AG Charlottenburg, Urteil vom 15.04.2016 - 209 C 86/15
Fundstelle
openJur 2016, 8052
  • Rkr:
Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.182,06 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 13.05.2015 sowie 5,00 € Mahnkosten zu zahlen.

2. Die Beklagte wird weiterhin verurteilt, die Klägerin von vorgerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 169,50 € gegenüber der Kanzlei ... freizustellen.

3. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Die Klägerin macht mit ihrer Klage einen Anspruch auf Zahlung von Mehrwertsteuer bezogen auf durch die Beklagte gezahlte stationäre Pflegekosten in einer Privatklinik geltend.

Der Klägerin wurde die geltend gemacht Forderung von ... ..., in Berlin abgetreten.

Zur Erbringung von Unterbringungs- und Pflegeleistungen schlossen die Beklagte und die Zedentin am 9. März 2015 einen sogenannten gespaltenen Krankenhausaufnahmevertrag ab. Des Weiteren erklärte sich die Beklagte mit Erklärung vom 9. März 2015 damit einverstanden, dass die sie betreffenden Daten der hiesigen Klägerin zum Zwecke der Forderungseintreibung zugänglich gemacht werden durften.

Gegenstand der zwischen der Zedentin und der Beklagten geschlossenen Vereinbarung vom 9.3.2015, welche als „Behandlungsvertrag“, bezeichnet wurde, war, dass die Zedentin die Beklagte stationär aufnimmt und pflegerisch betreut, damit diese dort belegärztliche Leistungen in Anspruch nehmen könne. In dem Vertrag wurde darauf hingewiesen, dass die Zedentin ihre Leistungen (alle Krankenhausleistungen mit Ausnahme der belegärztlichen Leistungen) nach tagesgleichen Pflegesätzen in Höhe von „565,58 € zuzüglich Mehrwertsteuer (19 %)“ abrechne. In dem Formular wurde überdies darauf hingewiesen, dass für den Fall, dass keine Kostenübernahmeerklärung eines Kostenträgers oder einer privaten Krankenkasse vorgelegt werde, der Patient ganz bzw. teilweise zur Zahlung des Entgeltes für die Klinikleistungen verpflichtet sei.

Im Zeitraum vom 9. März 2015 bis zum 20. März 2015 hielt sich die Beklagte zur Durchführung einer Operation an der Wirbelsäule in der Klinik der Zedentin auf. Mit „Liquidation“ vom 25. März 2015 stellte die Zedentin der Beklagten für diese pflegerischen Leistungen (11 Tage) entsprechend der Vereinbarung 565,58 € pro Tag, mithin insgesamt 6.221,38 € sowie 19 % Mehrwertsteuer 1.1082,06 €, mithin als Gesamtbetrag 7.403,44 € in Rechnung.

Die Zedentin bot die Liquidation der Klägerin im Rahmen eines bestehenden Factoring-Vertrages zum Kauf an und trat zugleich die Honorarforderung an die Klägerin ab, welche das Kaufangebot und die Abtretung annahm.

Auf diese ihr zugegangene Liquidation leistete die Beklagte lediglich eine Zahlung in Höhe von 6.221,38 €.

In der Folgezeit wurde die Beklagte zunächst mit Schreiben der Klägerin vom 5. Mai 2015, wobei insofern ein Zahlungsziel bis zum 12. Mai 2015 genannt wurde, zur Zahlung des Restbetrages in Höhe von 1.182,06 €, welcher der in der Liquidation ausgewiesenen Mehrwertsteuer entspricht, aufgefordert.

Mit weiteren Schreiben vom 19. Mai 2015 und 2. Juni 2016 wurde die Beklagte dann erneut zum Ausgleich des offenen Betrages aufgefordert, woraufhin eine Zahlung der Beklagten jedoch nicht erfolgte.

Im Anschluss beauftragte die Zedentin ihre jetzigen Prozessbevollmächtigten, welche mit rechtsanwaltlichem Forderungsschreiben vom 9. Juni 2015 die Beklagte nochmals zum Ausgleich der noch Forderung aufforderte.

