OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 23.02.2001 - 8 A 2935/00
Fundstelle
openJur 2011, 16939
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • vorher: Az. 10 K 4953/97
Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Köln vom 12. April 2000 geändert.

Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides des Bundesverwaltungsamtes vom 14. August 1996 und des Widerspruchsbescheides vom 12. Mai 1997 verpflichtet, für die Klägerin einen Staatsangehörigkeitsausweis auszustellen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleis-tung in Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Ausstellung eines Staatsangehörigkeitsausweises. Sie wurde am 2. Juli 19.. in G. P., Kreis R., Schlesien (heute: P. W., Polen), geboren. Ihre Eltern waren der am 8. Februar 18.. in J. , Kreis R. (heute: C. , Polen), geborene Schneidermeister J. W. und die am 22. Juli 18.. in G. P. geborene Martha W. , geb. G. . Sie hatten am 14. Juli 19.. in G. P. geheiratet. Die Eltern des Vaters waren K. W. und L. , geb. S. , die Eltern der Mutter R. G. und S. , geb. S. . Die Familie W. lässt sich nach Angaben der Klägerin in der Gegend bis ins Jahr 1776 zurückverfolgen.

Am 30. April 1949 heiratete die Klägerin in G. P. den Briefträger B. W. , geboren am 10. Juni 19.. in Z. bei B. (heute: Z. bei B. -B. , Polen). Seine Eltern waren der am 18. Februar 18.. in Z. , das damals zu Österreich gehörte (sog. Österreichisch-Ostschlesien), geborene und am 21. Oktober 19.. verstorbene J. oder J. W. , und die am 8. August 19.. ebenfalls in Z. geborene, 19.. dort verstorbene J. W. , geborene K. . Sie hatten am 14. Juni 19.. in Z. geheiratet. Die Eltern des Vaters des Ehemannes waren F. W. und A. , geb. G. . Die Eltern der Mutter des Ehemannes hießen J. K. und A. , geb. K. .

Die Klägerin und ihr inzwischen (am 17. April 19..) verstorbener Ehemann haben zwei Kinder, die am 26. November 19.. geborene Tochter J. , verheiratete M. , und den am 24. November 19.. geborenen Sohn J. (G. ). Die Tochter zog mit ihrer Familie 1977 nach Deutschland. Sie ist deutsche Staatsangehörige. Mitte der achtziger Jahre stellte sie für die Klägerin, deren Ehemann, den Bruder J. und dessen Kinder I. und R. D 1 - Anträge. Alle bekamen eine Übernahmegenehmigung des Bundesverwaltungsamtes (Visumsversprechen Nummer PO ... - ständig - Nr. 14 bis 18 vom 13. Februar 1987). Die Kinder des Sohnes J. der Klägerin erhielten gemeinsam mit ihrer Mutter A. A. , die ihre deutsche Staatsangehörigkeit von ihren Eltern ableitet, am 23. August 1994 einen Staatsangehörigkeitsausweis.

Unter dem 24. März 1992 beantragten die Klägerin und ihr Ehemann die Ausstellung von Staatsangehörigkeitsausweisen. Beide beriefen sich auf ihre deutsche Staatsangehörigkeit. Der Ehemann der Klägerin führte dazu aus: Seine Eltern seien bis 1922 österreichische Staatsbürger gewesen. Nachdem B. 1939 ins Deutsche Reich eingegliedert worden sei, sei er ohne Schwierigkeiten in die Gruppe III der Deutschen Volksliste eingetragen worden. 1942 sei er zum Reichsarbeitsdienst ins E. und kurz darauf in die Wehrmacht einberufen worden. Dort habe er bis zum Kriegsende 1945 Dienst getan. Mit entsprechenden Angaben hatte er sich unter dem 19. März 1992 an die Heimatortskartei, Abteilung Oberschlesien, gewandt, um eine Bestätigung seiner Eintragung in Gruppe III der Volksliste zu erlangen. Nach einem Schreiben der Deutsche Dienststelle für die Benachrichtigung der nächsten Angehörigen von Gefallenen der ehemaligen deutschen Wehrmacht (im Folgenden: WASt) vom 10. Mai 1991 ist dort über ihn bekannt, dass er am 16. Juni 1924 in Z. geboren ist, seine Heimatanschrift "Mutter: J. W., Z. Krs. B. Nr. 125" lautet und das Datum der ersten ermittelten Meldung der 20. Oktober 1942 ist. Die vorhandenen Wehrmachtsunterlagen enthielten keine Angaben zur Staatsangehörigkeit.

Die WASt ergänzte mit Schreiben vom 15. Februar 1993 an das beklagte Bundesverwaltungsamt die Angaben, die es bereits dem Ehemann der Klägerin gemacht hatte: Als Truppenteil sei dort "Schwere Flak.Ers.Abt. 37" bekannt, Aufzeichnungen über die Staatsangehörigkeit und über einen Aufenthalt in Kriegsgefangenschaft sowie über eine Zugehörigkeit zur Anders Armee seien nicht vorhanden. Im Krankenbuchlager B. sind keine Dokumente über den Kläger zu finden.

Nachdem weitere Ermittlungen, darunter unter anderem die Kontaktaufnahme zu zwölf von der Heimatortskartei Schlesien genannten Zeugen unergiebig geblieben waren, lehnte die Beklagte mit Bescheiden vom 14. August 1996 die Anträge der Klägerin und ihres Ehemannes auf Ausstellung von Staatsangehörigkeitsausweisen ab.

Der Antrag der Klägerin wurde abgelehnt, weil sie nach § 17 Nr. 6 RuStAG a.F. durch Eheschließung mit einem Ausländer die deutsche Staatsangehörigkeit verloren habe.

Die Ablehnung des Antrags des Ehemannes stützte die Beklagte im Wesentlichen darauf, dass der Ehemann die deutsche Staatsangehörigkeit nur über eine Eintragung in der Deutschen Volksliste und die Volkslistenverordnung erworben haben könne. Dies sei aber nicht nachgewiesen. Einen direkten Nachweis durch Vorlage eines blauen bzw. grünen Volkslistenausweis habe er nicht erbracht. Von einer Wehrmachtszugehörigkeit könne allein aufgrund der bei der WASt vorliegenden einzelnen Meldung nicht ausgegangen werden, sie sei darüber hinaus aber auch kein ausreichender Nachweis für den Besitz der deutschen Staatsangehörigkeit. Die durchgeführten Ermittlungen zu seiner Staatsangehörigkeit und Volkszugehörigkeit und der seiner Mutter seien ergebnislos verlaufen. Da er somit den Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit nicht nachgewiesen habe, müsse sein Antrag abgelehnt werden.

Die Klägerin und ihr Ehemann begründeten ihren Widerspruch vom 21. August 1996 im Wesentlichen wie folgt: Der Ehemann habe die deutsche Staatsangehörigkeit erworben, denn er sei in Abteilung 2 der deutschen Volksliste eingetragen gewesen. Dies ergebe sich zwingend daraus, dass er den normalen Werdegang eines nach § 1 Abs. 2 des Wehrgesetzes wehrpflichtigen deutschen Staatsangehörigen gegangen sei. Er sei darüber hinaus zum Gefreiten, Obergefreiten und zum Unteroffizier befördert worden und habe wegen Tapferkeit vor dem Feinde Kriegsauszeichnungen wie das Eiserne Kreuz II. Klasse und das Sturmabzeichen erhalten. Eine Beförderung zum Unteroffizier habe aber nur erfolgen können, wenn bei dem betreffenden Soldaten auf den Widerruf der Staatsangehörigkeit verzichtet worden sei und er somit die unbeschränkte deutsche Staatsangehörigkeit erworben habe.

