OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 12.12.2001 - 8 A 539/01
Fundstelle
openJur 2011, 16951
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • vorher: Az. 10 K 5134/98
Tenor

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Arnsberg vom 20. Dezember 2000 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kostenentscheidung vorläufig vollsteckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Kläger produzieren im Rahmen des Bürgerfunks Programmbeiträge für den lokalen Rundfunk im Sinne des § 34 LRG NRW. Die Beteiligten streiten um die Höhe der vom Beklagten gewährten Zuschüsse für Programmbeiträge der Kläger, die im zweiten Quartal 1998 gesendet worden sind. Die streitige Bezuschussung erfolgte auf der Grundlage des 36 Abs. 1 LRG NRW. Satz 1 dieser Bestimmung ist durch das am 6. März 1998 in Kraft getretene 9. Rundfunkänderungsgesetz vom 10. Februar 1998 (GV NRW S. 148) um einen Halbsatz 2 (unterstrichen) wie folgt ergänzt worden:

"Die Landesanstalt für Rundfunk (LfR) kann im Rahmen ihres Haushalts 1. für Beiträge nach § 34 und 2. für Offene Kanäle in Kabelanlagen Zuschüsse gewähren; die Zuschüsse für Beiträge nach § 34 betragen mindestens 15 v.H. der Einnahmen der LfR. Die Zuschussbeiträge nach Satz 1 Nr. 1 und Nr. 2 sind im Haushaltsplan der LfR getrennt auszuweisen."

Mit Bescheid vom 24. August 1998 setzte der Beklagte den Zuschuss für alle im Verbreitungsgebiet 47 (Kreis S. ) im 2. Quartal 1998 gesendeten Bürgerfunkbeiträge insgesamt auf 14.220,58 DM fest und legte bei der Berechnung der auf die Kläger entfallenden Zuschüsse einen Förderbetrag von 2,74 DM pro Sendeminute zugrunde. Dieser Förderung lag der Haushaltsplan der LfR für das Haushaltsjahr 1998 zugrunde. Dieser wies im Ertragsplan unter Titel 1 "Erträge aus dem zusätzlichen Anteil an der einheitlichen Rundfunkgebühr (55 %)" einen Betrag von 24,787 Mio. DM aus. Unter Titel 2 "Betriebserträge" waren zusätzliche Erträge von 7,81 Mio. DM veranschlagt, so dass sich ein Gesamtertrag von 32,597 Mio. DM ergab. 260 TSD DM dieses Gesamtertrages waren zweckgebundene Einnahmen. Im Aufwandsplan waren unter Titel 4.1 für "Zuwendungen für Offene Kanäle im lokalen Rundfunk" 2,5 Mio. DM vorgesehen. Diese Fördersumme entspricht bezogen auf die Gesamterträge der LfR einem Anteil von 7,669 %.

Gegen den Zuwendungsbescheid legten die Kläger am 28. September 1998 Widerspruch mit der Begründung ein, dass der Beklagte bei der Berechnung der Förderzuschüsse nicht die Änderung des § 36 LRG NRW berücksichtigt habe. Er habe Bürgerfunkbeiträge nach § 34 LRG NRW entgegen § 36 Abs. 1 Satz 1, 2. Halbsatz LRG NRW nicht in Höhe von mindestens 15 % der Einnahmen der LfR gefördert.

Mit Widerspruchsbescheid vom 19. Oktober 1998 wies der Beklagte die Widersprüche der Kläger zurück. Zur Begründung führte er aus: Den Klägern stehe keine höhere Förderung zu. Die Vorschrift des § 36 Abs. 1 LRG NRW räume Bürgerfunkgruppen keinen Rechtsanspruch auf Zuwendungen ein, sondern beinhalte lediglich den Auftrag an die LfR, Bürgerfunkgruppen nach § 24 Abs. 4 LRG NRW zu fördern. Zudem seien Mittel für eine Erhöhung der Förderung nach dem geltenden Haushaltsplan nicht vorgesehen. Eine Ermächtigung zur Erhöhung der Fördermittel im laufenden Haushaltsjahr sehe weder die Finanzordnung der LfR noch das LRG NRW vor. Im Übrigen müsse eine Erhöhung der Fördermittel nicht zwingend zu einer Erhöhung der den Klägern gewährten Minutenförderung führen, weil die LfR - selbst wenn sie die Fördermittel für Bürgerfunkbeiträge aufzustocken hätte - auch besondere Projekte im Bürgerfunk bezuschussen könne.

Mit ihrer am 20. November 1998 erhobenen Bescheidungsklage haben die Kläger ihr Begehren weiter verfolgt. Zu ihrer Begründung haben sie ausgeführt, dass sie ein subjektives Recht auf Förderung hätten. § 36 LRG NRW diene objektiv den Interessen der Bürgerfunkgruppen. Hierfür spreche insbesondere die Vorschrift des § 36 Abs. 2 LRG NRW, die die Gewährung von Zuschüssen auf Antrag sowie die Antragsberechtigung regele. Durch die Änderung des § 36 Abs. 1 LRG NRW sei das Förderermessen des Beklagten dahingehend eingeschränkt worden, dass er nunmehr 15 % seiner Einnahmen für Zuschüsse zu Beiträgen nach § 34 LRG NRW aufzuwenden habe. Dem Beklagten verbleibe demnach bei der Förderung der genannten Beiträge nur noch hinsichtlich der Ausgestaltung der Förderung ein Ermessensspielraum. Da Übergangsvorschriften zu § 36 LRG NRW fehlten, gelte die Neuregelung bereits für das laufende Haushaltsjahr 1998. Auf eine fehlende Bereitstellung von Mitteln im Haushaltsplan 1998 könne sich der Beklagte nicht berufen, weil dieser im Außenverhältnis keine Bedeutung habe und vom Beklagten an die Vorgaben des § 36 Abs. 1 LRG NRW anzupassen sei.