Die Beklagte hatte zwischenzeitlich die „Liquidation“ der Zedentin ihrer Krankenversicherung, der ..., eingereicht, die unter Hinweis auf eine aus deren Sicht bestehende Umsatzsteuerbefreiung von Privatkliniken gegenüber der Beklagten die Kostenerstattung der Mehrwertsteuer verweigerten und dies auch durch entsprechende Schreiben an die Zedentin vom 4. Mai 2015 bzw. die Klägerin vom 15. April 2015 mitteilte.

Die Klägerin behauptet, dass die Umsatzsteuer hinsichtlich der Krankenhausunterbringungen bei der Zedentin vom zuständigen Finanzamt erhoben und von Seiten der Zedentin auch abgeführt werde. Dies entspreche auch der gesetzlichen Verpflichtung zur Entrichtung der Mehrwertsteuer gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 Umsatzsteuergesetz. Etwas anderes ergebe sich für die Zedentin auch nicht aus der Regelung nach Art. 132 der Europäischen Mehrwertsteuersystemrichtlinie, da die Zedentin jedenfalls nicht unter Bedingungen, welche mit Bedingungen von Einrichtungen des öffentlichen Rechts vergleichbar seien, behandele. Insbesondere würden nicht in größerem Umfang gesetzlich Versicherte bzw. beihilfeberechtigte Personen behandelt. Überdies sei die Ausstattung der von der Zedentin betriebenen Klinik nicht mit der Ausstattung von Plankrankenhäusern vergleichbar. Dies ergebe sich u. a. daraus, dass die Klinik mit höchstem Komfort ausgestattet sei und die Unterbringung in großen Teilen eher den Ansprüchen eines gehobenen Hotels entspreche. So verfügten die Zimmer beispielsweise über WLAN und Safe und seien erheblich größer als diejenigen eines Plankrankenhauses. Außerdem gebe es eine Patientenlounge.

Des Weiteren ist die Klägerin der Meinung, dass selbst für den Fall, dass die entsprechenden Voraussetzungen des Art. 132 der Mehrwertsteuersystemrichtlinie bestehen würden, sie sich jedenfalls nicht auf diese Vorschrift berufen habe und auch nicht müsse. Von daher ist sie der Ansicht, dass die Beklagte aus der vertraglichen Vereinbarung zwischen der Zedentin und ihr aus abgetretenem Recht gemäß § 398 BGB der Klägerin den Restbetrag der Liquidation, die hier streitige Mehrwertsteuer, schulde.

Die Klägerin beantragt daher,

a) die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 1.182,06 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 13. Mai 2015 zu zahlen,

b) die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 5,00 € Mahnkosten zu zahlen sowie

c) die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin von vorgerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 169,50 € gegenüber der Kanzlei ... freizustellen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie behauptet, dass die Zedentin als reine Privatklinik nicht der Umsatzsteuerpflicht unterliege.

Sie ist der Ansicht, dass die Beklagte daher nicht verpflichtet sein könne, die Mehrwertsteuer zu zahlen. Bei der Zedentin handele es sich nämlich um eine nach Art. 132 Abs. 1 der Europäischen Mehrwertsteuersystemrichtlinie von der Mehrwertsteuer befreite Privatklinik. Dies ergebe sich nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs daraus, dass die Zedentin mit einer in öffentlich rechtlicher Trägerschaft stehenden oder nach § 108 SGB V zugelassenen Einrichtung durchaus vergleichbar sei, da sie ebenfalls Gesetzlich Versicherte und auch in erheblichem Umfang Beihilfeberechtigte behandle. Auch entspreche ihre Ausstattung durchaus der Regelausstattung eines sogenannten Plankrankenhauses.

Dem stehe auch nicht die zwischen der Zedentin und der Beklagten getroffene Vereinbarung vom 9.3.2015 entgegen. Die Beklagte habe diese nämlich in irriger Annahme, dass die Zedentin der Mehrwertsteuer unterliege, unterschrieben. Insofern liege ein Irrtum vor, welcher dazu führe, dass der Vertrag gemäß § 313 BGB entsprechend anzupassen sei.

Des Weiteren ist die Beklagte der Auffassung, dass auch für den Fall, dass die Vereinbarung hinsichtlich der Mehrwertsteuerzahlung wirksam sei, der Beklagten jedenfalls ein Schadensersatzanspruch wegen unterlassener wirtschaftlicher Beratung gemäß § 630 c Abs. 3 BGB zustände, da sie seitens der Zedentin nicht auf mögliche Probleme bei der Abrechnung gegenüber ihrer privaten Krankenkasse hingewiesen worden sei.

