VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 22.03.2016 - 5 S 531/13
Fundstelle
openJur 2016, 5955
  • Rkr:

1. Die Zufahrt von einer öffentlichen Straße auf ein Grundstück zählt jedenfalls dann zum Kern des Anliegergebrauchs, wenn sich auf dem Grundstück eine genehmigte Garage befindet, die zugleich einen notwendigen Stellplatz im Sinne des § 37 Abs. 1 LBO darstellt.

2. Die Vorschrift des § 15 Abs. 2 Satz 1 Alt. 1 StrG enthält keine Rechtsgrundlage, auf dem Grundstück des Straßenanliegers Anpassungsmaßnahmen zur Herstellung einer angemessenen Ersatzzufahrt durchzuführen.

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 26. September 2012 - 13 K 68/11 - geändert. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger wegen der erheblichen Erschwerung der Zufahrt zu seinem Grundstück eine angemessene Entschädigung in Geld zu leisten. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die weitergehende Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen tragen die Beklagte zu 2/3 und der Kläger zu 1/3.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger begehrt mit seinem Hauptantrag die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes der Straße vor seiner Grundstückszufahrt.

Er ist Eigentümer des Grundstücks A... Straße ... in Uhingen, das mit einem Wohnhaus und einer Garage bebaut ist. Das Grundstück grenzt unmittelbar an die A... Straße und die D... Straße an. Auf dem zur A... Straße hin gelegenen Teil des Grundstücks befindet sich eine Hoffläche und eine Grundstückszufahrt, die mit einem zweiflügeligen Metalltor zur Straße hin abschließt.

Im Jahr 2009 ließ die Beklagte die A... Straße u. a. im Bereich vor dem Grundstück des Klägers einschließlich des Gehweges ausbauen. Dadurch entstand im Bereich der Grundstückszufahrt des Klägers eine Höhendifferenz zwischen dem Gehweg und der Zufahrtsfläche zur Garage von bis zu 45 cm. Die Forderung des Klägers nach Wiederherstellung einer problemlosen Grundstückszu- und -abfahrt wies die Beklagte mit der Begründung zurück, der neue Gehweg sei bewusst so geplant worden, dass der Gehweg höhengleich mit 2,5 % Querneigung zur Straße verlaufe, um einen gesicherten Oberflächenwasserabfluss zu erreichen. Eine Einigung über weitere bauliche Maßnahmen, mit denen eine Zufahrt zur Garage des Klägers geschaffen werden sollte, kam nicht zustande.

Am 07.01.2011 hat der Kläger Klage zum Verwaltungsgericht Stuttgart erhoben. Er hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, den ursprünglichen Zustand der A... Straße vor seiner Grundstückszufahrt wieder herzustellen, insbesondere den Höhenunterschied zwischen Gehweg und Grundstückszufahrt durch Absenkung des Gehwegs zu beseitigen. Hilfsweise hat er beantragt, die Beklagte zu verurteilen, die Zufahrt zu seinem Grundstück zur dauerhaften Zufahrtsmöglichkeit angemessen anzupassen. Weiter hilfsweise hat er beantragt, die Beklagte zu verurteilen, eine angemessene Entschädigung in Geld zu leisten. Mit seinem dritten Hilfsantrag hat er die Einholung eines Sachverständigengutachtens begehrt. Zur Begründung hat er geltend gemacht, ihm stehe ein öffentlich-rechtlicher Folgenbeseitigungsanspruch auf Wiederherstellung der Grundstückszufahrt zu. Durch den Ausbau der Straße sei ein rechtswidriger Zustand geschaffen worden, der ihn in seinen Rechten als Straßenanlieger verletze, denn ihm sei eine Zufahrt zu seinem Grundstück - anders als den anderen Grundstückseigentümern entlang der Straße - nicht mehr möglich. Hilfsweise ergebe sich sein Anspruch aus § 15 Abs. 2 StrG.

Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Es liege schon kein rechtswidriger Zustand vor, da die Maßnahmen rechtmäßig gewesen seien. Unabhängig davon könne ein Folgenbeseitigungsanspruch nur die Angleichung der Auffahrt auf seinem Grundstück umfassen, nicht jedoch die Angleichung des Einfahrtstores. Einem Folgenbeseitigungsanspruch stehe jedoch auch die Unzumutbarkeit der Wiederherstellung entgegen, da zum einen Aufwand und Kosten hierfür zu hoch wären und zum anderen die optische und funktionale Tauglichkeit der Straße mit dem Gehweg beeinträchtigt würde. Es wäre sowohl die Verkehrssicherheit durch gegebenenfalls entstehende Unebenheiten gefährdet als auch der Wasserabfluss erheblich beeinträchtigt. Ein Anspruch aus § 15 Abs. 2 StrG bestehe nicht, weil das Grundstück zu Fuß nach wie vor erreichbar sei. Allenfalls liege eine Erschwerung des Zugangs vor, der jedoch nicht die Schwelle der Opfergrenze erreiche, weil der Gehweg nicht durchgängig um 45 cm erhöht worden sei. Anpassungsmaßnahmen auf seinem Grundstück habe der Kläger abgelehnt, eine Anpassung auf dem Gehweg oder auf der Straße sei unzumutbar.

Das Verwaltungsgericht hat die Beklagte mit Urteil vom 26.09.2012 dazu verurteilt, auf ihre Kosten die durch den Ausbau der A... Straße entstandene Beeinträchtigung der Grundstückszufahrt des Klägers zu beseitigen, sodass der Kläger seine bisherige Zufahrt wieder in früherem Umfang nutzen kann. Die erforderlichen Anpassungsmaßnahmen seien so weit wie möglich im öffentlichen Straßenraum vorzunehmen. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der mit dem Hauptantrag verfolgte Anspruch auf Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands sei nicht begründet, weil die tatbestandlichen Voraussetzungen eines Folgenbeseitigungsanspruchs zwar vorlägen, die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands für die Beklagte jedoch unzumutbar sei. Dem Kläger stehe aber ein Anspruch auf die Schaffung eines gleichwertigen Zustandes unter möglichster Schonung seines eigenen Grundstücks zu. Der Ausbau der Straße sei ein hoheitlicher Eingriff, der in eine Rechtsposition des Klägers in rechtswidriger Weise eingegriffen habe. Denn es fehle eine Rechtsgrundlage in Form einer förmlichen Planung für den Ausbau der Straße. Eine solche sei erforderlich, weil der Straßenausbau die Straßenanlieger erheblich beeinträchtige. Der rechtswidrige Zustand bestehe fort, denn die Beklagte habe eine Pflicht zur Folgenbeseitigung nicht anerkannt, sondern lediglich Freiwilligkeitsleistungen angeboten, an denen der Kläger sich in erheblichem Umfang finanziell habe beteiligen sollen. Die Beseitigung des Höhenunterschiedes sei rechtlich zulässig; insbesondere sei nicht zu erkennen, dass durch eine Gehwegabsenkung Fußgänger gefährdet würden. Es sei zumutbar, einen dem ursprünglichen Zustand gleichwertigen Zustand herzustellen; die Beklagte habe nicht substantiiert dargelegt, dass dies mit einem unverhältnismäßig hohen Aufwand verbunden wäre. Die Auswahl der technisch möglichen Angleichung sei der Entscheidung der Beklagten zu überlassen. Der Anpassungsanspruch umfasse jedoch auch die Wiederherstellung oder den Ersatz der bestehenden Toranlage der Zufahrt.

Auf Antrag der Beklagten hat der Senat mit Beschluss vom 06.03.2013 die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des Urteils zugelassen. Der Zulassungsbeschluss wurde der Beklagten am 18.03.2013 zugestellt.

