KG, Urteil vom 19.05.2016 - 8 U 207/15
Fundstelle
openJur 2016, 6469
  • Rkr:

1. Der Vorrang der Individualabrede gemäß § 305 b BGB greift auch gegenüber einer in einem Formularmietvertrag über ein langfristiges Gewerberaummietverhältnis enthaltenen qualifizierten Schriftformklausel, wonach auch die Änderung der Schriftformklausel der Schriftform bedarf.

2. Bei Vereinbarung einer solchen Klausel in einer Allgemeinen Geschäftsbedingung durch den Vermieter kann sich jedenfalls der Erwerber auf § 305 b BGB berufen. Es ist mit § 550 BGB nicht vereinbar, wenn der Erwerber an eine mündliche Vertragsänderung und zugleich auch an die Befristung des Mietvertrages gebunden wäre.

Tenor

Die Berufung des Beklagten gegen das am 03. September 2015 verkündete Urteil der Zivilkammer 32 des Landgerichts Berlin - 32 O 127/15 - wird zurückgewiesen.

Der Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil des Landgerichts und dieses Urteil sind vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagte darf die Vollstreckung des Räumungs- und Herausgabeanspruches durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 60.000,00 € abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Der Beklagte darf die Vollstreckung hinsichtlich der Kosten durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages zuzüglich 10 % abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des zu vollstreckenden Betrages zuzüglich 10 % leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Gründe

I.

Die Berufung des Beklagten richtet sich gegen das am 03. September 2015 verkündete Urteil der Zivilkammer 32 des Landgerichts Berlin, mit dem der Beklagte verurteilt wurde, die Gewerberäume in der ... Straße ... in B... zu räumen und an die Klägerin herauszugeben. Auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil wird Bezug genommen.

Der Beklagte trägt zur Begründung der Berufung vor:

1.

Ein wichtiger Grund zur Kündigung habe nicht vorgelegen. Der Getränkehandel sei von der Erlaubnis der vorherigen Vermieterin gemäß Schreiben vom 25.Juli 2006 umfasst, da es sich um handelsübliche Waren handele. Die Bezeichnung in dem Schreiben vom 18. Juli 2007 als “Getränkeausschank" sei lediglich missverständlich und stünde der unter Beweisantritt erfolgten Behauptung des Beklagten zur Erlaubnis eines Getränkehandels nicht entgegen.

2.

Der Kündigung stünde auch § 314 Abs. 3 BGB entgegen. Die den Kündigungsgrund des Getränkehandels erstmals enthaltende Kündigung vom 08. Mai 2015 sei erst vier Monate nach der Abmahnung vom 07. Januar 2015 erfolgt, obwohl der Getränkehandel gar nicht Gegenstand der Abmahnung gewesen sei. Die Klägerin sei aber bereits bei Vertragsübernahme von der damaligen Vermieterin über den Getränkehandel informiert worden und habe hiervon auch bei Abschluss des Änderungsvertrages vom 04.November 2014 gewusst.

3.

Eine Unzumutbarkeit der Vertragsfortsetzung aufgrund des von dem Beklagten betriebenen Getränkehandels ergebe sich weder aus dem Vortrag der Klägerin, noch aus dem Urteil des Landgerichts. Das Landgericht habe keine Feststellungen zur Erheblichkeit der angenommenen Vertragsverletzung getroffen.

4.

Ein Kündigungsgrund läge auch nicht in der Nutzung der Kellerräume. Dass die Kellerräume mitvermietet seien, ergebe sich aus der Bezeichnung des Mietgegenstandes in den Mietverträgen als “Gebäude und Räume" sowie der Übergabe von Kellerschlüsseln laut dem von der Klägerin vorgelegten Übergabeprotokoll.

5.