Mit diesem Schadensersatzanspruch, der in Höhe der hier geltend gemachten Mehrwertsteuer bestehe, hat die Beklagte durch nachgelassenem Schriftsatz vom 21. März 2016 hilfsweise gegen die Klageforderung aufgerechnet.

Die Beklagte hat den Streit durch Schriftsatz vom 18. Februar 2016, zugestellt am 29. Februar 2016, der ... verkündet mit der Aufforderung, dem Rechtsstreit zur Unterstützung der Beklagten beizutreten, was jedoch nicht erfolgt ist.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen verwiesen.

Gründe

Die Klage ist zulässig und in vollem Umfange begründet.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte aus dem Vertrag vom 9. März 2015 mit der Zedentin einen Anspruch gemäß § 611 Abs. 1 i.V.m. § 398 BGB auf Zahlung der vollständigen dort vereinbarten Liquidation, mithin auch der hier mit der Klage geltend gemachten Mehrwertsteuer in Höhe des aus dem Tenor ersichtlichen Betrages.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Umstand, dass die Zedentin als Privatklinik möglicherweise unter Berufung auf Art. 132 der Europäischen Mehrwertsteuersystemrichtlinie ihre Verpflichtung zur Abführung der Umsatzsteuer auf die für von ihr erbrachte Krankenhausleistungen eingenommenen Beträge angreifen könnte. Denn grundsätzlich ist die Zedentin gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 des deutschen Umsatzsteuergesetz steuerpflichtig, zumal der nationale Befreiungstatbestand gemäß § 4 Nr. 14 b. Umsatzsteuergesetz bei der Zedentin, da es sich um eine Privatklinik handelt und die dort genannten Voraussetzungen unstreitig nicht vorliegen, nicht einschlägig ist. Nach der von der Beklagten vorgetragenen Rechtsprechung zum Verhältnis der Europarechtlichen Mehrwertsteuersystemrichtlinie zum deutschen Umsatzsteuerrecht käme für die Zedentin zwar möglicherweise eine Befreiung von der Umsatzsteuer in Betracht. Allerdings ist insofern bereits unsicher, ob die vom Bundesfinanzhof entwickelten Voraussetzungen (vgl. Urteil des BFH vom 23.10.2014 - VR 20/14) überhaupt vorliegen, was die Klägerin bestreitet und wofür jedenfalls im Hinblick auf die vom Bundesfinanzhof genannten Maßstäbe für eine Vergleichbarkeit in sozialer Hinsicht angesichts der aus dem auch von der Beklagten eingereichten Internetauftritt ersichtlichen eher gehobenen Ausstattung der Klinik, welcher eher einem Hotel als einem öffentlichen Krankenhaus entsprechen dürfte, mehr als fraglich ist. Letztlich kann vorliegend jedoch dahinstehen, ob die Voraussetzungen für eine Steuerbefreiung nach der Rechtsprechung der Finanzgerichte im Hinblick auf die Europarechtliche Richtlinie überhaupt vorliegen, da jedenfalls auch nach der von der Beklagten angeführten Rechtsprechung es weiterhin Voraussetzung wäre, dass sich der Steuerpflichtige, mithin die Zedentin, auch auf diese entsprechende Richtlinie und ihre vermeintliche Steuerfreiheit beruft, was unstreitig vorliegend bisher jedenfalls nicht der Fall ist (vgl. insofern BFH a.a.O. [8] sowie ausdrücklich Heu DStR 2015, 481: Anm. zum Urteil des BFH vom 23.10.2014).

Es besteht auch aus der vertraglichen Beziehung zwischen der Zedentin und der Beklagten keine Verpflichtung der Zedentin, die entsprechende Steuerbefreiung, deren Voraussetzung die Zedentin selbst nicht für gegeben hält, gegenüber dem Finanzamt geltend zu machen bzw. in entsprechenden langwierigen Verfahren durchzusetzen.

