Brandenburgisches OLG, Beschluss vom 25.07.2016 - 1 (Str) Sa 3/16
Fundstelle
openJur 2016, 8952
  • Rkr:

Zur Frage, ob es sich bei der Zentralen Bußgeldstelle des Landes Brandenburg um eine Verwaltungsbehörde im Sinne der §§ 35, 36 OWiG handelt

Tenor

Der Antrag des Amtsgerichts … vom 12. Juli 2016 wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Das Amtsgericht ... hat wegen des Verdachts der versuchten räuberischen Erpressung mit Beschluss vom 17. Juni 2016 … unter anderem die Durchsuchung der Wohn- und Geschäftsräume des Beschuldigten …, samt Nebenräumen, Behältnissen, auf seinen Namen angemieteten Schließfächern, Kraftfahrzeugen und seiner Person angeordnet. Am 17. Juni 2016 gegen 14.40 Uhr wurde die Durchsuchung in Anwesenheit des Beschuldigten durchgeführt. Bei der Durchsuchung wurden ein Mobiltelefon, zwei Zettel mit Notizen und eine als Zufallsfund deklarierte Taschenlampe mit Elektroschockfunktion, welche in der Küche auf der Dunstabzugshaube festgestellt wurde, sichergestellt. Die freiwillige Herausgabe der Gegenstände hat der Beschuldigte verweigert, woraufhin diese beschlagnahmt wurden. Gegen die Beschlagnahme hat der Beschuldigte nach dem Durchsuchungs- und Sicherstellungsprotokoll vom 17. Juni 2016 vor Ort Widerspruch eingelegt. Die Polizeidirektion … hat in weiterer Folge die Akte dem Amtsgericht ... vorgelegt, da nunmehr die richterliche Bestätigung der Beschlagnahme hinsichtlich der Taschenlampe mit Elektroschockfunktion zu erwirken sei. Im entsprechenden Asservatenblatt bezüglich der Taschenlampe findet sich die Bemerkung „OWi gem. § 53 I Nr. 2 WaffG“ sowie unter „Verbleib“ „ZBSt ...“. Mit Beschluss vom 24. Juni 2016 hat sich das Amtsgericht ... für unzuständig erklärt, da es nach § 68 OWiG für das Bußgeldverfahren nicht zuständig sei. Zuständig sei das Gericht in dessen Bezirk die Verwaltungsbehörde ihren Sitz habe. Verwaltungsbehörde im Sinne des § 35 OWiG sei die Zentrale Bußgeldstelle; diese habe nicht ihren Sitz im Bezirk des Amtsgerichts ... Mit Beschluss vom 12. Juli 2016 hat sich das Amtsgericht ... ebenfalls für unzuständig erklärt und hat die Sache gemäß § 14 StPO i. V. m. § 46 OWiG dem Brandenburgischen Oberlandesgericht zur Entscheidung über die Zuständigkeit vorgelegt.

II.

Der Antrag des Amtsgerichts ... vom 12. Juli 2016 zur Entscheidung über die Zuständigkeit durch den Senat war zurückzuweisen.

1. Ein Fall des § 14 StPO i. V. m. § 46 OWiG liegt offensichtlich nicht vor, da verfahrensgegenständlich nicht ein Bußgeldverfahren, sondern ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren ist. Hieran ändert auch die Übersendung des beschlagnahmten Gegenstandes durch den Beamten der Kriminalpolizei an die zentrale Bußgeldstelle ... nichts.

a) Der Beschluss des Amtsgerichts ... vom 24. Juni 2016 weist bereits bei der Darstellung des Sachverhalts unter „I“ Fehler auf. Weder hat der Beschuldigte einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung gestellt noch wurde die Taschenlampe mit Elektroschockfunktion wegen eines als Ordnungswidrigkeit bewehrten Verstoßes beschlagnahmt. Letzteres ergibt sich aus dem Durchsuchungs- und Sicherstellungsprotokoll vom 17. Juni 2016 nicht. Auf welcher Grundlage und in welcher Zuständigkeit das Amtsgericht ... die Erkenntnis gewonnen hat, dass die Taschenlampe kein Beweismittel im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren sei, ist nicht nachvollziehbar.

b) Sowohl das Amtsgericht ... als auch das Amtsgericht ... haben die Regelung des § 62 Abs. 1 OWiG verkannt, so dass es auf die Frage, welches das nach § 68 OWiG zuständige Gericht im Sinne des § 62 Abs. 2 Satz 1 OWiG ist, nicht ankommt mit der Folge, dass vorliegend ein Zuständigkeitsstreit zwischen den beiden Gerichten nicht besteht.

