LG Mönchengladbach, Urteil vom 16.02.2012 - 10 O 198/11
Fundstelle
openJur 2016, 10414
  • Rkr:
Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig volltreckbar.

Tatbestand

Der Kläger begehrt Feststellung, dass er seine Willenserklärungen hinsichtlich des Abschlusses eines Darlehensvertrags nebst Ratenschutzversicherung mit der Beklagten wirksam widerrufen hat.

Am 24.02.2010 schloss der Kläger mit der Beklagten unter Verwendung eines Formulars der Beklagten einen Darlehensvertrag nebst Ratenschutzversicherung (Bl. 7 f. d.A.). Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass insoweit die Voraussetzungen eines Verbraucherdarlehensvertrages sowie eines verbundenen Geschäfts vorliegen.

Der Darlehensvertrag enthielt zwei Widerrufsbelehrungen, die sich zum einen auf die Ratenschutzversicherung und zum anderen auf den Darlehensvertrag selbst bezogen. Die hinsichtlich der Ratenschutzversicherung von der Beklagten verwendete Widerrufsbelehrung beschrieb die Widerrufsfolgen dabei wie folgt:

"Widerrufsfolgen: Im Falle eines wirksamen Widerrufs endet der Versicherungsschutz, in Folge dessen der Teil des Beitrages, der auf die Zeit nach dem Zugang des Widerrufs entfällt, erstattet wird. Der Teil des Betrages, der auf die Zeit bis zum Zugang des Widerrufs entfällt, wird einbehalten, sofern die jeweils versicherte Person dem Beginn des Versicherungsschutzes vor Ablauf der Widerrufsfrist zugestimmt hat. Wurde eine solche Zustimmung nicht erteilt oder beginnt der Versicherungsschutz erst nach Ablauf der Widerrufsfrist, sind die empfangenen Leistungen zurückzugewähren. Die Beitragserstattung erfolgt unverzüglich, spätestens 30 Tage nach Zugang des Widerrufs."

Mit anwaltlichem Schreiben vom 27.04.2011 widerrief der Kläger den streitgegenständlichen Darlehensvertrag sowie den Ratenschutzversicherungsvertrag.

Der Kläger ist der Ansicht, sein Widerruf sei wirksam. Insoweit sei die Widerrufsfrist zum Zeitpunkt des Widerrufs noch nicht abgelaufen, da die Widerrufsbelehrung hinsichtlich der Ratenschutzversicherung falsch und somit der Kläger seinerzeit nicht ordnungsgemäß über sein Widerrufsrecht belehrt worden sei.

Der Kläger beantragt,

festzustellen, dass er seine auf Abschluss des Darlehensvertrages sowie des Vertrages über eine Restschuldversicherung vom 24.02.2010 gerichtete Willenserklärung mit Widerruf vom 27.04.2011 wirksam widerrufen hat,

die Beklagte weiter zu verurteilen, an ihn einen Schadenersatz in Höhe von 892,44 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Ansicht, der Widerruf sei jedenfalls verspätet, weil er nicht innerhalb der hier einschlägigen Zweiwochenfrist erfolgte. Die im Darlehensvertrag enthaltenen Widerrufsbelehrungen seien - auch bei Vorliegen eines verbundenen Geschäftes - nicht zu beanstanden. § 358 Abs. 1 BGB werde im vorliegenden Fall durch § 8 VVG, aus dem sich in Bezug auf die Ratenschutzversicherung das Widerrufsrecht ergebe, verdrängt.

Zudem könne der Kläger seine vorgerichtlichen Anwaltskosten nicht geltend machen, da sich die Beklagte vor Einschaltung der Prozessbevollmächtigten des Klägers nicht in Verzug befunden habe.

Gründe

I.

Die Klage ist zulässig, jedoch in der Sache nicht begründet.

1.

Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Feststellung, dass er die streitgegenständlichen Verträge wirksam widerrufen hat.

Der Kläger konnte die streitgegenständlichen Verträge mit anwaltlichem Schreiben vom 27.04.2011 nicht wirksam gem. §§ 495 Abs. 1, 355 Abs. 1 BGB widerrufen, da die Widerrufsfrist zu diesem Zeitpunkt bereits abgelaufen war. Denn die zweiwöchige Widerrufsfrist ist bereits bei Vertragsunterzeichnung am 24.02.2010 in Gang gesetzt worden, weil der Kläger von der Beklagten ordnungsgemäß über sein Widerrufsrecht belehrt worden ist.

Bei dem Darlehensvertrag handelt es sich unstreitig um einen Verbraucherdarlehensvertrag gem. § 491 BGB und zusammen mit der Ratenschutzversicherung um ein verbundenes Geschäft gem. § 358 Abs. 3 BGB. Insoweit hat dem Kläger grundsätzlich ein Widerrufsrecht gem. §§ 495, 355 BGB zugestanden.

Die zweiwöchige Widerrufsfrist war jedoch Mitte März 2010 - und somit zum Zeitpunkt des Widerrufs am 27.04.2011 - bereits abgelaufen. Dies ergibt sich daraus, dass die Widerrufsbelehrung auch bezüglich des Ratenschutzversicherungsvertrages rechtlich nicht zu beanstanden gewesen ist. Insbesondere ist sie auch nicht wegen eines Verstoßes gegen § 358 Abs. 5 BGB unrichtig gewesen, da ein Hinweis auf die Rechtsfolgen nach § 358 Abs. 1 BGB nach Auffassung der Kammer bei dem hier vorliegenden Sonderfall eines Ratenschutzversicherungsvertrages als verbundenem Geschäft gerade nicht erforderlich ist.

