KG, Beschluss vom 08.10.2015 - 25 WF 109/15
Fundstelle
openJur 2016, 8064
  • Rkr:
Tenor

Die sofortige Beschwerde des Vaters gegen den Beschluss des Amtsgerichts Schöneberg vom 3. August 2015 - 80 F 177/14 - wird auf seine Kosten bei einem Wert von 3.000,00 EUR zurückgewiesen.

Gründe

I.

Die Eltern streiten seit Jahren in mehreren gerichtlichen Verfahren über den Umgang des Vaters mit den beiden gemeinsamen, mittlerweile fast 14 Jahre alten Kindern J... und M... . Mit Beschluss vom 23. Juni 2011 hatte das Amtsgericht Schöneberg einen alle drei Wochen stattfindenden Umgang der Kinder beim Vater in S... festgelegt. Im vorliegenden Verfahren begehrt die Mutter die Abänderung dieses Beschlusses dahingehend, dass der Umgang zukünftig in Berlin stattfinden soll, da dies die Kinder wünschten und sie sich weigerten, alle 3 Wochen zum Wohnort des Vaters zu fliegen. Das Familiengericht hat die Einholung eines psychologischen Gutachtens der Sachverständigen Dipl. Psych. J... W... zu der Frage angeordnet, welche Umgangsregelung im Interesse der Kinder künftig angezeigt erscheine. Das Gutachten vom 15. April 2015 (Bl.102 ff d.A.), auf das wegen der näheren Einzelheiten Bezug genommen wird, ist am 9. Juni 2015 an den Vater zur Stellungnahme binnen 3 Wochen abgesandt worden. Am 2. Juli 2015 hat der Vater die Sachverständige wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt.

Zur Begründung seines Ablehnungsgesuchs hat der Vater ausgeführt, die Sachverständige habe erhebliche Vorkommnisse in der Vergangenheit nicht durchleuchtet bzw. nicht erwähnt. Dies beträfe sowohl ein bindungsintolerantes Verhalten der Mutter als auch problemlose Verläufe der Umgänge und positive Äußerungen der Kinder hierzu. Sie habe durch ein selektives Auswählen von Informationspersonen die eigentliche Problematik (Bindungsintoleranz der Mutter) ausgeklammert und sich darauf beschränkt, ihm zu unterstellen, er würde die Probleme mit der Mutter auf den Umgang und damit auf die Kinder übertragen. Sie habe das Agieren der erst seit Oktober 2014 zuständigen Jugendamtsmitarbeiterin R...-S... nicht kritisch hinterfragt und die seit langen Jahren mit dem Verfahren befasste Verfahrensbeiständin ignoriert. Entgegen dem Gutachtenauftrag habe sie es unterlassen, die Eltern an ihren jeweiligen Wohnorten zu besuchen und deren Partner zu kontaktieren, etwa um negative Äußerungen der Kinder über ihn zu überprüfen. Auch habe sie es unterlassen, auf ein Einvernehmen zwischen den Beteiligten hinzuwirken, sondern 1 zu 1 die Anträge der Mutter übernommen und eine verfassungswidrige Empfehlung ausgesprochen. Ihre Beschreibung der Kindesmutter klammere aus, dass diese in erheblichem Umfange mit fadenscheinigen Begründungen Umgänge abgesagt habe, wodurch ihm ein hoher materieller Schaden entstanden sei. Dies lasse erkennen, dass sie größtes Verständnis für die Mutter habe und ihr eine neutrale und sachliche Bewertung nicht möglich sei. Sie vermittle der Mutter, alles richtig gemacht zu haben und bestärke sie darin, weiter gegen jeglichen Umgang anzukämpfen. Ihn sehe sie als “die Problemfigur” des Umgangsverfahrens an, versuche krampfhaft, ein negatives Bild von ihm zu zeichnen, und blende seine Angaben größtenteils aus. Die Schlussfolgerungen der Sachverständigen zur Wunsch- und Willenshaltung der Kinder seien widersprüchlich. Zudem lasse sie offen, wie die mangelnde Bindungstoleranz der Mutter angegangen werden könne.

