Brandenburgisches OLG, Beschluss vom 21.09.2015 - 10 WF 91/15
Fundstelle
openJur 2016, 6442
  • Rkr:

1. Ob eine nach § 243 FamFG vom erstinstanzlichen Gericht vorgenommene Kostenentscheidung vom Beschwerdegericht nur eingeschränkt auf Ermessensfehler überprüft werden darf oder ob dem Beschwerdegericht als zweiter Tatsacheninstanz eine eigene Ermessensausübung obliegt, kann dahinstehen, wenn das erstinstanzliche Gericht den Sachverhalt nicht umfassend gewürdigt und daher ermessensfehlerhaft entschieden hat.

2. Dem Gesichtspunkt der Verfahrensveranlassung kann bei der Billigkeitsabwägung auch dann Bedeutung zukommen, wenn ein sofortiges Anerkenntnis i.S.v. §§ 243 Satz 2 Nr. 4 FamFG, 93 ZPO nicht gegeben ist.

Tenor

Der angefochtene Beschluss wird abgeändert.

Die Kosten des Verfahrens erster Instanz werden gegeneinander aufgehoben.

Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden der Antragstellerin zu einem Drittel und dem Antragsgegner zu zwei Dritteln auferlegt.

Der Beschwerdewert wird auf 1.711 € festgesetzt.

Gründe

Die gemäß §§ 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG, 269 Abs. 5 ZPO zulässige sofortige Beschwerde (vgl. BGH, NJW 2011, 3654 Rn. 13; Schael, FPR 2009, 11, 13; Verfahrenshandbuch Familiensachen-FamVerf-/Große-Boymann, 2. Aufl., § 1 Rn. 523, 525; Hahne/Munzig/Gutjahr, BeckOK FamFG, Edition 16, § 58 Rn. 61) führt zu der aus der Beschlussformel ersichtlichen Entscheidung. Die Kosten des Verfahrens erster Instanz sind gegeneinander aufzuheben. Die Entscheidung des Amtsgerichts, wonach die Antragstellerin die Kosten zu einem Viertel und der Antragsgegner die Kosten zu drei Vierteln zu tragen hat, ist daher entsprechend abzuändern.

1.

Zu Recht ist das Amtsgericht davon ausgegangen, dass, da die Antragstellerin nicht eindeutig klargestellt hat, dass ihr Klageantrag nur bedingt für den Fall der Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe gestellt werden solle, das Hauptsacheverfahren bereits mit Einreichung der Antragsschrift als anhängig anzusehen ist (vgl. BGH, FamRZ 2005, 794; FamRZ 1996, 1142; FamVerf/Gutjahr, § 1 Rn. 37). Gegenstand der nun noch zu treffenden Kostenentscheidung sind neben den gemäß § 9 Abs. 1 FamGKG mit Antragseinreichung fällig gewordenen Gerichtskosten auch die außergerichtlichen Kosten, soweit es noch nicht zur Antragszustellung gekommen ist, zumindest im Wege des von der gerichtlichen Kostenentscheidung erfassten materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruchs (vgl. BGH, NJW 2004, 1530).

2.

Ebenfalls zutreffend ist das Amtsgericht davon ausgegangen, dass die Kostenentscheidung allein auf der Grundlage der Spezialvorschrift des § 243 FamFG zu ergehen hat, so dass in Unterhaltssachen über die Kostenverteilung abweichend von den Vorschriften der ZPO nach billigem Ermessen zu entscheiden ist, wobei in § 243 Satz 2 Nr. 1 bis 4 FamFG Kriterien aufgeführt sind, die insbesondere zu berücksichtigen sind (vgl. FamVerf/Gutjahr, § 1 Rn. 404).