Der Mietvertrag sei auch nicht wegen Formmangels ordentlich kündbar. Der Formmangel einer Vertragszweckänderung durch einen Nachtrag hätte bestenfalls zur Folge, dass der Nachtrag unwirksam ist, ließe den eigentlichen Vertrag aber unberührt. An Nachträge seien zudem weit weniger strenge Anforderungen an die Schriftform zu stellen. Des Weiteren habe die Befristung bei der Zusammenlegung der Mietverträge erst nach Änderung des Vertragszwecks stattgefunden und sei in Schriftform erfolgt. Ferner könne die Klägerin wegen § 21 Ziffer 21.1 des Mietvertrages diesen nicht unter Berufung auf die Nichteinhaltung der Schriftform kündigen.

Der Beklagte beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Berlin - 32 O 127/15 - die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Am 13. Januar 2016 hat der Beklagte aufgrund der von der Klägerin aus dem erstinstanzlichen Urteil betriebenen Zwangsvollstreckung die Räume herausgegeben.

Im Wege der Widerklage beantragt der Beklagte - für den Fall der Begründetheit der Berufung -,

die Klägerin zu verurteilen, dem Beklagten die Lager und Verkaufsflächen im Erdgeschoss sowie im Kellergeschoss des Hauses ... Straße ..., ... B..., wie aus der Anlage K 7 rot umrandet ersichtlich durch Wiedereinräumung des Besitzes herauszugeben.

Die Klägerin beantragt,

die Widerklage abzuweisen.

Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil und führt aus:

1.

Die Kündigung bedürfe im Gewerberaummietrecht keiner Begründung. Der Zeitablauf zwischen Abmahnung und Kündigung stünde der Wirksamkeit der Kündigung nicht entgegen. Der Beklagte habe sein Fehlverhalten nach der Abmahnung täglich wiederholt neu begangen und nicht darauf vertrauen dürfen, dass auf dieses Fehlverhalten keine Kündigung mehr gestützt wird. Die Klägerin habe dagegen zunächst abwarten müssen, ob der Beklagte der Aufforderung nicht Folge leisten wird.

2.

Auch die Erweiterung des Vertragszwecks auf Lebensmittel wäre eine wesentliche Änderung des Mietvertrages, die dem Schriftformerfordernis des § 550 BGB unterliege, zumal nach dem vorgelegten Schreiben vom 25.Juli 2006 die bisherige Beschränkung aufgehoben worden wäre und nunmehr fast unbeschränkt Waren gelagert und verkauft werden dürften.

3.

Die Klägerin habe auch keine frühere Kenntnis von der vertragswidrigen Nutzung durch den Beklagten gehabt, sondern sich zunächst selbst ein Bild vor Ort machen müssen, was die Abmahnungen vom 06.März 2015 belegten. Es habe auch keine Erklärung oder Verhaltensweise der Klägerin gegeben, welche der Möglichkeit, sich auf die mangelnde Schriftform zu berufen, entgegenstünden.

II.

Die Berufung des Beklagten ist unbegründet.

Die Klägerin steht gegen den Beklagten ein Anspruch auf Räumung und Herausgabe der Räume in der ... Straße ... in B... zu (§ 546 Abs. 1 BGB).

1.

Die fristlose Kündigung ist - entgegen der Ansicht des Landgerichts - nicht wirksam.

Gemäß § 543 Abs. 1 BGB kann jede Partei das Mietverhältnis aus wichtigem Grund außerordentlich kündigen. Ein wichtiger Grund für die Kündigung liegt vor, wenn einer Partei die Fortsetzung des Vertrags nicht zugemutet werden kann. Maßgebend ist eine Gesamtwürdigung aller Umstände, die im Einzelfall für eine Fortsetzung des Vertrages bis zum Ablauf seiner Befristung oder bis zu seine Beendigung durch die nächste zulässige Kündigung seitens der betroffenen Partei von Bedeutung sind (BGH Urteil vom 15.09.2010 - XII ZR 188/08, GE 2010,1413). Die Vertragsfortsetzung bis zum 31.12.2016 ist für die Klägerin nicht unzumutbar im Sinne der vorgenannten Vorschrift.

