OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 29.03.2001 - 4 A 4077/00
Fundstelle
openJur 2011, 16438
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • vorher: Az. 1 K 8097/97
Tenor

Der Antrag wird auf Kosten der Klägerin abgelehnt.

Der Streitwert wird auch für das Antragsverfahren auf 8.000,-- DM festgesetzt.

Gründe

Der auf § 124 Abs. 2 Nrn. 1, 2 und 3 VwGO gestützte Zulassungsantrag hat keinen Erfolg.

Die Klägerin betreibt eine Schule, in der sie Yoga unterrichtet und Lehrgangsteilnehmer zu Yogalehrern ausbildet; diese erhalten nach erfolgreicher Abschlussprüfung das Berufsdiplom des Berufsverbandes Deutscher Yogalehrer e.V. (BDY/EYU). Ihre Klage gegen die Aufforderung des Beklagten, der Anzeigepflicht gemäß § 14 GewO nachzukommen, hat das Verwaltungsgericht abgewiesen und zur Begründung u.a. ausgeführt: Die Klägerin betreibe ein Gewerbe im Sinne der Gewerbeordnung und sei deshalb zur Anmeldung verpflichtet. Einen freien Beruf übe sie nicht aus. Namentlich stelle der Betrieb der Yogaschule keine persönliche Dienstleistung höherer Art dar. Höherer Art sei eine persönliche Dienstleistung dann, wenn sie eine "höhere Bildung" erfordere. Unter "höherer Bildung" sei grundsätzlich ein abgeschlossenes Hochschul- oder Fachhochschulstudium zu verstehen. Dass für den Betrieb der Yogaschule objektiv keine höhere Ausbildung erforderlich sei, ergebe sich schon daraus, dass die Klägerin eine solche höhere Ausbildung für die ihren Schulbetrieb prägende Lehrtätigkeit nicht besitze. Die von der Universität Sagar/Indien bescheinigte Teilnahme an einem dreiwöchigen Yogalehrerkurs sei einem abgeschlossenen Hochschul- oder Fachhochschulstudium nicht gleichwertig.

Dagegen wendet die Klägerin ein: Es beständen ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), soweit das Verwaltungsgericht die Auffassung vertrete, der Betrieb der Yogaschule erfordere keine "höhere Bildung". Zwar treffe es zu, dass unter "höherer Bildung" grundsätzlich ein abgeschlossenes Hochschul- oder Fachhochschulstudium zu verstehen sei. Es seien aber, wie die Verwendung des Begriffs "grundsätzlich" verdeutliche, Ausnahmen möglich. Ein solcher Ausnahmefall liege hier vor. Sie, die Klägerin, habe sich, da ein zum Beruf des Yogalehrers hinführendes Studium an Europäischen Hochschulen nicht möglich gewesen sei, einer 17-jährigen vielfältigen Ausbildung unterzogen und diese im Jahre 1977 mit der dreiwöchigen Prüfung vor der "Indian Yoga Society" an der Universität Sagar mit drei Zertifikaten abgeschlossen. Sie unterrichte an ihrer Schule nach einem festen Lehrplan und der Lehrbetrieb werde ständig von der Deutschen und Europäischen Yogaunion überprüft. Die Ausbildung gemäß den Richtlinien des Bundesverbandes Deutscher Yogaschulen e.V. (BDY) entspreche in etwa dem Rahmen einer Deutschen Fachschulausbildung und wende sich primär an Interessenten mit höherem Bildungsabschluss. Sie verfolge wichtige persönlichkeitsbildende und soziale Lernziele. Alle an der Schule tätigen Lehrpersonen hätten ein Hochschulstudium absolviert. Es sei mit dem Gleichheitssatz nicht zu vereinbaren, dass von ihr eine Gewerbeanmeldung verlangt werde, während eine Vielzahl vergleichbarer Yoga-Schulen im Bundesgebiet ohne eine solche Anmeldung betrieben werde.