Das Amtsgericht hat den Befangenheitsantrag mit Beschluss vom 3. August 2015 (Bl. 182 d.A.), auf den wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, zurückgewiesen. Gegen diesen ihm am 10. August 2015 zugestellten Beschluss hat der Vater am 18. August 2015 Beschwerde eingelegt. Zur Begründung verweist er auf seine Ausführungen in seinem Befangenheitsgesuch und beanstandet, dass das Amtsgericht in der angefochtenen Entscheidung auf wesentliche darin angesprochene Fragen nicht eingegangen sei. Im Übrigen schildert er neue Vorfälle, die seiner Ansicht nach belegten, dass die Kinder keine Chance hatten, ihre eigene Meinung herauszubilden. Eine Autonomie des Kindeswillens habe auch die Sachverständige nicht herausgearbeitet.

II.

Die nach §§ 30 Abs. 1 FamFG, 406 Abs. 5, 567 ff ZPO zulässige Beschwerde ist unbegründet.

1. Das gegen die Sachverständige W... gerichtete Ablehnungsgesuch war gemäß §§ 30 Abs. 1 FamFG, 406 Abs. 2 ZPO zwar zulässig, denn der Vater entnimmt die geltend gemachten Ablehnungsgründe dem ihm übersandten Gutachten vom 15. April 2015. Die Ablehnungsgründe sind in diesem Falle nicht binnen einer kalendermäßigen Frist, sondern grundsätzlich unverzüglich i.S.d. § 121 Abs. 1 Nr. 1 BGB nach Kenntnis des Gutachtens geltend zu machen. Das bedeutet, dass der Ablehnungsantrag ohne schuldhaftes Zögern, das heißt innerhalb einer den Umständen des Einzelfalls angepassten Prüfungs- und Überlegungsfrist anzubringen ist. Geschieht dies innerhalb der zur Stellungnahme nach § 411 Abs. 4 ZPO gesetzten Frist, ist das Ablehnungsgesuch zumindest dann nicht nach § 406 Abs. 2 Satz 2 ZPO verspätet, wenn sich die Besorgnis der Befangenheit erst aus einer inhaltlichen Auseinandersetzung mit dem schriftlichen Gutachten ergibt (BGH NJW 2005,1869). So liegen die Dinge hier. Der Vater leitet seine Ablehnungsgründe ausschließlich aus Darstellungen und Auslassungen des schriftlichen Gutachtens ab, die eine nähere Beschäftigung hiermit erforderten. Analog § 15 Abs. 2 S.2 ZPO ist davon auszugehen, dass ihm das Gutachten 3 Tage nach seiner Aufgabe zur Post bekannt geworden ist, so dass der Befangenheitsantrag noch innerhalb der ihm zur Stellungnahme gesetzten 3-Wochen-Frist erfolgte.

2. Der Antrag ist jedoch unbegründet.

Eine Besorgnis der Befangenheit ist gerechtfertigt, wenn bei der ablehnenden Partei der Anschein einer Parteilichkeit geweckt wird. Dieser Anschein muss sich auf Tatsachen oder Umstände gründen, die vom Standpunkt des Ablehnenden aus bei vernünftiger Betrachtung die Befürchtung wecken können, der Sachverständige stehe der Sache nicht unvoreingenommen und damit nicht unparteiisch gegenüber (BGH IBR 2009, 53); rein subjektive, unvernünftige oder eingebildete Vorstellungen des Ablehnenden scheiden aus (BVerfG NJW 1993, 2230; BGH NJW-RR 2003, 1220).

8Vorliegend wird der Antrag im Wesentlichen auf Umstände gestützt, die ihre Ursache in einer Auseinandersetzung mit dem sachlichen Inhalt des schriftlichen Gutachtens der gerichtlich bestellten Sachverständigen haben. Mangel an Sachkunde, Unzulänglichkeiten oder Fehlerhaftigkeit mögen ein Gutachten entwerten, rechtfertigen für sich allein aber nicht die Ablehnung eines Sachverständigen wegen Befangenheit (vgl. BGH FF 2003, Sonderheft 1, 101). Das gilt etwa für den Vorwurf, die Sachverständige habe vergangene, von der Mutter zu verantwortende Vorkommnisse unzureichend erfasst, Gespräche mit wichtigen Informationspersonen wie etwa den Lebensgefährten der Eltern oder der Verfahrensbeiständin unterlassen, positive Äußerungen der Kinder zum Umgang mit ihm ignoriert, ihn an seinem Wohnort nicht aufgesucht, und sei deshalb von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen. Damit erhebt der Vater den Vorwurf einer fehlerhaften Gutachtenserstattung aufgrund mangelnder Sorgfalt. Dieser Vorwurf begründet aber regelmäßig nicht die Besorgnis der Befangenheit, weil er nicht die Unparteilichkeit der Sachverständigen betrifft (BGH NJW 2005,1869).

