LG Kleve, Urteil vom 10.11.2015 - 4 O 211/13
Fundstelle
openJur 2016, 10990
  • Rkr:

1.

Schreibt die Verfahrensordnung einer Gütestelle vor, dass bei allen gesetzlichen Vertretern des Antragsgegners die ladungsfähige Anschrift anzugeben ist, ist bei den Vorständen einer eingetragenen Genossenschaft jeweils deren eigene Anschrift und nicht die Anschrift der Genossenschaft anzugeben. Hält der Güteantrag diese Formalie nicht ein, ist er nicht geeignet, die Verjährung der geltend gemachten Ansprüche zu hemmen.

2.

§ 152 Abs. 1 S. 3 KAGB begründet keine Außenhaftung des mittelbaren Gesellschafters gegenüber Gläubigern der Kommanditgesellschaft.

3.

Wenn sich der Anleger die erzielten Steuervorteile nicht schadensmindernd anrechnen lassen muss, kann er nicht zugleich den Ausgleich steuerlicher Nachteile ersetzt verlangen.

Tenor

Das Versäumnisurteil vom 09.06.2015 wird aufrechterhalten.

Der Kläger trägt auch die weiteren Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar. Die Vollstreckung aus dem Versäumnisurteil vom 09.06.2015 darf nur gegen Leisten dieser Sicherheit fortgesetzt werden.

Tatbestand

Nach Beratung durch die Beklagte, die durch ihren Mitarbeiter N vertreten wurde, zeichnete der Kläger am 05.11.2002 eine mittelbare Kommanditbeteiligung an dem Fonds „MS F“ zum Preise von 20.000,- € zuzüglich eines Aufgeldes von 1.000,- €. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Zeichnungsschein vom 05.11.2002 (Anlage K1 zur Klageschrift = Bl. 36/37 GA) und den Anlageprospekt (Anlage K2 zur Klageschrift = Bl. 38-87) Bezug genommen, in dem Gesellschafts- und Treuhandvertrag abgedruckt sind. Die Zeichnungserklärung des Klägers wurde am 19.11.2002 angenommen. Der Ablauf des Beratungsgesprächs ist streitig. Die Beklagte hat die Einrede der Verjährung gegen die vom Kläger geltendgemachten Ansprüche erhoben. Aus der gezeichneten Beteiligung erhielt der Kläger Ausschüttungen in Höhe von insgesamt 4.000,- €. Im Jahre 2010/2011 leistete der Kläger im Rahmen eines Konzeptes zur Sicherung der Liquidität des Fonds eine weitere Einlage in Höhe von insgesamt 5.000,- €.

Im Jahre 2012 strengte der Kläger ein Güteverfahren gegen die Beklagte bei der DD GmbH in Karlsruhe (nachfolgend: DD) an, welche eine staatlich anerkannte Gütestelle ist. Wegen des Inhaltes des Güteantrages wird auf die Antragsschrift vom 31.10.2012 (Anlage K4 zur Klageschrift = Bl. 90-105 GA) verwiesen. Die DD veranlasste die Übersendung der Antragsschrift an die Beklagte am 22.11.2012. Die DD verfügte im streitgegenständlichen Zeitraum über die Verfahrensordnung vom 23.11.2011 (nachfolgend: VerfO). Diese bestimmt in § 3 VerfO:

§ 3

Verfahrenseinleitung, Antragsgebühr

(1) Das Verfahren wird durch den Antrag einer Partei eingeleitet. Der Antrag kann in Textform (Telefax, E-Mail usw.), mündlich oder fernmündlich gestellt werden und ist auf Kosten der Antrag stellenden Partei der Gütestelle zu übermitteln.

(2) Soll die Verjährung eines Anspruches gehemmt (§ 204 Absatz 1 Nr. 4 BGB) oder eine andere gesetzliche Folge der Anrufung der Gütestelle erreicht werden, so ist das Verfahren in Textform zu beantragen. Der Antrag hat folgende Angaben zu enthalten:

a) Namen und Vornamen der Parteien, ladungsfähige Anschriften und gegebenenfalls deren Bevollmächtigte, bei juristischen Personen genaue Bezeichnung der Rechtsform sowie hier als auch bei geschäftsunfähigen oder in der Geschäftsfähigkeit beschränkten Personen vollständige Benennung aller gesetzlichen Vertreter mit ladungsfähigen Anschriften. Angaben zu Telefon- und Telefaxnummern sowie zu sonstigen Kommunikationsmitteln sind empfehlenswert.

b) eine kurze Darstellung des Gegenstandes der Streitigkeit.

