OLG Oldenburg, Beschluss vom 17.11.2015 - 4 WF 174/15
Fundstelle
openJur 2016, 6164
  • Rkr:
Tenor

1. Auf die Beschwerde der Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers wird der Beschluss des Familienrichters des Amtsgerichts - Familiengericht - Cloppenburg vom 03. September 2015 geändert und wie folgt neu gefasst:

Auf die Erinnerung der Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers wird der Vergütungsfestsetzungsbeschluss der Rechtspflegerin des Amts-gerichts - Familiengericht - Cloppenburg vom 27. Juli 2015 dahingehend geändert, dass zusätzlich zu den festgesetzten 646,65 Euro weitere 239,19 Euro, damit insgesamt 885,84 Euro als Vergütung gegen die Landeskasse festgesetzt werden.

2. Das Verfahren über die Erinnerung und über die Beschwerde ist gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.

Gründe

In dem zugrunde liegenden Verfahren hat der Vater mit Schriftsatz vom 21. Januar 2015 einen Antrag auf Übertragung des alleinigen Sorgerechts gemäß § 1671 BGB gestellt. Mit Beschluss vom 27. Februar 2015 ist ihm unter Beiordnung der Beschwerdeführerin Verfahrenskostenhilfe ohne Anordnung einer Ratenzahlung bewilligt worden. In der nicht öffentlichen Sitzung vom 08. April 2015 haben die Beteiligten folgendes zur Protokoll erklärt:

„Die Beteiligten erklärten übereinstimmend, dass eine Einigung dahingehend erzielt worden ist, dass die Kinder im Haushalt des Vaters verbleiben.

Die Mutter wird dem Vater eine umfassende Vollmacht zur Regelung der Angelegenheiten des täglichen Lebens erteilen. Im Übrigen sind sich die Beteiligten weiter dahingehend einig, dass es zukünftig ebenfalls bei der gemeinsamen elterlichen Sorge verbleibt. Weiter sind sich die Beteiligten dahingehend einig, dass die Kindesmutter ein Umgangsrecht hinsichtlich der Kinder hat. Einzelheiten müssen zwischen den Beteiligten direkt besprochen werden.“

Nach einer Stellungnahme durch das Jugendamt und Anhörung der Kinder haben die Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten das Sorgerechtsverfahren einvernehmlich für erledigt erklärt.

Das Amtsgericht hat sodann durch Beschluss die Kosten des Verfahrens gegeneinander aufgehoben und den Verfahrenswert auf 3.000,00 Euro festgesetzt.

Unter dem 23. April 2015 hat die Beschwerdeführerin einen Antrag auf Festsetzung der Vergütung als beigeordnete Rechtsanwältin gestellt. Darin hat sie neben einer Verfahrensgebühr gemäß Nr. 3100 VV-RVG, einer Terminsgebühr gemäß Nr. 3104 VV-RVG und der Pauschalgebühr gemäß Nr. 7002 VV-RVG eine Einigungsgebühr gemäß Nrn. 1003, 1000 VV-RVG geltend gemacht. Das Amtsgericht - Familiengericht - ist diesem Antrag nach Anhörung der Beschwerdeführerin und der Landeskasse durch die zuständige Rechtspflegerin nicht in vollem Umfang nachgekommen und hat unter dem 27. Juli 2015 die der Beschwerdeführerin zustehende Vergütung u.a. unter Absetzung der Einigungsgebühr auf 646,65 Euro festgesetzt. Der hiergegen gerichteten Erinnerung der Beschwerdeführerin hat die Rechtspflegerin des Amtsgerichts nicht abgeholfen und diese dem funktionell zuständigen Richter zur Entscheidung vorgelegt. Mit hiermit vollinhaltlich in Bezug genommenem Beschluss vom 03. September 2015 hat das Amtsgericht - Familiengericht - durch diesen die Erinnerung zurückgewiesen. Der hiergegen gerichteten sofortigen Beschwerde vom 29. September 2015 hat es nicht abgeholfen und diese dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.

Die sofortige Beschwerde ist gemäß §§ 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 3 RVG zulässig und hat auch in der Sache Erfolg.

Die Einigungsgebühr nach Nr. 1000 VV-RVG dient unter anderem der Entlastung des Gerichts und der Sicherung des Rechtsfriedens (siehe nur OLG Hamm, Beschluss vom 27. Februar 2015 – 6 WF 10/15 –, juris unter Hinweis auf Gerold/Schmidt-Müller-Rabe, Rechtsanwaltsvergütungsgesetz, 21. Auflage 2013, Nr. 1000 VV Rdnr. 152; OLG Zweibrücken FamRZ 2014, 1939-1940).