Die Kläger haben beantragt,

den Beklagten unter entsprechender Aufhebung seines Zuschussbescheides vom 24. August 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Oktober 1998 zu verpflichten, wegen der sog. 15 %-Regelung in § 36 Abs. 1 Satz 1, 2. Halbsatz LRG NRW ihre Anträge auf Bezuschussung von Rundfunkbeiträgen für das 2. Quartal 1998 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat zur Begründung ausgeführt, dass § 36 Abs. 1 Satz 1 LRG NRW in der Auslegung der Kläger die LfR in ihrem Grundrecht auf Rundfunkfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG verletze. Sie sei Trägerin dieses Grundrechts, weil sie als unabhängige Anstalt des öffentlichen Rechts im Rahmen der Gesamtveranstaltung Rundfunk genuine Aufgaben der Freiheitssicherung im Rundfunkbereich wahrnehme. So beschränke sich ihre Tätigkeit nicht auf eine bloße Aufsichtsfunktion, sondern umfasse auch Gestaltungsaufgaben. Denn im Rahmen ihrer gruppenpluralen Organisationsform habe sie auch über die programmliche und technische Infrastruktur des privaten Rundfunks zu entscheiden. Deshalb dürften Exekutive und Legislative weder direkt noch indirekt Einfluss auf die Entscheidungen der LfR nehmen. Dies gelte auch für finanzielle Festsetzungen. Finanzausstattungsentscheidungen des Gesetzgebers hätten sich deshalb ausschließlich abstraktgenereller Regelungen zu bedienen, um dem Träger der Rundfunkfreiheit einen Entscheidungsspielraum zu belassen. Lege man § 36 Abs. 1 Satz 1, 2. Halbsatz LRG NRW wie die Kläger aus, verletze er den Grundsatz der Staatsferne, weil der Gesetzgeber in die Rolle eines Einzelentscheiders über Budgetfragen der LfR gerate. Diese Bewertung werde durch § 40 Abs. 2 des Rundfunkstaatsvertrages (RfStV) bestätigt. Dieser lasse zwar das Recht des Landesgesetzgebers unberührt, einen Teil des Anteils an der einheitlichen Rundfunkgebühr zu anderen Zwecken als zur Finanzierung der Landesmedienanstalten einzusetzen. Er erlaube dem Gesetzgeber aber nicht, innerhalb des der LfR zugewiesenen Gesamtbudgets einzelfallbezogene Verteilungsentscheidungen zu treffen. Darüber hinaus begegne § 36 Abs. 1 Satz 1, 2. Halbsatz LRG NRW unter dem Gesichtspunkt einer unzulässigen unechten Rückwirkung verfassungsrechtlichen Bedenken, weil der Haushaltsplan der LfR bei Inkrafttreten des 9. Rundfunkänderungsgesetzes bereits verabschiedet gewesen sei. Unter Beachtung der verfassungsrechtlich geschützten Selbstverwaltungsautonomie sei das Vertrauen der LfR auf den Fortbestand des bisherigen Rechtszustandes schutzwürdig. Ein besonderes Schutzbedürfnis ergebe sich daraus, dass die LfR bei einer Rückwirkung des geänderten § 36 Abs. 1 Satz 1, 2. Halbsatz LRG NRW zusätzliche Mittel in Höhe von 650 TSD DM zur Verfügung stellen müsse. Die gebotene verfassungskonforme Auslegung des § 36 Abs. 1 LRG NRW erfordere deshalb, das in dem 1. Halbsatz der LfR eröffnete Ermessen auch auf den 2. Halbsatz zu übertragen.

Durch Urteil vom 20. Dezember 2000 - zugestellt am 2. Januar 2001 - hat das Verwaltungsgericht der Klage stattgegeben. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Kläger eine Neubescheidung ihrer Förderanträge verlangen könnten, weil der Beklagte für die Bezuschussung von Bürgerfunkbeiträgen nach § 34 LRG NRW entgegen § 36 Abs. 1 Satz 1, 2. Halbsatz LRG NRW nicht 15 % seiner Einnahmen aufgewandt habe. Die Pflicht zur Mindestförderung von Programmbeiträgen nach § 34 LRG NRW verletze die LfR nicht in ihrem Grundrecht der Rundfunkfreiheit. Sie beinhalte keine staatliche Einflussnahme auf die "Programmfreiheit" der LfR, weil sie ihr die Entscheidung überlasse, welche Bürgerfunkgruppen und welche Programmbeiträge sie fördern wolle. Die gesetzliche Mindestförderung verstoße auch nicht gegen die Selbstverwaltungsautonomie der LfR, weil diese Autonomie nur im Rahmen der Bestimmungen des Rundfunkgesetzes, mithin auch des § 36 Abs. 1 Satz 1 LRG NRW bestehe. Die mangels einer Übergangsregelung bereits für das Haushaltsjahr 1998 geltende Neuregelung des § 36 Abs. 1 Satz 1, 2. Halbsatz LRG NRW beinhalte schließlich keine unzulässige unechte Rückwirkung, obwohl die LfR den Haushaltsplan 1998 bereits am 21. November 1997 beschlossen habe. Das mit der gesetzlichen Mindestförderung verfolgte Ziel der Qualitätsverbesserung von Beiträgen nach § 34 LRG NRW sei gewichtiger als das Vertrauensschutzinteresse des Beklagten.

Auf den Antrag des Beklagten vom 2. Februar 2001 hat der Senat die Berufung durch Beschluss vom 3. Juli 2001 zugelassen.

Zur Begründung seiner Berufung führt der Beklagte aus: Das Verwaltungsgericht habe die Vorschrift des § 36 Abs. 1 LRG NRW unzutreffend ausgelegt. Diese sei in sich widersprüchlich, weil der Gesetzgeber es versäumt habe, das dem Beklagten im ersten Halbsatz hinsichtlich der Beiträge nach § 34 LRG NRW eingeräumte Entschließungsermessen zu beseitigen. Aufgrund dieser Perplexität sei § 36 Abs. 1 Satz 1, 2. Halbsatz LRG NRW nicht anwendbar. Darüber hinaus sei die Bestimmung verfassungswidrig. Die Verfassungswidrigkeit folge daraus, dass der Gesetzgeber mit der dort bestimmten Mindestförderung eine konkrete Finanzierungsentscheidung zugunsten eines konkret definierten Adressatenkreises treffe. Dies laufe dem Grundsatz der Staatsferne zuwider. Denn die vom Verwaltungsgericht angenommene Entscheidungsfreiheit hinsichtlich der näheren Ausgestaltung der Beiträgeförderung bestehe tatsächlich nicht, weil die LfR gem. Art. 3 Abs. 1 GG zur Gleichbehandlung aller Bürgerfunkgruppen verpflichtet sei. Da auch die Bürgerfunkgruppen Träger der Rundfunkfreiheit seien, müsse sich die LfR jeglicher inhaltlichen oder programmlenkenden Auswahlkriterien enthalten. Entgegen den Ausführungen des Verwaltungsgerichts sei er, der Beklagte, im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens nicht vorzeitig über die Änderung des § 36 LRG NRW informiert worden. Erst am 29. Januar 1998 hätten ihn unbestätigte Meldungen über die streitbefangene Novellierung erreicht. Gegenteiliges ergebe sich auch nicht aus der vom Verwaltungsgericht angeführten Erwähnung von sog. "15 %- Gruppen" in den Erläuterungen zum Aufwandsplan des Haushaltsplanes. Dieser Begriff gehe nicht auf die neu eingeführte 15 %-Förderung zurück, sondern beruhe auf der Vorgabe des § 24 Abs. 4 Satz 1 LRG NRW, dass jede Veranstaltergemeinschaft in ihr tägliches Programm bis zu "15 v.H. der Sendezeit" Bürgerfunkbeiträge einzubeziehen habe. Da der Gesetzgeber es versäumt habe, für das Jahr 1998 eine Übergangsvorschrift zu verabschieden, wie er das für die mit dem 5. Rundfunkänderungsgesetz erfolgte Reduzierung des Anteils an der Rundfunkgebühr von 60 auf 55 % getan habe, beinhalte die Änderung des § 36 LRG NRW eine unzulässige unechte Rückwirkung und sei deshalb für das Jahr 1998 noch nicht anzuwenden.

Der Beklagte beantragt,

das erstinstanzliche Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Kläger beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigen das angefochtene Urteil. Die Entstehungsgeschichte sowie die übrigen mit dem 9. Rundfunkänderungsgesetz vorgenommenen Änderungen sprächen für eine Anwendbarkeit des § 36 Abs. 1 Satz 1, 2. Halbsatz LRG NRW für das Haushaltsjahr 1998. So sei der Bürgerfunk mit der Aufnahme eines Sendeumfangs von mindestens 60 Minuten in § 24 Abs. 4 LRG NRW und seiner Platzierung an einem hervorgehobenen Sendeplatz nicht unbeträchtlich aufgewertet worden. Es sei nahe liegend, dass der Gesetzgeber mit dieser Aufwertung auch erhöhte finanzielle Zuwendungen zur Qualitätssicherung der Bürgerfunkbeiträge habe anordnen wollen. Das Vertrauen des Beklagten auf den Fortbestand des alten Rechtszustands sei vor dem Hintergrund des bereits im Jahre 1997 eingeleiteten Gesetzgebungsverfahrens zur Novellierung des LRG NRW nicht schutzwürdig.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten.