(3) Ein schriftlicher Antrag ist von der Antrag stellenden Partei oder ihrem Bevollmächtigten zu unterschreiben. Die für die Zustellung an die Antragsgegnerseite erforderlichen Abschriften sind beizufügen.

(4) […]

Wegen des weiteren Regelungsinhaltes wird auf die Verfahrensordnung (Anlage K10 zum Schriftsatz vom 06.08.2014 = Bl. 218/219 GA) verwiesen. Mit Schreiben vom 10.12.2012 erklärte die Beklagte, die den Güteantrag am 27.11.2012 erhalten hatte, mit der Durchführung eines Güteverfahrens nicht einverstanden zu sein. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf das Schreiben vom 10.12.2012 (Anlage K7 zur Klageschrift = Bl. 108 GA) Bezug genommen. Mit Schreiben vom 18.12.2012, das bei den Klägervertretern am 27.12.2012 einging, erklärte die DD das Güteverfahren für gescheitert. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf das Schreiben vom 18.12.2012 (Anlage K5 zur Klageschrift = Bl. 106 GA) verwiesen. Die streitgegenständliche Klageschrift vom 05.06.2013 ging am 12.06.2013 vorab per Fax und postalisch am 21.06.2013 beim Landgericht Kleve ein. Das Landgericht hat mit Vorschussrechnung vom 24.06.2013 den Gerichtskostenvorschuss vom Kläger angefordert. Die Zahlung ging am 27.06.2013 ein. Die Klagezustellung wurde am 02.07.2013 verfügt, zugestellt wurde sie der Beklagten am 05.07.2013. Im Verhandlungstermin am 09.06.2015 blieb der Kläger säumig, worauf auf Antrag der Beklagten ein klageabweisendes Versäumnisurteil verkündet wurde, das dem Kläger am 10.06.2015 zugestellt worden ist und gegen das er mit Schriftsatz vom 24.06.2015 Einspruch eingelegt hat, der am gleichen Tage vorab per Fax bei dem Landgericht Kleve eingegangen ist.

Der Kläger trägt vor:

Die Beklagte habe ihn bei der Empfehlung der streitgegenständlichen Anlage fehlerhaft beraten. Wegen der Einzelheiten der gerügten Beratungsfehler wird auf Seite 5-15 der Klageschrift (= Bl. 6-16 GA) Bezug genommen. Er könne seinen Anlagebetrag einschließlich Aufgeld, zuzüglich der weiteren Einlage in Höhe von 5.000,- € aus dem Jahre 2010/2011, abzüglich der erhaltenen Ausschüttungen von der Beklagten ersetzt verlangen. Überdies stünden ihm entgangene Zinsen in Höhe von 4 % p.a. aus dem Anlagebetrag zu. Bei richtiger Beratung hätte er das Geld zumindest als Tages-, Fest- oder Termingeld angelegt, wenn ihm keine andere sichere Anlage angeboten worden wäre. Zu erstatten seien zudem die außergerichtlichen Anwaltskosten und die Verfahrenskosten der Gütestelle DD. Steuervorteile brauche er sich nicht anrechnen zu lassen, weil sie nicht außergewöhnlich hoch gewesen seien. Seine Ansprüche seien nicht verjährt. Güteantrag und Klage hätten die Verjährung rechtzeitig gehemmt. Der Güteantrag, der der Verfahrensordnung der DD genüge und insbesondere im Original von Rechtsanwalt H unterschrieben worden sei, sei am 02.11.2012 bei der DD eingegangen. Die erforderlichen Abschriften seien beigefügt gewesen. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf das Schreiben der DD vom 08.11.2012 (Anlage K7 zum Schriftsatz vom 21.07.2014 = Bl. 196 GA) verwiesen. Die mit Rechnung vom 08.11.2012 angeforderten Verfahrenskosten in Höhe von 238,- € (insoweit wird auf die Rechnung vom 08.11.2012, Anlage K6 zur Klageschrift = Bl. 107 GA, verwiesen) seien am 20.11.2012 angewiesen worden. Das Güteverfahren ende erst mit der Feststellung der Erfolglosigkeit durch die Gütestelle am 18.12.2012. Das Schreiben der Beklagten vom 10.12.2012 sei bei den Klägervertretern erst am 13.12.2012 eingegangen.