Zwar stellt eine übereinstimmende Erledigungserklärung als solche noch keine Einigung i.S.v. Nr. 1000 VV-RVG dar (siehe nur Hartmann, Kostengesetze, 45. Aufl. 2015, VV 1000 Rdnr. 27 m.w.N.). Gleichwohl war Grundlage der von den Eltern in der nicht öffentlichen Sitzung vom 08. April 2015 abgegebenen übereinstimmenden Erledigungserklärung die außergerichtliche Einigung, dass es in Zukunft bei der gemeinsamen elterlichen Sorge verbleibt.

In Kindschaftssachen entsteht die Gebühr nach Nrn. 1003, 1000 VV-RVG nach Nr. 1003 Abs. 2 2. Alt. auch für die Mitwirkung an einer Vereinbarung, über deren Gegenstand nicht vertraglich verfügt werden kann, wenn hierdurch eine gerichtliche Entscheidung entbehrlich wird oder wenn die Entscheidung der getroffenen Vereinbarung folgt. Dementsprechend steht einer Einigungsgebühr nicht entgegen, dass über die elterliche Sorge nicht verfügt werden kann (vgl. OLG Köln AGS 2012, 62-64 unter Hinweis auf BGH FamRZ 1982, 156 = NJW 1982, 2505). Mangels rechtlicher Zulässigkeit einer Erklärung, auf das Recht auf Antragstellung nach § 1671 Abs. 1 Satz 2 BGB endgültig zu verzichten (vgl. Staudinger/Coester (2016) BGB, § 1671 Rdnr. 76), handelt es sich bei der hier vorliegenden Vereinbarung der Eltern um die weitest gehende Möglichkeit, zu dieser Frage Erklärungen abzugeben. Folglich kann hier von einer der materiell-rechtlichen Einigung im kostenrechtlichen Sinne gleichzustellenden Vereinbarung ausgegangen werden (so wohl auch OLG Hamm MDR 2014, 839).

Der Umstand, dass das Amtsgericht nach der übereinstimmenden Erledigungserklärung der beteiligten Eltern noch durch zu begründenden Beschluss über die Kosten des Verfahrens zu befinden hatte, während das Entstehen einer Einigungsgebühr nach dem Wortlaut der Nrn. 1000 i. V. m.1003 Abs. 2 2. Halbsatz VV-RVG gerade voraussetzt, dass durch die Vereinbarung eine gerichtliche Entscheidung entbehrlich wird oder die Entscheidung der getroffenen Vereinbarung folgt, steht im vorliegenden Fall dem Entstehen der Einigungsgebühr nicht entgegen. Denn der Abschluss eines Verfahrens in einer Familiensache durch Beschluss, im vorliegenden Falle gemäß §§ 83 Abs. 2, 81 FamFG über die Kosten, war nach § 81 Abs. 1 Satz 3 zwingend. Wegen dieser zwingenden Vorgabe ist der Begriff der Entbehrlichkeit in Nr. 1003 Abs. 2 2. Halbsatz VV-RVG dahingehend auszulegen, dass durch die Vereinbarung eine gerichtliche Entscheidung in der Sache, hier über den Antrag auf Übertragung der elterlichen Sorge, entbehrlich wird. Zum entsprechenden Ergebnis führt - zumindest im vorliegenden Fall - ein Abstellen auf den Aufwand für das Gericht für die Begründung der Kostenentscheidung. Denn angesichts der überwiegenden Rechtsprechung, die im Regelfall bei Sorgerechts- und Umgangsverfahren von einer hälftigen Kostentragungspflicht der beteiligten Eltern ausgeht (siehe nur Zöller-Feskorn, ZPO, 31. Aufl. 2016, § 81 FamFG Rdnr. 6 m.w.N.) wäre dieser hier deutlich geringer gewesen als bei einer Entscheidung in der Sache selbst. Nach beiden Ansätzen unterfällt der verringerte Begründungsaufwand für das Gericht auch dem gesetzgeberischen Ziel seiner Entlastung, so dass im Ergebnis die Einigungsgebühr nach Nrn. 1000 i. V. m.1003 Abs. 2 VV-RVG entstanden ist.

Diese ist zusätzlich festzusetzen und ergibt nach einem Verfahrenswert von 3.000,00 Euro einen Betrag von 201,00 Euro zzgl. 19 % USt = 38,19 Euro und damit einen Gesamtbetrag von 239,19 Euro.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf § 56 Abs. 2 S. 2 und 3 RVG.