Am 15.04.2013 hat die Beklagte die vom Senat zugelassene Berufung wie folgt begründet: Durch den Ausbau der A... Straße werde nicht in das Grundeigentum des Klägers eingegriffen, sondern lediglich dessen Anliegergebrauch eingeschränkt. Die privaten und öffentlichen Belange seien richtig abgewogen worden. Die A... Straße habe sich in einem schlechten Zustand befunden und ein ungleichmäßiges Gefälle aufgewiesen. Zudem sei die Zufahrtssituation von Seitenstraßen gefährlich gewesen. Ziel der Straßenbaumaßnahme sei zum einen gewesen, die Seitenstraßen möglichst rechtwinklig einmünden zu lassen. Zum anderen habe eine gleichmäßige Steigung der Straße geschaffen werden sollen, um vor allem Räumarbeiten im Winter, aber auch das Befahren der Straße und das Begehen des Gehwegs zu erleichtern. Die Ausführung der Straßenrenovierung sei frühzeitig bekannt gegeben und mit den Anliegern - auch mit dem Kläger - vor Ort besprochen worden. Es sei auch auf den höheren Aufbau hingewiesen worden. Beim Ausbau habe sich dann herausgestellt, dass bei verschiedenen Grundstücken, u. a. auch bei dem des Klägers, eine geänderte Zufahrt hergestellt werden musste. Wäre die Straße bzw. der Gehweg abgeflacht worden, hätte gerade die planerische Vorgabe einer gleichmäßigen Steigung nicht eingehalten werden können. Dagegen bedinge eine Angleichung der Zufahrt auf dem Grundstück des Klägers lediglich eine geringe Änderung, die praktisch keine Auswirkung habe. Man habe dem Kläger angeboten, diese Angleichung auf Kosten der Beklagten durchzuführen. Allein die Grundstücksentwässerung - die in rechtswidriger Weise zuvor auf dem klägerischen Grundstück nicht vorhanden gewesen sei - hätte der Kläger selbst übernehmen sollen. Diesen Vergleichsvorschlag habe der Kläger indes abgelehnt. Bei dieser Ausführung hätte zwar das vorhandene Tor des Klägers nicht mehr gepasst. Eine solche Einschränkung sei vom Kläger jedoch hinzunehmen, da der Anliegergebrauch nicht die Funktionsfähigkeit eines alten Tores umfasse. Darüber hinaus wäre der Kläger ungerechtfertigt bevorzugt, wenn ihm anstelle seiner alten Toranlage eine neue finanziert würde. Im Übrigen sei die Toranlage für den Anliegergebrauch ohne Bedeutung.

Die Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 26. September 2012 - 13 K 68/11 - zu ändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger hat schriftsätzlich beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte habe die widerstreitenden Interessen nicht fehlerfrei abgewogen. Der Straßenausbau habe zu einem nicht zumutbaren, 45 cm hohen Versatz geführt. Der von ihm beauftragte Sachverständige habe festgestellt, dass die Straßenplanung fehlerhaft gewesen sei, weil Höhenangaben und Querprofile gefehlt hätten, aus denen die zukünftige Zufahrtssituation ersichtlich gewesen wäre. Eine Absenkung im Bereich der Straßenachsen A... Straße/D... Straße hätte das Problem beseitigt oder zumindest deutlich entschärft. Eine alternative Planung sei möglich gewesen, denn der südliche Fahrbahnrand der D... Straße im Bereich der nördlichen Zufahrtskante zu seinem Grundstück hätte abgesenkt und die Querneigung des Gehwegs im Kurvenbereich (an der Zufahrt) geändert werden können. Dann wäre nur eine geringe Anpassung im Hofbereich seines Grundstücks erforderlich gewesen und das vorhandene Tor hätte wiederverwendet werden können. Die Beklagte habe vor Beginn der Bauarbeiten zugesichert, dass der Gehweg wie bisher erhalten bleibe und die Zufahrt auf das Grundstück auch nach der Baumaßnahme möglich sei. Dies erweise sich als unzutreffend. Die von der Beklagten vorgeschlagene Anpassung habe ausschließlich auf seinem eigenen Grundstück erfolgen sollen und hätte dazu geführt, dass eine kaum befahrbare Zufahrt entstanden wäre. Eine ernsthafte Befassung mit diesem Vergleichsvorschlag sei daher für ihn nicht in Betracht gekommen.

Der Senat hat im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 22.09.2015 Beweis erhoben durch Einnahme eines Augenscheins. Auf die hierüber gefertigte Niederschrift wird Bezug genommen. Den Beteiligten ist Gelegenheit gegeben worden, im Anschluss an die mündliche Verhandlung eine Einigung über Anpassungsmaßnahmen zur Herstellung einer Zufahrt zur Garage des Klägers herbeizuführen. Auf die Durchführung einer weiteren mündlichen Verhandlung haben sie verzichtet.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte sowie die dem Senat vorliegenden Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

Gründe

Der Senat entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten ohne weitere mündliche Verhandlung (§ 125 Abs. 1 i.V.m. § 101 Abs. 2 VwGO).

