VG Cottbus, Beschluss vom 10.06.2016 - 4 L 248/16
Fundstelle
openJur 2016, 8097
  • Rkr:

Die Neuwahl eines Bürgermeisters kann nicht mit der Begründung vorläufig unterbunden werden, der Posten des Bürgermeisters sei solange frei zu halten, bis über den Wahleinspruch des abgewählten Bürgermeister gegen die Abwahl rechtskräftig entschieden ist.

Im Falle des Obsiegens im Klageverfahren über den Wahleinspruch hätte nämlich die Feststellung der Ungültigkeit der Abwahl für den Antragsteller ipso iure zur Folge, dass er mit der gerichtlichen Entscheidung die Rechtsstellung des hauptamtlichen Bürgermeisters nicht nach § 82 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 BbgKWahlG auf Dauer verloren, sondern noch inne hätte. Gerade dies entspricht auch dem Ziel des Rechtsschutzbegehrens, mit welchem der Antragsteller gerade einen (vermeintlichen) Amtserhaltungsanspruch sichern will. Es fehlt insoweit die besondere Eilbedürftigkeit (Anordnungsgrund) für eine einstweilige Unterbindung der Neuwahl.

Tenor

Der Antrag wird abgelehnt.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert wird auf 5.000,- Euro festgesetzt.

Gründe

Der Antrag, mit welchem der Antragsteller begehrt,

den Antragsgegnern vorläufig zu untersagen, bis zur Rechtskraft einer Entscheidung über die Klage des Antragstellers hinsichtlich des Wahleinspruchs des Antragstellers gegen seine Abwahl vom 07. Februar 2016 (VG 4 K 563/16) längstens jedoch bis zum regulären Ende der Amtszeit des Antragstellers eine Neuwahl des hauptamtlichen Bürgermeisters der Stadt …….. durchzuführen,

hat keinen Erfolg.

Ungeachtet dessen, ob das Begehren eines Antragstellers auf den Erlass einer sog. Sicherungsanordnung nach § 123 Absatz 1 Satz 1 VwGO (wenn es ihm um die vorläufige Sicherung einer vorhandenen Rechtsposition bzw. eines Rechts geht) oder aber auf den Erlass einer sog. Regelungsanordnung nach § 123 Absatz 1 Satz 2 VwGO (wenn es ihm um die vorläufige Einräumung oder Erweiterung einer Rechtsposition bzw. eines Rechts geht) gerichtet ist, hat der Antragsteller in jedem Fall die besondere Dringlichkeit der Anordnung (Anordnungsgrund) und das Bestehen des zu sichernden materiellen Anspruchs (Anordnungsanspruch) glaubhaft zu machen, vgl. § 123 Absatz 3 VwGO i.V.m. § 920 Absatz 2, § 294 der Zivilprozessordnung (ZPO). Nur wenn das Vorliegen von Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch dargetan und glaubhaft gemacht worden ist, kann eine einstweilige Anordnung ergehen. Fehlt es an der Darlegung und Glaubhaftmachung einer der beiden genannten Voraussetzungen, ist der Antrag abzulehnen, und zwar ohne dass Anlass bestünde, der Frage weiter nachzugehen, ob das Vorliegen der anderen Voraussetzung dargelegt und glaubhaft gemacht worden ist.