Ob eine vom erstinstanzlichen Gericht vorgenommene Kostenentscheidung vom Beschwerdegericht nur eingeschränkt auf Ermessensfehler überprüft werden darf (so BGH, NJW-RR 2007, 1586 Rn. 15; OLG Hamm, Beschluss vom 3.1.2013 - II-2 UF 207/12, BeckRS 2013, 03576; Keidel/Zimmermann, FamFG, 18. Aufl., § 81 Rn. 81 a; Prütting/Helms/Feskorn, FamFG, 3. Aufl., § 81 Rn. 36) oder ob dem Beschwerdegericht als zweiter Tatsacheninstanz eine eigene Ermessensausübung obliegt (so BGH, FamRZ 2013, 1876 Rn. 23; NJW 2011, 3654 Rn. 26 ff.; FamVerf/Weidemann, § 2 Rn. 256; Hahne/Munzig/Gutjahr, a.a.O., § 69 Rn. 31), kann hier dahinstehen (vgl. Senat, Beschluss vom 13.1.2015 - 10 WF 110/14, BeckRS 2015, 02402). Denn die Begründung der angefochtenen Kostenentscheidung würdigt den Sachverhalt nicht umfassend und ist ermessensfehlerhaft.

Das Amtsgericht hat seine Entscheidung allein auf § 243 Satz 2 Nr. 1 FamFG gestützt, also ausschließlich das Verhältnis zum Obsiegen und Unterliegen berücksichtigt. Demgegenüber war es schon mit Rücksicht auf die vorangegangenen Schriftsätze der Beteiligten geboten, sich auch mit der Frage, ob der Antragsgegner Veranlassung zu dem Verfahren gegeben hat, zu befassen.

Gemäß § 243 Satz 2 Nr. 4 FamFG ist bei der Kostenentscheidung nach billigem Ermessen insbesondere auch ein sofortiges Anerkenntnis nach § 93 ZPO zu berücksichtigen. Ein solches ausdrückliches Anerkenntnis liegt hier zwar nicht vor. Der Antragsgegner hat aber, im Verfahren der Verfahrenskostenhilfe angehört, sogleich erklärt, er sei bereit, ab Oktober 2014 den verlangten Unterhalt in Höhe von 670 € monatlich zu zahlen. Im weiteren Verlauf des Verfahrens haben sich die Beteiligten dann mit Rücksicht auf die Gewährung von BAföG an die Antragstellerin in Höhe von 140 € monatlich durch Bescheid des Studentenwerks … vom 20.1.2015 auf einen vom Antragsgegner zu zahlenden monatlichen Unterhalt von 530 € verständigt. Vor diesem Hintergrund war es geboten, auch die Frage zu prüfen, ob eine etwaige Veranlassung des Verfahrens durch einen der Beteiligten bei der Billigkeitsentscheidung über die Kosten von Bedeutung ist.

Bei der Kostenentscheidung nach § 93 ZPO, die in § 43 Satz 2 Nr. 4 FamFG ausdrücklich genannt wird, ist neben dem sofortigen Anerkenntnis Voraussetzung für eine Kostenentscheidung zugunsten des Antragsgegners, dass dieser keine Veranlassung zur Einreichung des Antrags gegeben hat. Diesem Gesichtspunkt kann bei der Billigkeitsabwägung auch dann Bedeutung zukommen, wenn ein sofortiges Anerkenntnis i.S.v. §§ 243 Satz 2 Nr. 4 FamFG, 93 ZPO nicht gegeben ist. Im vorliegenden Fall lässt sich unter Berücksichtigung der vor Einleitung des Verfahrens gewechselten Schriftsätze nicht eindeutig festlegen, dass einer der Beteiligten Veranlassung zur Verfahrenseinleitung gegeben hat. Dies spricht dafür, die Kosten des Verfahrens gegeneinander aufzuheben.