Etwas anderes könnte allenfalls dann angenommen werden, wenn der Sachverständigen eine bewusst selektive Auswahl die Mutter entlastender und den Vater belastender Fakten anzulasten wäre. Dafür sieht der Senat jedoch keine Anhaltspunkte. Die Sachverständige übergeht weder in früheren Gerichtsverfahren erfolgte, kritische Feststellungen zur Bindungstoleranz der Mutter, die sie selbst auf Seite 51 f ihres Gutachtens als eingeschränkt bezeichnet. Wie der Vater vor diesem Hintergrund zu der Annahme gelangt, der Mutter werde der Eindruck vermittelt, alles richtig gemacht zu haben, und sie solle weiter gegen jeglichen Umgang ankämpfen, ist unerfindlich. Noch wird der Vater von der Sachverständigen als “die”, d.h. die wesentliche “Problemfigur” bezeichnet oder dargestellt. Die Ausführungen unter Ziffer 7 des Gutachtens lassen vielmehr klar erkennen, dass die Sachverständige beiden Eltern die Verantwortung für die fortgesetzten Konflikte über den Umgang der Kinder mit dem Vater zuweist und als Konsequenz hieraus feststellt, dass es den Kindern in der Vergangenheit kaum gegeben war, eine unbeschwerte Zeit mit dem Vater zu verbringen.

Soweit die Sachverständige aus der eingeschränkten mütterlichen Bindungstoleranz andere Rückschlüsse als der Vater für die Beachtlichkeit des Kindeswillens und dessen Bedeutung für die Umgangsgestaltung zieht, kann dies dem Befangenheitsantrag ebenfalls nicht zum Erfolg verhelfen. Selbst wenn diese sachverständige Bewertung fehlerhaft bzw. nicht überzeugend wäre, rechtfertigt dies keine Ablehnung der Sachverständigen wegen Besorgnis der Befangenheit, denn diese ist - wie ausgeführt - gerade kein Mittel zur Fehlerkontrolle (BGH MDR 2011, 1373; OLG München Rpfleger 1980, 303; OLG Nürnberg MDR 2002, 291; OLG Naumburg OLGR 2007, 376). Davon abgesehen, hat die Sachverständige nicht einfach 1 zu 1 die Anträge der Mutter übernommen, sondern ihre Empfehlung wesentlich auf die entsprechenden Wünsche und Bedürfnisse der Kinder gestützt. Verhaltensempfehlungen an die Mutter waren von der Sachverständigen nicht erfragt, sie ergeben sich aber indirekt aus der sehr wohl geäußerten Kritik am früheren Verhalten der Mutter.

Letztlich gibt das Verfahrensrecht in den §§ 411, 412 ZPO dem Gericht und den Beteiligten ausreichende Mittel an die Hand, fehlerhafte Bewertungen, Sorgfaltswidrigkeiten und Unvollständigkeiten eines Gutachtens - so sie denn vorliegen - zu beseitigen und eine geeignete Grundlage für die gerichtliche Entscheidung zu schaffen (vgl. BGH NJW 2005, 1869). Die hierauf gestützte Ablehnung wegen der Besorgnis der Befangenheit ist nicht das geeignete Instrumentarium.

Das gilt auch soweit der Vater beanstandet, die Sachverständige habe nicht auf ein Einvernehmen der Beteiligten hingewirkt. Eine solche Unterlassung hat weder Einfluss auf die Empfehlung der Sachverständigen im Falle einer streitigen Umgangsregelung durch das Familiengericht, noch manifestiert sich hierin eine Voreingenommenheit gegenüber dem Vater.

Die Kostenentscheidung basiert auf § 84 FamFG. Der Beschwerdewert entspricht dem Wert der Hauptsache (vgl. etwa BGH NJW 2006, 2492).

KolbergRichterin am Kammergericht