Die vom Senat zugelassene Berufung ist statthaft und auch im Übrigen zulässig. Sie ist jedoch nur zum Teil begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Beklagte zu Unrecht zur Herstellung einer Zufahrt zum Grundstück des Klägers verurteilt. Dem Kläger steht jedoch ein Anspruch auf angemessene Entschädigung für die wesentliche Erschwernis der Zufahrt zu seinem Grundstück zu.

A.

Die Klage ist als allgemeine Leistungsklage zulässig. Das gilt sowohl für den Hauptantrag, mit dem der Kläger erstrebt, die Beklagte zur Wiederherstellung der Zufahrt zu seinem Grundstück zu verurteilen, als auch für den ersten Hilfsantrag auf Verurteilung der Beklagten zur Herstellung einer angemessenen anderen Zufahrt und den zweiten Hilfsantrag zur Zahlung einer Entschädigung zu verurteilen. Der dritte Hilfsantrag stellt keinen Klagantrag, sondern einen bedingten Beweisantrag dar.

B.

Die Klage ist nur mit dem zweiten Hilfsantrag begründet. Im Übrigen ist sie unbegründet. Der Kläger kann von der Beklagten weder verlangen, im Wege der Folgenbeseitigung den ursprünglichen Zustand der A... Straße vor seiner Grundstückszufahrt wiederherzustellen (I.), noch hat er einen Anspruch auf angemessene Anpassung der Zufahrt (II.). Er kann jedoch eine angemessene Entschädigung wegen der erheblich erschwerten Zufahrt beanspruchen (III.).

I.

Die Voraussetzungen des geltend gemachten Folgenbeseitigungsanspruchs auf Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands liegen nicht vor.

Ein Anspruch auf Folgenbeseitigung setzt einen hoheitlichen Eingriff in ein subjektives Recht voraus, durch den ein rechtswidriger Zustand geschaffen worden ist, der noch andauert (BVerwG, Beschluss vom 27.05.2015 - 7 B 14.15 -, juris Rn. 8). Er zielt auf Wiederherstellung des ursprünglichen rechtmäßigen Zustands (BVerwG, Beschluss vom 27.05.2015, a.a.O.) oder eines gleichwertigen Zustands, falls die identische Wiederherstellung nicht möglich ist oder unverhältnismäßige Aufwendungen erforderlich machen würde (VGH Baden-Württ., Urteil vom 02.09.1982 - 5 S 41/82 -, VBlBW 1983, 141; OVG NRW, Beschluss vom 10.06.2010 - 15 B 2574/06 -, NVwZ-RR 2010, 844; HessVGH, Beschluss vom 20.02.2006 - 7 ZU 1979/05 -, ESVGH 56, 247; Nieders.OVG, Urteil vom 31.03.2004 - 13 LB 11/03 -, NdsVBl 2004, 213).

Die Straßenbaumaßnahme greift zwar in ein subjektives Recht des Klägers ein (1.). Dadurch ist jedoch kein rechtswidriger Zustand geschaffen worden (2.).

1. Der Ausbau der A... Straße durch die Beklagte als Trägerin der Straßenbaulast (§§ 9, 44 StrG) stellt eine hoheitliche Maßnahme dar (a)), die in den Kern des Anliegergebrauchs des Klägers als nach dem Straßengesetz subjektiv geschützte Rechtsposition eingreift (b)).

a) Die A... Straße ist eine Ortsstraße, für deren Ausbau keine förmliche Straßenplanung durchgeführt wurde (vgl. § 37 Abs. 1 Satz 2 StrG). Ihr Ausbau als solcher ist ein Akt schlicht-hoheitlicher Verwaltung (vgl. auch BayVGH, Urteil vom 27.10.1998 - 8 B 97.1604 -, NVwZ 1999, 1237). Auch solches schlichthoheitliches Behördenhandeln kann einen Eingriff darstellen. Als "hoheitlich" sind Realakte in der Regel dann zu qualifizieren, wenn sie - wie hier - in einem öffentlich-rechtlichen Funktionszusammenhang stehen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 27.05.2015, a.a.O.).

b) Durch den Straßenausbau wird in den Kern des Anliegergebrauchs des Klägers eingegriffen.

