LG Hamburg, Beschluss vom 26.02.2016 - 309 T 192/15
Fundstelle
openJur 2016, 9411
  • Rkr:
Tenor

1. Auf die Beschwerden der Betroffenen und der Beteiligten zu 2) wird der Beschluss des Amtsgerichts Hamburg-Harburg vom 02.07.2015, Az. 607 XVII K 4426, betreffend die Verlängerung der Betreuung wie folgt abgeändert:

Der Aufgabenkreis des Betreuers umfasst künftig nicht mehr:

1. Ausübung des Hausrechts über die Wohnung der Betroffenen insbesondere gegenüber der Tochter Frau K. K3 einschließlich ihrer Hinausweisung aus der Wohnung.

Im Übrigen werden die Beschwerden zurückgewiesen.

2. Auf die Beschwerde der Betroffenen wird der Beschluss des Amtsgerichts Hamburg-Harburg vom 10.07.2015, Az. 607 XVII K 4426, betreffend die Genehmigung der Wohnungskündigung aufgehoben.

Gründe

I.

Die Beteiligte zu 2) und – mithilfe ihres Verfahrensbevollmächtigten – auch die Betroffene wenden sich gegen zwei Beschlüsse des Betreuungsgerichts, mit denen zum einen der Beteiligte zu 1) als Betreuer der Betroffenen eingesetzt und zum anderen die Kündigung der Wohnung der Betroffenen genehmigt wurden.

Die seit 2008 verwitwete, heute 85-jährige Betroffene hat drei Töchter, zwei aus erster Ehe – E. K4 und I. A. – und eine aus zweiter Ehe, K. K3, die Beteiligte zu 2).

Im September 2007 hatte die Frau E. K4 für die Betroffene eine Betreuung angeregt. Die Betroffene befand sich zu diesem Zeitpunkt etwa acht Wochen lang in stationärer Behandlung in der A. Klinik H., wo eine schwere depressive Episode mit wahnhaften Symptomen vor dem Hintergrund einer familiären Überlastungssituation diagnostiziert worden war. Nach Aussage der die Betroffene damals behandelnden Ärzte sei die Betroffene mit der Pflege ihres damals noch lebenden Ehemannes E. K1 in der ehelichen Wohnung in erheblichem Maße belastet und schließlich überfordert gewesen, so dass sie in eine schwere Depression geriet, in der es ihr am Ende auch nicht mehr möglich war, sich um alternative Konzepte für die eigene und die Grundversorgung ihres Ehemannes zu kümmern. Zudem litt die Betroffene unter dem zwischen ihren Töchtern zu der Zeit entbrannten Streit über das Pflegekonzept der Eltern. Während die Beteiligte zu 2) gerne die Pflege ihres Vaters übernommen bzw. fortgeführt hätte, bezweifelte ihre Stiefschwester, Frau K4, deren Pflegekompetenz und befürwortete, die weitere Pflege der Eltern in professionelle Hände zu legen, was die Beteiligte zu 2) wiederum ablehnte. Auch ein im Krankenhaus durchgeführtes Familiengespräch führte zu keiner Einigung zwischen den Angehörigen der Betroffenen. Nach dem Eindruck der an dem Gespräch beteiligten Vertreterin der Betreuungsstelle H., Frau B., habe sich die Beteiligte zu 2) dabei äußerst aggressiv und unversöhnlich verhalten, sei auf die Einwände der Ärzte, dass die Betroffene durch die häusliche Situation überfordert sei, nicht eingegangen, habe ihre Mutter und ihre Schwester gedrängt, die Betreuungsanregung zurückzunehmen und betont, dass sich keine Behörde in die Familie einmischen solle. Vor diesem Hintergrund befürworteten auch der die Betroffene damals behandelnde Stationsarzt und die Betreuungsstelle die Einrichtung einer rechtlichen Betreuung und empfahlen die Bestellung eines neutralen Betreuers, der möglichst nicht aus dem familiären Umfeld der Betroffenen kommen sollte.

