OLG Hamm, Urteil vom 15.02.2001 - 6 U 202/00
Fundstelle
openJur 2011, 16730
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • vorher: Az. 3 O 181/99
Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird - unter Zurückweisung des Rechtsmittels im übrigen - das am 20. Juli 2000 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Bochum teilweise abgeändert.

Die Beklagten werden verurteilt, als Gesamtschuldner an den Kläger über die erstinstanzlich zuerkannten Beträge hinaus weitere 2.930,08 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 18. März 1999 zu zahlen.

Die weitergehende Klage bleibt abgewiesen.

Die Kosten des ersten Rechtszuges werden zu 40 % dem Kläger und zu 60 % den Beklagten auferlegt;

die Kosten des Berufungsverfahrens werden zu 67 % dem Kläger und zu 33 % den Beklagten auferlegt.

Gründe

I.

Die Parteien streiten um den Umfang eines Schadensersatzanspruchs des Klägers aus einem Verkehrsunfall, der sich am 13.01.1999 gegen 20.20 Uhr in C auf dem Parkplatz 8 des S-Zentrums hinter dem V-Kino ereignete. Bei diesem Parkplatz handelt es sich um einen großflächigen öffentlichen Parkraum mit mehreren Parallel- und Querverbindungen, an deren Seiten Parkboxen angelegt sind.

Auf der Kreuzung zweier Verbindungswege, die der Kläger mit seinem PKW DB und die Beklagte zu 1) mit dem PKW Opel des Beklagten zu 2) befuhren, stießen diese PKW zusammen. Die Beklagte zu 1)kam aus Sicht des Klägers von links. Der Opel traf frontal gegen die linke Seite des DB.

Der Kläger, der seine Geschwindigkeit auf 10 bis 20 km/h veranschlagt hat, hat mit der Begründung, der Unfall beruhe ausschließlich auf einer Vorfahrtsverletzung der Beklagten zu 1), ungekürzten Schadensersatz gefordert.

Die Beklagten haben eine Schadensteilung für sachgerecht gehalten, weil der Kläger bei einer Geschwindigkeit von mindestens 30 km/h unangemessen schnell gewesen sei.

Das Landgericht hat nach Beweisaufnahme hälftige Quotierung angenommen, weil beiderseitiges Unfallverschulden der Fahrer von etwa gleichem Gewicht bewiesen sei.

Mit seiner Berufung verfolgt der Kläger sein Ziel unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vortrags weiter.

Die Beklagten verteidigen die angefochtene Entscheidung.

II.

Die Berufung hat zum Teil Erfolg. Denn die Abwägung der Schadensverursachungsanteile gem. § 17 StVG führt zu einer Haftungsquote im Verhältnis von 1 : 2 zu Lasten der Beklagten. Nachdem die Beklagten bereits hälftigen Schadensersatz geleistet haben, waren dem Kläger auf den der Höhe nach unstreitigen Gesamtschaden von 17.580,50 DM weitere 2.930,08 DM zuzusprechen.

Wie zwischen den Parteien außer Streit steht, galt an der Unfallstelle die Vorfahrtregelung "rechts vor links" (§ 8 StVO). Denn die einander kreuzenden Verbindungswege wiesen, wie den bei der Akte befindlichen Fotos entnommen werden kann, hinsichtlich Markierung, Breite und Verkehrsführung im wesentlichen gleichartige Merkmale auf, so daß der Straßencharakter der Fahrbahnen klar und unmißverständlich zu erkennen war (vgl. dazu OLG Hamm OLGR 93, 304 = r + s 94, 52; OLG Düsseldorf NZV 00, 263 = VM 00, 46). Die Beklagte zu 1) hat dem aus ihrer Sicht von rechts kommenden Kläger nicht den Vorrang eingeräumt und auf diese Weise den Unfall verschuldet. Das Unfallverschulden der Beklagten zu 1) erschwerend kommt hinzu, daß die Beklagte zu 1), wie das Gutachten des Sachverständigen L ergeben hat, mit einer Geschwindigkeit von ca. 20 km/h gegen den PKW des Klägers traf. Bei einer solchen Geschwindigkeit hatte die Beklagte zu 1) sich von vornherein der Möglichkeit begeben, auf ein bevorrechtigtes Fahrzeug noch unfallvermeidend reagieren zu können. Denn wegen der durch einen parkenden PKW Audi hervorgerufenen Sichtbehinderung hätte die Beklagte zu 1) den örtlichen Verkehrsverhältnissen nur dann gerecht werden können, wenn sie sich mit deutlich weniger als 10 km/h vorsichtig in den Kreuzungsbereich hineingetatstet hätte. Auch dies steht mit den Ausführungen des Sachverständigen L fest.

Trotz der somit durch verkehrswidriges Verhalten der Beklagten zu 1) gesteigerten Betriebsgefahr des PKW Opel haben die Beklagten den Schaden des Klägers nicht in vollem Umfange zu tragen. Denn auch der Kläger muß sich entgegenhalten lassen, durch vorschriftswidriges Verhalten nicht unerheblich zum Unfallgeschehen beigetragen zu haben. Er befand sich auf einem Parkplatz, auf dem er in besonderem Maße mit Vorfahrtverletzungen durch andere Verkehrsteilnehmer, die u. a. durch ihre Suche nach einem Parkplatz abgelenkt waren, rechnen mußte. Aus diesem Grunde durfte er nicht auf die Beachtung des Vorrechtes durch die Beklagte zu 1) vertrauen, sondern war gem. § 1 Abs. 2 StVO verpflichtet, den wartepflichtigen Verkehr aufmerksam zu beobachten, um erforderlichenfalls auf sein Vorrecht zu verzichten und sofort unfallvermeidend anhalten zu können (vgl. OLG Köln, VM 99, 88; OLG Hamm a.a.O.). Diesen Anforderungen ist der Kläger nicht gerecht geworden. Auch er hätte, wie das Gutachten des Sachverständigen L ergeben hat, ebenso wie die Beklagte zu 1) die Verkehrssituation nur beherrschen können, wenn er sich vorsichtig in den Kreuzungsbereich hineingetastet hätte. Stattdessen ist er aber, wie das Gutachten ebenfalls offengelegt hat, mit 20 bis 25 km/h gefahren.

Bei der Abwägung der beiderseitigen Schadensverursachungsbeiträge gem. § 17 StVG steht die Vorfahrtverletzung der Beklagten zu 1) als das den Unfallhergang vorwiegend prägende Element im Vordergrund. Es erschien daher sachgerecht, dem Schadensverursachungsbeitrag der Beklagten zu 1) doppelt so viel Gewicht beizumessen wie demjenigen des Klägers (vgl. dazu auch OLG Hamm a.a.O.; OLG Köln VersR 93, 589; ferner Splitter, zfs 00, 236, 237, 239). Zu einer anderen Bewertung besteht nicht deswegen Anlaß, weil der Kläger nach den Bekundungen des Zeugen U etwa auf der Mitte seiner Fahrbahn fuhr. Denn das Rechtsfahrgebot, gegen das der Kläger möglicherweise verstoßen hat, dient nicht dem Schutz des Querverkehrs (vgl. dazu BGH VersR 75, 37).

Der Zinsanspruch beruht auf §§ 286, 288 BGB.

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91 a, 92, 708 Nr. 10, 546 ZPO.