Gründe

Die zugelassene und auch im Übrigen zulässige Berufung hat keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat der Klage im Ergebnis zu Recht stattgegeben.

I. Die als Verpflichtungsklage in Form der Bescheidungsklage statthafte Klage ist zulässig.

Insbesondere fehlt den Klägern nicht die nach § 42 Abs. 2 VwGO erforderliche Klagebefugnis. Es ist nicht ausgeschlossen, dass ihnen auf der Grundlage des § 36 Abs. 1 Satz 1 LRG NRW i.V.m. § 2 der Satzung der Landesanstalt für Rundfunk (LfR) über die Förderung Offener Kanäle im lokalen Rundfunk vom 6. Juli 1993, (GV NRW S. 484) - Fördersatzung - ein Anspruch auf die begehrte Neubescheidung ihrer Förderanträge für ihre im zweiten Quartal 1998 gesendeten Programmbeiträge zusteht.

II. Die Klage ist auch begründet. Die Kläger haben einen Anspruch auf Neubescheidung ihrer Förderanträge für ihre im zweiten Quartal 1998 gesendeten Programmbeiträge. Die angefochtenen Bescheide des Beklagten sind rechtswidrig, weil der Beklagte für die Förderung von Programmbeiträgen nach § 34 LRG NRW nicht - wie dies § 36 Abs. 1 Satz 1, 2. Halbsatz LRG NRW zwingend vorschreibt - mindestens 15 % der Einnahmen der LfR aufgewandt hat.

1. Rechtsgrundlage für die begehrte Neubescheidung ist § 36 Abs. 1 Satz 1 LRG NRW in Verbindung mit § 2 der Fördersatzung der LfR. Nach § 36 Abs. 1 Satz 1 LRG NRW kann die LfR im Rahmen ihres Haushalts für Beiträge nach § 34 LRG NRW und Offene Kanäle in Kabelanlagen Zuschüsse gewähren (1. Halbsatz); die Zuschüsse für Beiträge nach § 34 LRG NRW betragen mindestens 15 vom Hundert der Einnahmen der LfR (2. Halbsatz). Der 1. Halbsatz des § 36 Abs. 1 Satz 1 LRG NRW ("...kann...Zuschüsse gewähren...") räumt der LfR nicht nur hinsichtlich der Förderung Offener Kanäle, sondern grundsätzlich auch hinsichtlich der Förderung von Beiträgen nach § 34 LRG NRW ein Ermessen ein; ergänzend ermächtigt § 36 Abs. 4 LRG NRW die LfR, durch Satzung die Einzelheiten der Zuschussgewährung zu regeln. Dieses Ermessen schränkt der 2. Halbsatz des § 36 Abs. 1 Satz 1 LRG NRW allerdings insoweit ein, als das Gesamtvolumen der Zuschussgewährung für Programmbeiträge im Sinne von § 34 LRG NRW mindestens 15 % der Einnahmen der LfR betragen muss. Der LfR wird die 15 %-ige Mindestförderung mit der Formulierung "Zuschüsse nach § 34 betragen" zwingend vorgegeben. Dieses sich aus dem Wortlaut ergebende Verständnis des § 36 Abs. 1 Satz 1 LRG NRW entspricht auch dem in den Materialien des 9. Rundfunkänderungsgesetzes zum Ausdruck kommenden Willen des Gesetzgebers. Nach dem Bericht und der Beschlussempfehlung des Hauptausschusses des Landtages zum Gesetzesentwurf der Landesregierung sieht die Vorschrift "einen festen Anteil von 15 v.H. der Einnahmen für Zuschüsse der LfR an den Bürgerfunk" vor,

vgl. LT-Drs. 12/2789, S. 100.

Entgegen der Auffassung des Beklagten steht der so verstandene 2. Halbsatz des § 36 Abs. 1 Satz 1 LRG NRW nicht in einem unauflösbaren Widerspruch zum 1. Halbsatz. Mit der verbindlichen Festlegung eines Mindestförderbetrages für Beiträge nach § 34 LRG NRW wird das der LfR nach dem 1. Halbsatz grundsätzlich eingeräumte Ermessen lediglich insoweit gebunden, als das "Ob" sowie der finanzielle Mindestgesamtumfang der Förderung von Beiträgen nach § 34 LRG NRW nicht mehr zur Disposition des Beklagten stehen. Nach welchen Auswahlkriterien das von § 36 Abs. 1 Satz 1, 2. Halbsatz LRG NRW vorgegebene Mindestfinanzvolumen unter den Bürgerfunkgruppen verteilt wird und ob eine über das Mindestmaß hinausgehende Förderung erfolgt, steht indessen auch nach der Neuregelung des § 36 Abs. 1 Satz 1 LRG NRW im pflichtgemäßen Ermessen des Beklagten. Unberührt von der ermessensbeschränkenden Neuregelung bleibt darüber hinaus die vom 2. Halbsatz des § 36 Abs. 1 Satz 1 LRG NRW nicht erfasste Förderung Offener Kanäle in Kabelanlagen.

§ 36 Abs. 1 Satz 1 LRG NRW berechtigt und verpflichtet nicht nur die LfR, Zuschüsse zu gewähren, sondern entfaltet zugleich auch eine unmittelbare Wirkung gegenüber den Zuschussempfängern. Mit dieser Regelung gewährt das Landesrundfunkgesetz NRW den Klägern ein subjektives Recht auf fehlerfreie Betätigung des der LfR eingeräumten Förderermessens. Der Einräumung des Förderermessens und der Pflicht, ein Mindestfördervolumen zu gewähren, korrespondiert ein subjektives Recht der betroffenen Subventionsberechtigten mit der Folge, dass die das Ermessen eröffnende und zugleich bindende Norm auch Schutzwirkung zu ihren Gunsten entfaltet. Das vom Gesetzgeber verfolgte Ziel, mit der Einführung der 15 %- Mindestförderung zu einer Verbesserung der finanziellen Situation der Bürgerfunkgruppen beizutragen,

vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Hauptausschusses, LT-Drs. 12/2789, S. 100; Redebeiträge der Abgeordneten Eumann (SPD) und Appel (Bündnis 90/Die Grünen) in der 2. Lesung des Gesetzesentwurfs im Landtag am 4. Februar 1998, Plenarprotokoll 12/78, S. 6491, 6495 f.,

kann effektiv nur erreicht werden, wenn der Bestimmung des § 36 Abs. 1 Satz 1, 2. Halbsatz LRG NRW die Bedeutung einer zugunsten der Bürgerfunkgruppen zu beachtenden Beschränkung des Förderermessens des Beklagten zukommt. Der Regelungsgehalt des § 36 Abs. 1 LRG NRW ist weder auf eine haushaltsrechtliche Vorgabe an die LfR noch allgemein auf eine "rahmenrechtliche", erst durch die Fördersatzung der LfR auszufüllende oder umzusetzende Vorschrift beschränkt. Der systematische Zusammenhang mit Abs. 2 derselben Vorschrift macht deutlich, dass § 36 LRG NRW unmittelbar geltende Regelungen mit Schutzwirkung zugunsten der betroffenen Zuschussempfänger enthält, die nicht erst der Umsetzung durch die LfR bedürfen; die LfR regelt lediglich die "Einzelheiten der Zuschussgewährung" durch Satzung (§ 36 Abs. 4 LRG NRW), soweit der Gesetzgeber sie nicht bereits unmittelbar geregelt hat. So sieht § 36 Abs. 2 Satz 1 LRG NRW für die Förderungsgewährung ein Antragsverfahren vor, regelt sein Satz 3, wer "antragsberechtigt" ist, und bestimmt sein Satz 2, dass die Zuschüsse für Beiträge nach § 34 die tatsächlichen Kosten für die Herstellung dieser Beiträge nicht überschreiten dürfen. Mit den in Satz 3 aufgeführten antragsberechtigten Personen - den Veranstaltergruppen nach § 24 Abs. 4 Satz 1 LRG NRW und den Arbeitsgemeinschaften nach § 35 Abs. 1 LRG NRW - wird ein individualisierbarer Kreis benannt, der deutlich macht, dass die Förderung offener Kanäle gerade im Interesse dieser Personengruppen, zu denen auch die Kläger zählen, erfolgt. In vergleichbarer Weise beinhaltet § 36 Abs. 1 Satz 1, 2. Halbsatz LRG NRW eine unmittelbar auch im Außenverhältnis wirkende Bindung des dem Beklagten eingeräumten Förderermessens, die dieser im Interesse der Bürgerfunkgruppen zu beachten hat.