Nachdem auch der vom Betreuungsgericht bestellte Sachverständige S. mit Gutachten vom 24.10.2007 die Einrichtung einer Betreuung empfohlen hatte, wurde der zunächst vorläufig eingesetzte Berufsbetreuer L. M. mit Beschluss vom 17.12.2007 zum Betreuer der Betroffenen u.a. mit den Aufgabenkreisen „Gesundheitssorge, Organisation und Kontrolle der häuslichen Versorgung, Aufenthaltsbestimmung, Vermögenssorge, Regelung von Wohnungsangelegenheiten, Vertretung gegenüber Behörden, Sozialleistungs- und Sozialversicherungsträgern, Einrichtungen, Versicherungen und anderen Dritten“ in der Hauptsache bestätigt. Dieser hatte erstmals mit Schreiben vom 08.11.2007 gegenüber dem Betreuungsgericht mitgeteilt, dass die Beteiligte zu 2) eine „vernünftige Aufnahme meiner Betreuungstätigkeit weiterhin massiv [blockiere]“, das Zustandekommen eines „vernünftigen Gespräches“ verhindere und „ihre Eltern massiv unter Druck“ setze. Daraufhin erweiterte das Betreuungsgericht mit Beschluss vom 12.11.2007 die Betreuung um den Aufgabenkreis „Ausübung des Hausrechts über die Wohnung der Betroffenen insbesondere gegenüber deren Tochter K. K3 einschließlich einer Hinausweisung von Frau K. K3 aus dieser Wohnung“.

In der vom Betreuungsgericht am 17.12.2007 durchgeführten Anhörung der Betroffenen und ihres Ehemannes zur Einrichtung der Betreuung lehnte die Betroffene eine Betreuung ab. Ihr Ehemann, für den ebenfalls eine Betreuung eingerichtet werden sollte, betonte demgegenüber, dass seine Angelegenheiten jedenfalls nicht von der Tochter K. K3 geregelt werden sollten, da er sich von ihr bevormundet fühle.

Auf Veranlassung der Beteiligten zu 2) wurde der Ehemann der Betroffenen am 22.06.2008 per Helikopter ins Krankenhaus gebracht. Die Einsatzkräfte stellten dabei einen „sehr schlechten Pflegezustand des Patienten (V.a. Pneumonie)“ fest.

Mit Schreiben vom 24.06.2008 teilte der frühere Betreuer M. gegenüber dem Betreuungsgericht mit, dass die Beteiligte zu 2) die Arbeit des Pflegedienstes „sabotiere“.

Am 14.10.2008 starb der Ehemann der Betroffenen. Die Betroffene wurde testamentarisch zur Alleinerbin bestimmt. Bis in das Jahr 2012 führte die Beteiligte zu 2) gegen die Betroffene ein erbrechtliches Gerichtsverfahren auf Auskehrung ihres Pflichtteils. In diesem Zusammenhang bestritt sie unter anderem die Angemessenheit der Kosten der durch die Betroffene in Auftrag gegebenen Beerdigung.

Einen durch den früheren Betreuer M. immer wieder angeregten häuslichen Pflegedienst lehnte die Betroffene nach dem Tod ihres Mannes bis ins Jahr 2014 kategorisch ab. Bis Ende 2011/Anfang 2012 erhielt sie lediglich Hilfe durch ihre Familie, insbesondere ihre Enkelin Frau K5.

Am 14.9.2014 wurde die Betroffene von der Beteiligten zu 2) hilflos auf dem Küchenboden aufgefunden, nachdem sie dort einen Schlaganfall erlitten hatte und mehrere Stunden ohne Hilfe in der Wohnung gelegen hatte. Da sich der damalige Betreuer L. M. zu dieser Zeit in seinem Jahresurlaub befand, wurde zur Vornahme der dringend erforderlichen Entscheidungen der heutige Betreuer der Betroffenen, der Beteiligte zu 1), zum Ersatzbetreuer bestellt.

Mit Schreiben ihres Bevollmächtigten vom 07.10.2014 beantragte die Beteiligte zu 2), zur Betreuerin ihrer Mutter bestellt zu werden.

Am 31.10.2014 reichte die Beteiligte zu 2) durch ihren Bevollmächtigten ein auf den 20.07.1997 datiertes, mit „Vollmacht“ überschriebenes Schriftstück ein (vgl. Bl. 269 d.A.), mit der die Betroffene ihre Tochter K. K3, die Beteiligte zu 2), zur Vermeidung einer rechtlichen Betreuung mit der Wahrnehmung ihrer Angelegenheiten bevollmächtigt haben soll.