Der Kläger beantragt,

das Versäumnisurteil vom 09.06.2015 aufzuheben und

1.)

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 22.000,- € nebst Zinsen in Höhe von 4 % p.a. aus 8.000,- € vom 12.11.2002 bis zum 26.11.2002, aus 15.000,- € vom 27.11.2002 bis zum 24.03.2003, aus 21.000,- € vom 25.03.2003 bis zum 01.09.2003, aus 20.600,- € vom 02.09.2003 bis zum 01.12.2003, aus 20.200,- € vom 02.12.2003 bis zum 01.03.2004, aus 19.800,- € vom 02.03.2004 bis zum 01.06.2004, aus 19.400,- € vom 02.06.2004 bis zum 01.09.2004, aus 18.600,- € vom 02.09.2004 bis zum 01.03.2005, aus 17.800,- € vom 02.03.2005 bis zum 01.03.2006, aus 17.000,- € vom 02.03.2006 bis zum 14.07.2011, aus 21.000,- € vom 15.07.2010 bis zum 30.01.2011, aus 22.000,- € vom 31.01.2011 bis zum 09.12.2012, zuzüglich Zinsen aus dem sich hieraus ergebenden Gesamtbetrag in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 10.12.2012 zu zahlen, Zug um Zug gegen Angebot zur Übertragung seiner Beteiligung an der MS „E. R. Helgoland“ Schifffahrtsgesellschaft mbH & Co. KG;

2.)

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Kläger von wirtschaftlichen Schäden aus einer etwaigen Inanspruchnahme Dritter gemäß § 171 HGB und von einer etwaigen Zahlungspflicht gegenüber der MS „F“ Schifffahrtsgesellschaft mbH & Co. KG und deren Gesellschaftern nach gesellschaftsrechtlichen Regelungen und § 172 Abs. 4 HGB freizustellen;

3.)

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Kläger von sämtlichen etwaigen steuerlichen Schäden freizustellen, die der Kläger dadurch erleidet, dass er nicht sogleich ohne Berücksichtigung der Beteiligung an der MS „F“ Schifffahrtsgesellschaft mbH & Co. KG steuerlich veranlagt wurde;

4.)

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger außergerichtliche Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 2.065,84 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 10.12.2012 zu zahlen;

5.)

festzustellen, dass sich die Beklagte mit der Annahme der Gegenleistung in Annahmeverzug befindet.

Die Beklagte beantragt,

das Versäumnisurteil vom 09.06.2015 aufrechtzuerhalten.

Die Beklagte wendet ein:

Sie habe den Kläger anleger- und anlagegerecht beraten. Wegen der Einzelheiten der von der Beklagten geschilderten Beratung wird auf Seite 3-20 der Klageerwiderung (= Bl. 128-145 GA) Bezug genommen. Eventuelle Beratungsfehler seien für die Anlageentscheidung des Klägers nicht ursächlich gewesen. Die Schadenshöhe sei unzutreffend angegeben. Für den im Rahmen der Sanierung von 2010 eingelegten Betrag von 5.000,- € hafte die Beklagte nicht. Die Rechtsverfolgungskosten seien nicht ersatzfähig. Die Anrufung der Gütestelle sei weder erforderlich, noch zweckmäßig gewesen, so dass die Kosten nicht ersatzfähig seien. Der Ansatz einer 2,0-Gebühr für die außergerichtlichen Anwaltskosten sei überhöht. Dass der Kläger diese bereits ausgeglichen habe, werde mit Nichtwissen bestritten. Etwaige Ansprüche des Klägers seien verjährt. Sie bestreite mit Nichtwissen, dass der Güteantrag am 02.11.2012 bei der Gütestelle eingegangen sei, sowie dass die Verfahrenskosten der Gütestelle am 20.11.2012 bezahlt worden seien. Die der Beklagten übersandte Abschrift des Güteantrages weise einen Eingangsstempel der DD auf, der auf den 08.11.2012 datiere. Der Kläger habe auch bereits vor dem 27.12.2012 Kenntnis vom Scheitern des Güteverfahrens gehabt. Das Schreiben vom 10.12.2012 habe die Beklagte nicht nur der Gütestelle, sondern auch als Zweitschrift dem Kläger persönlich und den Klägervertretern übermittelt, die es am 11.12.2012 erhalten hätten.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.

