LG Köln, Urteil vom 09.12.2010 - 14 O 310/10
Fundstelle
openJur 2016, 10522
  • Rkr:
Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.

Tatbestand

Der Kläger ist Eigentümer des Grundstücks mit der Straßenbezeichnung P-Straße in 42929 Wermelskirchen. Die Beklagten sind Eigentümer des benachbarten, in dem Klageantrag näher bezeichneten Grundstücks. Das Grundstück des Klägers verfügt über keinen eigenen Zugang zu einer öffentlichen Straße. Aus diesem Grund nutzt der Kläger seit Jahren einen über das Grundstück der Beklagten verlaufenden Privatweg, den er auch mit Kraftfahrzeugen, bis hin zu großen Lkw, befährt. Diese Nutzung wurde bisher von den Beklagten sowie zuvor durch deren Mutter geduldet. Der Kläger beantragte für weitere Bautätigkeiten eine Baugenehmigung bei der Stadt Wermelskirchen. Diese wurde mit der Auflage erteilt, dass der Kläger die Sicherung der Erschließung seines Grundstücks in Form einer Baulast nachweist. Der Kläger wandte sich daraufhin mit einem entsprechenden Ansinnen an die Beklagten, die die Bewilligung einer Baulast jedoch ablehnten.

Der Kläger behauptet, das Grundstück der Beklagten werde bereits seit ca. 1638 zur Erreichbarkeit seines dahinter befindlichen Grundstücks genutzt. Er ist der Ansicht, hieraus ergebe sich zu seinen Gunsten ein gewohnheitsrechtliches Fahr- und Wegerecht. Daraus folge wiederum ein Anspruch auf Einräumung der benötigten Baulast. Der Kläger behauptet weiter, ihm sei die Eintragung einer Baulast bereits mehrfach zugesichert worden. Bereits die Mutter der Beklagten habe zu Lebzeiten ihr Einverständnis mit einer solchen Eintragung bekundet. Auch der Beklagte zu 1.) habe im Jahre 2009 anlässlich eines Gesprächs über eine anderweitige nachbarrechtliche Angelegenheit gegenüber dem Sohn des Klägers die Übernahme einer Baulast ausdrücklich zugesagt. Hieraus folge - so meint der Kläger - eine bindende vertragliche Vereinbarung. Er ist überdies der Ansicht, ein Anspruch auf Bewilligung der Baulast ergebe sich auch aus der - als solche unstreitigen - Tatsache, dass er sich an den Kosten einer vorangegangenen Sanierung der Straße beteiligen musste.

Der Kläger beantragt,

die Beklagten zu verurteilen, zu erklären, dass sie die Eintragung eines Geh-, Fahr- und Leitungsrechtes zulasten des Grundstücks Gemarkung F Flur X Flurstück X, zugunsten des Grundstücks mit der Straßenbezeichnung P-Straße in 42929 Wermelskirchen in das Baulastenverzeichnis der Stadt Wermelskirchen bewilligen.

Die Beklagten beantragen,

die Klage abzuweisen.

Dass ihr Grundstück bereits seit 1638 zur Erreichbarkeit des Grundstücks des Klägers genutzt wird, bestreiten die Beklagten mit Nichtwissen. Sie behaupten, die Einräumung einer Baulast sei zu keinem Zeitpunkt zugesagt worden, weder durch die Beklagten selbst, noch durch ihre Mutter. Das von dem Kläger behauptete Gespräch mit dem Beklagten zu 1.) habe nicht 2009, sondern bereits 2007 stattgefunden. Auch in diesem Zusammenhang sei nicht über die Erteilung einer Baulast gesprochen worden. Gegenstand der Diskussion sei lediglich die Möglichkeit gewesen, dem Kläger einen Grundstücksstreifen zu verkaufen, den dieser - unstreitig - zuvor unter Verletzung der Grundstückgrenze überbaut hatte.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der von den Parteien gewechselten Schriftsätze und die von den Parteien vorgelegten Unterlagen und Schriftstücke Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Dem Kläger steht unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt ein Anspruch auf Bewilligung der in dem Klageantrag näher bezeichneten Baulast zu.

Die Beklagten sind nicht aufgrund einer vertraglichen Vereinbarung zur Einräumung einer solchen Baulast verpflichtet. Eine Einwilligung durch die Mutter der Beklagten - die eine nach § 1922, 1967 BGB mit dem Erbfall übergegangene Verpflichtung begründet haben könnte - ist durch den insoweit beweisbelasteten Kläger nicht hinreichend dargetan. Insbesondere fehlt es an einem tauglichen Beweisangebot. Zwar hat der Kläger das Bestehen einer solchen Einwilligung an Eides statt versichert; hierbei handelt es sich jedoch nicht um ein im Rahmen des Strengbeweisverfahrens zulässiges Beweismittel (vgl. § 244 Abs. 3 Satz 1 StPO analog).