Mit Schreiben vom 11.03.2015 beantragte der frühere Betreuer M. die Genehmigung zur Kündigung der Wohnung der Betroffenen.

Ausweislich des Gutachtens des Sachverständigen S. vom 10.03.2015 leidet die Betroffene heute unter einem postinfarziellen dementiellen Syndrom bei Zustand nach hämorrhagisch transformierten Media-Insult rechts mit armbetonter Hemiplegie links und Hemineglect nach rechts und zudem unter einer organisch depressiven Störung.

Mit Beschluss vom 02.07.2015 verlängerte das Betreuungsgericht die Betreuung der Betroffenen, erweiterte die Betreuung u.a. um den Aufgabenkreis „Widerruf der bislang erteilten Vorsorgevollmachten“ und bestellte den Beteiligten zu 1) zum Betreuer für den auf eigenen Wunsch aus dem Betreueramt entlassenen Betreuer M..

Mit Beschluss vom 10.07.2015 genehmigte das Betreuungsgericht die Kündigung des Mietverhältnisses der Wohnung der Betroffenen in der N. Straße ... in H..

Am 31.07.2015 hat die Beteiligte zu 2) durch Schreiben ihres Bevollmächtigten Beschwerde gegen den Beschluss vom 02.07.2015 eingelegt. Mit Schreiben vom 02.08.2015 hat zudem der Verfahrensbevollmächtigte für die Betroffene Beschwerde gegen den Beschluss vom 02.07.2015 eingelegt. Mit Schreiben vom 11.08.2015 hat auch die Beteiligte zu 2) selbst Beschwerde gegen den Beschluss des Betreuungsgerichts vom 02.07.2015 eingelegt. Mit Schriftsatz vom 24.08.2015 hat der Verfahrensbevollmächtigte Beschwerde gegen den Beschluss des Betreuungsgerichts vom 10.07.2015 eingelegt.

Mit den eingelegten Beschwerden beruft sich die Beteiligte zu 2) auf die eingereichte Vollmacht aus dem Jahr 1997. Unbeschadet dessen begehrt die Beteiligte zu 2) jedenfalls als (ehrenamtliche) Betreuerin für die Betroffene anstelle des Beteiligten zu 1) eingesetzt zu werden. Hilfsweise wird beantragt, die Beteiligte zu 2) zusammen mit ihren beiden Schwestern als Betreuerinnen einzusetzen sowie hilfsweise nur den Aufgabenkreis „Vermögenssorge“ einem Berufsbetreuer zu übertragen.

Die Kammer hat die Betroffene am 05.11.2015 in der Seniorenresidenz P. V. N. durch den beauftragten Richter persönlich angehört. Auf den Anhörungsvermerk vom selben Tag wird Bezug genommen.

Mit Gutachten vom 02.12.2015 hat der von der Kammer bestellte Sachverständige Dr. H. zur Frage der Wohnfähigkeit der Betroffenen Stellung genommen. Er hat bei der Betroffenen eine leichtgradige Demenz sowie ein depressives Syndrom diagnostiziert. Bei der Betroffenen sei ein Pflegeaufwand erforderlich, der in der Regel eine Rückkehr in die eigene Wohnung ausschließt. Dies sei lediglich dann denkbar, dass sie dort eine dem Pflegeheim vergleichbare 24stündige Grundversorgung erhält, die (auch nachts) eine regelmäßige Lagerung (alle 2-3 Stunden) zur Vermeidung von Druckgeschwüren (Dekubiti) und die aufgrund der Stuhlinkontinenz erforderliche regelmäßige Säuberung sicherstellt.

II.

Die Beschwerden sind zulässig (§ 303 Abs. 2 Nr. 1 FamFG) und im tenorierten Umfang erfolgreich. Im Übrigen sind sie unbegründet.

1.

Soweit sich die Beschwerden gegen die Verlängerung der Betreuung und die Bestellung des Beteiligten zu 1) zum rechtlichen Betreuer der Betroffenen richten, sind sie unbegründet. Die Bestellung des Beteiligten zu 1) zum rechtlichen Betreuer der Betroffenen ist gemäß § 1896 BGB erforderlich. Dem stehen weder die auf den 20.07.1997 datierte „Vollmacht“ noch die Bereitschaft der Beteiligten zu 2), die Betreuung ehrenamtlich zu übernehmen, entgegen.