2. Steht die Entscheidung, ob Offene Kanäle im lokalen Rundfunk in dem in § 36 Abs. 1 Satz 1, 2. Halbsatz LRG NRW bezeichneten Mindestumfang zu unterstützen sind, demnach nicht zur Disposition des Beklagten, so hat er Bürgerfunkbeiträge in Höhe von 15 % der Einnahmen der LfR zu fördern. Der Begriff der Einnahmen ist hierbei mangels näherer Begrenzung im Sinne aller von der LfR erzielten Einnahmen, mit Ausnahme der zweckgebundenen Mittel, zu verstehen. Es ist nicht erkennbar, dass der Gesetzgeber den Begriff "Einnahmen" in § 36 Abs. 1 Satz 1, 2. Halbsatz LRG NRW auf den der LfR zustehenden Anteil an der einheitlichen Rundfunkgebühr (vgl. § 65 Abs. 2 LRG NRW) hat beschränken wollen. Hätte er dies beabsichtigt, wäre zu erwarten gewesen, dass er das nach § 36 Abs. 1 Satz 1, 2. Halbsatz LRG NRW zur Förderung bereit zu stellende Finanzvolumen auf einzelne der in § 65 Abs. 1 LRG NRW gesetzlich bestimmten und ausdrücklich unterschiedenen Einnahmearten der LfR begrenzt hätte. Zu einer derartigen ausdrücklichen Beschränkung der für die Förderung des lokalen Bürgerfunks vorgesehenen Einnahmen hätte für den Gesetzgeber umso mehr Veranlassung bestanden, als die LfR aufgrund des auch für sie geltenden haushaltsrechtlichen Grundsatzes der Kostendeckung (vgl. § 17 der Finanzordnung der LfR vom 14. Oktober 1988, GV NRW S. 424 i.d.F. vom 11. Oktober 1996, GV NRW S. 427 - Finanzordnung) grundsätzlich gehalten ist, alle Finanzmittel für alle ihr obliegenden Aufgaben zur Verfügung zu stellen. Ausgenommen vom Einnahmebegriff des § 36 Abs. 1 Satz 1 LRG NRW sind lediglich die zweckgebundenen Erträge. Eine Berücksichtigung zweckgebundener Mittel würde, insbesondere wenn diese Mittel etwa im Hinblick auf besondere Investitionsvorhaben in einzelnen Zeitabschnitten eine besondere Höhe erreichen, zu einer deutlichen Erhöhung der Berechnungsgrundlage und damit zu einer vom Gesetzgeber offensichtlich nicht gewollten überproportionalen Schmälerung der für die LfR frei verfügbaren Mittel führen.

Einem weiten Verständnis des Einnahmebegriffs im Sinne von § 36 Abs. 1 Satz 1, 2. Halbsatz LRG NRW stehen die im Rahmen einer staatsvertragskonformen Auslegung zu berücksichtigenden Vorgaben des Staatsvertrages über den Rundfunk im vereinten Deutschland vom 31. August 1991 i.d.F. des 5. Staatsvertrages zur Änderung rundfunkrechtlicher Staatsverträge vom 6. Juli/7. August 2000 (GV NRW S. 706) nicht entgegen. Zwar sieht § 40 Abs. 1 Nr. 2 RfStV vor, dass der den Landesmedienanstalten zustehende Anteil von 2 % an der einheitlichen Rundfunkgebühr (vgl. § 7 Abs. 1 des Rundfunkgebührenstaatsvertrages - RgebSTV -, § 10 Abs. 1 des Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrages - RfinSTV -) auch für die Förderung Offener Kanäle verwendet werden kann. Diese Bestimmung ermächtigt den Landesgesetzgeber jedoch lediglich, die Verwendung eines Anteils der vorrangig zur Finanzierung des öffentlichenrechtlichen Rundfunks bestimmten (vgl. § 12 Abs. 1 RfStV) einheitlichen Rundfunkgebühr auch für die in § 40 RfStV abschließend genannten anderen Zwecke zuzulassen. Vorgaben hinsichtlich der Verwendung anderer Finanzierungsquellen als des Anteils der Landesmedienanstalten an der einheitlichen Rundfunkgebühr trifft die Regelung des § 40 RfStV demgegenüber nicht.

Vgl. die amtliche Begründung der Vorläufervorschrift des Art. 6 des Staatsvertrages zur Neuordnung des Rundfunkwesens vom 03. April 1987, GV NW S. 405: "Absatz 1 lässt die Verwendung eines zusätzlichen Anteils an der einheitlichen Rundfunkgebühr zur Finanzierung der darin abschließend genannten besonderen Aufgaben des Rundfunks zu...", zit. nach Hartstein/Ring/Kreile, Rundfunkstaatsvertrag, 1989, Amtl. Begründung zu Art. 6; ders. Art. 6 Rn. 6; Hoffmann-Riem, Finanzierung und Finanzkontrolle der Landesmedienanstalten, 1994, § 10 B, S. 120.

3. Die Bestimmung des § 36 Abs. 1 Satz 1, 2. Halbsatz LRG NRW findet auf die streitbefangenen Programmbeiträge der Kläger Anwendung. Diese sind gesendet worden, nachdem das 9. Rundfunkänderungsgesetz, mit dem die Vorschrift des § 36 Abs. 1 Satz 1 LRG NRW um den 2. Halbsatz ergänzt wurde, am 6. März 1998 in Kraft getreten war. Anhaltspunkte dafür, dass nach dem Willen des Gesetzgebers die Neuregelung mit Rücksicht auf die der LfR eingeräumte Haushaltsautonomie erst später Anwendung finden sollte, sind nicht erkennbar. Es mangelt insbesondere an einer entsprechenden Übergangsbestimmung, wie sie der Gesetzgeber zum Beispiel in Art. 1 Nr. 57 und Art. 2 Nr. 70 des 9. Rundfunkänderungsgesetzes für andere Regelungen getroffen hat. Vielmehr spricht die Entstehungsgeschichte des 9. Rundfunkänderungsgesetzes für eine sofortige Anwendbarkeit des neu eingeführten 2. Halbsatzes in § 36 Abs. 1 Satz 1 LRG NRW. Da der Gesetzgeber zeitgleich in § 24 Abs. 4 LRG NRW die Mindestsendezeit des Bürgerfunks ausgeweitet und damit einen erhöhten Finanzbedarf bei den Bürgerfunkgruppen geschaffen hat, liegt es nahe, dass der Bürgerfunk auch mit sofortiger Wirkung von der erhöhten Mindestförderung profitieren sollte.