Eine vertragliche Verpflichtung der Beklagten scheidet auch im Übrigen aus. Dabei kann dahinstehen, ob der Beklagte zu 1.) gegenüber dem Sohn des Klägers eine Erklärung des Inhalts, die begehrte Baulast werde nunmehr bewilligt, tatsächlich abgegeben hat. In keinem Fall wurden die Beklagten hierdurch wirksam zur Einräumung einer Baulast verpflichtet. Vielmehr bedürfte es einer vertraglichen Verpflichtung beider Beklagten. Daran fehlt es.

Die Entscheidung über die Einräumung einer Baulast kann gegenüber den Beklagten nur einheitlich ergehen; insoweit sind diese notwendige Streitgenossen (§ 62 ZPO). Zur Herleitung eines entsprechenden Anspruchs aus einer vertraglichen Vereinbarung bedarf es der Bindung beider Beklagten als Miteigentümer. Steht ein Gegenstand im Miteigentum, so können Verfügungen über den Gegenstand im Ganzen nach § 747 Satz 2 BGB nur unter Mitwirkung sämtlicher Berechtigter gemeinschaftlich erfolgen. Dies gilt auch für die Einräumung einer Baulast (VGH Mannheim, NJW 1991, 2786, 2787; Maslo, NJW 1995, 1993 1994; Schmitz-Vornmoor, RNotZ 2007, 121, 127).

Für eine vertragliche Verpflichtung der Beklagten zu 2.) bestehen indes keine Anhaltspunkte. Selbst wenn man unterstellt, der Beklagte zu 1.) habe sich anlässlich eines Gesprächs mit dem Sohn des Klägers zu einer Bewilligung der Baulast bereit erklärt, so bindet dies nicht zugleich die Beklagte zu 2.). Auch aus den von dem Kläger vorgetragenen Umständen ergibt sich nicht, dass dieser davon ausgehen konnte, der Beklagte zu 1.) wolle zugleich eine rechtgeschäftliche Erklärung für die Beklagte zu 2.) abgeben. Zwar handelt es sich bei den Beklagten um in demselben Haus lebende Geschwister. Es ist jedoch nicht ersichtlich, dass der Beklagte zu 1.) in der Vergangenheit in das Grundstück betreffenden Fragen regelmäßig auch für die Beklagte zu 2.) nach außen auftrat. Überdies erfolgte die von dem Kläger behauptete Erklärung nicht etwa im Rahmen eines ausdrücklich zu diesem Zwecke vereinbarten Gesprächs über die Baulasterteilung, sondern anlässlich eines Gesprächs in anderer Sache. In einer solchen Situation kann nicht davon ausgegangen werden, dass sich die Beklagten in dieser Frage zuvor untereinander abgestimmt haben und der Beklagte zu 1.) deshalb auch für die Beklagte zu 2.) auftreten sollte.

Auch auf ein zugunsten des Klägers bestehendes zivilrechtliches Nutzungsrecht lässt sich eine Verpflichtung zur Übernahme einer gleichlautenden Baulast nicht stützen.

Zwar könnte dem Kläger grundsätzlich ein Notwegerecht im Sinne des § 917 BGB zustehen, da dessen Grundstück allein über das Grundstück der Beklagten zu erreichen ist. Ein solches gestattet neben dem Begehen grundsätzlich auch das Befahren des fremden Grundstücks einschließlich Transportmaßnahmen (MünchKomm-BGB/Säcker, 5. Aufl. 2009, § 917 Rn. 35 f.) und ist überdies geeignet, in entsprechender Anwendung auch ein Notleitungsrecht zu begründen (BGH, NVwZ 2008, 1150; Staudinger/Roth, Neubearbeitung 2009, § 917 Rn. 4). Hieraus folgt jedoch keine Pflicht zur Bewilligung einer entsprechenden Baulast (VGH Mannheim, BRS 38 Nr. 160; Maslo, NJW 1995, 1993, 1995).