Dass die Betroffene ihre Angelegenheiten im Sinne von § 1896 Abs. 1 BGB nicht mehr besorgen kann, steht aufgrund der gerichtlichen Ermittlungen, insbesondere aufgrund des Gutachtens des Sachverständigen S. vom 10.03.2015 fest und wird auch durch die eingelegten Beschwerden nicht angegriffen. Die Betroffene ist aufgrund ihrer Demenz und ihrer halbseitigen Lähmung auf umfassende Hilfe und eine 24-stündige vollumfängliche Pflege angewiesen.

Ein Betreuer darf darüber hinaus nur bestellt werden, soweit die Betreuerbestellung erforderlich ist (§ 1896 Abs. 2 Satz 1 BGB). Eine Betreuung ist insbesondere nicht erforderlich, soweit die Angelegenheit des Betroffenen durch einen Bevollmächtigten ebenso gut wie durch einen Betreuer besorgt werden können (§ 1896 Abs. 2 Satz 2 BGB). Eine vom Betroffenen erteilte Vorsorgevollmacht hindert die Bestellung eines Betreuers aber nur, wenn gegen die Wirksamkeit der Vollmachtserteilung keine Bedenken bestehen. Darüber hinaus steht eine Vorsorgevollmacht der Bestellung eines Betreuers auch dann nicht entgegen, wenn der Bevollmächtigte ungeeignet ist, die Angelegenheiten des Betroffenen zu besorgen, insbesondere weil zu befürchten ist, dass die Wahrnehmung der Interessen des Betroffenen durch jenen eine konkrete Gefahr für das Wohl des Betroffenen begründen (BGH, Beschluss vom 13. April 2011 – XII ZB 584/10). Bei der Auswahl des Betreuers ist zudem auf die verwandtschaftlichen und sonstigen persönlichen Bindungen des Betroffenen, aber auch auf die Gefahr von Interessenkonflikten Rücksicht zu nehmen (vgl. § 1897 Abs. 5 BGB). Ein Berufsbetreuer soll nur dann bestellt werden, wenn keine andere geeignete Person zur Verfügung steht, die zur ehrenamtlichen Führung der Betreuung bereit ist (vgl. § 1897 Abs. 6 Satz 1 BGB; vgl. zu allem BayOblG, FamRZ 2004, 1750-1751, Rz 11).

Nach diesen Grundsätzen ist die Fortführung der rechtlichen Betreuung für die Betroffene durch den Beteiligten zu 1) erforderlich. Dabei kann dahinstehen, ob das auf den 20.07.1997 datierte, mit „Vollmacht“ überschriebene Schriftstück eine wirksame Vorsorgevollmacht zugunsten der Beteiligten zu 2) darstellt. Denn auch die Kammer ist mit dem Betreuungsgericht jedenfalls der Ansicht, dass die Beteiligte zu 2) ungeeignet ist, die Angelegenheiten der Betroffenen zu besorgen. Die Kammer nimmt insoweit auf die umfangreiche Begründung des Betreuungsgerichts Bezug.

Gegen die Tauglichkeit der Beteiligten zu 2) spricht vor allem, dass es der Beteiligten zu 2) in der Vergangenheit nicht gelungen ist, mit den für die Betreuung und Pflege ihrer Mutter bedeutsamen Personen zu kooperieren. Vielmehr verweigerte sie die Zusammenarbeit mit nahezu sämtlichen beteiligten Personen, insbesondere mit dem früheren Betreuer M., dem Pflegedienst „P.“, dem Sachverständigen S. dem Pflegeheim P. V., in dem sich die Betroffene heute befindet und dem zuständigen Betreuungsgericht H.- H..