Der Ehemann der Klägerin war nicht in der Lage, Unterlagen vorzulegen, aus denen hervorgeht, dass er Unteroffizier bei der Wehrmacht oder Inhaber des Sturmabzeichens oder des Eisernen Kreuzes II. Klasse war.

Das Bundesarchiv bestätigte in einem Schreiben vom 27. März 1997 nach Rücksprache mit der WASt, dass dort nach einer Meldung vom 20. Oktober 1942 nur die Einberufung zur "Schw. Flak-Ers.-Abt. 57" nachgewiesen sei. Trotz des abweichenden Geburtsdatums (16. statt 10. Juni 19..) gehe man aber davon aus, dass Personenidentität bestehe. Die Tatsache, dass für die gesamte Dauer des Krieges keine weitere Meldung dort vorliege, insbesondere auch keine Verwendung, Versetzung, Beförderung usw. nach der Ausbildung in Fronteinheiten, sei auffällig. Irgendwelche Umstände im persönlichen Bereich könnten dazu geführt haben, dass der Ehemann der Klägerin nach der Einberufung auch wieder entlassen worden sei.

Mit Bescheiden vom 12. Mai 1997 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin und ihres Ehemannes zurück. Zur Begründung verwies sie auf die Ausgangsbescheide und führte ergänzend aus, auch im Widerspruchsverfahren habe sich nicht nachweisen lassen, dass die Mutter des Ehemannes der Klägerin und er selbst deutsche Volkszugehörige im Rechtssinne gewesen seien. Der Ehemann trage aber die materielle Beweislast dafür, dass er die deutsche Staatsangehörigkeit besitze. Es sei ein Ausnahmefall gewesen, wenn ein deutscher Volkszugehöriger im Rechtssinne in Abteilung 3 der Deutschen Volksliste eingetragen worden sei. Für das Vorliegen einer solchen Ausnahme sei der Ehemann der Klägerin beweispflichtig, dieser Nachweis sei ihm aber nicht gelungen. Die Klägerin sei seit ihrer Eheschließung nicht mehr im Besitz der deutschen Staatsangehörigkeit.

Am 31. Mai 1997 hat die Klägerin Klage erhoben und zur Begründung im Wesentlichen auf ihr Vorbringen im Verwaltungsverfahren verwiesen. Es müsse davon ausgegangen werden, dass ihr Ehemann in Abteilung 2 der Deutsche Volksliste eingetragen gewesen sei, denn er sei bereits 1942 zum Wehrdienst einberufen worden, während Wehrpflichtige aus Abteilung 3 erst nach den schweren Verlusten in Afrika und Stalingrad eingezogen worden seien. Darüber hinaus habe ihre Familie bereits 1987 eine Übernahmegenehmigung erhalten. Das wäre nicht geschehen, wenn es sich bei ihnen um Polen gehandelt hätte.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides des Bundesverwaltungsamtes vom 14. August 1996 und seines Widerspruchsbescheides vom 12. Mai 1997 zu verpflichten, ihr, der Klägerin, einen Staatsangehörigkeitsausweis zu erteilen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen,

und zur Begründung im Wesentlichen auf den Ablehnungs- und den Widerspruchsbescheid verwiesen.

Mit angefochtenem Urteil vom 12. April 2000, auf dessen Entscheidungsgründe Bezug genommen wird, hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen.

Das Urteil ist der Klägerin am 19. April 2000 zugestellt worden. Auf den am 19. Mai 2000 eingegangenen Antrag der Klägerin hat der Senat mit Beschluss vom 15. Januar 2001 die Berufung zugelassen.

Zur Begründung ihrer Berufung führt Klägerin unter anderem aus, ihr Ehemann sei im Zeitpunkt der Eheschließung noch nicht wieder polnischer Staatsangehöriger, sondern entweder staatenlos, deutscher Staatsangehöriger oder zumindest Deutscher im Sinne des Art. 116 Abs. 1 GG durch Aufnahme als Vertriebener deutscher Volkszugehörigkeit gewesen. Die deutsche Volkszugehörigkeit ergebe sich sowohl aus seiner Abstammung als auch durch ein ausdrückliches Bekenntnis zum deutschen Volkstum.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Köln vom 12. April 2000 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides des Bundesverwaltungsamtes vom 14. August 1996 und des Widerspruchsbescheides vom 12. Mai 1997 zu verpflichten, ihr - der Klägerin - einen Staatsangehörigkeitsausweis auszustellen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung führt sie aus, der Ehemann der Klägerin sei österreichischer Abstammung gewesen. Seiner Beherrschung der deutschen Sprache könne als Indiz für ein Bekenntnis zum deutschen Volkstum nicht viel Gewicht beigemessen werden. Es sei davon auszugehen, dass die Eltern des Ehemannes auch noch nach 1919 deutsch gesprochen hätten. Die ganze Umgebung sei bis 1919 rein deutschsprachig gewesen. Die Kenntnis der deutschen Sprache sei aber dann nicht als Bestätigungsmerkmal im Sinne von § 6 BVFG zu werten, wenn die deutsche Sprache im Heimatgebiet des Betroffenen weit verbreitet sei.

Der Senat hat in der mündlichen Verhandlung die Klägerin und als Zeugin ihre Tochter, Frau M. , angehört. Wegen des Ergebnisses der Befragung wird auf das Sitzungsprotokoll vom 23. Februar 2001 verwiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und den beigezogenen Verwaltungsvorgang Bezug genommen.

Gründe

Die zugelassene (§ 124 Abs. 2 VwGO) und auch im Übrigen zulässige Berufung ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen.

Die Klägerin hat einen Anspruch auf Ausstellung eines Staatsangehörigkeitsausweises (§ 39 des Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetzes vom 22. Juli 1913 - RGBl. I S. 583 - [RuStAG] in der Fassung des Gesetzes zur Reform des Staatsangehörigkeitsrechts vom 15. Juli 1999 - BGBl. I S. 1618 - [in dieser Fassung: StAG] in Verbindung mit § 1 Abs. 1 Nr. 6 und § 2 Abs. 1 der Allgemeinen Verwaltungsvorschriften über Urkunden in Staatsangehörigkeitssachen vom 18. Juni 1975 - GMBl. 462 - in der Fassung vom 15. Juli 1977 - GMBl. 313 - und vom 24. September 1991 - GMBl. 741 -). Deshalb ist der Bescheid der Beklagten vom 14. August 1996 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 12. Mai 1997 rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).

I. Die Klägerin hat die deutsche Staatsangehörigkeit gemäß § 4 Satz 1 RuStAG als eheliches Kind eines Deutschen erworben. Es gibt keinen Zweifel, dass ihr Vater, der im Gebiet des Deutschen Reiches geboren worden und wie sein Vater und dessen Vorfahren dort ansässig war, deutscher Staatsangehöriger gewesen ist.