Hiervon ausgehend hat der Antrag keinen Erfolg. Offen bleiben kann, ob dem Antrag nicht bereits wegen des ungewissen Ausgangs der für den 19. Juni 2016 vorgesehenen Neuwahl des Bürgermeister der Anordnungsgrund fehlt. Denn angesichts dessen, dass vorliegend nicht einmal feststeht, ob von den Bewerbern für das Amt des Bürgermeisters, zu der ausweislich der Bekanntmachung des Antragsgegners zu 2. im Amtsblatt für die Stadt …….. vom 18. Mai 2016 insgesamt 6 Bewerber zugelassen worden sind, ein Bewerber die erforderliche Mehrheit (vgl. § 72 Abs. 2 des Gesetzes über die Kommunalwahlen im Land Brandenburg -Brandenburgisches Kommunalwahlgesetz [BbgKWahlG]-) auf sich vereinen kann und nicht noch eine weitere Wahl in Form einer Stichwahl durchzuführen sein wird, erscheint die Dringlichkeit der Anordnung unter diesem Blickwinkel durchaus zweifelhaft. In diesem Fall droht nämlich durch die Wahl am 19. Juni 2016 noch nicht der vom Antragsteller befürchtete Umstand, dass ein anderer Bewerber das bis zur Abwahl des Antragstellers inne gehabte Amt des Bürgermeisters übernehmen könnte. Dies mag im Ergebnis ebenso offen bleiben wie die Frage, ob der Antrag gegen den richtigen Antragsgegner gerichtet ist.

Dem Antrag ermangelt es jedenfalls und auch für den Fall, dass ein Bewerber bei der Neuwahl am 19. Juni 2016 gewählt werden sollte, aus den folgenden Erwägungen an der besonderen Dringlichkeit. Denn dem Antragsteller drohen durch die bevorstehende Neuwahl und anschließende Übernahme des Amtes durch den neu gewählten Bürgermeister keine Nachteile, die den Erlass einer einstweiligen Anordnung rechtfertigen könnten. Namentlich wird hierdurch nicht die Durchsetzung des im Wahlprüfungsverfahren und im Klageverfahren VG 4 K 563/16 verfolgten Begehrens des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert, denn die dort zu beantwortende Frage, ob die Abwahl des Antragstellers durch den Bürgerentscheid vom 07. Februar 2016 für ungültig zu erklären ist, beantwortet sich unabhängig davon, ob für die Stadt Mittenwalde bereits einen neuer Bürgermeister als Beamter auf Zeit gewählt worden ist und dieser mit der Annahme der Wahl das Amt übernommen hat.

Im Falle des Obsiegens im Klageverfahren VG 4 K 563/16 hätte nämlich die Feststellung der Ungültigkeit der Abwahl für den Antragsteller ipso iure zur Folge, dass er mit der gerichtlichen Entscheidung die Rechtsstellung des hauptamtlichen Bürgermeisters nicht nach § 82 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 BbgKWahlG auf Dauer verloren, sondern noch inne hätte. Gerade dies entspricht im Übrigen auch dem Ziel des Rechtsschutzbegehrens, mit welchem der Antragsteller gerade einen (vermeintlichen) Amtserhaltungsanspruch sichern will.

Der durch eine Neuwahl und die nachfolgende Begründung des Beamtenverhältnisses auf Zeit mit der Annahme der Wahl (§ 74 Abs. 1 Sätze 3 und 4 BbgKWahlG) durch den neu gewählten Bürgermeister -einer Ernennung bedarf es insoweit nicht mehr; vgl. § 123 Abs. 3 Satz 1 Landesbeamtengesetz- erlangte Rechtsstatus des jeweils bei der Neuwahl gewählten Bewerbers, würden es auch nicht ausschließen, dem Antragsteller sein bisher innegehabtes Amt - im Falle der erfolgreichen Wahlprüfung - zu gewährleisten. Insofern unterscheidet sich der hiesige Fall nicht von jenen Fällen, in denen einem Beamten aufgrund eines zunächst als wirksam erkannten Verwaltungsaktes seine Rechtsposition entzogen worden ist und später nach erfolgreicher Überprüfung festgestellt wird, dass ihm sein Amt noch zustand bzw. zusteht. Die sich in solchen Fällen ergebenden Schwierigkeiten, die bei singulären Ämtern - wie dem eines Bürgermeisters - komplex und vielleicht nicht völlig befriedigend zu lösen sind, hat der Dienstherr im Rahmen der dienstrechtlichen Vorschriften zu bewältigen.