Nach § 62 Abs. 1 Satz 1 OWiG können gegen Anordnungen, Verfügungen und sonstige Maßnahmen, die von der Verwaltungsbehörde im Bußgeldverfahren getroffen werden, der Betroffene oder andere Personen, gegen die sich die Maßnahme richtet, gerichtliche Entscheidung beantragen.

Als umfassenden Rechtsbehelf gegen Maßnahmen der Verwaltungsbehörde im Bußgeldverfahren sieht § 62 OWiG in enger Anlehnung an die §§ 304, 305 StPO und § 23 EGGVG den Antrag auf gerichtliche Entscheidung an das nach § 68 OWiG zuständige Amtsgericht vor (vgl. Göhler, OWiG, 16. Aufl., § 62 Rn. 1). Voraussetzung ist eine Maßnahme (= Verwaltungsakt) der Verwaltungsbehörde, die im Bußgeldverfahren mit Rechtswirkung nach außen getroffen wird (vgl. Göhler a.a.O. Rn. 2). Grundsätzlich muss es sich um eine selbstständige Maßnahme handeln. Maßnahmen, die zur Aufklärung des Sachverhalts getroffen werden, haben nur dann selbstständige Bedeutung, wenn sie für sich betrachtet, also unabhängig von der späteren Entscheidung (über den Vorwurf der Ordnungswidrigkeit), materielle Rechte einer Person beeinträchtigen oder die ihr zustehenden (positiven) Verfahrensrechte verkürzt. Als Maßnahmen von selbstständiger Bedeutung kommen daher beispielsweise die Beschlagnahme von Gegenständen und die Durchsuchung in Betracht (vgl. Göhler a.a.O. Rn. 3). Weitere Voraussetzung ist, dass die Maßnahme der Verwaltungsbehörde im Bußgeldverfahren ergeht, also auf Grund der Befugnis zur Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten (vgl. Göhler a.a.O. Rn. 5).

Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Die Beschlagnahme der Taschenlampe mit Elektroschockfunktion zusammen mit der Beschlagnahme der weiteren Gegenstände erfolgte im Rahmen der durch das Amtsgericht ... angeordneten Durchsuchung der Wohnräume des Beschuldigten. Bei der Beschlagnahme handelt es sich nicht um eine Maßnahme der Verwaltungsbehörde, sondern um eine im Sinne des § 98 StPO in einem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren. Die Beschlagnahme erfolgte nicht in einem Bußgeldverfahren, sondern in einem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren. Zudem hat der Beschuldigte einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung im Sinne des § 62 Abs. 1 Satz 1 OWiG nicht gestellt, so dass auch diese Voraussetzung nicht erfüllt ist.

Die gerichtliche Zuständigkeit richtet sich vorliegend nach § 98 Abs. 2 Satz 3 StPO. Das ausschließlich nach dieser Norm zuständige Gericht wird darüber zu befinden haben, ob die beschlagnahmten Gegenstände – wozu auch die beschlagnahmte Taschenlampe mit Elektroschockfunktion zählt – als Beweismittel für die Untersuchung von Bedeutung sein können (§ 94 Abs. 1 StPO), wobei es neben der Bedeutung des Beweisgegenstandes für die Untersuchung auf die potentielle Beweisbedeutung ankommt und nicht darauf, ob der Besitz des Gegenstandes straf- oder bußgeldbewährt ist.

