OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 09.02.2001 - 5 B 180/01
Fundstelle
openJur 2011, 16538
  • Rkr:
Verfahrensgang
Tenor

Der Antrag des Antragstellers auf Zulassung der Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Arnsberg vom 08. Februar 2001 wird abgelehnt.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Der Streitwert wird auch für das Zulassungsverfahren auf 8.000,-- DM festgesetzt.

Der Beschluss soll den Beteiligten vorab per Fax bekannt gegeben werden.

Gründe

Der Antrag auf Zulassung der Beschwerde hat keinen Erfolg.

Es spricht bereits vieles für seine Unzulässigkeit, da weder der beim Verwaltungsgericht noch der beim beschließenden Gericht eingegangene Antragsschriftsatz eine Unterschrift trägt. Bei summarischer Prüfung sind für den Senat auch keine Gesichtspunkte erkennbar, unter denen der Formmangel als geheilt angesehen werden könnte. Die Frage der Zulässigkeit mag jedoch dahingestellt bleiben. Der Antrag ist jedenfalls unbegründet.

Die geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung (§ 146 Abs. 4 i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) liegen nicht vor; auch der Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung (§ 146 Abs. 4 i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) ist nicht gegeben.

Das Verwaltungsgericht hat den Antrag des Antragstellers,

die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs vom 07. Februar 2001 gegen die beschränkenden Regelungen in Ziffern 2 (teilweise), 3 (teilweise), 5, 6, 7 und 8 (teilweise) des Bescheides des Antragsgegners vom 06. Februar 2001 wiederherzustellen,

zu Recht abgelehnt.

Bei summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage spricht alles dafür, dass die betreffenden Auflagen rechtmäßig sind.

Die Auflage 1

"Ab 11.00 Uhr müssen Sie für die Polizei am P+R-Platz des S-Bahnhofes I. -P. persönlich vor Ort ansprechbar sein, um Organisationsfragen zu klären und ggf. dafür Sorge tragen zu können, dass Kundgebungsteilnehmer wegen übermäßigem Alkoholgenusses ausgeschlossen werden."

ist aus den vom Antragsgegner und vom Verwaltungsgericht Arnsberg dargelegten Gründen nicht zu beanstanden. Lediglich ergänzend weist der Senat darauf hin, dass auf der Internet- Homepage des sog. NIT Rheinland ("Nationales Infotelefon Rheinland", "Stimme des Freien Nationalen Widerstandes in Nordrhein-Westfalen", http://www.nit- rheinland.com/inhalt.htm) als "neuer Treffpunkt" der Demonstration in I. am 10. Februar 2001 "der Bahnhof I. P. um 11.00 Uhr" angegeben wird. Danach ist die vom Antragsteller behauptete ausschließliche Anreise der Versammlungsteilnehmer per Bahn gerade nicht sichergestellt. Auch angesichts dieses Umstandes erweist es sich als erforderlich und angemessen, dem Antragsteller aufzugeben, sich um 11.00 Uhr persönlich einzufinden, um organisatorische Fragen zu klären und auf bereits eingetroffene Versammlungsteilnehmer in dem vom Antragsgegner gewünschten Sinne mäßigend einzuwirken.

Die Auflage 3

"Um 11.30 Uhr haben Sie der Polizei am P+R-Platz die Ordner vorzustellen und diese in Anwesenheit der Polizei in ihre Aufgaben einzuweisen. Die Ordner müssen volljährig und im Besitz eines gültigen Personalausweises sein, der auf Verlangen vorzuzeigen ist."

ist hinsichtlich des nach Ansicht des Antragstellers zu frühen Zeitpunktes ebenfalls rechtmäßig. Ein geordneter Versammlungsablauf setzt voraus, dass Fragen des Ordnereinsatzes rechtzeitig vor Versammlungsbeginn geklärt werden. Mit Blick darauf, dass die Versammlung bereits um 12.00 Uhr beginnen soll, ist der vom Antragsgegner verfügte Zeitpunkt "11.30 Uhr", zu dem der Antragsteller die Ordner vorzustellen hat, nicht zu früh angesetzt. Lediglich ergänzend sei darauf hingewiesen, dass sich die ungefähre Anzahl der Versammlungsteilnehmer - gegebenenfalls durch telefonische Nachfrage beim Zugpersonal der Volmetalbahn - auch schon vor Ankunft der Züge ermitteln lässt. Der Antragsteller ist mithin in der Lage, um 11.30 Uhr die notwendige Anzahl von Ordnern zu präsentieren. Dass die vom Antragsteller vorgesehenen Ordner unter Umständen auf andere Verkehrsmittel zurückgreifen müssen, fällt aus den vom Verwaltungsgericht dargelegten Gründen nicht ins Gewicht. Unabhängig davon muss die Versammlungsbehörde die Möglichkeit haben, die vom Antragsteller bestellten Ordner vor Beginn der Versammlung daraufhin zu überprüfen, ob sie die Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 VersammlG erfüllen. Zur Durchführung dieser notwendigen Prüfung ist die vom Antragsgegner vorgesehene Zeitspanne von einer halben Stunde vor Versammlungsbeginn erforderlich und angemessen.

Die Auflage 5

"Das gemeinsame Tragen von dunklen Springerstiefeln in Verbindung mit dem Tragen von Bomberjacken (schwarz, blau, militärgrün) ggf. nebst einer militärischen Kopfbedeckung wird als Ausdruck einer gemeinsamen politischen Gesinnung angesehen und ist untersagt."

und die Auflage 6

"Das geschlossene Marschieren in Blöcken, Zügen und Reihen wird untersagt."

sind ebenfalls rechtmäßig.