Gründe

Das Versäumnisurteil vom 09.06.2015 ist gemäß § 343 S. 1 ZPO aufrechtzuerhalten. Der Einspruch des Klägers gegen das Versäumnisurteil ist zulässig, insbesondere rechtzeitig und in gehöriger Form eingelegt worden. Er hat jedoch in der Sache keinen Erfolg, weil die zulässige Klage unbegründet ist.

I.

Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen (durchsetzbaren) Anspruch auf Zahlung von 22.000,- € Zug um Zug gegen Übertragung seiner mittelbaren Kommanditbeteiligung an der MS „F“ Schifffahrtsgesellschaft mbH & Co. KG nach §§ 311, 280 Abs. 1 BGB.

1.)

Zwischen dem Kläger und der Beklagten ist hinsichtlich des Erwerbs des streitgegenständlichen Fonds ein Anlageberatungsvertrag und nicht (lediglich) ein Anlagevermittlungs- bzw. Auskunftsvertrag zustande gekommen. Ein Beratungsvertrag kommt regelmäßig dann konkludent zustande, wenn im Zusammenhang mit der Anlage eines Geldbetrages tatsächlich eine Beratung stattgefunden hat. Tritt ein Anlageinteressent an eine Bank oder der Anlageberater einer Bank an einen Kunden heran, um über die Anlage eines Geldbetrages zu beraten beziehungsweise beraten zu werden, so wird das darin liegende Angebot auf Abschluss eines Beratungsvertrages stillschweigend durch die Aufnahme des Beratungsgespräches angenommen (vgl. BGH BKR 2008, 199, 200 m.w.N). Beide Parteien gehen vorliegend auch zutreffend von einem Beratungsvertrage aus.

2.)

Die beratende Bank ist zu einer anleger- und anlagegerechten Beratung verpflichtet (BGH NJW-RR 2012, 43, 44 m.w.N.). Inhalt und Umfang der Beratungspflichten hängen dabei von den Umständen des Einzelfalls ab. Maßgeblich sind einerseits der Wissensstand, die Risikobereitschaft und das Anlageziel des Kunden und andererseits die allgemeinen Risiken, wie etwa die Konjunkturlage und die Entwicklung des Kapitalmarktes, sowie die speziellen Risiken, die sich aus den Besonderheiten des Anlageobjekts ergeben (BGH NJW-RR 2012, 43, 44 m.w.N.). In Bezug auf das Anlageobjekt hat sich die Beratung auf diejenigen Eigenschaften und Risiken zu beziehen, die für die jeweilige Anlageentscheidung wesentliche Bedeutung haben oder haben können. Während die Bank über diese Umstände richtig, sorgfältig, zeitnah, vollständig und für den Kunden verständlich zu unterrichten hat (BGH NJW-RR 2012, 43, 44 m.w.N.), muss die Bewertung und Empfehlung des Anlageobjekts unter Berücksichtigung der genannten Gegebenheiten lediglich ex ante betrachtet vertretbar sein. Das Risiko, dass eine aufgrund anleger- und anlagegerechter Beratung getroffene Anlageentscheidung sich im Nachhinein als falsch erweist, trägt der Anleger (BGH NJW-RR 2012, 43, 44 m.w.N.).

3.)

Es kann dahinstehen, ob die Beklagte bei Anwendung der vorstehenden Grundsätze auf den Streitfall den Kläger anlage- und anlegergerecht beraten hat. Aus Beratungsfehlern folgende Schadensersatzansprüche des Klägers, sind gemäß     § 214 Abs. 1 BGB wegen der von der Beklagten erhobenen Einrede der Verjährung nicht durchsetzbar.

a.)