Die Neuregelung liefert auch keinen Anhalt dafür, dass die mit ihr eingeführte Mindestförderung rückwirkend auf Beiträge Anwendung findet, die in der Zeit bis zum 5. März 1998 und damit vor dem Inkraftreten des Gesetzes gesendet worden sind. Die Vorschrift des § 36 Abs. 1 Satz 1, Halbsatz 2 LRG NRW ordnet vielmehr ausdrücklich die 15 %-ige Mindestförderung lediglich für "Beiträge nach § 34" an und lässt mangels zeitlicher Vorgaben nicht erkennen, dass auch vor Inkrafttreten des Gesetzes gesendete Beiträge von der Mindestförderung erfasst werden sollen. Gegenteiliges ergibt sich nicht daraus, dass der Beklagte die hier streitigen Zuschüsse gem. § 9 Abs. 2 der Fördersatzung der LfR jeweils am Ende eines Vierteljahres entsprechend dem für das jeweilige Vierteljahr nachgewiesenen Sendevolumen gewährt. Denn diese Art der Förderungsgewährung stellt lediglich eine der Verwaltungspraktikabilität dienende Abrechnungsweise dar, die auf die Entstehung des Förderungsanspruchs keinen Einfluss hat.

Dass die LfR mit dem bereits im November 1997 beschlossenen Haushaltsplan nicht die nötigen Mittel für die nach § 36 Abs. 1 Satz 1, 2. Halbsatz LRG NRW vorgeschriebene Mindestförderung in ihren Haushalt für das Jahr 1998 eingestellt hat, berührt die dem Beklagten gesetzlich obliegende Pflicht zur Mindestförderung von Programmbeiträgen im lokalen Rundfunk nicht. Der Haushaltsplan wirkt als Innenrecht unmittelbar nur im Organbereich der Körperschaft, für die er bestimmt ist, hier also nur zwischen den Organen der LfR.

Vgl. BVerfG, Beschluss vom 22. Oktober 1974 - 1 BvL 3/72 -, BVerfGE 38, 121 (126).

Rechtswirkungen außerhalb dieses Organbereichs entfaltet er dagegen nicht; durch ihn werden Ansprüche oder Verbindlichkeiten Dritter weder begründet noch aufgehoben (vgl. § 3 Abs. 3 der Finanzordnung der LfR). Gesetzlich begründete Ermessensbindungen - wie die Mindestförderung nach § 36 Abs. 1 Satz 1, 2. Halbsatz LRG NRW - dürfen wegen fehlender Veranschlagung von Mitteln im Haushaltsplan nur dann unbeachtet bleiben, wenn das sachliche Recht dies ausdrücklich zulässt.

Vgl. BSG, Urteil vom 25. Oktober 1990 - 7 Rar 14/90 -, NZA 1991, 404.

Dies ist bei der hier streitigen Mindestförderung Offener Kanäle im lokalen Rundfunk nicht der Fall. § 36 Abs. 1 Satz 1 LRG NRW hat es nicht der LfR überlassen, das Mindestfördervolumen in Höhe von 15 % der Einnahmen unter den Vorbehalt eingestellter oder erschöpfter Haushaltsmittel zu stellen. Zwar sieht der 1. Halbsatz dieser Vorschrift vor, dass die LfR Offene Kanäle "im Rahmen ihres Haushalts" fördern könne. Halbsatz 2 derselben Vorschrift schränkt jedoch - wie ausgeführt - das damit eröffnete Ermessen ein und verpflichtet die LfR zu einer Mindestförderung. Es liefe dem mit Halbsatz 2 verfolgten Zweck zuwider, die zwingende Mindestförderung an Maßgaben des Haushalts zu binden.

Gilt somit die Mindestförderung (erst) ab dem 6. März 1998, so ist für die vom 6. März bis 31. Dezember 1998 gesendeten Bürgerfunkbeiträge das Mindestfördervolumen anteilig entsprechend dem geringeren Förderzeitraum zu reduzieren. Bezugsgröße für das 15 % - Fördervolumen sind nicht die gesamten Einnahmen der LfR im Jahr 1998; dies liefe auf eine vom Gesetz nicht gewollte Bevorteilung der im weiteren Verlauf des Jahres 1998 gesendeten Beiträge hinaus, weil der Bezugsgröße der ganzjährigen Einnahmen ein geringerer Förderungszeitraum gegenüberstünde. Um diese unangemessene Bevorzugung der zwischen dem 6. März und 31. Dezember 1998 gesendeten Programmbeiträge zu vermeiden, ist der Begriff der Einnahmen der LfR i.S.d. § 36 Abs. 1 Satz 1, 2. Halbsatz LRG NRW für das Jahr 1998 dahingehend zu verstehen, dass die zweckungebundenen Einnahmen des Jahres 1998 nur anteilig (301/365 x zweckungebundene Einnahmen) als Bezugsgröße für die 15 %-ige Mindestförderung zugrunde zu legen sind. Dem hat der Beklagte bislang noch nicht Rechnung getragen.

4. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die so verstandene Vorschrift des § 36 Abs. 1 Satz 1, 2. Halbsatz LRG NRW bestehen nicht.

a) Sie entspricht den Anforderungen der durch Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG gewährleisteten Rundfunkfreiheit. Insbesondere verletzt sie nicht das aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG folgende Gebot der Staatsfreiheit des Rundfunks.

Rundfunkfreiheit im Sinne des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG ist in erster Linie Programmfreiheit, die staatlichen Einfluss auf die Programme der Rundfunkveranstalter verbietet. Sie schützt nicht nur vor unmittelbaren Einflüssen, sondern untersagt auch Einflussnahmen des Staates, die die Programmfreiheit mittelbar beeinträchtigen.

Vgl. BVerfG, Urteil vom 4. November 1986 - 1 BvF 1/84 -, BVerfGE 73, 118 (183); Urteil vom 5. Oktober 1991 - 1 BvF 1/85, 1/88 -, BVerfGE 83, 238 (322); Urteil vom 22. Februar 1994 - 1 BvL 30/88 -, BVerfGE 90, 60 (87)

Das Erfordernis der Staatsfreiheit bezieht sich auf die Funktion des Rundfunks als Medium und Faktor bei der Meinungsbildung. Diese soll unbeeinflusst vom Staat ausgeübt werden. Dagegen hindert Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG den Staat nicht, die Rahmenbedingungen für die Erfüllung dieser Funktion festzusetzen. Das Grundgesetz verpflichtet ihn im Gegenteil, die Rundfunkfreiheit in geeigneter Weise auszugestalten und zu sichern; dabei darf dem Staat aber kein Einfluss auf Auswahl, Inhalt und Gestaltung der Programme eingeräumt werden .

vgl. BVerfG, Urteil vom 16. Juni 1981 - 1 BvL 89/78 -, BVerfGE 57, 295 (319 f.); Urteil vom 5. Oktober 1991 - 1 BvF 1/85, 1/88 -, BVerfGE 83, 238, 322 f.; Urteil vom 6. Oktober 1992 - 1 BvR 1586/89 und 487/97 -, BVerfGE 87, 181 (197 f.); Urteil vom 22. Februar 1994 - 1 BvL 30/88 -, BVerfGE 90, 60, 88.

Dies gilt auch für den lokalen Rundfunk. Auch er muss grundsätzlich rechtlich so ausgestaltet werden, dass er imstande ist, dem verfassungsrechtlichen Ziel freier individueller und öffentlicher Meinungsbildung zu dienen. Dieses Ziel verlangt auch im lokalen Bereich gleichgewichtige Vielfalt der Meinungen im Gesamtangebot des Sendegebiets. Dafür hat der Gesetzgeber Sorge zu tragen. Er muss sicherstellen, dass der Rundfunk die Vielfalt der Themen und Meinungen aufnimmt und wiedergibt, die in der Gesellschaft eine Rolle spielen.

