OLG Köln, Urteil vom 24.04.2001 - 9 U 207/00
Fundstelle
openJur 2011, 17121
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • vorher: Az. 9 0 201/00
Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das am 20.10.2000 verkündete Urteil der 9. Zivilkammer des Landgerichts Aachen - 9 0 201/00 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Berufung hat der Kläger zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die in formeller Hinsicht bedenkenfreie Berufung des Klägers ist unbegründet.

Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.

Ein Anspruch auf Entschädigung nach §§ 1, 49 VVG in Verbindung mit § 12 Abs. 1 II e) AKB steht dem Kläger gegen die Beklagte wegen des Schadensereignisses vom 07.02.2000 in E., S.straße/I.straße aufgrund der zwischen den Parteien bestehenden Kaskoversicherung nicht zu.

Die Beklagte ist nach § 61 VVG leistungsfrei, weil der Kläger den Unfall durch grobe Fahrlässigkeit herbeigeführt hat.

Grobe Fahrlässigkeit setzt in objektiver und subjektiver Hinsicht eine aus dem normalen Rahmen der Fahrlässigkeit herausfallende gröbliche Außerachtlassung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt voraus. Im Bereich des Straßenverkehrs liegt sie vor, wenn das Verhalten des Versicherungsnehmers objektiv grob verkehrswidrig und subjektiv schlechthin unentschuldbar ist. Das Überfahren des Rotlichts einer Ampel an Kreuzungen oder Einmündungen ist wegen der großen Gefährlichkeit für den Straßenverkehr objektiv grob fahrlässig und ist ein Indiz für grobe Fahrlässigkeit in subjektiver Hinsicht (BGH, r + s 1992, 292; OLG Köln, MDR 1998, 594 m.w.N.; Knappmann in Prölss/Martin, VVG, 26.Auflage, § 12 AKB Rn. 82). Der Versicherungsnehmer hat, um sich von dem Vorwurf zu entlasten, besondere Umstände darzulegen, die den Verkehrsverstoss in milderem Licht erscheinen lassen. Ein sogenanntes "Augenblicksversagen" ist nämlich nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung für sich allein genommen ohne Hinzutreten dieser besonderen Umstände nicht geeignet, den Schuldvorwurf der groben Fahrlässigkeit herabzustufen, wenn die objektiven Merkmale der groben Fahrlässigkeit gegeben sind (BGH, a.a.O.).Der grundsätzlich beweisbelastete Versicherer muss gegebenenfalls dieses Vorbringen widerlegen.

Besondere Umstände in der Örtlichkeit des Einmündungsbereiches oder in der Person des Klägers liegen nicht vor. Insoweit wird zunächst zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffenden Ausführungen in dem angefochtenen Urteil Bezug genommen.

Soweit der Kläger erstmals im Berufungsverfahren den Sachverhalt dahin ergänzt, er habe auch wegen des bei Rotlicht anhaltenden, von rechts kommenden Querverkehrs angenommen, der von links sich nähernde Verkehr habe gleichfalls Rotlicht erhalten, daher sei er, zumal er die Fußgängerampel wegen fehlender Abdeckung auf sich bezogen habe, angefahren, führt dies zu keiner anderen Beurteilung.

Auch wenn diese Darstellung des Klägers zutreffen sollte, trifft ihn der Vorwurf grober Fahrlässigkeit. Er durfte nicht einfach losfahren, weil der Querverkehr von rechts angehalten hatte. Er musste sich auch dann zusätzlich vergewissern, ob auch für seine Fahrtrichtung Grünlicht angezeigt wurde. Denn es ist keineswegs ungewöhnlich, dass die Ampelphasen für den von der anderen Seite nahenden Querverkehr abweichen. Wenn der Kläger aber das für Fußgänger geltende Grünlicht auf sich bezog, dann war seine Aufmerksamkeit unzureichend. Die für den Auto- und den Fußgängerverkehr geltenden Lichtzeichenanlagen unterscheiden sich nämlich deutlich. Fußgängerampeln zeigen nur Grün- und Rotlicht an, kein Gelblicht. Sie haben keine runde Lichtquelle, sondern nur eine auf das Aufleuchten von Symbolfiguren beschränkte Lichtquelle. Das alles gilt unabhängig davon, ob die Abdeckung an der Fußgängerampel fehlte oder nicht. Wenn der Kläger tatsächlich eine grün anzeigende Fußgängerampel "beachtete", so sollte er nicht mehr Auto fahren. Er muss dann so starke Sehschwierigkeiten haben, dass ihm dies auch im täglichen Leben nicht verborgen bleiben kann. Er hat dann Anlass, auf die aktive Teilnahme am Straßenverkehr zu verzichten.

Auch das weitere Vorbringen des Klägers zu einer altersbedingten Gedächtnis- und Konzentrationsschwäche, verhilft der Berufung nicht zum Erfolg. Eine solche Konzentrationsschwäche kann eine Fehlreaktion nicht beeinflussen, weil die Reaktion auf eine Ampelanlage keine Dauertätigkeit ist (BGH, a.a.O.). So wie in dem vom BGH entschiedenen Fall von einem durchschnittlich sorgfältigen Kraftfahrer verlangt werden kann und muss, dass er an die Kreuzung mit einem Mindestmaß an Konzentration heranfährt, das es ihm ermöglicht, die Verkehrssignale wahrzunehmen und zu beachten, ohne sich von weniger wichtigen Vorgängen und Eindrücken ablenken zu lassen, gilt entsprechendes für den bei Rotlicht wartenden Kraftfahrer, bevor er anfährt.

Die Berufung ist mithin mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Grundlage in §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO. Der Wert der Beschwer ist nach § 546 Abs. 2 ZPO festzusetzen.

Streitwert für das Berufungsverfahren und Wert der Beschwer des Klägers: 22.111,69 DM