Der Betreuer M. berichtete zu Beginn der Betreuung davon, in der Kontaktaufnahme mit der Betroffenen und ihrem damals noch lebenden Ehemann durch die Beteiligte zu 2) massiv gestört zu werden. Insbesondere setze die Beteiligte zu 2) ihre Eltern unter Druck, nicht mit ihm zusammenzuarbeiten. Das gleiche habe für den von dem damaligen Betreuer eingesetzten Pflegedienst „P.“ gegolten, der ebenfalls an der Wahrnehmung der Pflege durch die Beteiligte zu 2) behindert worden sei. Diese Aussagen hält die Kammer für glaubhaft. Anhaltspunkte dafür, dass Herr M. von Beginn der Betreuung an willkürlich gegen die Beteiligte zu 2) voreingenommen war und gegenüber dem Betreuungsgericht unwahre Behauptungen aufstellte, sind nicht ersichtlich. Seine Ausführungen decken sich vielmehr mit den Beschreibungen der Vertreterin der Betreuungsstelle H., Frau B., von dem aufgrund der Zerstrittenheit der Familie durchgeführten Familiengespräch im Krankenhaus H. im September 2007, bei dem sich die Beteiligte zu 2) ebenfalls vehement gegen jede Empfehlung der behandelnden Ärzte und die Wünsche ihrer Schwester nach einer professionellen Pflege der Eltern stemmte und keinerlei Gesprächsbereitschaft zeigte. Die Angaben von Herrn M. decken sich zudem auch mit der Äußerung des damals noch lebenden Ehemannes der Betroffenen gegenüber dem Betreuungsgericht, dass er sich von seiner Tochter, der Beteiligten zu 2), unter Druck gesetzt fühlte.

Von einer vergleichbaren, ablehnenden Haltung der Beteiligten zu 2) berichtete auch der Sachverständige S. in seinem ersten Gutachten vom 24.10.2007. Er sei von der Beteiligten zu 2) trotz eines vereinbarten Termins vor der Haustür abgehalten und zur Vorlage eines Ausweises aufgefordert worden, zudem habe sie ihm „gedroht“, die Polizei zu rufen und einen Rechtsanwalt einzuschalten. Aufgrund ihrer ablehnenden und unkooperativen Haltung habe er den Begutachtungstermin um eine Woche verschieben müssen.

Die Mitarbeiter des Pflegeheims P. V., Frau B. und Frau T., sowie dessen Leiterin Frau V. berichteten im Rahmen der Anhörung der Betroffenen am 05.11.2015, dass die Beteiligte zu 2) jede Zusammenarbeit verweigere, Anweisungen und Ratschläge der Pflegerinnen und Pfleger zurückweise und sie bei ihren zumeist nachmittäglichen Besuchen aus dem Zimmer der Betroffenen schicke. Insbesondere ignoriere sie den Hinweis, die Betroffene nur zu zweit aus dem Bett in den Rollstuhl zu heben, obwohl dies aus Sicherheitsgründen wichtig sei. Dass – wie Frau V. bemerkte – auch der Pflegedienst gelegentlich mangels ausreichend zur Verfügung stehender Kräfte die Betroffene nur mit einer Person mobilisiert, rechtfertigt nicht die Ablehnung der angebotenen Hilfe und Zusammenarbeit durch die Beteiligte zu 2), die durch ihr Verhalten vielmehr die Betroffene einer unnötigen Gefährdung aussetzt.

Gegenüber dem Betreuungsgericht H.- H. verweigerte sie zuletzt ohne nachvollziehbaren Grund die Auskunft über ihre Berufstätigkeit, als es um die Frage ging, ob sie trotz ihrer Berufstätigkeit genügend Zeit für die Betreuung ihrer Mutter habe. Auch hierin kommt die fehlende Mitwirkungsbereitschaft der Beteiligten zu 2) zum Ausdruck, die der Übernahme der Betreuung entgegensteht.

Hinzu kommt, dass die Beteiligte zu 2) nach dem Eindruck der Kammer nicht hinreichend zwischen ihren eigenen Wünschen und Interessen und denen der Betroffenen zu unterscheiden weiß. Zwar stand und steht auch die Betroffene einer (Berufs-)Betreuung und einem häuslichen Pflegedienst stets ablehnend gegenüber. Aufgabe einer rechtlichen Betreuung ist es aber, ärztliche Ratschläge und Empfehlungen ernst zu nehmen und mit den gegebenenfalls entgegenstehenden Wünschen der Betroffenen abzuwägen. Die ablehnende Haltung der Betroffenen ist nicht (mehr) das Ergebnis rationaler Abwägung der Vor- und Nachteile, zu der die Betroffene nicht mehr in der Lage ist. Doch auch die Beteiligte zu 2) hat die seit Beginn der Betreuung im Jahr 2007 ärztlicherseits empfohlene Pflege der Betroffenen, zunächst zu Hause mithilfe eines Pflegedienstes, nunmehr im Pflegeheim (vgl. z.B. die Empfehlung des langjährigen Hausarztes der Betroffenen, Dr. P.), immer ohne Abwägung abgelehnt und hielt allein die häusliche Pflege nur durch die Familie für die einzig richtige Versorgung.