Vgl. BVerfG, Beschluss vom 24. März 1987 - 1 BvR 147, 478/86 -, BVerfGE 74, 297 (327).

Dabei muss er den Besonderheiten des lokalen Bereichs Rechnung tragen. Namentlich die häufig anzutreffende Monopolstellung der örtlichen Zeitungsverlage erfordert besondere Vorkehrungen gegen die Entstehung vorherrschender multimedialer Meinungsmacht. Wie der Gesetzgeber diese Aufgabe im Einzelnen erfüllt, ist Sache seiner politischen Entscheidung. Bei der gesetzlichen Ausformung seiner Grundentscheidungen genießt er weit gehende Gestaltungsfreiheit. Diese endet erst dort, wo die gesetzliche Regelung zwingende Anforderungen des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG außer Acht lässt oder nicht geeignet ist, die dienende Funktion des Rundfunks wirksam zu sichern.

Vgl. BVerfG, Urteil vom 4. November 1986 - 1 BvF 1/84 -, BVerfGE 73, 118 (177); Urteil vom 5. Oktober 1991 - 1 BvF 1/85, 1/88 -, BVerfGE 83, 283 (324)

Die Bestimmung des § 36 Abs. 1 Satz 1, 2. Halbsatz LRG NRW entspricht diesen Anforderungen.

Die Mindestförderung des Lokalfunks beinhaltet keine unzulässige Einflussnahme des Staates auf den privaten Rundfunk innerhalb der dualen Rundfunkordnung. Insbesondere nimmt sie keinen Einfluss auf Auswahl, Inhalt und Gestaltung der Programme der privaten Rundfunkveranstalter. Auch in der Förderung des Bürgerfunks als Programmkategorie liegt keine unzulässige staatliche Einflussnahme. Sie zielt vielmehr darauf, auch im lokalen Bereich gleichgewichtige Vielfalt der Meinungen im Gesamtangebot des Sendegebiets zu sichern. Den hier in Rede stehenden Programmbeiträgen nach § 34 LRG NRW kommt nach dem nordrheinwestfälischen Rundfunkmodell für die Gewährleistung der Meinungsvielfalt im lokalen Rundfunk eine nicht unmaßgebliche Bedeutung zu. Nach § 24 Abs. 1 LRG NRW müssen lokale Programme das öffentliche Geschehen im Verbreitungsgebiet darstellen, die Vielfalt der Meinungen in bestmöglicher Breite und Vollständigkeit zum Ausdruck bringen sowie die bedeutsamen politischen, weltanschaulichen und gesellschaftlichen Kräfte und Gruppen im Verbreitungsgebiet zu Wort kommen lassen. Diesem für den lokalen Rundfunk ausgestalteten Programmgrundsatz der Meinungsvielfalt dienen die Programmbeiträge nach § 34 LRG NRW. Mit ihrer Zulassung nach § 24 Abs. 4 LRG NRW wollte der Gesetzgeber auch solchen lokalen Gruppen, die keine Vertreter in die Veranstaltergemeinschaft entsenden, eine begrenzte Teilhabe ermöglichen, um die thematische Breite und meinungsmäßige Vielfalt des Programmangebots im lokalen Rundfunk zu erhöhen.

Vgl. BVerfG, Urteil vom 5. Februar 1991 - 1 BvF 1/85, 1 BvF 1/88 -, BVerfGE 83, 238 (328); OVG NRW, Urteil vom 27. Oktober 1998 - 5 A 1816/97 -, UA S. 11 f.

Neben diesem auf die Herstellung eines vielfältigen Programmangebots zielenden Zweck dienen die Bürgerfunkbeiträge im lokalen Rundfunk auch der Verwirklichung des durch Art. 5 Abs. 1 GG geschützten Rechts auf Kommunikation, indem sie jedermann die Möglichkeit zur aktiven Kommunikation unter Ausnutzung des Massenmediums Rundfunk einräumen wollen.

Zu diesem Zweck Offener Kanäle vgl. Hoffmann-Riem, Finanzierung und Finanzkontrolle der Landesmedienanstalten, 1994, § 8 B II (S. 90).

Diese Funktion des Bürgerfunks, grundsätzlich jedermann den Zugang zum Medium Rundfunk zu ermöglichen, setzt allerdings voraus, dass die Berechtigten die finanziellen und technischen Möglichkeiten haben, Sendungen zu produzieren. "Bürgerfunker" müssen zudem über hinreichende Kenntnisse verfügen, um ihre Programmbeiträge inhaltlich und technisch so gestalten zu können, dass diese "sendefähig" sind. Werden bestimmte journalistische Mindestvoraussetzungen nicht erfüllt, besteht die Gefahr, dass die Adressaten das Programm abschalten und das mit dem Bürgerfunk angestrebte Ziel letztlich verfehlt wird. Die finanzielle Förderung des Bürgerfunks auf der Grundlage des § 36 Abs. 1 Satz 1 LRG NRW soll daher erst die tatsächlichen Voraussetzungen dafür schaffen, dass Bürger das ihnen nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG eingeräumte Grundrecht ausüben können. Die finanzielle Förderung soll eine Zuschussgewährung zu den Produktionskosten der einzelnen Sendebeiträge ermöglichen; sie soll ferner die Möglichkeit eröffnen, "Bürgerfunker" auszubilden, ihnen notwendige Fertigkeiten und Kenntnisse in Seminaren zu vermitteln oder sie kontinuierlich bei der Produktion von Sendungen beraten zu können. Insoweit ist auch die in § 36 Abs. 1 Satz, 2. Halbsatz LRG NRW vorgesehene Mindestförderung verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Sie hält sich innerhalb des dem Gesetzgeber durch Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG vorgegebenen Gestaltungsspielraums. Mit ihr wird der Bedeutung der Bürgerfunkbeiträge für den lokalen Rundfunk Rechnung getragen, die durch die nunmehr vorgesehene Mindestsendedauer von 60 Minuten sowie ihren festgelegten hervorgehobenen Sendeplatz (vgl. § 24 Abs. 4 LRG NRW in der Fassung des 9. Rundfunkänderungsgesetzes) noch erhöht worden ist. Mit der Unterstützung solcher Gruppen, die ohne ausreichende technische und finanzielle Ausstattung nicht oder nur sehr eingeschränkt Zugang zum privaten Rundfunk erhalten könnten, sollen hinreichende Bedingungen geschaffen werden, dass diese Gruppen das ihnen nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG eingeräumte Grundrecht auch tatsächlich ausüben können. In diesem Sinne dient die Mindestförderung dem Ziel einer gleichgewichtigen Vielfalt der Meinungen auch im lokalen Bereich.

Der Gesetzgeber hat seinen Gestaltungsspielraum auch nicht hinsichtlich der Höhe der dem Bürgerfunk zu gewährenden Förderung überschritten. Er hat gewährleistet, dass das in § 36 Abs. 1 Satz 1, 2. Halbsatz LRG NRW festgelegte Mindestfördervolumen nur insoweit an die Bürgerfunkgruppen verteilt wird, als es von dem aus der Rundfunkfreiheit folgenden Gestaltungsauftrag gerechtfertigt ist. Mit der Vorschrift des § 36 Abs. 2 Satz 2 LRG NRW ist sichergestellt, dass die ehrenamtlich tätigen Bürgerfunkgruppen Zuschüsse höchstens in Höhe der Produktionskosten ihrer Programmbeiträge erhalten und aus der öffentlichen Förderung keinen Gewinn erzielen können.

