OLG Köln, Urteil vom 13.11.2001 - 9 U 161/00
Fundstelle
openJur 2011, 17103
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • vorher: Az. 24 O 116/99
Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das am 03.08.2000 verkündete Urteil der 24. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 24 O 116/99 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Kläger zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet. Das Landgericht hat zu Recht die Klage abgewiesen.

Dem Kläger steht gegen die Beklagte wegen des Unfalls des BMW 318 TDS (amtl. Kennzeichen XXX-XXX XXX) am 31.03.1996 gegen 21.50 Uhr auf der B 5 in Richtung L kein Anspruch auf Entschädigung auf Grund der bei der Beklagten abgeschlossenen Vollkaskoversicherung nach § 12 Abs. 2 a) AKB (Stand 01.01.1996) zu.

1. Die Beklagte ist nach § 61 VVG leistungsfrei geworden.

Der Kläger hat nämlich den Unfall grob fahrlässig herbeigeführt.

Grobe Fahrlässigkeit setzt objektiv ein grob fehlerhaftes oder grob verkehrswidriges Verhalten und subjektiv ein erheblich gesteigertes Verschulden voraus (vgl. Knappmann in Prölss/Martin, VVG, 26. Aufl., § 12 AKB, Rn 68 ff). Grob fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt gröblich außer acht lässt und nicht beachtet, was unter den gegebenen Umständen jedem einleuchten muss. Bei absoluter Fahruntüchtigkeit (BAK von mindestens 1,1 0/00, vgl. BGH, r+s 1991, 404; Tröndle-Fischer, StGB, 50. Aufl., § 316, Rn6 mit weiteren Nachweisen) ist grundsätzlich von grober Fahrlässigkeit auszugehen ( vgl. BGH, r+s 1985, 80; r+s 1989, 349; Senat, r+s1994, 329; Knappmann, a.a.O., Rn 91). Die Fahruntüchtigkeit folgt zwingend aus dem Blutalkoholgehalt. Damit ist eine gesteigerte Vorwerfbarkeit anzunehmen. So liegt es hier. Umstände, die eine andere Beurteilung rechtfertigen könnten, ergeben sich nicht.

Die am 01.04.1996 um 2.30 Uhr bei dem Kläger entnommene Blutprobe ergab ausweislich des Befundberichts des Brandenburgischen Landesinstituts für Rechtsmedizin eine Ethanolkonzentration (Probenmittelwert) von 1, 67 mg/g (vgl. Bl. 40 der beigezogenen Akte StA Neuruppin 359 Js 274/96).

Damit ist bezogen auf den Unfallzeitpunkt (gegen 21.50 Uhr) auf jeden Fall absolute Fahruntüchtigkeit gegeben. Der BAK - Wert zu diesem Zeitpunkt liegt mindestens um 0,2 0/00 höher als der ermittelte Wert zum Entnahmezeitpunkt. Bei einer Rückrechnung im Bereich des Versicherungsrechts sind - wie im Strafrecht - die ersten beiden Stunden nach Trinkende auszunehmen. Als stündlicher Abbauwert ist sodann 0,1 0/00 zugrunde zu legen (vgl. BGH, r+s 1990, 430; Senat, VersR 1997, 1222; Tröndle-Fischer, a.a.O., Rn 8 d), so dass sich der genannte Wert ergibt.

Der Senat ist auch davon überzeugt, dass der Kläger zum Unfallzeitpunkt den BMW gesteuert hat. Dies ergibt sich aus dem Inhalt der beigezogenen Ermittlungsakte und den Angaben der Zeugin L3 sowie ihrem Aussageverhalten. Die Darstellung der Zeugin L3 über den Verlauf des Abends des 31.03.1996 und des anschließenden Geschehens in der Nacht ist unglaubhaft und steht in Widerspruch zu ihren Angaben gegenüber der Polizei in Q (Bl. 20, 21 der beigezogenen Akten StA Neuruppin 22 Js 673/96). Danach ist davon auszugehen, dass die Zeugin den Wagen nicht gelenkt hat, vielmehr eine falsche Schilderung gegeben hat, um den Kläger als den wahren Fahrer des Unfallfahrzeugs zu schützen.

Die Aussage der Zeugin lässt nur den Schluss zu, dass der Kläger das Unfallfahrzeug gesteuert hat, weil nur dieser oder die Zeugin L3 als Fahrer in Betracht kommen und keine dritte Person. Gegenüber der Polizei hat die Zeugin am 01.04.1996 ausweislich des polizeilichen Vermerks angegeben, sie habe den Kläger gefragt, ob sie "mal fahren" dürfe. Er habe dies bejaht und sie sei "circa 10 m" gefahren, dann sei der Unfall gewesen. Die Richtigkeit dieses Vermerks hat die Polizeibeamtin K. (früher Q2) in ihrer schriftlichen Bekundung vom 23.05.2001 (Bl. 180 GA) bestätigt. Im Beweisaufnahmetermin vor dem Senat hat die Zeugin L3 im Gegensatz dazu bekundet, sie sei "von Q aus" und "von Anfang an" gefahren. Die Zeugin hat zwar sodann eine Unfalldarstellung gegeben, diese stimmt aber mit den von der Polizei festgestellten Spuren nicht überein. Die Zeugin hat zum Hergang geschildert, man sei bergabwärts gefahren. Sie habe Angst gehabt, gegen die links befindliche Metallplanke zu geraten und habe das Steuerrad nach rechts gerissen. Ausweislich der polizeilichen Feststellungen und dem Inhalt der von der Polizei gefertigten Skizze, die unstreitig sind, ist das Fahrzeug auf einer langen geraden Strecke aus nicht geklärter Ursache nach links von der Fahrbahn abgekommen, mit der Front gegen die Böschung gestoßen und auf dem Dach neben einem Straßenbaum zum Liegen gekommen.