Die Klägerin hat die deutsche Staatsangehörigkeit nicht nach § 17 Nr. 6 RuStAG in der im Zeitpunkt der Eheschließung am 30. April 1949 geltenden Fassung

vgl. zur uneingeschränkten Anwendbarkeit des § 17 Nr. 6 RuStAG bis zum Inkrafttreten des Grundgesetzes vgl. BVerwG, Urteil vom 7. Juli 1959 - I C 119.57 -, Buchholz 11 Art. 16 GG Nr. 4; Urteil vom 16. Februar 1993 - 9 C 25.92 -, Buchholz 412.3 § 6 BVFG Nr. 70 (S. 71); OVG NRW, Urteil vom 10. November 1993 - 25 A 1492/91 -, UA S. 18,

verloren. Nach dieser Norm verliert eine Deutsche durch Eheschließung mit einem Ausländer die deutsche Staatsangehörigkeit. Der Ehemann der Klägerin war im maßgeblichen Zeitpunkt kein Ausländer.

Zwar hatte er durch Geburt die polnische Staatsangehörigkeit erworben, er ist aber nach § 5 Abs. 1 der Verordnung über die Deutsche Volksliste und die deutsche Staatsangehörigkeit in den eingegliederten Ostgebieten vom 4. März 1941 (RGBl. I S. 118) in der Fassung der Zweiten Verordnung über die Deutsche Volksliste und die deutsche Staatsangehörigkeit in den eingliederten Ostgebieten vom 31. Januar 1942 (RGBl. I S. 51) - Volkslistenverordnung - deutscher Staatsangehöriger (auf Widerruf) geworden. Diese deutsche Staatsangehörigkeit "auf Widerruf" steht nach § 28 des Gesetzes zur Regelung von Fragen der Staatsangehörigkeit (vom 22. Februar 1955 - BGBl. I S. 65 - zuletzt geändert durch das Gesetz zur Reform des Staatsangehörigkeitsrechts vom 15. Juli 1999 - BGBl. I S. 1618 -) - StAngRegG - der deutschen Staatsangehörigkeit gleich, denn es gibt keinen Anhaltspunkt dafür, dass bis zum 8. Mai 1945 von dem Widerrufsrecht Gebrauch gemacht worden wäre. Die Einbürgerung über die Eintragung in die Deutsche Volksliste - DVL - ist gemäß § 1 Abs. 1 lit. d StAngRegG auch wirksam und als über den 8. Mai 1945 fortbestehend anerkannt, weil der Ehemann der Klägerin in der Deutschen Volksliste eingetragen war (1.), er die deutsche Staatsangehörigkeit nicht durch ausdrückliche Erklärung ausgeschlagen hat (2.) und er deutscher Volkszugehöriger war (3.).

Vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 15. März 1994 - 9 C 340.93 -, BVerwGE 95, 228 (230); Urteil vom 12. Dezember 1995 - 9 C 113.95 -, BVerwGE 100, 139 (143); Urteil vom 23. März 2000 - 5 C 9.99 und 10.99 -, Buchholz 412.3, § 1 BVFG Nr. 56 (S. 2).

1. Zur Überzeugung des Senats steht fest, dass der Ehemann der Klägerin gemeinsam mit seiner Mutter und seinem Bruder in Abteilung 3 der DVL eingetragen worden ist. Diese Überzeugung gründet sich in erster Linie darauf, dass der Ehemann nachweislich zum 20. Oktober 1942 zum Wehrdienst in der Wehrmacht einberufen und dort in der Folgezeit jedenfalls zum Gefreiten befördert worden ist (a),

vgl. zur Eintragung in Abteilung 3 der Deutschen Volksliste der zu diesem Zeitpunkt Einberufenen: BVerwG, Urteil vom 12. Dezember 1995 - 9 C 113.95 -, BVerwGE 100, 139 (143, 145),

sie wird darüber hinaus durch weitere Indizien gestützt (b).

a) Die Einberufung des Ehemannes der Klägerin zum genannten Termin belegen die Auskünfte der Deutschen Dienststelle für die Benachrichtigung der nächsten Angehörigen von Gefallenen der ehemaligen deutschen Wehrmacht (WASt) vom 10. Mai 1991, 15. Februar 1993 und aus dem Jahr 1997 gegenüber dem Bundesarchiv. Danach ist der Ehemann am 20. Oktober 1942 zur "Schweren Flak" (Ers. Abt. 37 oder 57) einberufen worden. Entgegen den Mutmaßungen der Beklagten ist der Ehemann nicht nach der Einberufung alsbald wieder aus der Wehrmacht entlassen worden. Vielmehr hat die Klägerin den Nachweis erbracht, dass ihr Ehemann jedenfalls zum Gefreiten befördert worden ist.

In der mündlichen Verhandlung hat sie zwei Fotos vorgelegt, auf denen in einer Gruppe von Soldaten ihr Ehemann in Uniform und auf seinem Ärmel der "Gefreiten-Winkel" zu erkennen ist. Bei dem dort abgebildeten Mann handelt es sich eindeutig um denselben, von dem bereits im Verwaltungsverfahren ein Foto (in Luftwaffenuniform) vorgelegt worden ist. Diese nicht gestellten Bilder schließen den Verdacht aus, der Ehemann könne sich eine fremde Uniform übergestreift haben.

Dass er über längere Zeit in der Wehrmacht Dienst getan hat, belegen auch die weiteren Angaben der Klägerin und der Zeugin zu Einsatzorten und zur Beförderung des Ehemannes/Va- ters. So konnte sich die Klägerin erinnern, dass ihr Mann häufig L. als Dienstort erwähnt habe. Die Zeugin erinnerte sich an Erzählungen ihres Vaters über Afrika, weil sie immer wieder darüber gelacht hätten, dass es dort nur Möhren zu essen gegeben habe. In einem Nebensatz erwähnte die Klägerin bei Erläuterung der Fotos eine Beförderung des Ehemannes zum Unteroffizier ("Da sieht man den "Gefreiten- Winkel", denn da war mein Mann noch nicht Unteroffizier.").

Ist der Ehemann der Klägerin aber zur Wehrmacht einberufen und nicht gleich wieder entlassen worden, war er (zumindest) in Abteilung 3 der DVL eingetragen. Anders als Angehörige der Abteilung 4 der DVL, deren Verwendung als Hilfswillige erst im Oktober 1944 geregelt wurde,

Schreiben des Oberkommandos des Heeres vom 24. Oktober 1944,

waren Wehrpflichtige aus Abteilung 3 dann zum Wehrdienst einzuberufen, wenn ihre Aufnahme in die Liste durch die Dienststellen der DVL erfolgt war. Andererseits mussten solche Angehörige der Wehrmacht, deren Aufnahme in Abteilung 3 der DVL abgelehnt war oder wurde, von den Dienststellen der DVL den zuständigen Wehrbezirkskommandos namhaft gemacht werden, die dann die sofortige Entlassung zu veranlassen hatten.