§ 36 Abs. 1 Satz 1, 2. Halbsatz LRG NRW verletzt auch nicht der LfR möglicherweise zustehende Grundrechtspositionen aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG. Insoweit kann offen bleiben, ob die LfR als Anstalt des öffentlichen Rechts (vgl. § 51 Abs. 1 LRG NRW) im Rahmen ihrer Zuständigkeit für das duale Rundfunkwesen deshalb Träger des Grundrechts aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG ist, weil sie dem aus der Verfassung resultierenden Gebot der Staatsferne folgend grundrechtssichernde Funktionen im Bereich des privaten Rundfunks in einer dem Staat gegenüber rechtlich verselbständigten Organisationsform wahrnimmt.

In diesem Sinne: BayVGH, Beschluss vom 24. März 1993 - 25 CS 93.483 u.a. -, NVwZ-RR 1993, 552 (553); Nolte, in: Albers/Heine/Seyfarth, Beobachten-Entscheiden- Gestalten, Symposion zum Ausscheiden von Dieter Grimmm aus dem Bundesverfassungsgericht, 2000, S. 161 ff. m.w.N.; Hartstein/Ring/Kreile, Rundfunkstaatsvertrag, 1989, Einf. Art. 12 Rn. 12 und 17 ff.; Hesse, Rundfunkrecht, 2. Aufl. 1998, Rn. 16 zum 5. Kap. III 1.a) (S. 214); offen lassend: BVerfG, Beschluss vom 9. Juli 1993 - 1 BvR 748/93 -, NVwZ-RR 1993, 550; a.A.: SächsVerfGH, Entsch. vom 21. März 1997 - Vf.10-IV-96 -, NJW 1997, 3015; Ricker/Schiwy, Rundfunkverfassungsrecht, 1997, Rn. 153 ff. zu B I 7 b) (S. 119 ff.).

Ein Verstoß gegen Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG unter dem Gesichtspunkt einer Verletzung der Finanzautonomie der LfR ist jedenfalls auch dann nicht gegeben, wenn die vom Bundesverfassungsgericht entwickelten Grundsätze zur Finanzierung öffentlichrechtlicher Rundfunkanstalten auf Landesmedienanstalten entsprechende Anwendung fänden. Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG gewährt keinen Anspruch auf eine bestimmte Finanzierungsregelung, sondern schreibt lediglich eine Finanzausstattung vor, die den Träger der Rundfunkfreiheit in den Stand versetzt, die ihm im Rahmen der dualen Rundfunkordnung zugewiesenen Aufgaben zu erfüllen.

Vgl. BVerfG, Urteil vom 22. Februar 1994 - 1 BvL 30/88 -, BVerfGE 90, 60 (90); zum vergleichbaren Schutzumfang der durch Art. 28 Abs. 2 GG den Kommunen garantierten Finanzautonomie vgl. BVerfG, Beschluss vom 15. Oktober 1985 - 2 BvR 1808 u.a./82 -, BVerfGE 71, 25 (37); Beschluss vom 7. Februar 1991 - 2 BvL 24/84 -, BVerfGE 83, 363 (386); Beschluss vom 26. Februar 1999 - 2 BvR 1268/96 -, DVBl. 1999, 840.

Dass die LfR den ihr obliegenden Aufgaben nicht mehr gerecht werden kann, wenn sie 15 % ihrer Einnahmen zur Förderung des lokalen Bürgerfunks einsetzen muss und damit ihre Haushaltsmittel nicht unerheblich "gebunden" werden, hat sie nicht vorgetragen. Dies ist angesichts ihrer Überschüsse, die sie ausweislich ihres Haushaltsplanes 1998 im Ertrags- und Aufwandsplan der mittelfristigen Finanzplanung im Zeitraum von 1997 bis 2001 erwirtschaftet bzw. veranschlagt hat, auch nicht zu erwarten.

Die in § 36 Abs. 1 Satz 1, 2. Halbsatz LRG NRW vorgesehene Mindestförderung wirkt auch nicht in von Verfassungs wegen zu beanstandender Weise auf die Erfüllung der von der LfR wahrzunehmenden Aufgaben ein. Die LfR übt keine Tätigkeit aus, mit der sie selbst - etwa als Programmveranstalter - von der durch das Grundrecht des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG gewährleisteten Freiheit Gebrauch macht. Sie leistet vielmehr einen wesentlichen Beitrag zur Schaffung einer freiheitlichen Rundfunkordnung, indem sie grundrechtliches Handeln anderer absichert, koordiniert oder in einen Organisationszusammenhang einbindet. Insoweit errichtet sie arbeitsteilig mit dem Gesetzgeber die von Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG auch für den privaten Rundfunk geforderte positive Ordnung. Wie der Gesetzgeber steht sie im Dienst der Vielfaltssicherung, die wesentliches Ziel des grundrechtlichen Schutzauftrags ist.

Vgl. Nolte, a.a.O., S. 184

Der Gesetzgeber hat im Rahmen seines Ausgestaltungsauftrags nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG die Befugnis, Aufgaben der LfR zu begrenzen oder rechtlich zu strukturieren.

Die gesetzgeberische Vorgabe, mindestens 15 % der Einnahmen der LfR für die Förderung von Bürgerfunkbeiträgen zu verwenden, hält sich innerhalb des von Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG vorgegebenen staatlichen Gestaltungsauftrags. Die Erfüllung der der LfR nach dem Landesrundfunkgesetz NRW übertragenen Aufgaben (vgl. § 52 LRG NRW), namentlich die Aufsicht über die privaten Rundfunkveranstalter sowie die Förderung und Unterstützung des privaten Rundfunks, werden nicht unangemessen beeinträchtigt. § 36 Abs. 1 Satz 1, 2. Halbsatz LRG NRW verpflichtet die LfR nicht zur Mindestförderung bestimmter Programme, sondern gibt ihr mit der auf sämtliche Bürgerfunkbeiträge im lokalen Rundfunk bezogenen Förderung lediglich abstrakt die Mindestbezuschussung einer ganzen Programmkategorie auf. Nach welchen Maßstäben Offene Kanäle im lokalen Rundfunk (§ 34 LRG NRW) im Einzelnen gefördert werden, hat der Gesetzgeber der Entscheidung der LfR überlassen. Diese entscheidet eigenständig über die Verwendung der Mindestfördersumme des § 36 Abs. 1 Satz 1, 2. Halbsatz LRG NRW. Ihr obliegt die Festlegung, ob etwa Modellprojekte, Experimente oder Qualifizierungsmaßnahmen gefördert werden (vgl. § 1 Abs. 3 der Fördersatzung) und nach welchen Kriterien einzelne Bürgerfunkbeiträge bezuschusst werden. Soweit die LfR zu einer bestimmten Mindestförderung des Bürgerfunks verpflichtet worden ist, ist diese Einschränkung der Entscheidungsfreiheit der LfR vom Auftrag des Gesetzgebers, die Rundfunkfreiheit zu sichern, gedeckt. Der maßgebliche Grund für die Mindestförderung besteht - wie ausgeführt - darin, die tatsächlichen Voraussetzungen für die Produktion qualitativ hinreichender, d.h. sendefähiger Bürgerfunkbeiträge zu verbessern. Diese angestrebte Qualitätsverbesserung soll als ein Teilelement der vom Gesetzgeber zu gestaltenden Rundfunkordnung sicherstellen, dass die Vielfalt der bestehenden Meinungen im Rundfunk in bestmöglicher Breite und Vollständigkeit Ausdruck findet und dass auf diese Weise umfassende Information geboten wird. Der Gesetzgeber wird damit zugleich seiner Aufgabe gerecht, konkurrierende Grundrechtspositionen zum Ausgleich zu bringen.

b) Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die mit dem 9. Rundfunkänderungsgesetz eingefügte Mindestförderung für Programmbeiträge im lokalen Rundfunk bestehen schließlich auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer möglichen Rückwirkung. Die Neuregelung trat am 6. März 1998 in Kraft, ohne sich rückwirkend auf vor diesem Zeitpunkt gesendete Beiträge zu erstrecken. Ob eine verfassungsrechtlich relevante Rückwirkung in dem Umstand liegt, dass die Mindestförderung des Bürgerfunks im Haushalt der LfR für 1998 noch nicht ihren Niederschlag gefunden hat, kann offen bleiben. Selbst wenn die Zulässigkeit der Bestimmung des § 36 Abs. 1 Satz 1, 2. Halbsatz LRG NRW nach den für Regelungen mit unechter Rückwirkung entwickelten Grundsätzen zu beurteilen wäre, bestünden keine Bedenken gegen ihre Verfassungsmäßigkeit.

