diesem Abschnitt für einen Teil des Stadtgebiets Vorfluter für die kommunale und private Regenwasseranlage ist. Regenwasseranlagen von Straßen, Nebenanlagen und Dachflächen sind auf der gesamten Strecke durch das Stadtgebiet an den Klappgraben angeschlossen. Nach Angaben des Beklagten in der mündlichen Verhandlung existieren ca. 81 Einleitungen. Für lediglich vier wurden wasserrechtliche Genehmigungen erteilt, so dass die Kammer davon ausgeht, dass auch von der Klägerin der Klappgraben in diesem Abschnitt nicht als Gewässer angesehen, sondern als Teil der Abwasseranlage behandelt wird, denn ansonsten wäre für jede einzelne Einleitung eine wasserrechtliche Genehmigung erforderlich gewesen. Auch die Beantragung einer wasserrechtlichen Genehmigung für die Einleitung von Niederschlagswasser in den Ruppiner See vom 3. April 1997 und die anschließende bis zum 31. Dezember 2015 befristete Bewilligung zur Einleitung von Niederschlagswasser in ein Oberflächenwasser spricht dafür, dass die Klägerin davon ausgeht, dass der Klappgraben durch die Einleitung von Niederschlagswasser seine Gewässereigenschaft verloren hat und erst der Ruppiner See wieder ein Gewässer ist, in welches das gesammelte Abwasser eingeleitet wird. Genau dieser Zweck der Einleitung ist auch im Bewilligungsbescheid genannt, nämlich die „Ableitung des anfallenden Niederschlagswassers der Stadt Neuruppin im Einzugsbereich des Ableiters Klappgraben nach dem Generalentwässerungsplan der Stadt Neuruppin aus dem Jahr 1996“.

Zwar trägt die Klägerin vor, der Klappgraben sei für die Abwasserbeseitigung überdimensioniert, doch spielt dies für die Beurteilung seiner Eigenschaft keine Rolle. Es ist nicht entscheidungserheblich, ob der Klappgraben nach heutigem Stand der Technik noch so geplant und gebaut würde. Ausschlaggebend ist vielmehr seine tatsächliche derzeitige Nutzung als Abwasserbeseitigungsanlage. Aus dem sich im Verwaltungsvorgang befindlichen Artikel „Klappgraben einst großes Hindernis für Feinde“ ergibt sich, dass der künstlich angelegte Graben bereits bei Gründung der Stadt vorhanden war und unter der Bezeichnung „Klappgraben“ bereits im Jahre 1472 genannt wird. Seine Größe und die unterschiedlichen Ausbauformen sind dem Umstand geschuldet, dass die Nutzung des Klappgrabens im Laufe der Zeit den jeweiligen Bedürfnissen angepasst worden ist, und zwar von der ehemals schiffbaren Wasserstraße und der Versorgung der Stadt mit Löschwasser über die Nutzung als Abwasseranlage für die angrenzenden Häuser, Gewerbetriebe, Lazarette und Kasernen bis hin zur heutigen Einleitung von Niederschlagswasser.

Auch im Hinblick darauf, dass keine natürlichen Prozesse wie Verdunstung, Versickerung, Auffangen von Regenwasser und Auffangen von aufsteigendem Grundwasser stattfinden, ist die Kammer zu der Überzeugung gelangt, dass es sich im streitbefangenen Abschnitt nicht um ein Gewässer, sondern um eine Abwasserbeseitigungsanlage handelt. Eine Verdunstung des Wassers ist auf Grund der Überwölbung ausgeschlossen. Eine Versickerung des Wassers und ein Auffangen des Grundwassers finden im ganz überwiegenden Teil des streitigen Abschnitts des Klappgrabens nicht statt, da die Sohle befestigt ist. Lediglich in einem kurzen Abschnitt finden eine Versickerung sowie ein Auffangen von aufsteigendem Grundwasser statt, der auf Grund seiner Geringfügigkeit jedoch nicht geeignet ist, dem Klappgraben eine Gewässereigenschaft zu vermitteln. Die Beseitigung von Niederschlagswasser aus der Innenstadt, welches mit Schmutz und Schadstoffen und möglicherweise Abfällen von versiegelten Flächen, Straßen und Dächern versetzt ist, geht über das Auffangen von natürlichem Regenwasser deutlich hinaus und macht die Grenze zwischen der Funktion eines natürlichen Gewässers mit der Aufnahme von Regenwasser und einer Abwasserbeseitigungsanlage die verunreinigtes Niederschlagswasser aufnimmt besonders deutlich.

Auch eine gewässertypische Flora und Fauna ist im streitigen Abschnitt nicht vorhanden. Aus einem sich im Verwaltungsvorgang befindlichen Zeitungsartikel ergibt sich, dass bis vor einigen Jahren lediglich Fledermäuse in dem verrohrten Teil des Klappgrabens beheimatet waren, die allerdings nicht zu den typischen Bewohnern eines oberirdischen Gewässers zählen dürften. Unterstützt wird diese Annahme durch die eingereichten und sich in Zeitungsartikeln aus dem Verwaltungsvorgang befindlichen Fotos, die augenscheinlich gegen die Einbindung in einen natürlichen Wasserkreislauf sprechen.

Soweit die Klägerin vorträgt, das LUGV gehe von der Gewässereigenschaft des Klappgrabens aus, so ist dies für die Beurteilung des strittigen Abschnitts nicht aussagekräftig, denn das Gewässerentwicklungskonzept differenziert nicht zwischen den einzelnen Abschnitten des Klappgrabens, sondern erwähnt diesen nur in seiner Gesamtheit.

Soweit sich die Klage gegen den Kostenbescheid richtet hat sie ebenfalls keinen Erfolg. Entgegen der Auffassung der Klägerin liegt keine Gebührenfreiheit gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 6 GebGBbg vor. Danach sind die Gemeinen grundsätzlich von Gebühren befreit. Gemäß § 8 Abs. 2 GebGBbg gilt Abs. 1 jedoch nicht, wenn die Gebühren einem Dritten auferlegt oder in sonstiger Weise umgelegt werden können. Dieser Ausschluss der Gebührenfreiheit greift grundsätzlich, wenn die rechtliche Möglichkeit besteht, die Gebühren in sonstiger Weise auf Dritte umzulegen. Die Klägerin hat als Betreiberin der Abwasserbeseitigungsanlage auf der Grundlage des Kommunalabgabengesetzes für das Land Brandenburg die Möglichkeit, die Gebühren auf die Abwassergebührenpflichtigen umzulegen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO.

Beschluss:

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 10.000,00 Euro festgesetzt.