Schreiben des Oberkommandos der Wehrmacht vom 2. Oktober 1942, abgedruckt bei von Schenckendorff, Vertriebenen- und Flüchtlingsrecht, Stand: Dezember 2000, C 21.5.60.

Dies war aber beim Ehemann der Klägerin nicht der Fall. Für den Umstand, dass es bei der WASt keine weiteren Angaben über seinen Werdegang in der Wehrmacht gibt, muss es daher andere Erklärungen geben. Möglicherweise liegt es daran, dass er einer Einheit zur besonderen Verwendung ("ZBV") zugewiesen war, wie sein Bevollmächtigter in einem Schriftsatz vom 20. Mai 1996 ausgeführt und die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat, ohne darauf angesprochen worden zu sein, spontan und überzeugend bestätigt hat ("Er war ZBV!").

b) Auch die sonstigen bekannten Umstände lassen den Schluss auf eine Eintragung des Ehemannes der Klägerin in Abteilung 3 der Deutschen Volksliste zu.

So spricht zum einen die dezidierte Angabe des Ehemannes in seinem Schreiben an die Heimatortskartei Oberschlesien vom 19. März 1992, er und seine Mutter seien "in Besitz der deutschen Volksliste Gruppe III" gewesen, dafür, dass er sich an eine Eintragung in Abteilung 3 deutlich erinnern konnte. Die späteren Ausführungen seines Bevollmächtigten, der Ehemann sei in Abteilung 2 der Volksliste eingetragen gewesen und dies könne durch Zeugen bestätigt werden, sind dagegen unglaubhaft. Wäre der Ehemann in Abteilung 2 eingetragen worden, hätte er nach dem Krieg nach dem Gesetz über den Ausschluss feindlicher Elemente aus der polnischen Volksgemeinschaft vom 6. Mai 1945

abgedruckt in: Dokumentation der Vertreibung der Deutschen aus OstMitteleuropa, Band I/3, 1960, S. 57 ff.

einen Antrag auf Rehabilitierung stellen müssen, um nicht (ohne Verfahren) in ein Internierungslager zwangseingewiesen und zur Zwangsarbeit verpflichtet zu werden sowie auf Dauer seiner öffentlichen und bürgerlichen Rechte verlustig zu gehen und der Einziehung seines gesamten Vermögens ausgesetzt zu sein (Art. 20 i.V.m. Art. 16 Satz 1 des Gesetzes). Die in Abteilung 3 und 4 Eingetragenen aus dem oberschlesischen Teil der Wojewodschaft Schlesien mussten dagegen nur vor der zuständigen Behörde eine Treueerklärung der Nation und dem demokratischen polnischen Staate gegenüber abgeben und erhielten sofort danach eine Dauerbescheinigung, die sie als Angehörige des polnischen Staates polnischer Nationalität auswies (Art. 2 Abs. 3 Satz 1 des Gesetzes in der Fassung der Novelle vom 24. August 1945).

Für eine Eintragung in Abteilung 3 der Deutschen Volksliste sprechen zum anderen auch die Regelungen des Runderlasses "des Reichsministers des Innern betr. Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit durch ehemalige polnische und Danziger Staatsangehörige vom 13. März 1941 (I e 5125/4 - 5000 Ost)" - Runderlass -.

abgedruckt bei von Schenckendorff, Vertriebenen- und Flüchtlingsrecht, Stand: Dezember 2000, C 20.1.3.6.1, und bei Maßfeller, Deutsches Staatsangehörigkeitsrecht, 2. Aufl. 1955, S. 244 ff.

Weil sein Vater bereits am 21. Oktober 1939 verstorben und er bis Juni 1942 noch keine achtzehn Jahre alt war, richtete sich die Eintragung des Ehemannes der Klägerin in die Volksliste nach seiner Mutter (§ 1 Abs. 2 der Volkslistenverordnung i.V.m. Teil II Abs. 3 Satz 2 und 3 des Runderlasses). Es ist davon auszugehen, dass diese - und damit auch ihre Söhne - in Abteilung 3 der Volksliste eingetragen worden ist.

Der Geburts- und ursprüngliche Wohnort des Ehemannes der Klägerin ist Z. im früheren (ehemals zu Österreichisch- Ostschlesien gehörigen) Kreis B. , der gemäß § 4 des Erlasses über Gliederung und Verwaltung der Ostgebiete vom 8. Oktober 1939 (RGBl. I S. 2042) mit dem neu gebildeten Regierungsbezirk K. Teil der Provinz Schlesien wurde. Die dort lebende Bevölkerung wurde, sofern sie sich nicht schon vor dem 1. September 1939 zum deutschen Volkstum bekannt hatte oder überhaupt von der Aufnahme in die Deutsche Volksliste ausgeschlossen sein sollte, gemäß Teil II Abs. 6 des Runderlasses regelmäßig in Abteilung 3 eingetragen. Da der Schwiegervater der Klägerin, den sie nach den Erzählungen ihres Ehemannes als "echten Deutschen" beschrieb, bereits verstorben war, kam es auf die Schwiegermutter an, die nach den Aussagen der Klägerin und ihrer Tochter der deutschen Sprache zwar mächtig, vermutlich aber mit Polnisch als Muttersprache aufgewachsen war. Aus der Sicht der zuständigen Dienststellen der Deutschen Volksliste dürfte die Schwiegermutter, die zuvor mit einem deutschen "Baumeister" verheiratet gewesen war, eine "Angehörige der völkisch nicht klar einzuordnenden, blutmäßig und kulturell zum Deutschtum hinneigenden Bevölkerungsgruppen" gewesen sein, die nach den Regeln des Runderlasses in Abteilung 3 der Liste einzutragen war. Ob diese Eintragung freiwillig bzw. sogar auf ausdrücklichen Wunsch der Schwiegermutter oder eher gegen ihren Willen aus Angst um das Leben eines Bruders und dessen Ehefrau bzw. deren Kinder erfolgte, so wie es die Klägerin in der mündlichen Verhandlung angedeutet hat, spielt dabei für die Tatsache der Eintragung keine Rolle.

2. Es liegen keinerlei Anhaltspunkte vor für die Annahme, der Ehemann der Klägerin könne den Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit durch ausdrückliche Erklärung ausgeschlagen haben. Ob auch er, der nach Kriegsende auf ehemals reichsdeutschem Gebiet "untergetaucht" ist, die in Art. 2 des polnischen Gesetzes vom 6. Mai 1945 über den Ausschluss feindlicher Elemente aus der polnischen Volksgemeinschaft

abgedruckt in: Dokumentation der Vertreibung der Deutschen aus Ost-Mitteleuropa, Band I/3, S. 57 f.

vorgesehene Treueerklärung gegenüber dem polnischen Staat abgegeben hat, kann dahinstehen. Diese Erklärung lässt schon von ihrem Inhalt her nicht - wie erforderlich - zweifelsfrei erkennen, dass damit die deutsche Staatsangehörigkeit aufgegeben werden sollte,

vgl. BVerwG, Urteil vom 12. Juli 1960 - I C 217.85 -, Buchholz 132.0 § 1 StAngRegG Nr. 2 (S. 4),

zumal eine Verweigerung der Treueerklärung gemäß Art. 7 des genannten Gesetzes zu den in Art. 16 des Gesetzes vorgesehenen Folgen führte, nämlich u.a. zur Zwangseinweisung in ein Internierungslager sowie zur Verpflichtung zur Zwangsarbeit.