Nach der Rechtsprechung des BGH kann sich bei Bestehen einer Grunddienstbarkeit zwischen den Beteiligten aus dem hiermit verbundenen gesetzlichen Schuldverhältnis im Rahmen einer Interessenabwägung die Verpflichtung zur Übernahme einer gleichlautenden Baulast ergeben. Voraussetzung ist danach, dass die Grunddienstbarkeit bestellt wurde, um das begünstigte Grundstück baulich zu nutzen, die Baulast zwingende Voraussetzung für die Bebauung ist, eine Befreiung vom Baulastzwang nicht in Betracht kommt, bei Bestellung kein Anlass bestand, die Baulastübernahme zu erwägen und Inhalt und Umfang der geforderten Baulast der Dienstbarkeit entsprechen (BGH, NJW 1989, 1607, 1608 f.; NJW 1992, 2885, 2886; s. auch OLG Karlsruhe, NVwZ 1992, 1021 sowie OLG Düsseldorf, NJW-RR 1999, 1539). Dies lässt sich jedoch nicht auf das Notwegerecht nach § 917 BGB übertragen. Die Grunddienstbarkeit setzt das - jedenfalls ursprüngliche - Bestehen einer Willensübereinstimmung der Parteien voraus. Besteht ein grundsätzlicher Konsens hinsichtlich der Einräumung einer Nutzungsmöglichkeit in Form einer Grunddienstbarkeit, so erscheint die Annahme einer Nebenpflicht zur Einräumung einer inhaltsgleichen Baulast je nach Interessenlage im Einzelfall denkbar. Bei dem Notwegerecht im Sinne des § 917 BGB fehlt es an einer solchen Willensübereinstimmung. Die Vorschrift dient allein dem Zweck, dem Berechtigten die anderweitig nicht mögliche, tatsächliche ordnungsgemäße Nutzung zu sichern und erlegt dem Verpflichteten zu diesem Zwecke eine Duldungspflicht auf. Darüber hinausgehende positive Handlungspflichten lassen sich aus solch einem allein auf gesetzlicher Basis bestehenden Notrecht nicht herleiten.

Auch kann sich der Kläger nicht auf Gewohnheitsrecht stützen. Auf der Basis von Gewohnheitsrecht ergibt sich bereits kein Fahr- und Wegerecht des Klägers, das als Basis für eine hieraus folgende Verpflichtung zur Erteilung einer Baulast dienen könnte. Zwar ist die Begründung einer solchen zivilrechtlichen Rechtsposition durch Gewohnheitsrecht grundsätzlich möglich (BGH, NJW-RR 2009, 311, 312; OLG Oldenburg, OLGR 2008, 355; OLG Schleswig, MDR 2007, 457). Hier fehlt es jedoch an den entsprechenden Voraussetzungen. Die Anerkennung eines Gewohnheitsrechts erfordert längere Übung, die dauernd und ständig, gleichmäßig und allgemein ist, und die von den beteiligten Rechtsgenossen als verbindliche Rechtsnorm anerkannt wird (BVerfG, NJW 1970, 851; OLG Oldenburg, OLGR 2008, 355). Nach dem - von den Beklagten in zulässiger Weise mit Nichtwissen bestrittenen - Vortrag des Klägers wird das Grundstück der Beklagten bereits seit etwa 1638 zur Erreichbarkeit seines Grundstückes genutzt. Weitere Anhaltspunkte bestehen insoweit nicht. Allein in der - auch längeren - Duldung der Benutzung liegt noch keine Anerkennung einer die Beteiligten auf Ebene einer Rechtsnorm bindenden gewohnheitsrechtlichen Regelung. Von einer dauerhaft gefestigten, übereinstimmenden Rechtsüberzeugung der Beteiligten kann allein auf dieser Basis nicht ausgegangen werden. Insbesondere ist nicht erkennbar, dass die Beklagten das Gehen und Fahren über ihr Grundstück in dem Bewusstsein hingenommen hätten, dass damit die Erschließung und Bebauung des klägerischen Grundbesitzes ermöglicht werde.

Aus der Tatsache, dass der Kläger an den Kosten der Sanierung des auf dem Grundstück der Beklagten liegenden Privatwegs beteiligt wurde, lässt sich ebenfalls kein Benutzungsrecht des Klägers herleiten. Die Kostentragung ist allein Ausfluss der - im Übrigen erheblichen - tatsächlichen Nutzung des Zufahrtsweges durch den Kläger. Eine Rechtsposition wird hierdurch nicht begründet.

Ein Anspruch des Klägers ergibt sich schließlich auch nicht auf Basis des nachbarschaftlichen Gemeinschaftsverhältnisses (§ 242 BGB). Hierdurch werden im Wesentlichen besondere Rücksichtnahmepflichten der Beteiligten untereinander statuiert (vgl. Staudinger/Olzen, Neubearbeitung 2005, § 241 Rn. 401 ff.). Mag auch die Begründung positiver Handlungspflichten im Einzelfall möglich sein, so ist insoweit Zurückhaltung geboten. Allein aus dem Nachbarrechtsverhältnis lässt sich nicht die Verpflichtung eines Nachbarn zur Begründung einer Baulast herleiten. Eine solche begründet eine öffentlichrechtliche Bindung zu Lasten des eigenen Grundstücks, die von dem Bestehen eines entsprechenden zivilrechtlichen Nutzungsrechts unabhängig ist und nach § 83 Abs. 1 Satz 3 BauO NRW auf den Rechtsnachfolger übergeht. Die Eingehung einer derartigen Bindung, die über dies mit hoheitlichen Mitteln durchgesetzt werden kann, ist den Beklagten nicht zumutbar.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf den §§ 708 Nr. 11, 711, 709 Satz 2 ZPO.

Streitwert: 7500,00 €