Allein das Vorliegen eines verbundenen Geschäfts i.S.d. § 358 Abs. 3 BGB bedeutet nämlich nicht zwangsläufig, dass auch § 358 Abs. 1 BGB - wonach der Verbraucher an den Darlehensvertrag nicht mehr gebunden ist, wenn er seine auf den Abschluss des finanzierten Vertrages (hier des Ratenschutzversicherungsvertrages) gerichtete Willenserklärung widerruft - anwendbar ist. Denn sowohl Abs. 1 als auch Abs. 2 des § 358 BGB setzen die Existenz und wirksame Ausübung eines Widerrufsrechts nach § 355 BGB voraus und regeln allein dessen Erstreckung auf einen verbundenen Vertrag. Insoweit decken sich der sachliche und persönliche Anwendungsbereich des § 358 BGB und des § 355 BGB. Wie § 355 BGB, erfasst somit auch § 358 BGB lediglich die Widerrufsrechte des Verbrauchers nach §§ 312 Abs. 1, 312d Abs. 1 S. 1, 485 und 495 BGB sowie § 4 Abs. 1 S. 1 FernUSG (Palandt, BGB, 68. Aufl. (2009), § 358, Rn. 3; Habersack in MüKo-BGB, 5. Aufl. (2007), § 358 Rn. 7; Masuch in MüKo-BGB, 5. Aufl. (2007), § 355, Rn. 18).

Dagegen wird das Widerrufsrecht gem. § 8 VVG von diesen Vorschriften nicht erfasst. Denn § 8 VVG verweist gerade nicht auf § 355 BGB und begründet deshalb auch kein Widerrufsrecht i.S.d. §§ 355, 358 BGB (Habersack in MüKo-BGB, 5. Aufl. (2007), § 358 Rn. 7; Masuch in MüKo-BGB, 5. Aufl. (2007), § 355, Rn. 18). Vielmehr richten sich die Rechtsfolgen eines Widerrufs gem. § 8 VVG ausschließlich nach den Vorschriften des VVG (BGH NJW 2010, 531, 532 (Tz. 15 a.E.)). § 358 Abs. 1 BGB findet demnach keine Anwendung, so dass die Beklagte auch in der Widerrufsbelehrung des Ratenschutzversicherungsvertrages nicht gem. § 358 Abs. 5 BGB auf die Folgen des § 358 Abs. 1 BGB hinweisen musste.

Zwar hat der BGH in Tz. 13 seiner Entscheidung vom 15.12.2009 (NJW 2010, 531) ausgeführt, dass die Regelungen der §§ 358 f. BGB über verbundene Verträge entgegen einer in der Instanzrechtsprechung und der Literatur vertretenen Auffassung nicht durch die speziellen Vorschriften des Versicherungsvertragsgesetzes über die Widerruflichkeit einer auf Abschluss eines Versicherungsvertrags gerichteten Willenserklärung verdrängt werden. Diese Ausführungen bezogen sich nach Auffassung der Kammer jedoch ausschließlich auf die Frage, nach welchen Kriterien die Bewertung zweier Verträge als verbundener Verträge i.S.d. § 358 Abs. 3 BGB vorzunehmen ist.

Dagegen bezogen sich die Ausführungen des BGH gerade nicht auf die Rechtsfolgen des Widerrufs einer gemäß den vorgenannten Kriterien im Rahmen eines verbundenen Geschäfts abgeschlossenen Ratenschutzversicherung. Bezüglich dieser Rechtsfolgen hat der BGH in der vorgenannten Entscheidung (Tz. 15 a.E.) vielmehr ausdrücklich klargestellt, dass sich diese im Falle von Ratenschutzversicherungsverträgen nach den Vorschriften des VVG richten. Dies ergibt sich schon daraus, dass die über § 358 Abs. 4 BGB anwendbaren Rechtsfolgen des § 357 Abs. 1 S. 1 BGB gemäß dessen Wortlaut lediglich gelten, "soweit nicht ein anderes bestimmt ist". Dies ist jedoch bei den Regelungen der §§ 8 f. VVG gerade der Fall. Insoweit sind die Rechtsfolgen eines solchen Rücktritts in § 9 VVG abschließend geregelt und lassen darüber hinaus keinen Raum für die zusätzlichen Rechtsfolgen der §§ 358 und 357 BGB.

Nach alledem ist die streitgegenständliche Widerrufsbelehrung vorliegend nicht zu beanstanden, da sie die Rechtsfolgen eines Widerrufs der Ratenschutzversicherung zutreffend darstellt. Mithin ist die Klage hinsichtlich des Feststellungsantrags als unbegründet abzuweisen.

2.

Aus den vorgenannten Gründen ist die Klage auch hinsichtlich der als Verzugsschaden geltend gemachten außergerichtlichen Anwaltskosten unbegründet.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 S. 1, S. 2 ZPO.

Streitwert: Bis zu 50.000,00 €