Der Kläger ist als Eigentümer eines Grundstücks, das an der Straße liegt oder von ihr seine Zufahrt oder seinen Zugang hat, Straßenanlieger im Sinne des § 15 Abs. 1 StrG. Das Straßengesetz enthält zwar keine Vorschrift, die dem Anlieger einer öffentlichen Straße ein subjektives Recht auf eine Verbindung seines Grundstücks mit dem öffentlichen Wegenetz gewährt. Die Ersatz- und Entschädigungsregelungen in § 15 Abs. 2 und 4 StrG gehen jedoch stillschweigend von einer Rechtsposition des Anliegers aus, die allerdings mangels einer ausdrücklichen Regelung im Straßengesetz auf solche Befugnisse beschränkt ist, die ihm als Eigentümer zur Vermeidung einer mit Art. 14 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 GG unverhältnismäßigen Inhalts- und Schrankenbestimmung mindestens zu gewährleisten sind (Urteil des Senats vom 28.02.2002 - 5 S 1121/00 -, ESVGH52, 149; zuletzt bestätigt durch Urteil vom 20.01.2016 - 5 S 1229/14 -,BeckRS 2016, 43776). Diese Mindestgewährleistung umfasst die Bedürfnisse des Anliegers nur im Kern (vgl. BVerfG, Beschluss vom 11.09.1990 - 1 BvR 988/90 -, NVwZ 1991, 358). Das hat zur Folge, dass die Zufahrt zu einem Anliegergrundstück mit einem Fahrzeug nur insoweit geschützt ist, als es die angemessene Nutzung des Grundeigentums unter Berücksichtigung der Rechtslage und der tatsächlichen Gegebenheiten in dem Sinne erfordert, dass der Anlieger auf die Zufahrt angewiesen ist (Urteil des Senats vom 28.02.2002, a.a.O. m.w.N. der Rspr. des BVerwG, vgl. auch BVerwG, Urteil vom 09.07.2003 - 9 A 54.02 -, NVwZ 2004, 231 zu § 8a Abs. 1 Satz 2 FStrG). Dabei ist es von Verfassungs wegen nicht geboten, den Anlieger vor Zufahrtserschwernissen zu bewahren, die sich aus der besonderen örtlichen Lage und einer etwaigen situationsbedingten Vorbelastung ergeben, in die sein Grundstück hineingestellt ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 11.09.1990, a. a. O.).

Nach diesen Grundsätzen zählt die Zufahrt von der A... Straße auf sein Grundstück zum Kern des Anliegergebrauchs des Klägers, weil sich auf dem Grundstück seine genehmigte Garage befindet, die zugleich einen notwendigen Stellplatz im Sinne des § 37 Abs. 1 LBO darstellt. Diese kann der Kläger nur bestimmungsgemäß nutzen, wenn er - wie bisher - eine Zufahrtsmöglichkeit hat. Eine Zufahrt muss es ihm ermöglichen, mit einem Pkw ohne wesentliche Erschwernisse in seine Garage zu fahren. Hierzu bedarf es keiner „optimalen“ Zufahrt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 11.05.1999 - 4 VR 7.99 -, NVwZ 1999, 1341 zu § 8a FStrG). Ebenso wenig kann er verlangen - wie in der mündlichen Verhandlung angesprochen -, beispielsweise mit einem Wohnmobil auf sein Grundstück auffahren und es auf der Zufahrt zur Garage abstellen zu können. Jedoch ist ohne eine in dem beschriebenen Sinne bestimmungsgemäße Zufahrt das bauordnungsrechtliche Erfordernis eines notwendigen Stellplatzes nicht erfüllt; es entsteht ein bauordnungswidriger Zustand. Das Grundstück ist auch nicht in einer Weise situationsgebunden, dass die Zufahrtsmöglichkeit nicht vom Kern des Anliegergebrauchs umfasst wäre, wie dies beispielsweise bei Grundstücken in einer Fußgängerzone angenommen wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 08.09.1993 - 11 C 38.92 -, BVerwGE 94, 136). Gegen eine solche besondere Situationsgebundenheit spricht insbesondere, dass sämtliche Grundstücke entlang der Alten Holzhäuser Straße über eine Zufahrt von der Straße verfügen. Durch die Straßenbaumaßnahme wird die zuvor bestehende Zufahrtsmöglichkeit zumindest erheblich behindert, denn nunmehr besteht zwischen der Garagenzufahrt auf dem Grundstück des Klägers und der Straße ein Höhenunterschied von bis zu 45 cm.