BVerwG, Urteil vom 23. März 2000 - 5 C 9.99 -, Buchholz 412.3 § 1 BVFG Nr. 56 (S. 2).

3. Der Ehemann der Klägerin war deutscher Volkszugehöriger. Er hat sich im maßgeblichen Zeitpunkt zum deutschen Volkstum bekannt (a), und dieses Bekenntnis wird durch seine Abstammung, Sprache, Erziehung und Kultur bestätigt (b).

Ein Eingehen auf die Frage der Volkszugehörigkeit des Ehemannes ist nicht etwa deshalb entbehrlich, weil es für die Familie der Klägerin (einschließlich des Ehemannes) bereits eine Übernahmegenehmigung im Rahmen eines von der Tochter angestrengten D 1 - Verfahrens gegeben hat. Die Abgabe einer solchen Übernahmeerklärung schließt die Feststellung der deutschen Volkszugehörigkeit im Sinne des § 6 BVFG nicht mit ein.

BVerwG, Urteil vom 26. Mai 1976 - VIII C 35.75 -, Buchholz 412.3 § 6 BVFG Nr. 31; Urteil vom 25. August 1976 - VIII C 64.75 -, BVerwGE 51, 101 (102).

a) Wer deutscher Volkszugehöriger ist, richtet sich auch im Rahmen des § 1 Abs. 1 lit. d StAngRegG nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nach § 6 BVFG in der Fassung der Bekanntmachung vom 3. September 1971, BGBl. I S. 1565 (1807) - BVFG a.F. - (= § 6 Abs. 1 BVFG in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. Juni 1993, BGBl. I, S. 829).

Zuletzt BVerwG, Urteil vom 23. März 2000 - 5 C 9 und 10.99 -, Buchholz 412.3 § 1 BVFG Nr. 56 (S. 2 m.w.N.).

Danach ist deutscher Volkszugehöriger, wer sich in seiner Heimat zum deutschen Volkstum bekannt hat, sofern dieses Bekenntnis durch bestimmte Merkmale wie Abstammung, Sprache, Erziehung, Kultur bestätigt wird.

Ein Bekenntnis zum deutschen Volkstum besteht in dem von einem entsprechenden Bewusstsein getragenen, nach außen hin verbindlich geäußerten Willen, selbst Angehöriger des deutschen Volkes als einer national geprägten Kulturgemeinschaft zu sein und keinem anderen Volkstum anzugehören, sich dieser Gemeinschaft also vor jeder anderen nationalen Kultur verbunden zu fühlen. Ein Bekenntnis in diesem Sinne kann sich unmittelbar aus Tatsachen ergeben (unmittelbare Feststellung eines Bekenntnissachverhalts). Das ist zum einen dann der Fall, wenn jemand bei Volkszählungen oder bei anderen Gelegenheiten im Heimatstaat seine Volkszugehörigkeit mit Deutsch angegeben hat (ausdrückliches Bekenntnis). Es liegt weiter vor, wenn sich jemand als dem deutschen und keinem anderen Volkstum zugehörend angesehen, sich in seiner ganzen Lebensführung entsprechend dieser Einstellung nach außen erkennbar verhalten hat und dementsprechend im Vertreibungsgebiet von seiner Umgebung als Volksdeutscher angesehen worden ist (Bekenntnis durch schlüssiges Gesamtverhalten). Schließlich kann ein Bekenntnis mittelbar aus hinreichend vorhandenen Indizien, namentlich den in § 6 BVFG genannten objektiven Bestätigungsmerkmalen (Abstammung, Sprache, Erziehung, Kultur) gefolgert werden.

Ständige Rechtsprechung des BVerwG, vgl. nur Urteil vom 16. Februar 1993 - 9 C 25.92 -, Buchholz 412.3 § 6 BVFG Nr. 70 (S. 73); Urteil vom 17. Oktober 1989 - 9 C 18.89 -, Buchholz 412.3, § 6 BVFG Nr. 62 (S. 38 f. m.w.N.).

Das erforderliche objektiv bestätigte Bekenntnis zum deutschen Volkstum muss nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kurz vor Beginn der allgemeinen Vertreibungsmaßnahmen vorgelegen haben,

vgl. u.a. Urteil vom 23. März 2000, - 5 C 9 und 10.99 -, Buchholz 412.3 § 1 BVFG Nr. 56 (S. 2); Beschluss vom 27. August 1997 - 9 B 312.97 -, Buchholz 412.3 § 6 BVFG, Nr. 89 (S. 117 m.w.N.); Urteil vom 5. November 1991 - 9 C 77.90 -, Buchholz 412.3 § 6 BVFG Nr. 66 (S. 57),

die in Ost-Oberschlesien mit der russischen Winteroffensive am 12./14. Januar 1945 eingesetzt haben.

BVerwG, Urteil vom 8. August 1995 - 9 C 292.94 -, Buchholz 412.3 § 6 BVFG Nr. 80 (S. 54).

Im maßgeblichen Zeitpunkt (Januar 1945) gehörte der Ehemann der Klägerin nach deren glaubhaften Angaben noch der Wehrmacht an und hatte keine Möglichkeit, sich in der Heimat zum deutschen Volkstum zu bekennen.

Die Zugehörigkeit zur Wehrmacht allein ist weder als ausdrückliches Bekenntnis zum deutschen Volkstum noch als Bekenntnis durch schlüssiges Gesamtverhalten zu werten, weil sie auf einer Einberufung im Rahmen der allgemeinen Wehrpflicht beruhte und damit lediglich die Eintragung in Abteilung 3 der Deutschen Volksliste als Voraussetzung der seinerzeitigen Wehrpflicht bestätigt.

BVerwG, Urteil vom 16. Februar 1993 - 9 C 25.92 -, Buchholz 412.3 § 6 BVFG Nr. 70 (S. 73 f.); Urteil vom 12. Dezember 1995 - 9 C 113.95 -, BVerwGE 100, 139 (145); Urteil vom 12. November 1996 - 9 C 158.95 -, Buchholz 412.3 § 6 BVFG Nr. 86 (S. 99).

Für die Feststellung, ob sich der Ehemann der Klägerin zu Beginn der allgemeinen Vertreibungsmaßnahmen zum deutschen Volkstum bekannt hat, muss deshalb sein Verhalten vor Eintritt in die Wehrmacht und nach Beginn der Verteibungsmaßnahmen in den Blick genommen werden. Die Heranziehung eines früheren Verhaltens ist zulässig, denn es ist nicht erforderlich, dass das Bekenntnis in der Heimat gerade kurz vor Beginn der allgemeinen Verteibungsmaßnahmen abgelegt worden ist. Es muss nur zu diesem Zeitpunkt (noch) vorgelegen haben. Deshalb ist auch ein in früherer Zeit abgelegtes Bekenntnis zum deutschen Volkstum beachtlich, wenn es bis zum Beginn der allgemeinen Vertreibungsmaßnahmen fortgewirkt hat (dazu aa).

BVerwG, Beschluss vom 29. Juni 1989 - 9 B 7.89 -, Buchholz 412.3 § 1 BVFG Nr. 43 (S. 29); Urteil vom 16. Februar 1993 - 9 C 25.92 -, Buchholz 412.3 § 6 BVFG Nr. 70 (S. 74, 77).

Auf der anderen Seite kann auch ein späteres Verhalten, aus dem sich Bewusstsein und Wille ergeben, ausschließlich dem deutschen Volkstum zuzugehören, von Bedeutung sein. In Verbindung mit anderen Umständen kann es Rückschlüsse auf ein vor Beginn der allgemeinen Vertreibungsmaßnahmen abgelegtes Bekenntnis gestatten (dazu bb).

BVerwG, Urteil vom 17. Oktober 1989 - 9 C 18.89 -, Buchholz 412.3 § 6 BVFG Nr. 62 (S. 42).

aa) Der Ehemann der Klägerin ist am 10. Juni 1942 achtzehn Jahre alt und jedenfalls zu dem Zeitpunkt "bekenntnisfähig" im Sinne der Rechtsprechung zum Vertriebenenrecht geworden. Anhaltspunkte dafür, dass bei ihm die erforderliche Bekenntnisreife bereits vorher vorgelegen hat, gibt es nicht. Allerdings setzt die Fähigkeit, ein Bekenntnis zum deutschen Volkstum abzulegen, nicht die Volljährigkeit voraus, sondern es ist ganz allgemein darauf abzustellen, ob der Betreffende für ein solches Bekenntnis "reif genug" war. Davon wird - nach Vollendung des 16. Lebensjahres - regelmäßig dann auszugehen sein, wenn der Betreffende im maßgeblichen Zeitpunkt bereits eine gewisse Selbständigkeit erreicht und sich - etwa durch Heirat - vom Elternhaus gelöst hatte.

BVerwG, Urteil vom 31. Januar 1989 - 9 C 78.87 -, Buchholz 412.3 § 6 BVFG Nr. 59 (S. 27); dem folgend VGH Bayern, Urteil vom 20. Mai 1994 - 19 B 93.86 -, abgedruckt bei: von Schenckendorff, a.a.O., C 40.1.5.12 (S. 14), und VGH Hessen, Urteil vom 15. März 1997 - 7 UE 72/93 -, abgedruckt bei von Schenckendorff, a.a.O., C 40.1.9.60 (S. 10 f.).

Ob der Ehemann sich bereits vor Vollendung des 18. Lebensjahres vom Elternhaus gelöst hatte, ist nicht bekannt. Er befand sich seit März 1942 in Kutenplan bei Eger im Sudetenland beim Reichsarbeitsdienst. Die Ableistung des Arbeitsdienstes ist ebenso wie der Eintritt in die Wehrmacht nicht als ausdrückliches oder stillschweigendes Bekenntnis zum deutschen Volkstum zu werten, da auch die Einberufung zum Reichsarbeitsdienst im Rahmen der allgemeinen Dienstverpflichtung erfolgte.

Daher ist in Anlehnung an die Rechtsprechung zum Vertriebenenrecht hinsichtlich der sog. Frühgeborenen auf die in der Familie des Ehemannes zum maßgebenden Zeitpunkt vorhandene bzw. fortwirkende frühere volkstumsmäßige Bekenntnislage zurückzugreifen.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 4. Juni 1996 - 9 C 129.95 -, Buchholz 412.3 § 6 BVFG Nr. 85 (S. 93); Urteil vom 5. November 1991 - 9 C 77.90 -, Buchholz 412.3 § 6 BVFG Nr. 66 (S. 58); Beschluss vom 20. Februar 1991 - 9 B 247.90 -, Buchholz 412.3 § 6 BVFG Nr. 65 (S. 54 f.); jeweils m.w.N.

Insoweit steht zur Überzeugung des Senates fest, dass zumindest die maßgebliche Bezugsperson des Ehemannes - sein Vater - durch sein Verhalten ein an seinen Sohn weitergegebenes und durch ihn fortwirkendes Bekenntnis zum deutschen Volkstum abgelegt hat. Eine Bekenntnisüberlieferung ist auch dann möglich, wenn nur ein Elternteil deutscher Volkszugehöriger ist.

BVerwG, Urteil vom 15. Mai 1990 - 9 C 51.89 -, Buchholz 412.3 § 6 BVFG Nr. 64 (S. 49 m.w.N.).

Den Angaben der Klägerin in der mündlichen Verhandlung ist zu entnehmen, dass ihr Ehemann bis zum Tode seines Vaters im Oktober 1939 - der Ehemann war damals fünfzehn Jahre alt - entscheidend durch diesen geprägt worden ist. Den Vater schilderte die Klägerin nach den Erzählungen ihres Ehemannes überzeugend als "echten Deutschen", während sie bei Berichten über ihre Schwiegermutter wesentlich zurückhaltender war. Sichtlich bemüht, nur die Wahrheit zu sagen, betonte sie auf entsprechende Fragen des Gerichts immer wieder, die Schwiegermutter habe mit ihr und in ihrer Anwesenheit auch mit dem Ehemann/Sohn deutsch gesprochen. Welcher Sprache sich die beiden bedient hätten, wenn sie nicht dabei gewesen sei, wisse sie nicht. Auch die Zeugin bestätigte, dass die Großmutter mit ihr, als sie klein gewesen sei, deutsch gesprochen habe. Erst später, nachdem sie, die Zeugin in der Schule polnisch gelernt hatte, hätten sie sich auch auf polnisch bzw. in einem Sprachgemisch unterhalten. Ihre Schwiegermutter schilderte die Klägerin als einfache "Frau vom Dorf", während der Vater des Ehemannes ein "studierter Mann" gewesen sei, ein Baumeister mit akademischer Ausbildung, der u.a. die Schule in Z. gebaut habe. Dass der Vater und nicht die Mutter die bestimmende Person in der Familie des Ehemannes war, zeigt sich schon daran, dass der Sohn in der Schule an dem offenbar nur für Deutsche angebotenen Sonderunterricht teilgenommen hat.

Maßgeblich für die Überzeugung des Senats, dass der deutsche Vater den Ehemann fortdauernd geprägt hat, ist der weitere Lebensweg des Ehemannes. Nach den glaubhaften Angaben des Ehemannes selbst (in seinem Verfahren) und der Klägerin durfte er sich nach Kriegsende und Flucht aus russischer Gefangenschaft in seinem Heimatort nicht mehr blicken lassen, weil er dort als Volksdeutscher bekannt war und als solcher unweigerlich verraten worden wäre. Er kehrte deshalb nur kurz nach Z. zurück und hielt sich während dieser Zeit in einer Scheune versteckt. Danach flüchtete er in ein auch nach dem Kriege zunächst noch rein deutsch besiedeltes Dorf, Groß P. im Kreis R. . Dass er es trotz der damit verbundenen Schwierigkeiten vorgezogen hat, als Deutscher unter Deutschen zu leben, und sich nicht - wie es ihm bei seiner vermutlich polnisch stämmigen Mutter wohl auch möglich gewesen wäre - als Pole, der gegen seinen Willen in die Deutsche Volksliste eingetragen worden war, ausgegeben hat, dokumentiert den starken Einfluss des deutschen Vaters. Gleichzeitig wird aus dieser weiteren Entwicklung deutlich, dass für den Ehemann auch nach dem Tode des Vaters dessen Bekenntnis zum deutschen Volkstum weiter maßgeblich war und er das Bewusstsein der Zugehörigkeit zum deutschen Volkstum nicht etwa unter Einfluss seiner Mutter aufgegeben hat.