2. Obwohl es für die Entscheidung darauf nicht ankommt, weist der Senat hinsichtlich der Frage, ob es sich bei der Zentralen Bußgeldstelle des Landes Brandenburg in ... (Amtsgerichtsbezirk ...) um eine Verwaltungsbehörde im Sinne der §§ 35, 36 OWiG handelt, oder ob Verwaltungsbehörde im Sinne der §§ 35, 36 OWiG der Zentraldienst der Polizei mit Sitz in ..., OT …. (Amtsgerichtbezirk ...) ist, auf Folgendes hin:

a) Die Zuständigkeit der Verwaltungsbehörde ergibt sich aus § 36 OWiG in Verbindung mit bundes- oder landesrechtlichen Regelungen. Die Zentrale Bußgeldstelle des Landes Brandenburg ist keine Verwaltungsbehörde im Sinne des § 36 OWiG; es sei denn, sie wäre ausdrücklich als Verfolgungs- oder Ahndungsbehörde durch Gesetz oder Rechtsverordnung bezeichnet und bestimmt worden.

b) Nach § 35 Abs. 1 OWiG ist für die Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten die Verwaltungsbehörde zuständig, soweit nicht hierzu nach diesem Gesetz die Staatsanwaltschaft oder an ihrer Stelle für einzelne Verfolgungshandlungen der Richter berufen ist. Nach § 35 Abs. 2 OWiG ist die Verwaltungsbehörde auch für die Ahndung von Ordnungswidrigkeiten zuständig, soweit nicht hierzu nach dem Gesetz das Gericht berufen ist.

§ 35 Abs. 1 OWiG bestimmt die primäre Verfolgungszuständigkeit, § 35 Abs. 2 OWiG bestimmt die primäre Ahndungszuständigkeit der Verwaltungsbehörde. Zur sachlichen Zuständigkeit und damit zu der Frage, welche Verwaltungsbehörde dem Fach nach und dem Verwaltungsaufbau nach zuständig ist, sagt § 35 OWiG nichts aus. Die sachliche Zuständigkeit der Verwaltungsbehörde folgt aus § 36 OWiG.

c) § 36 Abs. 1 Nr. 1 OWiG bestimmt, dass sachlich zuständig die Verwaltungsbehörde ist, die durch Gesetz bestimmt wird. Mangels einer solchen Bestimmung ist die fachlich zuständige oberste Landesbehörde sachlich zuständig (§ 36 Abs. 1 Nr. 2 a) OWiG). Nach § 36 Abs. 2 Satz 1 OWiG kann die Landesregierung die Zuständigkeit nach Absatz 1 Nr. 2 Buchstabe a durch Rechtsverordnung auf eine andere Behörde oder sonstige Stelle übertragen. Von dieser Verordnungsermächtigung hat der Landesgesetz und -verordnungsgeber Gebrauch gemacht. Danach wäre vorliegend der Zentraldienst der Polizei sachlich zuständig.

Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts ... hat der Bundesgerichtshof in seinem Urteil vom 27. Januar 2016 (5 StR 328/15 – bei juris) nicht entschieden, dass die Zentrale Bußgeldstelle Verwaltungsbehörde im Sinne des § 35 OWiG ist. Er hat vielmehr hinsichtlich der Frage, ob die dort Angeklagte in einer Rechtssache entschieden habe, festgestellt, dass diese als Mitarbeiterin der ZBSt nach § 35 OWiG auch über die Ahnung von Ordnungswidrigkeiten entschieden habe. Eine Aussage darüber, ob die Zentrale Bußgeldstelle oder der Zentraldienst der Polizei mit seiner Zentralen Bußgeldstelle Verwaltungsbehörde ist, hat der BGH indes nicht getroffen. Auch hat das BayObLG entgegen der Meinung des Amtsgerichts ... in seinem Beschluss vom 29. September 2004 (1 ObOWi 390/04 –juris) nicht entschieden, dass Behörde im Sinne des § 35 OWiG die Zentrale Bußgeldstelle und nicht das Polizeiverwaltungsamt sei. Bereits unter Randziffer 12 der Entscheidung führt das BayObLG aus: „ … sind die Gemeinden neben dem Bayerischen Polizeiverwaltungsamt u. a. für die Verfolgung und Ahndung von Ordnungswidrigkeiten, die Verstöße gegen die Vorschriften über die zulässige Geschwindigkeit von Fahrzeugen betreffen, zuständig.“ Soweit unter Randziffer 13 von ... – neben der Zentralen Bußgeldstelle im Bayerischen Polizeiverwaltungsamt – die Rede ist, ist damit ersichtlich keine gesonderte Zuständigkeit verbunden.

