OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 28.11.2002 - 10 B 1618/02
Fundstelle
openJur 2011, 17511
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • vorher: Az. 9 L 1888/02
Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kos-ten der Beigeladenen.

Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 5.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet.

Aus den in der Beschwerdeschrift dargelegten Gründen, die der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO allein zu prüfen hat, ergibt sich nicht, dass die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung zur Errichtung eines Altenpflegeheimes mit 70 Pflegeplätzen auf dem Grundstück Gemarkung I. , Flur 14, Flurstück 1042, gegen öffentlichrechtliche Vorschriften verstößt, die auch dem Schutz des Antragstellers zu dienen bestimmt sind.

Der Antragsteller hat sich in der Beschwerdeschrift zur Begründung seines Abwehrrechts ausschließlich darauf gestützt, dass das umstrittene Vorhaben auf dem dafür vorgesehenen Grundstück seiner Art nach bauplanungsrechtlich unzulässig sei. Ob diese Ansicht zutrifft, spielt jedoch - wie das Verwaltungsgericht bereits ausgeführt hat - für die Entscheidung in diesem Verfahren letztlich keine Rolle. Das Baugrundstück liegt im Geltungsbereich des Bebauungsplans Nr. 303 der Stadt N. bach, von dessen Wirksamkeit der Senat im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes ausgeht. Der Bebauungsplan setzt die Fläche des Baugrundstücks als Fläche für den Gemeinbedarf mit der Zweckbestimmung "Kirche" fest. Diese Festsetzung dient nicht dem Schutz des Antragstellers. Deshalb verletzt eine Baugenehmigung für ein Vorhaben, welches mit der Festsetzung "Fläche für den Gemeinbedarf - Kirche" unvereinbar ist, den Antragsteller nicht in seinen Rechten. Insbesondere ist der von ihm geltend gemachte Anspruch auf Wahrung des Gebietscharakters, den die Rechtsprechung im Geltungsbereich von Bebauungsplänen und innerhalb von faktischen Baugebieten im Sinne der Baunutzungsverordnung zu Gunsten des Nachbarn anerkennt, hier nicht zu bejahen. Der so genannte Gebietsgewährleistungsanspruch besagt, dass ein Nachbar sich unabhängig von irgendwelchen tatsächlichen Betroffenheiten gegen Bauvorhaben zur Wehr setzen kann, die den Baugebietsfestsetzungen beziehungsweise dem Charakter des vorhandenen faktischen Baugebiets widersprechen.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 16. September 1993 - 4 C 28.91 -, BRS 55 Nr. 110, Urteil vom 23. August 1996 - 4 C 13.94 -, BRS 58 Nr. 159, Beschluss vom 11. April 1996 - 4 B 51.96 -, BRS 58 Nr. 82, und Beschluss vom 2. Februar 2000 - 4 B 87.99 -, BRS 63 Nr. 190.

Allerdings greift der so beschriebene Gebietsgewährleistungsanspruch nur innerhalb desselben Baugebiets. Ein gebietsübergreifender Schutz des Nachbarn vor gebietsfremden Nutzungen im benachbarten Baugebiet - unabhängig von konkreten Beeinträchtigungen - besteht nicht. Das wechselseitige Austauschverhältnis, auf dem der Gebietsgewährleistungsanspruch letztlich beruht, beschränkt sich auf die Eigentümer der in demselben Baugebiet gelegenen Grundstücke. Grundstücke, für die innerhalb eines Bebauungsplangebiets unterschiedliche Nutzungsarten festgelegt sind, liegen nicht innerhalb eines Baugebietes, sondern in unterschiedlichen Baugebieten.

Vgl. VGH BW, Beschluss vom 23. August 1996 - 10 S 1492/96 -, BRS 58 Nr. 160, sowie BayVGH, Beschluss vom 25. August 1997 - 2 ZB 97.00681 -, BRS 59 Nr. 66.

Nach allem kann der Antragsteller seinen Angriff gegen die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung nicht auf einen Gebietsgewährleistungsanspruch stützen, denn das Baugrundstück liegt außerhalb des durch Bebauungsplan festgesetzten allgemeinen Wohngebiets, innerhalb dessen sich sein Grundstück befindet.

Dafür, dass ihm die Festsetzung "Fläche für den Gemeinbedarf - Kirche" Nachbarschutz vermittelt, weil der Plangeber die Festsetzung auch zum Schutze Dritter getroffen hat, hat der Antragsteller nichts vorgetragen.

Vermittelt die Festsetzung "Fläche für den Gemeinbedarf - Kirche" nach dem Beschwerdevorbringen mithin keinen Drittschutz zu Gunsten des Antragstellers, könnte er das Vorhaben der Beigeladenen - auch wenn es mit dieser Festsetzung unvereinbar sein sollte - nur dann verhindern, wenn es sich ihm gegenüber als rücksichtslos erweisen würde. Dazu hat er nichts Substantiiertes vorgetragen. In der Beschwerdeschrift hat er ausgeführt, ein Altenpflegeheim, wie es die Beigeladene errichten wolle und das in Wahrheit nichts anderes als ein Krankenhaus sei, gehöre nicht zu den Wohngebäuden, die ganz oder teilweise der Betreuung und Pflege ihrer Bewohner dienten. Pflegeheime, die nach Sinn und Zweck einem Langzeitkrankenhaus gleichkämen, seien in einem reinen Wohngebiet auch nicht ausnahmsweise zulässig. Dass in einem allgemeinen Wohngebiet auch Anlagen für soziale Zwecke allgemein zulässig seien, spiele für die Frage der Rücksichtslosigkeit des umstrittenen Vorhabens keine Rolle. Auf dem Baugrundstück dürften nur eine Kirche oder kirchlichen Zwecken dienende Einrichtungen errichtet werden. Eine Vorbelastung seines eigenen Grundstücks könne nur durch die konkreten Festsetzungen des Bebauungsplans bewirkt werden, nicht aber durch die Annahme der Festsetzung eines allgemeinen Wohngebiets für das Baugrundstück. In der ergänzenden Beschwerdebegründung, die zudem erst nach Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist bei Gericht eingegangen ist, heißt es lediglich: "Das Vorhaben der Beigeladenen ist mit einer Kirche hinsichtlich des Störungsgrades überhaupt nicht vergleichbar. Das ergibt sich schon aus der Häufigkeit der Benutzung und dem gesamten Geschäftsbetrieb, der in einem solchen Vorhaben, wie es die Beigeladene durchführen will, stattfindet." Aus diesen Ausführungen wird für den Senat nicht erkennbar, welche unzumutbaren Störungen durch den Geschäftsbetrieb des Altenpflegeheims der Antragsteller erwartet und als rücksichtslos geltend machen will, sodass eine Prüfung ihrer rechtlichen Relevanz nicht möglich ist.

Soweit der Antragsteller zur Begründung der Beschwerde im Übrigen auf seinen gesamten Vortrag in der ersten Instanz verwiesen hat, genügt dies nicht den Anforderungen des § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO, wonach in der Begründung die Gründe darzulegen sind, aus denen die erstinstanzliche Entscheidung abgeändert oder aufgehoben werden soll.

Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 20 Abs. 3, 13 Abs. 1 Satz 1 GKG.