2. Der Eingriff in den Kern des Anliegergebrauchs des Klägers ist jedoch durch § 15 Abs. 1 StrG gerechtfertigt. Nach dieser Vorschrift steht Eigentümern und Besitzer von Grundstücken, die an einer Straße liegen oder von ihr eine Zufahrt oder einen Zugang haben (Straßenanlieger) kein Anspruch darauf zu, dass die Straße nicht geändert oder nicht eingezogen wird. Die den Anliegern dadurch auferlegte Duldungspflicht gegenüber Veränderungen der Straße besteht jedoch nur dann, wenn die Änderung rechtmäßig ist. Das ist hier der Fall. Weder führt das Unterlassen der Durchführung eines förmlichen Planfeststellungsverfahrens zur Rechtswidrigkeit der Änderung (a)), noch liegt eine mangelhafte Abwägung der betroffenen Belange vor (b)).

a) Die Änderung der Straße ist - entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts - nicht deshalb rechtswidrig, weil die Beklagte kein förmliches Planfeststellungsverfahren durchgeführt hat.

Nach § 37 Abs. 1 Satz 1 StrG dürfen zwar Landesstraßen nur gebaut oder geändert werden, wenn der Plan vorher festgestellt ist. Nach § 37 Abs. 1 Satz 2 StrG gilt dies jedoch nicht für sonstige Straßen, zu denen auch Gemeindestraßen wie die A... Straße zählen. Für Gemeindestraßen kann auf Antrag des Trägers der Straßenbaulast ein Planfeststellungsverfahren durchgeführt werden; eine Verpflichtung hierzu besteht jedoch nicht. Nach § 37 Abs. 1 Satz 2 StrG ist somit für sonstige Straßen auch eine nicht förmliche Straßenplanung zulässig. Das Unterlassen einer förmlichen Straßenplanung verletzt nicht die Rechte von Straßenanliegern (vgl. BVerwG, Urteil vom 22.02.1980 - IV C 24.77 -, Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 33 und Urteil des erkennenden Senats vom 24.07.2003 - 5 S 1399/02 -, juris). Auf die Durchführung eines förmlichen Verfahrens hat der Betroffene keinen Anspruch. Auch § 37 Abs. 1 Satz 2 StrG, der es in das Ermessen des Planungsträgers stellt, ob im Falle eines entsprechenden Antrags des Trägers der Straßenbaulast ein Planfeststellungsverfahren durchgeführt wird, gewährt Dritten keine subjektiven Rechte. Anders als nach § 74 Abs. 6 Nr. 1 LVwVfG (und § 37 Abs. 2 StrG a.F.; hierzu Urteil des Senats vom 04.02.2015 - 5 S 2198/12 - VBlBW 2016, 37) hängt die Zulässigkeit einer nicht-förmlichen Straßenplanung insbesondere nicht davon ab, dass Rechte anderer nicht wesentlich beeinträchtigt werden.

b) Diese Rechtslage stellt den von einer Straßenbaumaßnahme Betroffenen jedoch nicht rechtsschutzlos. Denn die durch § 37 Abs. 1 Satz 2 StrG ermöglichte nicht-förmliche Straßenplanung unterliegt als echte fachplanerische Entscheidung den gleichen materiell-rechtlichen Bindungen und Anforderungen wie eine förmliche Planung. Dadurch wird dem Erfordernis des § 14 Abs. 1 Satz 2 GG Rechnung getragen, wonach Inhalt und Schranken des Eigentums durch Gesetz zu bestimmen sind. Der Vorschrift des § 15 Abs. 1 StrG ist nicht zu entnehmen, dass an nicht-förmliche Straßenplanungen geringere materielle Anforderungen zu stellen sind; erst recht folgt daraus nicht, dass ein Betroffener auch rechtswidrige Eingriffe zu dulden hätte. Das gilt jedenfalls, soweit die Planung in seine subjektiven Rechte eingreift (vgl. Urteil des Senats vom 24.07.2003 - 5 S 1399/02 -, juris). Daher müssen auch bei einer nicht-förmlichen Straßenplanung die betroffenen öffentlichen und privaten Interessen gegeneinander und untereinander gerecht abgewogen (vgl. § 37 Abs. 5 StrG) und gegebenenfalls notwendige Folgemaßnahmen an anderen Anlagen durchgeführt werden, deren Funktionsfähigkeit durch den Straßenbau nachhaltig gestört wird. Solche notwendigen Folgemaßnahmen sind insbesondere Anpassungen und Anschlüsse bestehender Anlagen an die neue Straße (vgl. zu Folgemaßnahmen Geiger, in: Ziekow, Handbuch des Fachplanungsrechts, 2. Aufl. 2014, S. 78 Rn. 16; vgl. auch Urteil des Senats vom 04.02.2015, a.a.O., zum Planfeststellungsverfahren).