Mithin sprach das Betreuungsgericht in seiner Begründung des angefochtenen Beschlusses zu Recht davon, dass die Beteiligte zu 2) ihre eigenen Wünsche in die Äußerungen der Betroffenen hineinprojiziert. Hierfür spricht auch, dass die Beteiligte zu 2) allein seit Oktober 2014 an das Gericht fünf Schreiben im Namen der Betroffenen vorformulierte und diese von der Betroffenen unterschreiben ließ, obwohl diese nach überzeugender Einschätzung des Sachverständigen S. vom 10.03.2015 nicht in der Lage war und ist, den Inhalt dieser ihr vorgelegten Schreiben inhaltlich zu erfassen. Tatsächlich handelt es sich also jeweils um die Ansichten der Beteiligten zu 2), die davon ausgeht, dass auch ihre Mutter dieser Ansicht ist. Es handelt sich dabei um folgende Schreiben: Mitteilung vom 14.10.2014, dass die Betroffene mit den Betreuern M. und K2 nicht einverstanden sei (Bl. 260 d.A.); „Beschwerde“ vom 16.12.2014 (Bl. 300 d.A.); Zustimmung zur Übersendung der Akten an die Staatsanwaltschaft vom 05.02.2015 (Bl. 329 d.A.); „Beschwerde“ vom 24.06.2015 (Bl. 438 d.A.); „Beschwerde“ vom 25.06.2015 (Bl. 493 d.A.); „Beschwerde“ vom 11.08.2015 (Bl. 502 d.A.).

Dass die Beteiligte zu 2) vornehmlich ihre eigenen Interessen im Blick hat und dadurch das Wohl der Betroffenen gefährdet, ergibt sich auch daraus, dass sie versuchte, ihre Schwester E. K4 im Sommer 2015 zu überzeugen, eine von der Beteiligten zu 2) vorgefertigte Erklärung – sie entspricht optisch den Schreiben, die sie auch der Betroffenen zur Unterschrift vorlegte – zu unterschreiben, wonach sie mit der Übernahme der Betreuung durch die Beteiligte zu 2) einverstanden sei. Mit Schreiben vom 30.11.2015 teilte Frau K4 gegenüber dem Betreuungsgericht jedoch mit, dass sie keineswegs mit einer Übernahme der Betreuung durch die Beteiligte zu 2) einverstanden sei. Dies war Frau K4 ausweislich der Betreuungsakte noch nie, vielmehr entbrannte zu Beginn der Betreuung im Jahr 2007 der Streit zwischen den Schwestern gerade um die Frage, ob eine rechtliche Berufsbetreuung eingerichtet werden sollte oder nicht. Bis heute zieht die Betroffene die Gründe ihrer Schwester und insbesondere die Möglichkeit, dass dies dem Wohl der Betroffenen dienen könnte, nicht in Erwägung, sondern versucht wie schon im Jahr 2007, ihren eigenen Willen durchzusetzen. Auch die Tatsache, dass die Betroffene seit jeher sehr unter dem Streit der Schwestern leidet, fließt offensichtlich nicht in die Erwägungen der Beteiligten zu 2) ein. Stattdessen behauptet sie wahrheitswidrig gegenüber dem Gericht, ihre Schwestern seien zur (Mit-)Übernahme der Betreuung bereit. Hiermit täuschte sie letztlich auch ihre Rechtsanwälte, die ebenfalls vortrugen, dass die Schwestern zur Betreuungsübernahme bereit seien und im Beschwerdeverfahren entsprechende Anträge stellten.