Die streitgegenständlichen Schadensersatzansprüche sind gemäß § 199 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 BGB mit Ablauf des 19.11.2012 verjährt. Die kenntnisunabhängige Zehnjahresfrist ist dabei taggenau zu berechnen, anders als die kenntnisabhängige Dreijahresfrist beginnt sie nicht erst mit dem Schluss des Jahres (BGH NJW 2010, 1956, 1957; Palandt/Ellenberger, BGB, 73. Aufl. 2014, § 199, Rn. 42). Entstanden ist der Schaden am 19.11.2002 mit dem Abschluss des schuldrechtlichen Vertrages über den Erwerb des Fondsanteils (vgl. BGH NJW-RR 2011, 842, 843; BGH NJW-RR 2015, 1076, 1077). Ob die Vermögensanlage zu diesem Zeitpunkt werthaltig war oder nicht, ist unerheblich. Denn bei einer Beratung schuldet das Wertpapierdienstleistungsunternehmen eine auf die Anlageziele des Kunden abgestimmte Empfehlung von Produkten. Der Erwerb einer diesen Zielen nicht entsprechenden empfohlenen Wertpapierkapitalanlage lässt auch bei objektiver Betrachtung bereits den – schuldrechtlichen – Vertragsschluss den konkreten Vermögensinteressen des Anlegers nicht angemessen und damit als nachteilig erscheinen (BGH NJW-RR 2015, 1076, 1077; BGH NJW 2005, 1579, 1580).

b.)

Der Güteantrag des Klägers aus dem Schriftsatz vom 31.10.2012 hat keine Hemmung der Verjährung nach § 204 Abs. 1 Nr. 4 BGB auszulösen vermocht, ohne dass es darauf ankäme, ob er am 02.11.2012 oder am 08.11.2012 bei der DD eingegangen ist. Zwar ist ein an die DD gerichteter Güteantrag grundsätzlich geeignet, die Verjährung zu hemmen, weil die DD eine staatlich anerkannte Gütestelle im Sinne von § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO ist. § 204 Abs. 1 Nr. 4 BGB gilt nicht nur dann, wenn ein Schlichtungsverfahren nach § 15a EGZPO in Verbindung mit einem landesrechtlichen Ausführungsgesetz Voraussetzung für eine zulässige Klage ist (vgl. Palandt/Ellenberger, BGB, 73. Aufl. 2014, § 204, Rn. 19; a.A. Staudinger/Eidenmüller NJW 2004, 23, 24). Eine entsprechende Einengung des Anwendungsbereiches der Vorschrift ist mit dem Wortlaut nicht zu vereinbaren (OLG Hamm, Urteil vom 26.04.2007, Az.: 22 U 117/06 = BeckRS 2008, 10485).

Der Güteantrag aus dem Schriftsatz vom 30.10.2012 war aber nicht geeignet, die Verjährung zu hemmen, weil er die formalen Anforderungen des § 3 Abs. 2 S. 2 lit. a.) VerfO nicht eingehalten hat. Eine Güteantrag hemmt die Verjährung nur dann, wenn er die in der Verfahrensordnung der Gütestelle vorgesehenen Formalien erfüllt (BGH NJW 2015, 2407, 2409; Palandt/Ellenberger, BGB, 73. Aufl. 2014, § 204, Rn. 19). Verstößt er dagegen, vermag er die Verjährung nicht zu hemmen (vgl. BGH, Urteil vom 22.02.2008, Az.: V ZR 86/07, Rn 10 = BeckRS 2008, 04680; OLG Frankfurt, Urteil vom 16.07.2014, Az.: 19 U 2/14, Rn. 19 = BeckRS 2014, 15970). Dabei ist ein strikter Maßstab anzulegen. Sieht die Verfahrensordnung vor, dass eine Originalvollmacht beizufügen ist, hemmt der Güteantrag die Verjährung nicht, wenn ihm nur eine Kopie der Vollmacht beilag (BGH, Urteil vom 22.02.2008, Az.: V ZR 86/07, Rn 11 = BeckRS 2008, 04680, Verfassungsbeschwerde zurückgewiesen durch BVerfG NJW-RR 2009, 1148).

