OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 18.11.2015 - 6 WF 185/15
Fundstelle
openJur 2016, 11380
  • Rkr:
Tenor

Der angefochtene Beschluss wird abgeändert.

Dem Antragsteller wird für die erste Instanz rückwirkend, und zwar für das Ehescheidungsverfahren und die Folgesachen Sorgerecht und Versorgungsausgleich im Rahmen der ihm bewilligten Verfahrenskostenhilfe und in Ergänzung des Beschlusses vom 02.11.2012 Rechtsanwalt X als Unterbevollmächtigter zur Terminswahrnehmung am 28.07.2015 beigeordnet.

Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben, außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet.

Gründe

I.

Auf seinen Antrag hin wurde dem in ... lebenden Antragsteller Verfahrenskostenhilfe für seinen Ehescheidungsantrag nebst den Folgesachen Versorgungsausgleich und Sorgerecht bewilligt und ihm antragsgemäß Rechtsanwalt Y beigeordnet, dessen Kanzlei ihren Sitz in ... hat. Die Beiordnung erfolgte jedoch mit der Maßgabe "dass die Mehrkosten, die dadurch entstehen, dass die beigeordnete Rechtsanwältin bzw. der beigeordnete Rechtsanwalt die Kanzlei nicht im Bezirk des Verfahrensgerichts ... hat, nur bis zur Höhe der Vergütung eines Verkehrsanwaltes am Wohnort des Verfahrenskostenhilfe begehrenden Beteiligten erstattungsfähig sind". Die dem (Haupt-) Bevollmächtigten vom Antragsteller erteilte Vollmacht, die sich bei den Akten befindet, enthält u. a. die Befugnis, "die Vollmacht ganz oder teilweise auf andere zu übertragen (Untervollmacht)." Bereits mit Schriftsatz des Rechtsanwalts X vom 09.06.2015 zeigte dieser an, den Termin "für den Antragsteller und Bevollmächtigten, Rechtsanwalt Y wahrzunehmen" und bat um "entsprechende Beiordnung".

Im Termin zur mündlichen Verhandlung über die Ehescheidung und die Folgesachen erschien Rechtsanwalt X sodann in Untervollmacht und beantragte nunmehr seine Beiordnung als "Korrespondenzanwalt" für den Antragsteller, die das Gericht mit dem angefochtenen Beschluss zurückwies.

In der hiergegen gerichteten sofortigen Beschwerde stellte der Antragsteller sein Beiordnungsgesuch wieder richtig und beantragte die Beiordnung von Rechtsanwalt X als "Terminsvertreter", hilfsweise dessen Beiordnung als Hauptbevollmächtigten sowie die Beiordnung seines bisherigen Hauptbevollmächtigen Rechtsanwalt Y als Verkehrsanwalt.

II.

Die gemäß § 113 Abs. 1 S. 2 FamFG in Verbindung mit §§ 127 Abs. 2 S. 2, 567 ff. ZPO zulässige Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg.

Gemäß § 121 Abs. 3 ZPO kann ein nicht in dem Bezirk des "Prozessgerichts" niedergelassener Rechtsanwalt nur dann beigeordnet werden, wenn dadurch weitere Kosten - das Gesetz meint insoweit hier die Reisekosten des Rechtsanwalts nach § 46 RVG - nicht entstehen. Vorzunehmen ist demnach ein Vergleich zwischen den Kosten, die dem auswärtigen Rechtsanwalt entstehen würden, mit denjenigen Kosten, die entstehen, wenn die Kanzlei des Anwalts an dem am weitesten vom Verfahrensgericht entfernten Ort im Bezirk des Instanzgerichts gelegen wäre (Büttner/Wrobel-Sachs/Gottschalk/Dürbeck, Prozess- und Verfahrenskostenhilfe, Beratungshilfe, 7. Aufl., Rn. 573, 676 f; Senat, Beschluss vom 17.12.2013, 6 WF 222/13; OLG Frankfurt, FamRZ 2009, 1615). Übersteigen danach die zusätzlichen Reisekosten die sonst gegebenen Kosten, kann die Beiordnung des auswärtigen Anwaltes nur "zu den Bedingungen eines im Gerichtsbezirk niedergelassenen Rechtsanwalts" erfolgen. Dies gilt jedoch nicht, wenn dem Bedürftigen im Falle einer Beauftragung eines Rechtsanwalts mit Sitz im Bezirk des Verfahrensgerichts zusätzlich ein Verkehrsanwalt mit Sitz an seinem Wohnort gemäß § 121 Abs. 4 ZPO beigeordnet werden müsste, was dann der Fall ist, wenn besondere Umstände dies erfordern. Dieses Erfordernis ist regelmäßig dann gegeben, wenn eine große Entfernung zum Gerichtsort vorliegt (OLG Karlsruhe, FamRZ 2013, 1596) oder bei Kindschaftssachen (OLG Dresden, FamRZ 2008, 164). Da vorliegend beide Umstände greifen, lag grundsätzlich die Voraussetzung für die zusätzliche Beiordnung eines Verkehrsanwaltes nach § 121 Abs. 4 ZPO vor. In diesen Fällen kann aber auch, wie das Gericht im Ausgangsbeschluss vom 02.11.2012 zutreffend befunden hat, die Beiordnung des am Wohnort des Antragstellers ansässigen Rechtsanwalts erfolgen "mit der Maßgabe, dass die Mehrkosten, die dadurch entstehen, dass die beigeordnete Rechtsanwältin bzw. der beigeordnete Rechtsanwalt die Kanzlei nicht im Bezirk des Verfahrensgerichts hat, nur bis zur Höhe der Vergütung eines Verkehrsanwalts am Wohnort des Verfahrenskostenhilfe begehrenden Beteiligten erstattungsfähig sind".