Mit Anwaltsschreiben vom 16.10.2014 hat die Antragstellerin den Antragsgegner aufgefordert, bis spätestens zum 24.10.2014 anzuerkennen, dass ein Anspruch auf Ausbildungsunterhalt in Höhe von monatlich 670 € bestehe und den nach Unterhaltszahlung durch den Antragsgegner in Höhe von 400 € noch offenen Betrag von 270 € für Oktober 2014 innerhalb der gleichen Frist zu zahlen. Mit Anwaltsschreiben vom 13.11.2014 hat die Antragstellerin Bezug genommen auf ein nicht in den Gerichtsakten befindliches Schreiben vom 5.11.2014 und einen ablehnenden BAföG-Bescheid des Studentenwerks vom 6.11.2014 zur Kenntnisnahme übersandt. Zugleich hat sie hinsichtlich des offenen Betrags von 270 € für Oktober 2014 eine letzte Zahlungsfrist bis zum 19.11.2014 gesetzt und angekündigt, die gerichtliche Titulierung des Unterhaltsanspruchs unmittelbar zu beantragen, wenn der laufende Unterhalt ab Dezember 2014 nicht jeweils monatlich im Voraus zum ersten eines jeden Monats auf ihrem Konto eingehe. Der Antragsgegner hat sich mit Anwaltsschreiben vom 27.11.2014 für eine Fristverlängerung bedankt, ist auf die im Anwaltsschreiben vom 16.10.2014 vorgenommene Unterhaltsberechnung hinsichtlich einzelner Punkte eingegangen und hat abschließend vorgeschlagen, dass man Mitte der kommenden Woche versuchen sollte, telefonisch eine Verständigung über den zu zahlenden Unterhalt herbeizuführen. Hierauf der Verfahrensbevollmächtigte der Antragstellerin sogleich mit Schreiben vom 27.11.2014 reagiert und unter Bezugnahme auf das Schreiben der Gegenseite vom selben Tag erklärt, gern könne man sich hierzu Mitte kommender Woche telefonisch verständigen. Vorab hat sie in der Sache noch einzelne Punkte angesprochen. Im Anwaltsschreiben vom 4.12.2014 hat der Verfahrensbevollmächtigte des Antragsgegners bezugnehmend auf ein Telefonat mitgeteilt, dass der Antragsgegner einen Betrag in Höhe von 500 € unverzüglich überweisen werde. Hinsichtlich der Beantragung von Kindergeld werde vorsorglich darum gebeten, einen Nachweis über das Studium der Antragstellerin herzureichen. Mit Anwaltsschreiben vom 9.12.2014 schließlich hat die Antragstellerin dem Antragsgegner das Schreiben des Studentenwerks vom 9.12.2014 zu dem vorsorglich eingereichten Widerspruch übersandt und darum gebeten, die Schulbescheinigung für den Sohn N… des Antragsgegners kurzfristig, d. h. bis spätestens zum 23.12.2014, zu übersenden. Sofern BAföG gewährt werde, verringere dies selbstverständlich den Unterhaltsanspruch, weshalb es auch im eigenen Interesse des Antragsgegners liege, die Schulbescheinigung einzureichen. Drei Tage später ist dann die Antragsschrift vom 17.12.2014 beim Amtsgericht eingegangen.

Aus diesem in der Akte dokumentierten Ablauf, der allerdings ersichtlich den (schriftlichen) Austausch der Beteiligten vor Einleitung des Verfahrens nicht vollständig wiedergibt, lässt sich eine eindeutige Verantwortlichkeit eines der Beteiligten dafür, dass es der Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens bedurfte, nicht feststellen.

Einerseits hat die Antragstellerin in den Anwaltsschreiben vom 16.10. und 13.11.2014 hinreichend deutlich zu erkennen gegeben, dass sie auf eine Titulierung des verlangten Unterhalts bestehe. Ein Titulierungsinteresse ihrerseits (vgl. hierzu FamVerf/Gutjahr, § 1 Rn. 410) ist unzweifelhaft gegeben. Dies gilt umso mehr, als der Antragsgegner Unterhalt in schwankender Höhe, nämlich 400 € für Oktober 2014, 670 € für November 2014 und 500 € für Dezember 2014, geleistet hat.