Die Zeugin konnte sich zudem auf näheres Befragen nach Einzelheiten nicht mehr daran erinnern, wie der zeitliche Ablauf gewesen sei. Insbesondere konnte sie nicht mehr angeben, wieviel Zeit zwischen dem Unfall und dem Eintreffen der Polizei vergangen war. Sie könne nicht einmal sagen, ob es eine halbe Stunde oder zwei Stunden gedauert habe. Sie hätten "ganz lange" an der Unfallstelle gewartet, ohne dass jemand gekommen sei. Dass es dann zwei Stunden gedauert haben solle, bis die Polizei gekommen sei, erscheine ihr falsch. Sie könne sich letztlich überhaupt nicht erinnern. Aus dem Einsatzbericht der Polizei ergibt sich im Gegensatz dazu, dass die Polizeibeamten auf Grund einer Meldung um 21.50 Uhr gegen 22.12 Uhr am

Einsatzort angekommen sind, ohne dort Personen anzutreffen. Gegen 0.05 Uhr sind dann die vier Personen auf der Straße in Richtung Q gehend bemerkt worden.

Schließlich hat die Zeugin versucht, eine falsche Darstellung über die Häufigkeit ihre Kontakte zu dem Kläger zu geben, was sie persönlich als unglaubwürdig erscheinen lässt. Sie hat zunächst unzutreffende Angaben zu ihren Besuchen bei dem Kläger in der Justizvollzugsanstalt T2 gemacht, die sie auf Befragen berichtigt hat. So hat sie zunächst erklärt, sie habe den Kläger "einmal im Gefängnis" besucht. Dies sei nach der Verhandlung gegen den Kläger gewesen. Wann diese Verhandlung gewesen sei, wisse sie nicht mehr. Im Laufe der Vernehmung hat die Zeugin dann eingeräumt, sie sei häufiger beim Kläger während der Haftzeit zu Besuch gewesen. Es sei dann in der Regel darum gegangen, den Sohn dort hinzubringen. Deswegen habe sie häufiger mit dem Sohn das Gefängnis aufgesucht.

Soweit der Kläger im Termin vom 25.09.2001 nunmehr die Zeugen T und A K (letztgenannte ohne ladungefähige Anschrift) erstmalig benannt hat, ist dieser Beweisantritt verspätet und nach den §§ 527, 519, 296 Abs. 1 bzw. den §§ 528 Abs. 1, 277 ZPO zurückzuweisen. Der Kläger hätte die Zeugen bereits im ersten Rechtszug, spätestens in der Stellungnahme zur Klageerwiderung, jedenfalls vor dem Beweisaufnahmetermin des Senats, benennen können und müssen, weil bereits von Anfang an im vorliegenden Verfahren die Frage der Person des Fahrers streitig gewesen ist. Eine Vernehmung der Zeugen, deren Anschrift zudem nicht vollständig bekannt gegeben worden ist, würde auch den Rechtsstreit verzögern.

Nach alledem ist davon auszugehen, dass der Kläger den Unfall infolge Fahruntüchtigkeit grob fahrlässig herbeigeführt hat.

2. Der Senat konnte offen lassen, ob die Beklagte auch nach § 6 Abs. 3 VVG

i. V. m. § 7 C I (3) der vereinbarten AKB leistungsfrei geworden ist.

Nach § 7 C I (3) AKB ist der Versicherungsnehmer verpflichtet, alles zu tun, was zur Aufklärung des Tatbestandes dienlich sein kann. Das bloße Verlassen der Unfallstelle stellt eine Verletzung der Aufklärungsobliegenheit in der Kaskoversicherung dar, wenn dadurch der objektive und subjektive Tatbestand des § 142 StGB erfüllt wird (vgl. BGH, r+s 2000,94 mit weiteren Nachweisen). Auch wenn sich der Versicherungsnehmer nach Ablauf einer angemessenen Wartezeit von der Unfallstelle entfernt hat, kann eine Obliegenheitsverletzung vorliegen, wenn er die erforderlichen Feststellungen bezüglich seiner Beteiligung an dem Unfall nicht unverzüglich nachträglich ermöglicht (vgl. OLG Köln, VersR 1995, 1182). Dass der Kläger seine Aufklärungsobliegenheit verletzt hat, indem er versucht hat, durch Verlassen der Unfallstelle die Feststellung der Person des Fahrers - auch im Hinblick auf die alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit - zu verhindern, liegt nahe, kann aber letztlich dahinstehen.

Nach alledem ist ein Entschädigungsanspruch nicht gerechtfertigt.

II. Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713 ZPO. Die Beschwer ist nach § 546 Abs. 2 ZPO festzusetzen.

Streitwert für die Berufungsinstanz und Wert der Beschwer des Klägers: 35.600,00 DM

Keller Gersch Dr. Halbach