Das gemeinsame Tragen von dunklen Springerstiefeln in Verbindung mit Bomberjacken in den genannten dunklen Farben verstößt gegen das in § 3 VersammlG normierte Uniformverbot und wurde daher zu Recht untersagt. Das Uniformverbot nach § 3 VersammlG erfasst auch das gemeinsame Tragen solcher zivilen Kleidungsstücke, die - wie dunkle Springerstiefel nebst dunklen Bomberjacken - im Wesentlichen einheitlich aussehen und in ihrer Außenwirkung suggestivmilitante Effekte in Richtung auf einschüchternde uniforme Militanz auslösen, welche von der Meinungs- und Versammlungsfreiheit nicht gedeckt sind.

Vgl. BVerfG, Beschluss vom 23. April 1982 - 1 BvR 1138/81 -, MDR 1983, 22.

Eine solche einschüchternde uniforme Militanz geht auch von dem beabsichtigten geschlossenen Marschieren in Blöcken, Zügen oder Reihen aus, so dass auch die Auflage 6 nicht zu beanstanden ist.

Auflage 7

"Alle Reden haben den öffentlichen Frieden zu wahren. Zum Hass gegen Bevölkerungsteile darf nicht aufgestachelt oder zu Gewalt oder Willkürmaßnahmen aufgerufen werden. Die Menschenwürde anderer darf nicht verletzt werden, indem Teile der Bevölkerung beschimpft, böswillig verächtlich gemacht oder verleumdet werden."

ist ebenfalls rechtmäßig. Soweit der Antragsteller geltend macht, dass bei der Versammlung nicht gegen die betreffende Auflage verstoßen werde, ist er aus den vom Verwaltungsgericht dargelegten Gründen durch diese Auflage nicht beschwert. Soweit die Versammlung einen dem Auflageninhalt zuwiderlaufenden Zweck verfolgen sollte, wäre dies ein Grund, nicht nur ein Teilverbot zu erlassen, sondern die Versammlung gemäß § 15 Abs. 1 VersammlG insgesamt zu verbieten.

Auch Auflage 8

"... Das Rufen von Parolen mit der Wortfolge "Nationaler Widerstand" wie zum Beispiel "Hier marschiert der Nationale Widerstand" oder "Hier spaziert der Nationale Widerstand" ist untersagt."

ist rechtmäßig.

In Übereinstimmung mit dem Antragsgegner und dem Verwaltungsgericht geht der Senat davon aus, dass die Parole "nationaler Widerstand" bei vergleichbaren Veranstaltungen in jüngerer Vergangenheit von einem rechtsextremen Spektrum verwandt worden ist. Das gemeinsame laute Skandieren dieser Parole verfolgt die Absicht, eine Überlegenheit des deutschen Volkes im Sinne einer ausschließlichen Blutsgemeinschaft zu propagieren. Auf diese Weise wird eine militante, aggressive und fremdenfeindliche Stimmung erzeugt, die die öffentliche Ordnung unmittelbar gefährdet und damit gegen das Versammlungsgesetz verstößt. Der vom Verwaltungsgericht zitierte Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein- Westfalen über das Jahr 1999, S. 101 f., belegt, dass der Begriff "Nationaler Widerstand" das Erkennungszeichen einer gewaltbereiten rechtsextremistischen Szene ist. Zu ihr gehört z.B. auch der vor wenigen Tagen in Rotterdam wegen des Verdachts des versuchten Mordes an einem Griechen festgenommene D. T. , der ausweislich der zitierten Homepage des NIT Rheinland (Stand: 6. Februar 2001) zum Gesinnungs-Umfeld der für den 10. Februar erwarteten Demonstranten zählt. Soweit der Antragsteller geltend macht, die Auflage verbiete auch Parolen wie "Hier spaziert der Nationale Widerstand" oder dergleichen, führt dies zu keiner anderen rechtlichen Bewertung. Angesichts des phonetischen Gleichklangs von Begriffen wie "marschieren", "spazieren", "flanieren" beim lauten Rufen entsprechender Parolen kann eine die öffentliche Ordnung unmittelbar gefährdende Wirkung nur bei einer gleichzeitigen Untersagung des Skandierens der Wortfolge "Nationaler Widerstand" erzielt werden.

Zur Vermeidung von Wiederholungen verweist der Senat im Übrigen auf die zutreffenden Gründe des angefochtenen Beschlusses.

Fragen von allgemeiner, über den Einzelfall hinausgehender Bedeutung hat der Antragsteller nicht aufgezeigt, so dass auch seine Grundsatzrüge ohne Erfolg bleibt.

Ob und inwieweit der Antragsgegner auf der Grundlage der Rechtsprechung des beschließenden Gerichts,

vgl. Senatsbeschluss vom 25. Januar 2001 - 5 B 115/01 -,

berechtigt gewesen wäre, die geplante Versammlung wegen einer zu befürchtenden Verherrlichung des Nationalsozialismus und einer damit verbundenen unmittelbaren Gefährdung der öffentlichen Ordnung nach § 15 Abs. 1 VersammlG insgesamt zu verbieten, muss dahingestellt bleiben. Der für eine solche Entscheidung allein zuständige Antragsgegner hat ein solches Verbot nicht verfügt. Der Senat ist deshalb im Rahmen des vorliegenden Verfahrens auf die Prüfung der Rechtmäßigkeit der vom Antragsteller angegriffenen Auflagen beschränkt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 20 Abs. 3, 13 Abs. 1 Satz 2, 14 Abs. 1 und 3 GKG.

Dieser Beschluss ist gemäß § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar.