KG, Beschluss vom 03.02.2016 - 3 WF 8/16
Fundstelle
openJur 2016, 8065
  • Rkr:
Tenor

1. Auf die Beschwerde des Jugendamtes ... von Berlin (Amtsvormundschaft) werden der Beschluss des Amtsgerichts Tempelhof-Kreuzberg (Familiengericht) vom 21. Dezember 2015 und das zugrundeliegende Verfahren aufgehoben und die Sache an das Amtsgericht zurückverwiesen.

2. Von der Erhebung von Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren wird abgesehen.

Gründe

I.

Die am ... 1999 geborene und die syrische Staatsangehörigkeit besitzende Jugendliche reiste mit ihrer Schwester ... in die Bundesrepublik Deutschland ein. Die Jugendliche gab an, dass ihre Eltern verstorben seien.

Das Amtsgericht Tempelhof-Kreuzberg (Familiengericht/Richterin) hat mit Beschluss vom 11. Dezember 2015 unter dem Aktenzeichen 130 F 19978/15 im Wege der vorläufigen Anordnung für die Jugendliche Vormundschaft angeordnet.

Mit Beschluss vom 21. Dezember 2015 hat das Amtsgericht Tempelhof-Kreuzberg (Rechtspflegerin) ohne Anhörung der Beteiligten und des am Verfahren mitwirkenden Jugendamtes in einem Hauptverfahren das Bezirksamt ... von Berlin - Jugendamt - als Vormund für die Jugendliche ausgewählt und bestellt.

Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Schwester zwar zur Übernahme der Vormundschaft bereit sei, jedoch nicht die notwendige Eignung aufweise. Die Schwester sei ebenfalls erst relativ kurz in Deutschland aufhältlich und verfüge nicht über eine ausreichende Sprachkompetenz. Sie sei auch nicht mit dem hiesigen Rechtssystem vertraut.

Das Bezirksamt... von Berlin - Jugendamt - (Amtsvormundschaft) hat mit am 30. Dezember 2015 bei dem Amtsgericht Tempelhof-Kreuzberg eingegangenem Schriftsatz Beschwerde eingelegt und ausgeführt, dass das Jugendamt im vorliegenden Fall als Vormund ungeeignet sei. Es sei vielmehr die Schwester, hilfsweise die ... als Vormund zu bestellen. Es werde die Aufhebung des erstinstanzlichen Beschlusses beantragt.

II.

Die in der gesetzlichen Form und Frist gemäß den §§ 58 ff. eingelegte Beschwerde des Jugendamts ... von Berlin (Amtsvormundschaft) ist zulässig, insbesondere ist das Beschwerde führende Jugendamt beschwerdeberechtigt, § 59 Abs. 1 FamFG (BGH, Beschluss vom 23. November 2011 - XII ZB 293/11 -, juris).

Die Beschwerde des Jugendamtes ... (Amtsvormundschaft) ist auch insoweit begründet, als der erstinstanzliche Beschluss aufzuheben und die Sache auf den entsprechend auszulegenden Antrag des Jugendamtes zur erneuten Entscheidung und Behandlung an das Amtsgericht zurückzuverweisen ist (§ 69 Abs. 1 Satz 1 und 2 FamFG), weil dieses das örtlich zuständige Jugendamt (RSD) gemäß § 162 Abs. 1 Satz 1 FamFG nicht angehört hat. Auch hat es die gemäß § 159 Abs. 1 Satz 1 FamFG zwingend vorgesehene Anhörung der Jugendlichen nicht vorgenommen und das in eigenen Rechten betroffene Jugendamt nicht angehört.

Gemäß § 26 FamFG von Amts wegen durchzuführende Ermittlungen für die Bestellung eines geeigneten Vormunds hat das Amtsgericht ebenfalls rechtsfehlerhaft nicht vorgenommen.

Nach § 1773 BGB erhält ein Minderjähriger einen Vormund, wenn er nicht unter elterlicher Sorge steht. Grundsätzlich ist die Person zum Vormund zu bestellen, die von den Eltern benannt worden ist, § 1776 BGB. Dazu sind sowohl die Jugendliche als auch ihre Schwester anzuhören. Ist eine solche Benennung durch die Eltern nicht feststellbar, so hat das Familiengericht nach Anhörung des Jugendamtes den Vormund auszuwählen, § 1779 Abs. 1 BGB.

Dabei ist auf der Grundlage des bisherigen Ermittlungsstandes zunächst davon auszugehen, dass es sich bei der Jugendlichen angesichts der verstorbenen Eltern und bisher nicht feststellbarer Bevollmächtigung der Schwester durch die Eltern um einen unbegleiteten minderjährigen Flüchtling handelt, der von der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft -Landesjugendamt- in Obhut zu nehmen ist und für den die Bestellung des Jugendamts ... als Vormund in Betracht zu ziehen ist.

Bei längerdauernden Ermittlungen und noch durchzuführenden Anhörungen kann gemäß § 49 FamFG eine einstweilige Anordnung zur Sicherung der Sorgeausübung erlassen werden, sofern hierfür ein dringendes Regelungsbedürfnis besteht. Dabei kann eine vorläufige Bestellung eines Vormunds angeordnet werden. Zu berücksichtigen ist allerdings, dass gemäß § 42 a Abs. 3 Satz 1 SGB VIII das Jugendamt während der vorläufigen Inobhutnahme berechtigt und verpflichtet ist, alle Rechtshandlungen vorzunehmen, die zum Wohl der Jugendlichen erforderlich sind. Insoweit ist zu ermitteln, ob die Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft -Landesjugendamt- die Jugendliche inzwischen auf die Benachrichtigung durch den Senat vorläufig in Obhut genommen hat.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 Abs. 1 Satz 2 FamFG; außergerichtliche Kosten sind nicht entstanden.

Eine Entscheidung über die Wertfestsetzung ist angesichts des Absehens von der Erhebung von Gerichtskosten nicht veranlasst.

Prof. Dr. Ernst          Theising-Michel          Balschun

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