Es mag zwar sein, dass die Klägerin bei Übernahme des Mietverhältnisses keine Kenntnis davon hatte, dass der Beklagte in den streitgegenständlichen Räumen einen Getränkehandel betreibt. Der Beklagte hat erstinstanzlich nur pauschal behauptet, dass er den Getränkehandel schon betrieben hat, bevor die Klägerin in den Mietvertrag eingetreten sei, und dies die Klägerin nicht weiter “gestört” habe bis die Klägerin die Aufgabe der Räume habe erzwingen wollen (vgl. Klageerwiderung vom 26.06.2015 (Bd. I, Bl. 27). Diesem Vortrag fehlt die ausreichende Substanz, worauf es in diesem Zusammenhang indes nicht entscheidend ankommt. Denn den Beklagten traf nur ein geringer Schuldvorwurf, wenn er der Abmahnung der Klägerin vom 06. März 2015 nicht binnen 14 Tagen Folge geleistet hat. Die ... AG, die Vorvermieterin, hatte gegenüber dem vorherigen Mieter Y... mit Schreiben vom 25. Juli 2006 (Bd. I, Bl. 39) bestätigt, dass ihm auch das “Lagern von handelsüblichen Waren” gestattet ist. In einem weiteren Schreiben vom 18. Juli 2007 (Bd. I, Bl. 40) wies die Vorvermieterin den Beklagten darauf hin, dass “der Bereich des Getränkeausschankes (…) nun den hinteren Eingang des ehemaligen Güterschuppens als Verkaufsfläche (nutzt)”, und regte an, zusätzliche Flächen anzumieten. Danach konnte der Beklagte davon ausgehen, dass die Nutzung im Einvernehmen mit der Vormieterin erfolgte und auch von der Klägerin zumindest nicht beanstandet wird.

Der Mietvertrag war wegen der von der Klägerin beanstandeten Kellernutzung nicht außerordentlich kündbar. Denn - mit dem Beklagten - ist davon auszugehen, dass auch die Kellerräume an ihn vermietet worden sind. So sind dem Mieter Kellerschlüssel ausgehändigt worden. Dies ergibt sich aus einem Vermerk zur “Übergabe an den Mieter” vom 08. Juni 2006, der von beiden Vertragsparteien unterzeichnet worden ist und nach § 1 Ziffer 1. 2 des Mietvertrages vom 09./11.05.2006 als Anlage 2 Vertragsbestandteil geworden ist. Im Übrigen ergibt sich - entgegen der Annahme des Landgerichts - aus der Vertragslage nicht zweifelsfrei, dass sich die Flächen nach den Mietverträgen vom 03./06.12.2005 und 09./11.05.2006 (Anlagen K 1) allein auf das Erdgeschoss beziehen. Soweit in dem zwischen der Klägerin und dem Beklagten abgeschlossenen 3. Nachtrag vom 04.11.2014 allein “Flächen im Erdgeschoss” angesprochen werden, hat dies nichts an der Mitvermietung des Kellers aufgrund der dargestellten Vereinbarung im Mietvertrag vom 09./11.05. 2006 geändert. Im Übrigen ist in der weiteren Nutzung des Kellers trotz Abmahnung ohnehin kein wichtiger Grund zur Kündigung des Mietvertrages zu sehen. Auch insoweit trifft den Beklagten nur ein geringes Verschulden, zumal ein konkretes Interesse der Klägerin an einer anderweitigen Nutzung der Kellerräume nicht dargelegt und auch nicht ersichtlich ist.

2.

Das Mietverhältnis ist aber durch die ordentliche Kündigung der Klägerin vom 09. Februar 2015 beendet. Dem steht nicht entgegen, dass der Mietvertrag durch den 3. Nachtrag vom 04. November 2014 gemäß § 542 Abs. 2 BGB auf bestimmte Zeit bis zum 31.Dezember 2016 befristet geschlossen worden ist. Denn der Mietvertrag gilt aufgrund des Schriftformverstoßes als auf unbestimmte Zeit geschlossen (§§ 578, 550 BGB).

a)