Die Beklagte hat zwar vor Beginn der Bauarbeiten keine Abwägung vorgenommen. Den vorliegenden Akten ist zu entnehmen, dass die veränderte Gehweghöhe und die dadurch ausgelöste gravierende Beeinträchtigung der Zufahrt zum Grundstück des Klägers weder beim Beschluss des Gemeinderates über die Baumaßnahme, noch bei deren Diskussion im Vorfeld der Entscheidung Erwähnung fand. Die Beklagte räumt in ihrer Berufungsbegründung auch ein, es habe sich erst beim Ausbau herausgestellt, dass bei verschiedenen Grundstücken, u. a. auch beim Grundstück des Klägers, eine geänderte Zufahrtssituation zum Grundstück hergestellt werden müsse. Jedoch hat die Beklagte sodann Lösungsmöglichkeiten erwogen und dem Kläger mehrere Vorschläge zur Angleichung der Garagenzufahrt auf seinem Grundstück an die geänderte Gehweghöhe unterbreitet. Dabei durfte sie sich von ihrem Ziel leiten lassen, ein gleichmäßiges Längsgefälle des Gehwegs und der Straße herzustellen sowie den Gehweg aus Gründen der Entwässerung mit einem Quergefälle zur Straße zu versehen. Diese Ziele stellten sachliche Gründe für die gewählte Ausführung der Straßenbaumaßnahme dar, bedingten allerdings eine teilweise erhebliche Erhöhung des Straßen- und Gehwegniveaus im Bereich der Grundstückszufahrt des Klägers.

Die von der Beklagten gewählte Form des Straßenausbaus war zwar keineswegs zwingend. Insbesondere sind keine Vorschriften ersichtlich, die eine andere Ausführung des Straßenbaus ausgeschlossen hätten. Die Beklagte hat dies zwar in ihrer Berufungsbegründung behauptet. In der mündlichen Verhandlung konnte sie ihre Behauptung auf Nachfrage jedoch nicht konkretisieren, insbesondere konnte sie nicht angeben, welche Vorschriften den gewählten Ausbau zwingend geboten. Der Senat geht daher davon aus, dass auch ein anderer Ausbau der Straße ohne Verstoß gegen Vorschriften des Straßenbaus möglich gewesen wäre.

Die Beklagte durfte aber das öffentliche Interesse höher gewichten als das private Interesse des Klägers an der Aufrechterhaltung einer möglichst ebenen Zufahrt. Denn eine modifizierte Ausführung, wie sie z.B. der Sachverständige des Klägers vorgeschlagen hat, hätte wegen des größeren Straßengefälles insbesondere im Bereich der Einmündung der D... Straße in die A... Straße und der damit verbundenen stärkeren Querneigung der D... Straße im Einmündungsbereich die Unfallgefahr erhöht. Zudem hätte die Beklagte auf ihre Kosten eine zusätzliche Entwässerung herstellen müssen, wenn sie den Gehweg im Randbereich zum Grundstück des Klägers mit Gefälle zu diesem Grundstück ausgeführt hätte.

Fehlt es somit an einem rechtswidrigen Eingriff in das Anliegerrecht des Klägers, steht diesem der mit dem Hauptantrag geltend gemachte Folgenbeseitigungsanspruch auf Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes nicht zu.

II.

Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf die mit dem ersten Hilfsantrag begehrte angemessene Anpassung der Zufahrt. Ein solcher Anspruch kann sich aus § 15 Abs. 2 Satz 1 Alt. 1 StrG ergeben. Dessen Voraussetzungen liegen indes nicht vor, weil eine solche Anpassung unzumutbar ist.