Eine - hier allenfalls in Betracht kommende - Regelung mit unechter Rückwirkung ist grundsätzlich verfassungsrechtlich unbedenklich. Grenzen ihrer Zulässigkeit können sich lediglich aus dem Grundsatz des Vertrauensschutzes und dem Verhältnismäßigkeitsprinzip ergeben. Dies ist dann der Fall, wenn die vom Gesetzgeber angeordnete unechte Rückwirkung nicht geeignet oder nicht erforderlich ist oder wenn die Bestandsinteressen des Betroffenen die Änderungsgründe des Gesetzgebers überwiegen.

Vgl. BVerfG, Beschluss vom 14. Mai 1986 - 2 BvL 2/83 -, BVerfGE 72, 200 (241 ff.); Beschluss vom 7. November 1995 - 1 BvR 209/93 -, NVwZ 1996, 781 (783); Beschluss vom 15. Oktober 1996 - 1 BvL 44, 48/92 -, BVerfGE 95, 67 (86 f.); Beschluss vom 14. Oktober 1997 - 1 BvL 5/93 -, BVerfGE 96, 330 (340).

Das Inkrafttreten der Regelung über die Mindestförderung Offener Kanäle im lokalen Bürgerfunk während des laufenden Haushaltsjahres 1998 war geeignet und erforderlich, um das mit ihr angestrebte Ziel einer Verbesserung der finanziellen Situation der Bürgerfunkgruppen zu erreichen. Angesichts der mit dem 9. Rundfunkänderungsgesetz gleichzeitig erfolgten Ausweitung der Sendezeit von Programmbeiträgen nach § 34 LRG NRW hält sich der Gesetzgeber mit seiner Entscheidung, den Bürgerfunkgruppen mit sofortiger Wirkung eine verbesserte Förderung zu gewähren, im Rahmen des ihm zukommenden weiten Gestaltungsspielraums, der ihm auch bei der Bestimmung des Inkrafttretens einer gesetzlichen Neuregelung eingeräumt ist.

Vgl. BVerfG, Urteil vom 28. Februar 1980 - 1 BvL 136/78 u.a. -, BVerfGE 53, 224 (253 f.).

Gesichtspunkte des Vertrauensschutzes führen zu keiner anderen Beurteilung. Dahin stehen kann, ob das Vertrauensschutzinteresse der LfR als einer öffentlichrechtlichen Anstalt überhaupt geeignet ist, der Gestaltungsmacht des Gesetzgebers die aus aus dem Rückwirkungsverbot folgenden Beschränkungen aufzuerlegen. Jedenfalls fällt die Abwägung des Vertrauensschutzinteresses des Beklagten am Fortbestand des alten Rechtszustandes für das Haushaltsjahr 1998 mit der Bedeutung des gesetzgeberischen Anliegens für das Gemeinwohl zu Lasten des Beklagten aus. Das mit der gesetzlichen Neuregelung verfolgte Ziel, mit der eingeführten Mindestförderung eine Verbesserung der finanziellen Situation der Bürgerfunkgruppen zu erreichen und damit letztlich zu einer Qualitätssteigerung der Programme beizutragen, überwiegt das Interesse des Beklagten, von ausgabewirksamen Neuregelungen für das Haushaltsjahr 1998 verschont zu bleiben. Die LfR ist trotz der ihr gesetzlich eingeräumten Finanzautonomie verfassungsrechtlich nicht vor der Auferlegung einzelner Ausgabepflichten geschützt, wenn - wie hier - eine funktionsgerechte Finanzausstattung insgesamt gewährleistet ist.

Vgl. BVerfG, Urteil vom 22. Februar 1994 - 1 BvL 30/88 -, BVerfGE 90, 60 (90); zum vergleichbaren Schutzumfang der durch Art. 28 Abs. 2 GG den Kommunen garantierten Finanzautonomie vgl. BVerfG, Beschluss vom 15. Oktober 1985 - 2 BvR 1808 u.a./82 -, BVerfGE 71, 25 (37); Beschluss vom 7. Februar 1991 - 2 BvL 24/84 -, BVerfGE 83, 363 (386); Beschluss vom 26. Februar 1999 - 2 BvR 1268/96 -, DVBl. 1999, 840.

Darüber hinaus stellt die öffentliche Haushaltsplanung eine nur eingeschränkt schutzwürdige Form der Vertrauensbetätigung dar. Da ihr Zweck in der Feststellung und Deckung des voraussichtlichen Finanzbedarfs vor Beginn eines Haushaltsjahres besteht (vgl. § 62 Abs. 1, 2 LRG NRW, § 2 Finanzordnung), muss der öffentliche Haushaltsplan naturgemäß offen sein für erst nach seiner Aufstellung absehbare Veränderungen des Finanzbedarfs. Diesem Umstand trägt das Haushaltsrecht dadurch Rechnung, dass es eine Veränderung der Haushaltsplanung im Wege eines Nachtragshaushaltes ausdrücklich zulässt (vgl. § 11 Finanzordnung). Im Übrigen bestand im ersten Quartal 1998 noch ein ausreichender finanzieller Spielraum zur Änderung des Haushaltes. Dementsprechend lehnte die Rundfunkkommission eine aufgrund der Novellierung des § 36 Abs. 1 Satz 1 LRG NRW notwendig gewordene Änderung des Haushaltes nicht etwa deshalb ab, weil dies finanziell nicht möglich gewesen wäre, sondern weil der durch das 9. Rundfunkänderungsgesetz bewirkte Eingriff in den laufenden Haushalt aus grundsätzlichen Erwägungen für unzulässig gehalten wurde.

Vgl. die Niederschrift über die 48. Sitzung der Rundfunkkommission der LfR am 27. Februar 1998.

Das Vertrauen der LfR auf den Fortbestand des alten Rechtszustandes ist weiterhin auch deshalb nicht schutzwürdig, weil sie vor dem Hintergrund des bereits im Jahre 1997 eingeleiteten Gesetzgebungsverfahrens zur Änderung des LRG NRW schon zur Zeit der Verabschiedung ihres Haushaltes im November 1997 ausgabewirksame Neuregelungen für das Haushaltsjahr 1998 zumindest in Erwägung ziehen musste. Dies gilt umso mehr, als bereits mit dem Entschließungsantrag der Landtagsfraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen vom 11. Juni 1997 angeregt worden war, bei der anstehenden Novellierung des LRG NRW "eine komplementäre Finanzierung des Bürgerfunks durch die LfR und Verbesserungsmaßnahmen der Lokalsender vor Ort" zu prüfen.

Vgl. Entschließungsantrag der Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen vom 11. Juni 1997, LT-Drs. 12/2117, S. 5.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO, §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.

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