aa) Eine spezielle gesetzliche Regelung im Sinne des § 36 Abs. 1 Nr. 1 OWiG, die die Verwaltungsbehörde konkret bestimmt, besteht vorliegend nicht. Daher würde mangels einer solchen Bestimmung die fachlich zuständige oberste Landesbehörde zuständig sein (§ 36 Abs. 1 Nr. 2 a OWiG).

bb) Die Landesregierung hat vorliegend - wie auch in anderen Fällen - die Zuständigkeit nach § 36 Abs. 1 Nr. 2 a OWiG durch Rechtsverordnung auf eine andere Behörde oder sonstige Stelle übertragen.

§ 72 Abs. 1 BbgPolG bestimmt als Polizeibehörde das Polizeipräsidium. Nach § 72 Abs. 2 BbgPolG sind die Fachhochschule der Polizei und der Zentraldienst der Polizei Polizeieinrichtungen. Einrichtungen des Landes, wozu die Polizeieinrichtungen gehören (vgl. Niehörster, Brandenburgisches Polizeigesetz, 2003, S. 17/18), sind rechtlich unselbstständige, organisatorisch abgesonderte Teile der Landesverwaltung, § 9 Abs. 1 Satz 1 LOG. Ihre Tätigkeit ist vorrangig auf die Unterstützung der Behörden im Land ausgerichtet. Sie können auch hoheitliche Aufgaben wahrnehmen und aufgrund des § 6 LOG für zuständig erklärt werden, § 9 Abs. 1 Satz 3 LOG.

§ 6 Abs. 1 LOG bestimmt, dass, wenn eine oberste Landesbehörde durch Bundes- oder Landesrecht ermächtigt ist, Befugnisse zu übertragen, von dieser Ermächtigung durch Rechtsverordnung Gebrauch zu machen ist, sofern nicht besondere Gründe die Zuständigkeit der obersten Landesbehörde erfordern. Die Landesregierung im Sinne des § 36 Abs. 2 OWiG ist gemäß § 5 Abs. 1 LOG oberste Landesbehörde. Sie hat vielfach von der Befugnisübertragung im Verordnungswege Gebrauch gemacht, wobei sie jeweils den Zentraldienst der Polizei mit seiner Zentralen Bußgeldstelle für zuständig erklärt hat; so beispielsweise in: § 1 Abs. 2 Nr. 3 OWiZustV, § 2 Satz 1 ZustVO VersamG, § 5 Abs. 2 DVO WaffG – hier ausdrücklich nur Ahndungszuständigkeit –. Nach § 9 Abs. 1 Satz 3 LOG kann nur der Zentraldienst der Polizei als Einrichtung im Sinne des § 9 Abs. 1 Satz 1 LOG für zuständig erklärt werden, nicht jedoch die Zentrale Bußgeldstelle. Diese ist Teil des Zentraldienstes der Polizei als Polizeieinrichtung; sie ist keine Behörde nach dem LOG und keine Einrichtung des Landes im Sinne des § 9 LOG.

Der Verordnungsgeber verwendet daher in den Befugnisübertragungsnormen nicht ohne Grund die immer gleichlautende Regelungstechnik, dass er den Zentraldienst der Polizei an erster Stelle und dann die Zentrale Bußgeldstelle nennt, wobei er die unselbstständige Stellung dieser innerhalb des Zentraldienstes der Polizei über das Wort „mit“ deutlich macht. So erklärt sich auch, warum in den Bußgeldbescheiden oder Anschreiben der Zentralen Bußgeldstelle an erster Stelle und in größerer Schrift zuerst immer der Zentraldienst der Polizei genannt wird und erst danach etwas kleiner die Zentrale Bußgeldstelle. Weil die Zentrale Bußgeldstelle keine Behörde im Sinne des LOG ist, wird sie in dem nach § 10 LOG zu führenden Behördenverzeichnis nicht als Behörde geführt, im Gegensatz zum Zentraldienst der Polizei, der dort als „Einrichtung des Landes“ erfasst ist.

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