Unter Anwendung der vorstehenden Grundsätze wahrt der Güteantrag des Klägers die in der VerfO vorgeschriebenen Formalien nicht. § 3 Abs. 2 S. 2 lit. a) VerfO schreibt ausdrücklich vor, dass bei juristischen Personen die vollständige Benennung aller gesetzlichen Vertreter mit ladungsfähigen Anschriften erforderlich ist. Der Güteantrag des Klägers lautet insoweit wie folgt: „W-Bank eG, M-allee 00, 00000 B-stadt, vertreten d. d. Vorstand, dieser vertreten durch A.M. (Vorstandsvorsitzender), B.J., ebenda“. Damit benennt der Güteantrag zwar alle Mitglieder des Vorstandes der Beklagten mit Vor- und Nachnamen und gibt damit alle gesetzlichen Vertreter namentlich an. Jedoch fehlt es an einer Angabe der ladungsfähigen Anschriften der gesetzlichen Vertreter. Angegeben ist nur die ladungsfähige Anschrift der Beklagten, nicht aber die der Vorstandsmitglieder. Die Angabe „ebenda“ ist keine solche Benennung. Sie kann nur so verstanden werden, dass deren ladungsfähige Anschrift die gleiche wie die der Beklagten sei. Dem ist aber nicht so. Der Geschäftsraum einer Genossenschaft ist kein Geschäftsraum ihrer Vorstandsmitglieder im Sinne von § 178 Abs. 1 Nr. 2 ZPO, weil diese als rechtlich selbständige juristische Person einen eigenen Gewerbebetrieb unterhält (vgl. BayObLG NJW-RR 2000, 464; OLG Brandenburg NJW-RR 1996, 766, 767, jeweils zur entsprechenden Rechtslage beim Geschäftsführer einer GmbH; LAG Hessen NZA-RR 2007, 266, 267 zur entsprechenden Rechtslage beim Vorstandsmitglied einer AG). Die Bestimmung der Verfahrensordnung kann auch nur so verstanden werden, dass bei den Vorstandsmitgliedern die eigene zustellungsfähige Anschrift genannt werden muss. § 3 Abs. 2 S. 2 lit. a.) VerfO schreibt ausdrücklich vor, auch bei juristischen Personen für jeden gesetzlichen Vertreter eine ladungsfähige Anschrift zu nennen. Dies wäre sinnlos, wenn bei jedem einzelnen Vorstandsmitglied nur durch ein „ebenda“ auf die Geschäftsanschrift der juristischen Person zu verweisen wäre. Hingegen ermöglicht die Angabe eigener ladungsfähiger Anschrift eine erleichterte Zustellung (vgl. § 170 Abs. 3 ZPO), wenn die Partei selbst unter der angegebenen Anschrift nicht erreichbar ist.

Doch selbst wenn man – anders als die Kammer – davon ausginge, dass die Benennung der ladungsfähigen Anschrift der Vorstandsmitglieder durch einen Verweis auf die Anschrift der Genossenschaft Genüge getan würde, wären hier die Formalien nicht eingehalten. Der Verweis auf die Anschrift durch die Bezeichnung „ebenda“ findet sich nur bei dem Vorstand A.M., nicht aber bei dem Vorstand B.J.. Die Verfahrensordnung schreibt aber eindeutig vor, bei jedem gesetzlichen Vertreter die Anschrift wiederzugeben.

Dass die Angaben den Anforderungen an eine Klageschrift gemäß §§ 253, 130 ZPO genügen würden, ändert daran nichts. § 130 Nr. 1 ZPO enthält eine bloße Sollvorschrift. Über deren Regelungsgehalt geht § 3 Abs. 2 S. 2 lit. a.) VerfO hinaus, bei dem es sich um eine Mussvorschrift handelt, wie sich eindeutig aus dem Wortlaut „hat folgende Angaben zu enthalten“ ergibt. Eine Auslegung entgegen dem klaren Wortlaut der Bestimmung scheidet aus, weil dadurch die Belange der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit im Zusammenhang mit der Verjährungshemmung beeinträchtigt würden (vgl. BGH, Urteil vom 22.02.2008, Az.: V ZR 86/07, Rn 10 = BeckRS 2008, 04680). Ausweislich des § 3 Abs. 2 S. 1 VerfO ist es gerade (ein) Zweck der vorgenannten Formalien, Rechtssicherheit in Bezug auf die Eignung des Güteantrages zur Rechtsverfolgung zu schaffen, da sie nur eingehalten werden müssen, wenn die Verjährung gehemmt oder eine sonstige gesetzliche Folge des Güteantrages herbeigeführt werden soll, während ansonsten der Güteantrag nach § 3 Abs. 1 VerfO formlos möglich ist. Der Kläger kann dagegen nicht einwenden, dass seine Rechtsverfolgung damit unzulässig erschwert würde, da er selbst die angerufene Gütestelle ausgewählt hat. Es hätte ihm freigestanden, eine Gütestelle anzurufen, deren Verfahrensordnung weniger strenge Anforderungen vorsieht.