Für die Mutter des Ehemannes lässt sich in der entscheidenden Zeit kein eigenständiges Bekenntnis zum deutschen Volkstum feststellen. Selbst wenn sie einen Antrag auf Eintragung in die Deutsche Volksliste gestellt haben sollte, so wie der Ehemann es in seinem Verfahren angedeutet hat ("wir erhielten ohne Schwierigkeiten die deutsche Volksliste"), wäre damit ihre deutsche Volkszugehörigkeit, von der der Sohn/Ehemann die seine hätte ableiten können, nicht indiziert. Zwar sah der Runderlass des Reichsministers des Innern vom 13. März 1941 - wie sich aus dessen Abschnitt IV Abs. 15 und 21 ergibt - vor Eintragung in die Deutsche Volksliste einen diesbezüglichen Antrag bzw. eine "Meldung" vor. Deshalb ist davon auszugehen, dass auch die Mutter des Ehemannes einen solchen Antrag gestellt bzw. sich zur Aufnahme in die Deutsche Volksliste gemeldet hat. Da jedoch nach historisch gesicherter Erkenntnis - gerade in den polnischen Gebieten Oberschlesiens - die Eintragung vielfach gegen den Willen der Betroffenen oder gar unter Zwang erfolgt ist, kann bei den in Abteilung 3 der Deutschen Volksliste Eingetragenen nicht generell angenommen werden, dass in dem Antrag auf Aufnahme ein Bekenntnis zum deutschen Volkstum gelegen hat. Vielmehr muss im Einzelfall nachgewiesen werden, dass der Antrag aus freien Stücken gestellt wurde.

BVerwG, Urteil vom 23. März 2000 - 5 C 9.99 -, a.a.O., S. 3 m.w.N.; Urteil vom 16. Februar 1993 - 9 C 25.92 -, Buchholz 412.3 § 6 BVFG Nr. 70 (S. 74 ff.); OVG NRW, Urteil vom 10. November 1993 - 25 A 1492/91 -, UA S. 9.

Ein solcher Nachweis ist hier nicht erbracht; im Gegenteil erscheint es nach den Andeutungen der Klägerin in der mündlichen Verhandlung eher zweifelhaft, dass sich die Mutter des Ehemannes freiwillig und auf ihr Bestreben hin in die Volksliste hat eintragen lassen.

Auch aus dem Umstand, dass die Mutter des Ehemannes der Klägerin zur Überzeugung des Gerichts tatsächlich in Abteilung 3 der Deutschen Volksliste eingetragen worden ist, kann nicht auf ein damals nach außen erkennbares Bekenntnis zum deutschen Volkstum geschlossen werden. Die im Runderlass vom 13. März 1941 genannten Kriterien sind zu diffus, als dass sie eine solche Schlussfolgerung zuließen.

BVerwG, Urteil vom 16. Februar 1993 - 9 C 25.92 -, Buchholz 412.3 § 6 BVFG Nr. 70 (S. 74); Urteil vom 12. Dezember 1995 - 9 C 113.95 -, BVerwGE 100, 139 (144).

Auf der anderen Seite spricht die Eintragung des Ehemannes der Klägerin "nur" in Abteilung 3 der Deutschen Volksliste nicht gegen dessen Bekenntnis zum deutschen Volkstum. Zum einen dürfte bei der Eintragung des Ehemannes, dessen Vater gestorben und der 1941 selbst noch nicht achtzehn Jahre alt war, gemäß Teil II Abs. 3 des Runderlasses allein auf die "völkische Einordnung" der Mutter abgestellt worden sein, die vermutlich als "Angehörige der völkisch nicht klar einzuordnenden, blutmäßig und kulturell zum Deutschtum hinneigenden Bevölkerungsgruppen mit slawischer Haussprache" angesehen wurde. Hinsichtlich ihrer minderjährigen Söhne ist wohl nicht differenziert worden, obwohl das theoretisch möglich gewesen wäre. Nach Teil II Abs. 3 Satz 4 des Runderlasses konnten Kinder unter achtzehn Jahre in eine andere Abteilung als ihr Vater oder ihre Mutter eingetragen werden, wenn besondere Umstände dies angezeigt erscheinen ließen; dies galt insbesondere, wenn der Vater oder die Mutter in Abteilung 4 eingetragen wurden. Dass hinsichtlich des Ehemannes von dieser Möglichkeit offenbar kein Gebrauch gemacht worden ist, kann nicht gegen ihn verwendet werden, zumal seine Mutter in Abteilung 3 und nicht in Abteilung 4 eingetragen war und von daher vermutlich keine eingehende Prüfung seiner Person stattgefunden hat.

Zum anderen kommt es auf eine Eintragung "nur" in Abteilung 3 auch deshalb nicht an, weil sich die deutsche Volkszugehörigkeit nicht nach den Kriterien des Runderlasses, sondern nach § 6 BVFG a.F. richtet und die Vorschrift des § 1 Abs. 1 lit. d StAngRegG in die Deutsche Volksliste aufgenommene Personen nicht schon allein deswegen von ihrem Anwendungsbereich ausnimmt, weil sie lediglich in Abteilung 3 eingetragen worden waren.

BVerwG, Urteil vom 23. März 2000 - 5 C 9.99 -, Buchholz 412.3 § 1 BVFG Nr. 56 (S. 5).

bb) Auch das spätere Verhalten des Ehemannes der Klägerin lässt - in Verbindung mit der Bekenntnislage seiner Familie und den objektiven Bestätigungsmerkmalen - den Rückschluss auf ein vor Beginn der allgemeinen Vertreibungsmaßnahmen abgelegtes Bekenntnis zu. Der Ehemann ist - vermutlich im Sommer 1945 - aus seinem Heimatdorf, in dem er als Volksdeutscher bekannt und deshalb hochgradig gefährdet war, geflohen und hat seinen Wohnsitz auf ehemals reichsdeutschem Gebiet in einer damals noch bzw. wieder - die Bevölkerung von G. P. war offensichtlich im Februar 1945 nach Wien evakuiert worden - ausschließlich von sog. Reichsdeutschen besiedelten Ortschaft genommen. Dass die ursprünglich reichsdeutsche Bevölkerung von polnischer Seite weniger Repressalien ausgesetzt war als die (deutschen) Bewohner der eigentlich polnischen und nach 1939 eingegliederten Gebiete, hat die Klägerin glaubhaft und nachvollziehbar geschildert. Schließlich konnte den "Ur-Deutschen" nicht der Vorwurf gemacht werden, sich gegen das Heimatland (Polen) gewandt und sich (bewusst) den Besetzern angeschlossen zu haben.