Aufgrund all dieser Erwägungen hält die Kammer die Beteiligte zu 2) nicht für geeignet, sich um die Angelegenheiten der Betroffenen in ausreichendem Maße zu kümmern. Dabei hat die Kammer nicht übersehen, dass die Beteiligte zu 2) zuletzt gewisse Anstrengungen unternommen hat, um ihre Bereitschaft zur Übernahme der Betreuung zu untermauern. So hat sie ausweislich der eingereichten Teilnahmebescheinigungen mehrere Kurse zum Thema rechtliche Betreuung beim H.er Diakonieverein besucht. Sie hat auch erklärt, künftig mit einem Pflegedienst zusammenarbeiten zu wollen, der die Pflege der Betroffenen zu Hause übernehmen soll. Vor dem Hintergrund der beschriebenen, massiven Probleme in der Zusammenarbeit mit den unterschiedlichen Stellen hält die Kammer diese Entwicklung zum derzeitigen Zeitpunkt jedoch noch nicht für tragfähig genug. Es bleibt der Beteiligten zu 2) unbenommen, künftig ihre Geeignetheit durch eine Zusammenarbeit mit dem Beteiligten zu 1) – er hat im Rahmen der persönlichen Anhörung der Betroffenen am 05.11.2015 eine Kooperation mit der Beteiligten zu 2) angeboten –, mit den Mitarbeitern im Pflegeheim P. V. und gegebenenfalls mit einem häuslichen Pflegedienst (vgl. sogleich unter 3.) unter Beweis zu stellen.

2.

Im Hinblick auf den Umfang der Betreuung sind die Beschwerden teilweise begründet, im Übrigen unbegründet. Das Amtsgericht hat die Betreuung zu Recht für die Aufgabenkreise Vermögenssorge, Gesundheitsfürsorge, Aufenthaltsbestimmung, Abschluss, Änderung und Kontrolle der Einhaltung eines Heim-Pflegevertrages, Interessenvertretung gegenüber Behörden, Sozialleistungs- und Sozialleistungsträgern, Einrichtungen, Versicherungen und anderen Dritten, Regelung der Wohnungsangelegenheiten einschließlich der Kündigung der Wohnung N. Str. ... in (PLZ)H., Organisation und Kontrolle der häuslichen Versorgung sowie Widerruf der bislang erteilten Vorsorgevollmachten aufrecht erhalten.

Die Betroffene bedarf umfassender Betreuung. Dies folgt aus dem die Kammer überzeugenden Gutachten des Sachverständigen S. vom 10.03.2015. Die genannten Aufgabenkreise sind hierfür erforderlich. Im Kern wird dies mit den Beschwerden auch nicht angegriffen. Soweit sich die Beschwerden gegen den Aufgabenkreis „Widerruf der bislang erteilten Vorsorgevollmachten“ richten, dringen sie hiermit nicht durch. Mit zutreffender Begründung, auf die die Kammer Bezug nimmt, hat das Amtsgericht dem Beteiligten zu 1) auch diesen Aufgabenkreis übertragen. Die Beteiligte zu 2) ist nicht geeignet, die rechtliche Betreuung der Betroffenen zu übernehmen. Es wäre eine Gefährdung für das Wohl der Betroffenen zu befürchten. Insofern wird auf die Ausführungen der Kammer unter 1. Bezug genommen. Mildere Mittel wie beispielsweise eine Kontrollbetreuung kommen nicht in Betracht, da sie nicht hinreichend geeignet erscheinen, die erforderliche umfassende pflegerische Versorgung der Betroffenen sicherzustellen.

Demgegenüber ist der Aufgabenkreis „Ausübung des Hausrechts über die Wohnung der Betroffenen insbesondere gegenüber deren Tochter Frau K. K3 einschließlich ihrer Hinausweisung aus der Wohnung“ nicht (mehr) erforderlich. Er war auf Antrag des früheren Betreuers M. eingerichtet worden, dessen Betreuertätigkeit die Beteiligte zu 2) zu Beginn erheblich beeinträchtigte. Mittlerweise hat der Beteiligte zu 1) die Betreuung übernommen und zuletzt im Rahmen der persönlichen Anhörung der Betroffenen am 05.11.2015 seine Bereitschaft ausgedrückt, mit der Betroffenen künftig zusammenzuarbeiten. Zwar hat die Beteiligte zu 2) mehrfach erklärt, dass sie ein Vertrauensverhältnis zu dem Beteiligten zu 1) nicht aufbauen könne, da er aus demselben Betreuungsbüro komme wie der frühere Betreuer M.. Gleichwohl kann daraus nicht ohne Weiteres der Schluss gezogen werden, dass eine Zusammenarbeit künftig doch gelingt. Für den Wunsch der Betroffenen, in die eigene Wohnung zurückzukehren, kommt auch die Unterstützung durch die Beteiligte zu 2) in Betracht (vgl. sogleich unter 3.), so dass der genannte Aufgabenkreis auch insofern einer am Wohl der Betroffenen orientierten Entscheidung, jedenfalls zu diesem Zeitpunkt, entgegensteht.