c.)

Die am 12.06.2013 anhängig und am 05.07.2013 rechtshängig gemachte Klage konnte die Verjährung nicht mehr nach § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB hemmen, weil die Ansprüche bereits bei Anhängigkeit verjährt gewesen sind.

II.

Aus den unter I. 3.) ausgeführten Gründen ist auch der gemäß § 256 ZPO zulässige Antrag  auf Feststellung einer Freistellungspflicht der Beklagten für Ansprüche gegen den Kläger aus §§ 171, 172 Abs. 4 HGB und gesellschaftsvertraglichen Vereinbarungen unbegründet. Derartige Freistellungsansprüche dürften überdies auch dann nicht bestehen, wenn der Schadensersatzanspruch nicht verjährt wäre. Ansprüche nach §§ 171, 172 Abs. 4 HGB richten sich gegen die Kommanditisten einer KG. Der Kläger ist aber nicht Kommanditist der MS „F“ Schifffahrtsgesellschaft mbH & Co. KG. Kommanditist ist vielmehr die T Treuhand GmbH & Cie. KG (nachfolgend: Treuhänderin), auch wenn diese den Kommanditanteil treuhänderisch für den Kläger hält. Das ändert nichts daran, dass bürgerlichrechtlich nur die Treuhänderin Gesellschafterin der Klägerin ist (LG Kleve, Urteil vom 06.10.2015, Az.: 4 O 21/15). Dies zeigt auch ein Blick auf § 39 AO. Absatz 1 enthält als Grundprinzip die Zurechnung nach Maßgabe des bürgerlichen Rechts (vgl. Koenig, AO, 3. Aufl. 2014, § 39, Rn. 1). Dabei ist der Begriff des Eigentums an Wirtschaftsgütern im Sinne von § 39 Abs. 1 AO dahingehend zu verstehen, dass er auch die Inhaberschaft von Gesellschaftsanteilen und Forderungen umfasst (vgl. Koenig, AO, 3. Aufl. 2014, § 39, Rn. 10). Abweichend davon bestimmt § 39 Abs. 2 Nr. 1 S. 2 AO jedoch, dass bei Treuhandverhältnissen die Zurechnung an den Treugeber zu erfolgen hat. § 39 Abs. 2 AO nimmt von bürgerlichen Recht abweichende Zuordnungen vor. Diese Anordnung wäre überflüssig, wenn der Gesetzgeber den Treugeber ohnehin bereits bürgerlichrechtlich als berechtigt und verpflichtet ansähe. Abweichender vertraglicher Regelung ist nur das Innenverhältnis zugänglich, nicht aber das Außenverhältnis zu Drittgläubigern (vgl. BGH NJW 1953, 1548, 1549; BGH NZG 2011, 1432, 1433/1434). Dabei kann dahinstehen, ob auf die vor dem 22.07.2013 errichtete MS „F“ Schifffahrtsgesellschaft mbH & Co. KG zwischenzeitlich das Kapitalanlagegesetzbuch anzuwenden ist, oder ob für diese § 353 Abs. 1 KAGB i.V.m. § 32 Abs. 5 VermAnlG weiterhin altes Recht gilt. § 152 Abs. 1 S. 3 KAGB stellt den mittelbaren Gesellschafter nur im Verhältnis zur KG und zu den übrigen Gesellschaftern einem Kommanditisten gleich. Die Außenhaftung nach §§ 128, 171 ff. HGB trifft nach wie vor ausschließlich den Treuhandkommanditisten (Paul in: Weitnauer/Boxberger/Anders, KAGB, 1. Aufl. 2014, § 152, Rn. 7). Dementsprechend kann die Haftung aus §§ 171, 172 Abs. 4 HGB den Kläger nicht treffen, sondern nur die Treuhänderin. Freilich ist der Kläger nach § 1 Nr. 7 S. 4, 5 des Treuhandvertrages (siehe Bl. 82 GA) verpflichtet, die Treuhänderin von diesen Ansprüchen freizustellen. Eine Freistellung von Ansprüchen aus dem Treuhandvertrag begehrt der Kläger mit seinem Klageantrag aber gerade nicht. Überdies bestünde auch der Freistellungsanspruch nur Zug um Zug gegen Übertragung der mittelbaren Kommanditbeteiligung.