Zwar sind die Ursprungsmietverträge vom 03./06.12.2005 und vom 09./11.05.2006 in der Schriftform des § 126 BGB geschlossen. Da das Erfordernis der Schriftform für sämtliche Abreden der Parteien gilt, aus denen sich nach ihrem Willen der Vertrag zusammensetzen soll, bedürfen auch nachträgliche Ergänzungen und Änderungen eines formbedürftigen Mietvertrages ihrerseits der Schriftform. Das gebietet das durch § 550 BGB geschützte Informationsinteresse eines potentiellen Grundstückserwerbers am jeweils aktuellen Vertragsinhalt (Bub/Treier/Heile/Landwehr, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 4. Auflage, II, Rdnr. 2507). Eine spätere Vertragsänderung kann für einen bis dahin formlos wirksamen Mietvertrag den Formzwang sogar erst auslösen (vgl. BGH NJW 1960,475).

So liegt der Fall hier. Die Parteien haben die Befristung bis zum 31.12.2016 erstmals mit dem 3. Nachtrag vereinbart mit der Folge, dass das Beurkundungserfordernis sich auf den gesamten Vertragsinhalt zu beziehen hat (vgl. Bub/Treier/Heile/Landwehr, a.a.O., II, Rdnr. 2508).

aa)

Nach dem Mietvertrag vom 03./06.12.2006 zwischen dem ursprünglichen Mieter Y... und der ... AG, der Vorvermieterin, wurde eine Teilfläche von 400 m² zum Mietzweck “Lagerung und Verkauf von Stoffen und Kurzwaren” vermietet. Mit weiterem Mietvertrag vom 09./11.05.2006 mietete der Mieter Y... eine Teilfläche von 1.200 m² an, wobei nach § 1 Ziffer 1.3 als Mietzweck “Lagerung und Verkauf von Stoffen und Kurzwaren, Textilien und Baumaschinen” angegeben ist.

Unstreitig haben die ursprünglichen Vertragsparteien die Mietverträge im Juli 2006 in Bezug auf den Mietzweck geändert, ohne dabei die Form des § 550 BGB einzuhalten.

Mit Schreiben vom 25.Juli 2006 hat die die damalige Vermieterin vertretende X... GmbH dem damaligen Mieter gemäß § 1 Ziffer 1.3 der Mietverträge bestätigt, dass ihm auch das Lagern von handelsüblichen Waren gestattet ist. Der damalige Mieter hat dem auch zumindest konkludent durch Nutzung der Räume in dem erweiterten Umfang zugestimmt. Hierin liegt eine Änderung der ursprünglichen Mietverträge, nach denen dem Mieter die Mietsache ausschließlich zu Lagerung und Verkauf von Stoffen und Kurzwaren sowie (hinsichtlich des Vertrages Nr. -8001) von Textilien und Baumaschinen überlassen war. Einer anderen Nutzung durfte der Mietgegenstand nach den Verträgen nur mit vorheriger schriftlicher Zustimmung des Vermieters zugeführt werden. Danach hat die Vermieterin mit der Zustimmung nicht nur eine bereits bestehende Vertragspflicht auf Zustimmung erfüllt. Denn im Gegensatz zu dem Urteil des BGH vom 23.01.2013 - XII ZR 35/11, juris, Rn. 19 bestand hier kein Rechtsanspruch des Mieters auf Erteilung der Zustimmung. Denn die Verträge regeln keine Voraussetzungen, unter denen der Vermieter verpflichtet wäre, einer solchen anderen Nutzung zuzustimmen. Die Berechtigung zur anderweitigen Nutzung folgt daher vorliegend nicht bereits aus den Mietverträgen, sondern erst aus der insoweit konstitutiven Zustimmung der Vermieterin.

bb)

Die Änderung des Nutzungszweckes bedurfte der Schriftform. Zwar ist dies nicht der Fall bei solchen Abreden, die für den Inhalt des Vertrages von nur nebensächlicher Bedeutung sind (vgl. BGH Urteil vom 30.06.1999 - XII ZR 55/07, juris, Tz. 29; BGH Urteil vom 22.01.2014 - XII ZR 68/10, juris, Tz. 14; BGH Urteil vom 12.03.2008 - VIII ZR 71/07, juris, Tz. 19; Staudinger/Emmerich, BGB, 2014, § 550 BGB, Tz. 28).