Nach § 15 Abs. 2 Satz 1 StrG hat der Träger der Straßenbaulast einen angemessenen Ersatz zu schaffen oder, soweit dies nicht zumutbar ist, eine angemessene Entschädigung in Geld zu leisten, wenn auf Dauer Zufahrten oder Zugänge durch die Änderung oder Einziehung von Straßen erheblich erschwert werden. Die Änderung der A... Straße durch die Beklagte hat eine erhebliche Zufahrtserschwernis für den Kläger zur Folge. Die Zufahrtserschwernis ist nicht deshalb unerheblich, weil Anpassungsmaßnahmen auf dem Grundstück des Klägers grundsätzlich möglich sind. Denn die Erheblichkeit der Zufahrtserschwernis wäre nur dann zu verneinen, wenn lediglich unwesentliche Änderungen vorzunehmen wären (vgl. Nagel, Straßengesetz, 3. Aufl. 1997, § 15 Rn. 9). Hier ist jedoch eine umfangreiche und deshalb wesentliche Umgestaltung der Garagenzufahrt erforderlich, so dass die Opfergrenze überschritten ist, ab der es dem Kläger nicht mehr zugemutet werden kann, sich etwa durch eigene Anpassungsmaßnahmen auf die Veränderungen einzustellen (vgl. zu diesem Kriterium: Nagel, Straßengesetz, a.a.O., § 15 Rn. 8 und Lorenz/Will, Straßengesetz Baden-Württ., 2. Aufl. 2005, § 15 Rn. 29 f.). Denn sämtliche von der Beklagten vorgeschlagenen Anpassungen der Garagenzufahrt hätten zur Folge, dass auf der zuvor fast ebenen Fläche erhebliche, teils auch gegenläufige Längsgefälle und/oder - je nach Variante - starke Querneigungen oder starke Neigungswechsel hergestellt werden müssten.

Den durch § 15 Abs. 2 Satz 1 Alt. 1 StrG geforderten angemessenen Ersatz hat die Beklagte nicht geschaffen. Dies ist ihr auch nicht zumutbar.

Nach den tatsächlichen Verhältnissen kann auf das Grundstück des Klägers nur über die A... Straße zugefahren werden. Ohne umfangreiche Anpassungen auf dem Grundstück des Klägers müssten zur Herstellung einer Zufahrt sowohl die Fahrbahn und der Gehweg der A... Straße als auch diejenigen der D... Straße im Einmündungsbereich umgestaltet werden. Dazu müssten das Längsgefälle der A... Straße und das Quergefälle der D... Straße verändert werden. Ein solches Ergebnis wollte die Beklagte jedoch gerade vermeiden; sie durfte diesem Ziel auch abwägungsfehlerfrei höheres Gewicht einräumen als den privaten Interessen des Klägers (s.o. I.2.).

Die Herstellung einer angemessenen Zufahrt zur Garage ist somit nur möglich, wenn umfangreiche Anpassungsmaßnahmen auf dem Grundstück des Klägers vorgenommen werden. Die Vorschrift des § 15 Abs. 2 Satz 1 Alt. 1 StrG enthält jedoch keine Rechtsgrundlage, solche Maßnahmen auf dem Grundstück des Klägers durchzuführen. Sie ermächtigt den Träger der Straßenbaulast nicht zu einem Eingriff in das Eigentum des Anliegers, sondern räumt - im Gegenteil - dem Anlieger Ersatzansprüche gegen den Träger der Straßenbaulast ein, wenn dieser - wie hier - durch eine Änderung der öffentlichen Straße in den Kern des Anliegergebrauchs eingreift.

III.

Kann somit ein angemessener Ersatz für die erheblich erschwerte Zufahrt nicht in zumutbarer Weise geschaffen werden, hat der Kläger nach § 15 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 StrG einen Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung einer angemessenen Entschädigung in Geld. Über diesen Entschädigungsanspruch kann der Senat jedoch nur dem Grunde nach entscheiden. Für das Entschädigungsverfahren im Übrigen und insbesondere für die Höhe der Entschädigung gilt § 60 StrG. Nach dieser Vorschrift entscheidet das Regierungspräsidium auf Antrag eines der Beteiligten über die Höhe der Entschädigung, wenn zwischen dem Betroffenen und dem Träger der Straßenbaulast keine Einigung zustande kommt.

C.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.

Beschluss vom 22. März 2016

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird gemäß § 47 Abs. 1 Satz 1 und § 52 Abs. 1 GKG auf 10.000,-- EUR festgesetzt.

Der Beschluss ist unanfechtbar.