Etwas anderes könnte nur dann gelten, wenn es nicht nur eine vage und theoretische Möglichkeit einer Steuerbefreiung gäbe, sondern eine bereits durch einen Bescheid des zuständigen Finanzamts festgelegte oder ein entsprechendes Urteil eines Finanzgerichtes gerade zugunsten der Zedentin geben würde und sie trotz dieser Befreiung eine entsprechende Mehrwertsteuer den Patienten, mithin der Beklagten in Rechnung stellen würde. Dies ist jedoch weder vorgetragen noch ersichtlich.

Im Übrigen wäre es der Beklagten unbenommen gewesen, insofern vor bzw. bei Abschluss des Vertrages ggf. nach Rücksprache mit ihrer Krankenversicherung, entsprechende Bedenken bzw. Vorbehalte geltend zu machen, was jedoch nicht geschehen ist.

Dem Zahlungsanspruch der Klägerin steht auch die durch die Beklagte erklärte Aufrechnung mit einem Schadensersatzanspruch in gleicher Höhe nicht entgegen, da der geltend gemachte Schadensersatzanspruch in Höhe der Mehrwertsteuer gegen die Zedentin nicht besteht. Dies ergibt sich zum einen bereits daraus, dass nicht ersichtlich ist, ob überhaupt bei der Beklagten ein insofern endgültiger Schaden, nämlich die Nichtübernahme der Mehrwertsteuer durch die Versicherung, eingetreten ist. Insofern ist zwar unstreitig, dass die Versicherung zumindest zunächst die Mehrwertsteuer nicht getragen hat. Es bleibt jedoch offen, ob dies bereits eine endgültige Verweigerung seitens der Versicherung darstellt und insbesondere, ob dies durch den Vertrag zwischen der Beklagten und der Versicherung gedeckt wäre. Im Übrigen fehlt es insoweit auch an der Pflichtverletzung der Zedentin. Soweit insofern eine Beratungspflicht gemäß § 630 c Abs. 3 BGB in Betracht kommen würde, so dürfte dies lediglich für entsprechende Kostenübernahmen durch die gesetzlichen Krankenversicherungen relevant sein. Im Hinblick auf die ganz unterschiedlichen Tarife der privaten Versicherungen dürfte vorliegend keine entsprechende Beratungspflicht ersichtlich sein, zumal die Versicherung der Beklagten ihre Nichtübernahme von Mehrwertsteuer der Zedentin bzw. auch der Klägerin erst nach diesem Vorfall durch die von der Beklagten eingereichten Schreiben mitgeteilt hat. Insofern fehlt es jedenfalls an der sicheren Kenntnis, dass es in diesem Bereich Probleme geben könnte (vergl. für private Krankenkassen auch Palandt/Weidenkaff, BGB 75. Aufl. 2016 Rn. 9 zu § 630c).

Da insofern der entsprechende Schadensersatzanspruch nicht besteht, geht die erklärte Aufrechnung ins leere.

Im Übrigen wäre es auch insofern der Beklagten unbenommen gewesen und ggf. auch im Rahmen von § 254 BGB möglicherweise ihre Obliegenheit gewesen, vor der Unterschrift unter den Behandlungsvertrag entsprechende Rücksprache hinsichtlich einer Kostenübernahme mit ihrer privaten Krankenkasse zu führen.

Nach alledem verbleibt es bei dem Anspruch der Klägerin aus abgetretenem Recht aus dem von der Beklagten unstreitig geschlossenen Behandlungsvertrag mit der Zedentin auch hinsichtlich der dort vereinbarten Mehrwertsteuer.

Der Anspruch auf die geltend gemachten Zinsen ergibt sich aus § 286 i.V.m. § 288 Abs. 1 BGB. Mit dem Mahnschreiben vom 5. Mai 2015 bzw. der dort ausgewiesenen Zahlungsfrist bis zum 12.Mai 2015 ist die Beklagte mit dem 13.5.2015 in Zahlungsverzug gemäß § 286 Abs. 1 BGB geraten. Von daher schuldet sie auch für die weiteren Mahnungen vom 19. Mai 2015 und 2. Juni 2015 jeweils entsprechend Mahnkosten in Höhe von 2,50 €, wie beantragt. Dasselbe gilt unter dem Aspekt des Verzuges auch für die geltend gemachte Freistellung der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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