III.

Der gemäß § 256 ZPO zulässige Antrag auf Feststellung der Verpflichtung zum Ersatz steuerlicher Schäden ist ebenfalls aus den unter I. 3.) ausgeführten Gründen unbegründet. Überdies dürften die steuerlichen Nachteile selbst dann nicht ersatzfähig sein, wenn der Schadensersatzanspruch nicht verjährt wäre (vgl. LG Kleve, Urteil vom 05.03.2013, Az.: 4 O 282/11, Berufung anhängig beim OLG Düsseldorf, Az.: I-14 U 104/13). Dies ist die Konsequenz der pauschalierten Schadensermittlungsmethode des BGH, nach der auch die erzielten Steuervorteile nicht berücksichtigt werden. Dies ergibt sich gemäß § 287 ZPO daraus, dass die Steuerbelastung der erhaltenen Schadensersatzleistung die zuvor erzielten Steuervorteile grundsätzlich wieder aufzehrt (vgl. Knebel/Schmidt BB 2010, 1316, 1317/1318). Da sich der Anleger die erzielten Steuervorteile grundsätzlich nicht schadensmindernd anrechnen lassen muss, ist als Kehrseite davon sein Feststellungsantrag insoweit unbegründet, wie er auf den Ausgleich steuerlicher Nachteile gerichtet ist (vgl. BGH, Urt. v. 15.07.2010 – III ZR 336/08 – Juris-Rn. 2 und 4).

IV.

Ansprüche auf entgangene Zinsen, Verzugszinsen und die Erstattung außergerichtlicher Rechtsverfolgungskosten sind gemäß § 217 BGB verjährt. Nebenforderungen verjähren zusammen mit dem Hauptanspruch, von dem sie abhängen. Der Hauptanspruch ist aus den unter I. 3.) ausgeführten Gründen verjährt.

V.

Der gemäß § 256 ZPO zulässige Antrag auf Feststellung des Annahmeverzuges ist unbegründet. Die Beklagte befindet sich nicht im Verzuge der Annahme, weil sie zur Annahme der mittelbaren Kommanditbeteiligung nicht verpflichtet ist. Überdies dürfte es bereits an einem Angebot fehlen, das den Annahmeverzug begründen kann. Aus der Zug um Zug-Einschränkung des Klageantrags zu 1.) ergibt sich, dass der Kläger als ihm im Wege des Vorteilsausgleichs obliegende Gegenleistung das Angebot zur Übertragung seiner Beteiligung ansieht. Ihm obliegt im Wege des Vorteilsausgleichs aber nicht das bloße Angebot der Übertragung, sondern die Übertragung als solche (BGH, Beschluss vom 27.08.2015, Az.: III ZR 65/15, Juris-Rn. 4).

VI.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO analog.

VII.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.

Streitwert: 26.000,00 Euro.

Rechtsbehelfsbelehrung zur Streitwertfestsetzung:Gegen die Streitwertfestsetzung ist die Beschwerde an das Landgericht Kleve statthaft, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,- € übersteigt. Die Beschwerde ist spätestens innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, bei dem Landgericht Kleve, Schloßberg 1 (Schwanenburg), 47533 Kleve, schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. Die Beschwerde kann auch zur Niederschrift der Geschäftsstelle eines jeden Amtsgerichtes abgegeben werden. Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann die Beschwerde noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.