Auch dass der Ehemann dort als Deutscher unter Deutschen gelebt hat und von seiner Umgebung einschließlich der polnischen Verwaltungsbehörden so akzeptiert worden ist, ist glaubhaft. Dagegen spricht nicht, dass er offenbar schon sehr bald nach seiner Flucht nach G. P. dort als Briefträger eingestellt worden ist. Wie die Klägerin in Übereinstimmung mit den allgemeinen Erkenntnissen über diese Zeit nachvollziehbar berichtet hat, wurden gerade in den Monaten nach Kriegsende, ehe die Lücken, die durch Vertreibung und Flucht der deutschen Bevölkerung entstanden waren, durch nachziehende Polen wieder geschlossen werden konnten, Arbeitskräfte dringend gebraucht. Zum Teil wurden Flüchtlinge gezielt aufgefordert zurückzukehren. Dementsprechend hat sich die Klägerin im August 1945 einem Zug mit "Eisenbahnern" angeschlossen, die "als Erste mit Erlaubnis der Polen zurückkehren" durften, um nach Hause zu fahren. Auch bei der Post wurden nach ihren Angaben dringend Leute gesucht. Von daher ist es durchaus plausibel, dass zu einer Zeit, zu der keine anderen Kräfte zur Verfügung standen, in einer ohnehin noch rein deutschen Umgebung ein Deutscher als Briefträger beschäftigt worden ist.

Wie oben schon ausgeführt, lässt diese - für ihn durchaus mit Nachteilen verbundene - Entscheidung des Ehemannes der Klägerin, nach dem Kriege weiterhin als Deutscher zu leben und sich nicht als gegen seinen Willen "eingedeutschter" Pole auszugeben, ohne weiteres den Schluss auf sein Bewusstsein und seinen Willen zu, ausschließlich dem deutschen Volkstum zuzugehören. Diese Entscheidung ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts

Urteil vom 23. November 1972 - III C 161.69 -, BVerwGE 41, 189 (194)

als "willensmäßig vollzogene und anerkannte Zuwendung zum deutschen Volkstum" zu werten, weil sich der Ehemann nach Zuzug in das "deutsche Ursprungsgebiet" in der vom deutschen Volkstum geprägten Umgebung niedergelassen, dort nicht nur äußerlich angepasst, sondern bewusst angeglichen und im Übrigen keinen Gebrauch von der Möglichkeit gemacht hat, sich einem anderen und insbesondere einem Volkstum zuzuwenden, dem er nach seiner Muttersprache oder seiner Abstammung (auch) zuzurechnen gewesen wäre.

Sofern eine solche Zuwendung des Ehemannes der Klägerin überhaupt erforderlich war und er nicht aufgrund seiner Prägung durch den Vater und später in der Wehrmacht ohnehin problemlos inmitten der deutschen Bevölkerung in Groß P. leben konnte, hat er sie vollzogen: Er hat 1949 eine Frau geheiratet, die allergrößten Wert auf ihr "Deutschsein" legt, bis heute einen Unterschied macht zwischen "wir Deutschen" und "die Polen" und die mit diesem Verfahren eine Bestätigung ihrer Überzeugung erlangen will, eine "echte Deutsche" zu sein. Mit seinen 1950 und 1954 geborenen Kindern hat der Ehemann der Klägerin - wie es nach ihren Angaben im Dorf bei kleinen Kindern noch lange üblich war - ausschließlich deutsch gesprochen und damit Benachteiligungen der Kinder in der Schule und eigene Unannehmlichkeiten (Verhör auf der örtlichen Polizeistation wegen deutschen Sprachgebrauchs in der Familie) in Kauf genommen.

b) Das nach den obigen Ausführungen festgestellte Bekenntnis des Ehemannes der Klägerin zum deutschen Volkstum wird durch seine Abstammung, Sprache, Erziehung und Kultur bestätigt.

Zur Überzeugung des Senates steht fest, dass der Ehemann auf der Seite seines Vaters von Volksdeutschen abstammt. Dies ergibt sich aus den Angaben der Klägerin, die den Schwiegervater nach den Erzählungen ihres Ehemannes anders als dessen Mutter glaubhaft als "echten Deutschen" schilderte und überdies zu berichten wusste, dass die Großmutter väterlicherseits des Ehemannes noch lange ein Bild von Kaiser Franz-Joseph in Ehren gehalten habe. Dass der Vater des Ehemannes Deutscher und sein Deutschtum prägend für die Entwicklung des Ehemannes der Klägerin war, ist oben bereits ausgeführt worden; die Teilnahme am deutschen Unterricht in der Volksschule und die spätere problemlose Eingliederung in eine zunächst rein deutsche Umgebung lassen keinen anderen Schluss zu. Für die Abstammung als Bestätigungsmerkmal genügt ein deutsches Elternteil, eine beiderseitige deutsche Abstammung ist nicht erforderlich.

BVerwG, Urteil vom 28. Februar 1979 - 8 C 61.78 -, Buchholz 412.3 § 6 BVFG Nr. 37 (S. 17).

Die deutsche Sprache des Vaters ist auch zur Muttersprache des Ehemannes geworden. Als Muttersprache im Sinne des § 6 BVFG a.F. ist die deutsche Sprache regelmäßig dann anzusehen, wenn sie in frühester Kindheit von den Eltern - zu- meist - primär durch Nachahmung erworben und bis zur Selbständigkeit so vertieft worden ist, dass sie auch im Erwachsenenalter entsprechend der Herkunft und dem Bildungsstand als die dem Betreffenden eigentümliche Sprache umfassend beherrscht wird.

BVerwG, Urteil vom 3. November 1998 - 9 C 4.97 -, Buchholz 412.3 § 6 BVFG Nr. 90 (S. 121 f.).

Das war beim Ehemann der Klägerin der Fall. Dass er - vermutlich durch seine Mutter - auch Polnisch als Landesprache gelernt und (wohl) gut beherrscht hat, ist unbeachtlich, denn der Ehemann hat offenkundig - jedenfalls bis zum Tode seines Vaters 1939 und dann wieder ab Sommer 1945 - der deutschen Sprache im persönlichfamiliären Bereich den Vorzug gegeben und sie in diesem Bereich regelmäßig überwiegend gebraucht.

Vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 3. November 1998, a.a.O. (S. 123).

Die deutsche Muttersprache indiziert regelmäßig zugleich eine deutsche Erziehung und die Zugehörigkeit zum deutschen Kulturkreis.

Ständige Rechtsprechung des BVerwG, vgl. nur Urteil vom 23. März 2000 - 5 C 9.99 -, Buchholz 412.3 § 1 BVFG Nr. 56 (S. 4); Urteil vom 3. November 1998 - 9 C 4.97 -, Buchholz 412.3 § 6 BVFG Nr. 90 (S. 121).

Im Falle des Ehemannes der Klägerin gilt nichts Abweichendes. Mit der deutschen Muttersprache des Vaters und dem jedenfalls teilweise deutschen Unterricht ist ihm eine deutsche Erziehung und das Bewusstsein der Zugehörigkeit zum deutschen Kulturkreis vermittelt worden. Beides hat ihn bewogen und es ihm ermöglicht, sich für ein Leben in deutschgeprägter Umgebung zu entscheiden und sich dort problemlos zu integrieren.

II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.

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