Andererseits konnten die Äußerungen der Antragstellerin nach den beiden Schriftsätzen bei dem Antragsgegner den Eindruck erwecken, dass die Antragstellerin eine Klärung des Unterhalts auch außerhalb des gerichtlichen Verfahrens erstrebt. Im Anwaltsschreiben vom 27.11.2014 ist die Bereitschaft enthalten, sich „Mitte kommender Woche telefonisch zu verständigen“. Im Anwaltsschreiben vom 15.12.2014 wird dem Antragsgegner hinsichtlich der Schulbescheinigung für seinen Sohn N… eine Frist bis zum 23.12.2014 gesetzt. Da in diesem Anwaltsschreiben zugleich davon die Rede ist, dass eine Gewährung von BAföG den Unterhaltsanspruch verringert könnte, konnte der Antragsgegner dieses Schreiben auch so auffassen, dass man sich hinsichtlich der Höhe des Unterhalts noch im Stadium einer außergerichtlichen Klärung befinde, so dass er womöglich nicht schon mit einer Antragseinreichung zwei Tage später rechnen musste. Diese nicht ganz eindeutigen wechselseitigen Verlautbarungen rechtfertigen es, die Kosten des Verfahrens erstinstanzlich gegeneinander aufzuheben.

Eine solche Kostenverteilung wird durch den vom Amtsgericht hervorgehobenen Umstand des Obsiegens und Unterliegens, § 243 Satz 2 Nr. 1 FamFG nicht in Frage gestellt. Soweit das Amtsgericht ausgeführt hat, der Unterhaltsanspruch der Antragstellerin in Höhe von 670 € sei teilweise durch BAföG-Zahlungen gedeckt, so dass nur ein ungedeckter durch den Antragsgegner zu befriedigender Bedarf von 530 € verblieben sei, ist schon nicht erkennbar, wie das Amtsgericht auf diesem Weg zu einer Kostenverteilung von 1/4 : 3/4 gelangt. Darüber hinaus hat das Amtsgericht aber auch nicht beachtet, dass von vornherein nicht der geltend gemachte Gesamtanspruch in Höhe von 670 € im Streit stand. Denn der Antragsgegner hat nicht nur Unterhalt von 400 € für Oktober, von 670 € für November und von 500 € für Dezember 2014 geleistet. Er hat darüber hinaus auch, im Verfahrenskostenhilfeverfahren angehört, erklärt, zur Zahlung von 670 € monatlich bereit zu sein. Zu einer Ermäßigung der Unterhaltsschuld ist es dann erst gekommen, als der Antragstellerin mit Rückwirkung Leistungen nach dem BAföG in Höhe von 140 € monatlich ab Oktober 2014 bewilligt worden waren. Hierbei handelt es sich um einen Umstand, der im Rahmen der Kostenentscheidung nicht zulasten eines Beteiligten zu würdigen ist. Vielmehr spricht auch dies dafür, die Kosten gegeneinander aufzuheben.

3.

Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens beruht ebenfalls auf § 243 FamFG. Insoweit gewinnt, weil andere Umstände nicht ersichtlich sind, das Verhältnis von Obsiegen und Unterliegen Bedeutung, § 243 Satz 2 Nr. 1 FamFG. Nachdem das Amtsgericht die Kosten des Verfahrens der Antragstellerin zu einem Viertel auferlegt hat, war es Beschwerdeziel des Antragsgegners, der Antragstellerin die Kosten des Verfahrens insgesamt aufzubürden. Gerechtfertigt ist aber, wie bereits ausgeführt, nur eine Kostenaufhebung, also eine gleichmäßige Heranziehung beider Beteiligten zu den Kosten des Verfahrens. Das bedeutet ein Obsiegen des Antragsgegners in der Beschwerdeinstanz von einem Drittel

(= 100 : 2 – 25100 - 25).    Die Wertfestsetzung beruht auf § 40 Abs. 1 FamGKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

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