Danach hätte Rechtsanwalt Y im Kostenfestsetzungsverfahren etwaige Reisekosten bis zu einer Höhe geltend machen können, die der Vergütung eines Verkehrsanwalts am Wohnort des Antragstellers entspricht. Unabhängig hiervon könnte er die Kosten eines - von ihm selbst beauftragten - Terminsvertreters bis zur Höhe seiner (fiktiven) Reisekosten, begrenzt auf die Kosten eines zusätzlichen Verkehrsanwaltes, gem. § 5 RVG geltend machen (vgl. Musielak/Voit/Fischer, § 121 ZPO Rn. 18a; vgl. BVerwG NJW 1994, 3243).

Für die Frage, ob die hier begehrte (zusätzliche) Beiordnung als Unterbevollmächtigter überhaupt in Betracht kommt, bleibt aber zunächst noch zu prüfen, ob der als Unterbevollmächtigter auftretende Rechtsanwalt X tatsächlich selbst abrechnungsfähige Ansprüche aus einem Auftrag des Antragstellers erworben hat oder nur als ausschließlich vom Hauptbevollmächtigten beauftragter Vertreter aufgetreten ist, so dass ausschließlich der Hauptbevollmächtigte nach § 5 RVG nach außen abrechnen darf und sich intern mit dem Vertreter einigen muss (vgl. zu dieser Abgrenzung BGH FamRZ 2006, 1523 = NJW 2006, 3569). Vorliegend spricht allerdings die vom Antragsteller dem Hauptbevollmächtigten erteilte Vollmacht eindeutig dafür, dass Letzterer im Namen des Antragstellers Unterbevollmächtigte bestellen darf (vgl. hierzu Gerold/Schmidt/Mayer, RVG, § 5 Rn. 2), wovon hier auszugehen ist, nachdem Rechtsanwalt X von Anfang an entsprechend aufgetreten ist und der Hauptbevollmächtigte dies offenbar gebilligt hat. Da der Verkehrsanwalt nach 3400 VV RVG eine 1,0 Verfahrensgebühr erhält, der Unterbevollmächtigte als Terminsvertreter aber neben der 1,2 Termingebühr - anstelle des Hauptbevollmächtigten - zusätzlich nur eine 0,65 Verfahrensgebühr (3401, 3402 VV RVG), erweist sich der Unterbevollmächtigte im Ergebnis sogar als die kostengünstigere Alternative.

Soweit der Antragsteller mit der sofortigen Beschwerde seinen Antrag vom 28.07.2015 insoweit wieder modifiziert, als er offensichtlich die Beiordnung eines Terminsvertreters bzw. Unterbevollmächtigten in der Person von Rechtsanwalt Y begehrt, wie dies auch mit dem Schriftsatz vom 09.06.2015 ursprünglich bereits angekündigt worden war, ist allerdings streitig, ob diesem Antrag gem. § 121 ZPO entsprochen werden kann. Nach wohl überwiegender Auffassung in Rechtsprechung und Literatur (OLG Celle FamRZ 2012, 1321; OLG Dresden FamRZ 2008, 164; OLG Brandenburg AGS 2008, 293; Bayrisches LSG, Beschluss vom 13.12.2013, LF AS 818/13; LAG Schleswig-Holstein NZA-RR 2009, 104; BVerwG 1994, 3243; Zöller/Geimer § 121 ZPO Rn. 2; Heilmann/Dürbeck, § 78 FamFG, Rn. 15; differenzierend Musielak/Voit/Fischer; § 121 ZPO, Rn. 18a, f: Beiordnung nur bis zur Höhe der Reisekosten eines Hauptbevollmächtigten), soll die Beiordnung eines unterbevollmächtigten Terminsvertreters nicht möglich sein, weil § 121 Abs. 4 ZPO diese Form der Vertretung nicht umfasse.

Letzteres ist allerdings auch nicht erforderlich, denn es geht insoweit gerade nicht um die Beiordnung eines auswärtigen Anwalts. Deshalb hat der Bundesgerichtshof (BGH FamRZ 2004, 1362 = NJW 2004, 2749 f.) auch keinerlei Bedenken, eine solche Beiordnung eines Unterbevollmächtigten zuzulassen, wenn dadurch keine höheren oder allenfalls geringfügig die Reisekosten eines zulässigerweise beigeordneten auswärtigen Hauptbevollmächtigten überschreitende Kosten entstehen. In diesen Fällen ist § 121 Abs. 4 ZPO zwar als Vergleichsmaßstab heranzuziehen; jedoch beruht die Beiordnung eines Unterbevollmächtigten vor Ort neben dem Hauptbevollmächtigten weder auf § 121 Abs. 4 ZPO noch wird sie durch diese Vorschrift ausgeschlossen, wenn ein kostengünstigerer Anwalt vor Ort als Unterbevollmächtigter (zusätzlich) beigeordnet wird.

Auf die Frage, ob hilfsweise auch nach Abschluss des Hauptverfahrens die sonst in diesen Fällen vielfach übliche Umstellung, den Anwalt vor Ort als Hauptbevollmächtigten und den auswärtigen Anwalt als Korrespondenzanwalt beizuordnen, noch zulässig wäre, kommt es hiernach nicht mehr an, weil die sofortige Beschwerde mit ihrem Hauptantrag begründet ist.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 1, 3 FamGKG, 127 Abs. 4 ZPO.