Dies ist hier aber nicht der Fall. Denn es stellt einen wesentlichen Unterschied dar, ob der Gebrauch der Mieträume auf Lagerung und Handel von einzelnen, bestimmt bezeichneten Warenarten beschränkt ist, oder ob dies für alle handelsüblichen Waren zulässig ist. Auch wenn die ursprünglich gestatteten Warengruppen von sehr unterschiedlicher Art waren (Stoffe, Baumaschinen), verbleibt doch eine überwiegende Anzahl an handelsüblichen Warengruppen, deren Lagerung und Handel ursprünglich nicht gestattet war. Dies ist nicht nur für den Mieter von erheblicher Bedeutung, sondern auch für den Vermieter und damit auch für einen potentiellen Erwerber. Denn dies betrifft nicht nur die Anforderungen, die die Mieträume gegebenenfalls erfüllen müssen, sondern auch den (vertragsimmanenten) Konkurrenzschutz, den der Vermieter sowohl diesem als auch etwaigen anderen Mietern gegebenenfalls gewähren muss und der durch das vertragsgemäße Handelsgut beeinflusst wird. Die Erweiterung der Grenzen des vertragsgemäßen Gebrauchs ist daher wesentlich und bedarf der Schriftform (vgl. Staudinger/Emmerich, a. a. O.,§ 550 BGB, Rdnr. 29b; Herberger/Martinek/Rüßmann/Schur, jurisPK-BGB, 7. Aufl., § 550, Rdnr. 21; Palandt/Weidenkaff, BGB, 75. Auflage, § 550 BGB, Rdnr. 10).

cc)

Die Vereinbarung über die Erweiterung des Nutzungszwecks ist nicht in schriftlicher Form erfolgt. Denn dies setzt nach § 126 Abs. 2 BGB voraus, dass Angebot und Annahme in schriftlicher Form erklärt werden (vgl. BGH Urteil vom 17.06.2015 - XII ZR 98/13, juris, Tz. 30). Dies war hier nicht der Fall, da das Schreiben der Vermieterseite vom 25. Juli 2006 nicht von dem Mieter unterschrieben ist (vgl. BGH Urteil vom 22.01.2014 - XII ZR 68/10, juris, Tz. 14). Es genügt insoweit auch nicht, dass die Vertragsparteien die Änderung tatsächlich vollzogen haben. Denn ein konkludenter Vertragsschluss genügt dem Formerfordernis des § 550 BGB nur dann, wenn eine von beiden Parteien unterzeichnete, die Vertragsbedingungen enthaltene Urkunde vorliegt, die dem später konkludent geschlossenen Vertrag entspricht (vgl. BGH Urteil vom 17.06.2015 - XII ZR 98/13, juris, Tz. 33). An einer solchen auch von dem Mieter unterzeichneten Urkunde fehlt es hier. Aus den späteren Nachträgen zu den Mietverträgen geht die Erweiterung des Nutzungszwecks in keiner Weise hervor.

dd)

Die Änderung der Mietverträge hinsichtlich des Nutzungszweckes war auch wirksam. Dem steht nicht entgegen, dass die Parteien in § 21 Ziffer 21.7 der Mietverträge eine qualifizierte Schriftformklausel vereinbart haben, wonach auch die Änderung der Schriftformklausel der Schriftform bedarf. Denn diese Klausel, bei der es sich offensichtlich um Allgemeine Geschäftsbedingungen handelt, ist wegen Verstoßes gegen § 305b BGB wirkungslos (vgl. Palandt/Grüneberg, a. a. O., § 305b BGB, Rdnr. 5).

Es ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten, ob (auch) bei der Vereinbarung einer qualifizierten Schriftformklausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Vorrang individueller Vertragsabreden gilt (§ 305 b BGB) und/oder ob diese Klausel wegen unangemessener Benachteiligung nach § 307 Abs. 1 BGB unwirksam ist (vgl. zum Stand der Rechtsprechung auch Bub/Treier/ Heile/Landwehr, a.a.O., II, Rdnr. 2515 ff.: qualifizierte Schriftformklauseln in Formularmietverträgen sind in der Regel unwirksam unter Bezugnahme auf OLG Rostock Urteil vom 19.05.2009 - 3 U 16/09,NJW 2009, 3376 im Anschluss an BAG Urteil vom 20.05.2008 - 9 AZR 382/07, NJW 2009,316; Schmidt- Futterer/Lammel, Mietrecht, 12. Auflage, Vor § 535 BGB, Tz. 49: unwirksam nach § 307 BGB ohne nach einfacher oder qualifizierter Schriftformklausel zu differenzieren; Ghassemi-Tabar/Guhling/Weitemeyer, Gewerberaummiete, 2015, § 550 BGB, Rdnr. 106: es spricht mehr gegen Wirksamkeit auch wegen § 305 b BGB; Wolf/Eckert/Ball, Handbuch des gewerblichen Miet-, Pacht- und Leasingrechts, 10. Auflage, Rdnr. 156 ff; Lindner- Figura/ Opreé/ Stellmann, Geschäftsraummiete, 3. Auflage, Kap. 7, Rdnr. 82,157f.: jeweils für Vorrang der Individualabrede; Staudinger/Emmerich, a.a.O., § 550 BGB, Rdnr. 47: umstritten; vgl. auch OLG München vom 07.04.2016 - 23 U 3162/15, juris, Tz. 41; OLG München vom 13.03.2008 - 23 U 4481/07, juris, Tz. 7; a.A. Senatsurteil vom 18.08.2005 - 8 U 106/04, NZM 2005,908; OLG Frankfurt Urteil vom 18.03. 2013 - 2 U 179/12, ZMR 2013,708; OLG Naumburg Urteil vom 26.07.2012 - 9 U 38/12, NZM 2012,808; Kammergericht Urteil vom 07.04.2014 - 22 U 86/13, GE 2014, 799, Tz. 6 für Werkvertrag).

Das Bundesarbeitsgericht nimmt in der Entscheidung vom 20.05.2008, a.a.O., auch für den Fall, dass den Parteien bei einer mündlichen Abrede nach Vertragsschluss eine Kollision mit den AGB gar nicht bewusst war, an, dass die individuelle mündliche Absprache der qualifizierten Schriftformklausel vorgehe, und meint, die qualifizierte Schriftformklausel sei demzufolge gemäß § 307 Abs. 1 BGB unwirksam, wenn sie dazu diene, nach Vertragsschluss getroffene Individualvereinbarungen zu unterlaufen, indem sie beim anderen Vertragsteil den Eindruck erwecke, eine mündliche Abrede sei entgegen § 305 b BGB unwirksam und ihn damit über die Rechtslage täusche.

Der BGH hat die Konstellation einer qualifizierten Schriftformklausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen noch nicht entschieden. Er hat allerdings in der Entscheidung vom 21.09.2005 - XII ZR 312/02, BGHZ 164,133 = NJW 2006,138 zur einfachen Schriftformklausel in einem langfristigen Gewerbemietvertrag ausgeführt, dass der Vorrang der Individualabrede gelte, auch wenn man ein berechtigtes Interesse des Verwenders anerkenne, einem langfristigen Mietvertrag nicht durch nachträgliche Abreden die Schriftform zu nehmen (BGH, a.a.O., Tz. 15/16). Weiter argumentiert er damit, dass es nicht darauf ankomme, ob die Parteien bei ihrer mündlichen Absprache an die entgegenstehende Klausel gedacht haben. Ein bewusstes Abweichen sei nur erforderlich, wenn von einer individuell vereinbarten so genannten qualifizierten Schriftformklausel abgewichen werde, weil in solchen Fällen der Vorrang der Individualvereinbarung nach § 4 AGBG (a.F.) keine Anwendung findet, sondern die individuell vereinbarte qualifizierte Schriftformklausel erst abgeändert werden muss (BGH, a.a.O., Tz. 17; vgl. auch BGHZ 66,378,381).