Der Grundsatz der Ämterstabilität kann hinsichtlich des Fortbestehens des Amtes jedenfalls nicht dem Beamten entgegengehalten werden, der bereits in das Amt berufen worden ist, vielmehr allenfalls demjenigen, der später - vielleicht zu Unrecht - in das Amt ernannt worden ist. Insofern könnte sich - die hier allerdings nicht zu beantwortende - Frage stellen, ob die Begründung eines Beamtenverhältnisses auf Zeit in Bezug auf den neuen Bürgermeister ggf. - nach erfolgreicher (gerichtlicher) Wahlprüfung - gemäß § 82 Abs. 6 BbgKWahlG nichtig sein könnte. Gegebenenfalls könnte – was nicht abschließend beantwortet werden muss – die Neuwahl auch mit der Begründung angegriffen werden, deren Voraussetzungen lägen nicht vor, so dass der Antragsteller im Falle eines Obsiegens in einem weiterem Verfahren der Wahlanfechtung die Folge des § 82 Abs. 6 BbgKWahlG aktiv herbeiführen könnte. Soweit der Antragsteller auf die Entscheidung des VG Meiningen (Beschluss vom 16. Dezember 2008 -1 E 613/08-, juris) verweist, so übersieht er, dass diese Entscheidung in einem -vorliegend nicht bestehenden- Verhältnis zwischen zwei Mitbewerbern um ein kommunales Wahlamt ergangen ist.

Dieses Ergebnis entspricht letztlich auch den gesetzlichen Regelungen, welche die sofortige Vollziehung der Abberufung vorsehen. Aus dem Gesamtzusammenhang der Regelungen über den Verlust der kommunalrechtlichen Rechtsstellung eines hauptamtlichen Bürgermeisters unmittelbar kraft Gesetzes (§ 82 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 BbgKWahlG), über den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung der Wahlanfechtung gemäß § 55 Abs. 5 BbgKWahlG, über die Gültigkeit der Amtshandlungen trotz Anfechtung gemäß § 80 Abs. 3 BbgKWahlG und schließlich - korrespondierend - über die Nichtigkeit einer Ernennung im Falle der Feststellung der Ungültigkeit der Wahl gemäß § 82 Abs. 6 BbgKWahlG ergibt sich zwingend, dass die dem Mehrheitswillen der Gemeindebürger entsprechende Entscheidung über die Abberufung und dann folgende Neuwahl des hauptamtlichen Bürgermeisters (vgl. § 74 Abs. 2 BbgKWahlG) ungeachtet einer Wahlanfechtung sofort umgesetzt werden soll (vgl. zum Ganzen: OVG für das Land Brandenburg, Beschluss vom 20. September 1996 -1 B 139/96-, juris und VG Potsdam, Beschluss vom 29. Januar 2002 -2 L 1135/01-, juris).

Im Übrigen kann der Antragsteller vorliegend auch nicht mit den Einwendungen gehört werden, mit welchen er die Ungültigkeit seiner am 07. Februar 2016 erfolgten Abwahl und seinen Wahleinspruch begründen will. Nach § 55 Abs. 5 BbgKWahlG hat der Wahleinspruch keine aufschiebende Wirkung mit der Folge, dass ein inzidente Prüfung der Erfolgsaussichten des Wahleinspruchs des Antragstellers gegen seine Abwahl vom 07. Februar 2016 zu unterbleiben hat und die Feststellung, dass der Antragsteller abgewählt ist, solange verbindlich bleibt, bis über den Wahleinspruch im gerichtlichen Klageverfahren VG 4 K 563/16 rechtskräftig entschieden ist.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 53 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. § 52 Abs. 1 und 2 Gerichtskostengesetz. Dabei hat die Kammer den Regelstreitwert zugrunde gelegt, da es vorliegend nicht um die Begründung oder Beendigung eines besoldeten Beamtenverhältnisses geht, sondern um die Verhinderung der Durchführung einer kommunalen Wahl. Angesichts dessen, dass der Antragsteller die Verhinderung für seine gesamte reguläre Amtszeit begehrt hat, ist eine Reduzierung dieses Betrages mit Blick auf die Vorläufigkeit der erstrebten Sicherung indes nicht angezeigt.