3.

Die Beschwerde gegen den Beschluss vom 10.07.2015, mit dem das Betreuungsgericht die Wohnungskündigung genehmigte, ist begründet. Die Voraussetzungen für die Genehmigung zur Kündigung der Mietwohnung der Betroffenen in der N. Straße ..., (PLZ)H., liegen derzeit nicht vor. Sie setzt gemäß § 1907 Abs. 1 BGB voraus, dass die Kündigung dem Wohl und den beachtenswerten Wünschen der Betroffenen entspricht. Eine Kündigung ist grundsätzlich erst dann gerechtfertigt, wenn eine Rückkehr der Betroffenen in die eigene Wohnung auf Dauer ausgeschlossen ist.

Dies ist hier nicht der Fall. Die Betroffene hat im Rahmen ihrer persönlichen Anhörung durch den beauftragten Richter und auch bei früheren Gelegenheiten immer wieder zum Ausdruck gebracht, dass sie nicht im Pflegeheim leben möchte, sondern in ihrer Wohnung bleiben bzw. in ihre Wohnung zurückkehren möchte.

Im Rahmen der Betreuung ist den Wünschen der Betroffenen grundsätzlich zu entsprechen, soweit dies deren Wohl nicht zuwiderläuft (§ 1901 Abs. 3 BGB). Eine Rückkehr in ihre Wohnung wäre unter diesen Voraussetzungen insbesondere dann nicht möglich, wenn dadurch ihr Leben oder ihre Gesundheit gefährdet oder sich ihre gesamte Lebens- und Versorgungssituation im Allgemeinen deutlich verschlechtern würde. Im Ergebnis erscheint aus heutiger Sicht aber eine Rückkehr in die Wohnung möglich, ohne dass sich daraus Gefahren für die Gesundheit der Betroffenen ergeben, die so schwer wiegen, dass ihr Rückkehrwunsch versagt werden müsste.

Wie sich aus dem überzeugenden Gutachten des von der Kammer beauftragten Sachverständigen Dr. H. vom 02.12.2015 ergibt, setzt eine Rückkehr der Betroffenen in die eigene Wohnung voraus, dass sie dort ebenso umfassend versorgt wird, wie dies derzeit im Pflegeheim gewährleistet ist. Aufgrund ihrer nach dem im September 2014 erlittenen Schlaganfall eingetretenen halbseitigen Lähmung ist die Betroffene auf umfassende, 24-stündige Pflege angewiesen. Diese muss insbesondere dafür sorgen, dass die Betroffene regelmäßig, d.h. alle zwei bis drei Stunden (auch nachts) umgelagert wird, um Druckgeschwüre (sog. Dekubiti) zu verhindern. Mit dem von der Beteiligten zu 2) ursprünglich vorgesehenen Plan, mit der Betroffenen in eine Wohnung zu ziehen und die Pflege selbst zu übernehmen, kann dies nicht erreicht werden. Dieser Ansicht ist die Beteiligte zu 2) inzwischen aber auch selbst. Sie hat daher erklärt, die Hilfe eines umfangreichen Pflegedienstes zuzulassen. Da die Möglichkeiten einer solchen ambulanten Versorgung (ambulanter Pflegedienst, ggfs. zusätzliche Hilfe durch die Betroffene) bislang noch nicht hinreichend ausgelotet wurden, steht nicht mit der nach § 1907 BGB erforderlichen Sicherheit fest, dass eine Rückkehr der Betroffenen in ihre Wohnung ausgeschlossen ist. Dies gilt umso mehr, als die Betroffene über ein Vermögen von rund 45.000,00 EUR sowie monatlichen Renteneinnahmen von etwa 1.700,00 EUR verfügt. Hieraus ließe sich auch eine ambulante Pflege finanzieren, die über die Leistungen hinausgeht, die üblicherweise durch die Krankenkassen übernommen werden.