Der BGH stellt im Vergleich der Klauselarten in erster Linie darauf ab, ob eine Allgemeine Geschäftsbedingung vorliegt oder eine Individualvereinbarung. Diese Argumentation, wonach der Vorrang einer Individualabrede gilt (§ 305 b BGB), ist auf eine qualifizierte Schriftformklausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen übertragbar (siehe auch OLG München Urteil vom 13.03.2008 - 23 U 4481/07, Tz. 7 für AGB eines Dienstvertrages; OLG München v. 07.04.2016 - 23 U 3162/15, Tz. 41 für Mietvertrag).

b)

Die Wirkungslosigkeit der qualifizierten Schriftformklausel zugunsten der Vermieterseiten, hier der Klägerin als Verwenderin muss nicht außer Betracht bleiben (vgl. BGH NJW 1987,837). Es ist mit § 550 BGB nicht vereinbar, wenn der Erwerber - wie hier die Klägerin - an die mündliche Vertragsänderung und zugleich auch an die Befristung des Mietvertrages gebunden sein soll (vgl. Wolf/Eckert/Ball, a.a.O., Rdnr. 157 mHa BGH NJW-RR 1990,613).

Der Mieter kann sich auf die Unwirksamkeit der Schriftformklausel berufen mit der Folge, dass die späteren mündlichen Abreden gegenüber dem als Vermieter eingetretenen Erwerber wirksam sind. Könnte der Erwerber sich selber nicht auf die Unwirksamkeit der qualifizierten Schriftformklausel berufen, so wäre er für die gesamte restliche Vertragslaufzeit an den Vertrag gebunden einschließlich aller etwaigen mündlichen Änderungen, was § 550 BGB verhindern soll. Nach § 550 BGB soll der Erwerber gerade nicht länger als ein Jahr an einen Mietvertrag gebunden sein, dessen Bedingungen er nicht kennt.

c)

Die Klägerin ist auch nicht aufgrund von § 21 Ziffer 21.1 der Mietverträge daran gehindert, sich für die vorzeitige Beendigung des Mietvertrages auf die Nichteinhaltung der Schriftform zu berufen.

Nach der vorgenannten Regelung des Mietvertrages verpflichteten sich die Vertragsparteien gegenseitig, auf jederzeitiges Verlangen einer Partei alle Handlungen vorzunehmen und Erklärungen abzugeben, die erforderlich sind, um dem gesetzlichen Schriftformerfordernis des § 550 BGB Genüge zu tun. Denn eine solche Schriftformheilungsklausel bindet jedenfalls nicht die Klägerin als Erwerberin des Mietobjektes. Denn hierdurch wäre diese im Ergebnis doch länger als ein Jahr an nicht schriftlich festgehaltene Vereinbarungen gebunden, wovor § 550 BGB den Erwerber - wie ausgeführt - gerade schützen will (vgl. BGH Urteil vom 22.01.2014 - XII ZR 68/10, juris, Tz. 24ff, ; vgl. Staudinger/Emmerich, a.a.O., § 550 BGB, Rdnr. 46 m.w.N.).

Soweit der Beklagtenvertreter in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat geltend gemacht hat, dass die Parteien sich bei Abschluss des 3. Nachtrags darauf hätten einigen wollen, dass der Beklagte Waren jeglicher Art verkaufen dürfe, fehlt es - wie unter Abschnitt 1. dargelegt - an einem substantiierten Vortrag hierzu. Daher kommt es nicht darauf an, ob die Formheilungsklausel in § 21 Ziffer 21.1 wirksam ist.

Der hilfsweise gestellte Widerklageantrag des Beklagten steht zur Entscheidung nicht an.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 7,10,711 ZPO.

Die Revision zum Bundesgerichtshof wird zugelassen, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 Abs. 2 Nr. 1 und 2 ZPO). Die Frage der Wirksamkeit einer sogenannten qualifizierten Schriftformklausel in Gewerbemietverträgen ist bisher höchstrichterlich nicht geklärt.