Die Rechtssache weise außerdem besondere tatsächliche Schwierigkeiten auf (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO), weil das Verwaltungsgericht den Sachvortrag zu ihrem Ausbildungsweg nur unvollständig zur Kenntnis genommen habe. Auch komme der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung zu (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Denn es gebe zahlreiche Yoga-Schulen, bei denen es offenbar noch nie ein Problem der den Gegenstand dieses Rechtsstreits bildenden Art gegeben habe.

Diese Einwendungen greifen nicht durch.

Die Darlegungen der Klägerin begründen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).

Gewerbe im Sinne des § 14 GewO ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts jede nicht sozial unwertige (generell nicht verbotene), auf Gewinnerzielung gerichtete und auf Dauer angelegte selbstständige Tätigkeit, ausgenommen Urproduktion, freie Berufe (freie wissenschaftliche, künstlerische und schriftstellerische Tätigkeit höherer Art sowie persönliche Dienstleistungen höherer Art, die eine höhere Bildung erfordern) und bloße Verwaltung eigenen Vermögens. Bei dem Ausnahmetatbestand der "persönlichen Dienstleistungen höherer Art" komme es darauf an, ob diese Dienstleistungen eine "höhere Bildung" erforderten oder nicht. Unter "höherer Bildung" sei hier grundsätzlich ein abgeschlossenes Hochschul- oder Fachhochschulstudium zu verstehen.

BVerwG, Beschluss vom 16. Februar 1995 - 1 B 205.93 -, GewArch 1995, 152, 153, Urteil vom 1. Juli 1987 - 1 C 25.85 -, GewArch 1987, 331 = Buchholz 451.20 § 14 GewO Nr. 4; vgl. ferner Marcks in: Landmann/Rohmer, GewO Band I (Stand: 1. Februar 2000), § 14 Rdnr. 26, Friauf in: Friauf, GewO (Stand: Januar 2001), § 1 Rdnr. 100.

Gegen die Feststellung des Verwaltungsgerichts, der Betrieb der Yoga-Schule setze keine höhere (Aus-)Bildung in Form einer abgeschlossenen Hochschul- oder Fachhochschulausbildung voraus, wendet die Klägerin sich nicht. Sie meint allerdings, die Vielfalt und das hohe Niveau der an ihrer Schule erbrachten Dienstleistungen erforderten eine Bildung, die ebenfalls als "höhere Bildung" zu qualifizieren sei. Ein abgeschlossenes Studium als Voraussetzung für eine "höhere Bildung" sei nach der Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts eben nur grundsätzlich erforderlich; in Ausnahmefällen - wie hier - könne darauf auch verzichtet werden. Sie verfüge aufgrund ihres besonderen Ausbildungsweges über diejenige "höhere Bildung", die für die Wahrnehmung der an der Schule anfallenden Tätigkeiten erforderlich sei. Dem ist nicht zu folgen. Die Klägerin misst dem vom Bundesverwaltungsgericht verwendeten Begriff "grundsätzlich" eine Bedeutung zu, die er so nicht besitzt.

Das Bundesverwaltungsgericht hat die "höhere Bildung" stets im Hochschulbereich angesiedelt und zugleich betont, dass kein Anlass bestehe, insoweit geringere Anforderungen zu stellen und dadurch den Gewerbebegriff und den Anwendungsbereich der Gewerbeordnung einzuschränken.

Vgl. Urteile vom 15. Januar 1970 - 1 C 17.68 -, Buchholz 451.20 § 14 GewO Nr. 1, und vom 1. Juli 1987 - 1 C 25.85 -, aaO.

Während "höhere Bildung" ursprünglich nur durch ein Studium an einer „klassischen" wissenschaftlichen Hochschule erworben werden konnte, hat das Bundesverwaltungsgericht später betont,

vgl. Urteil vom 15. Januar 1970 - 1 C 17.86 -, aaO,

es müssten die schon eingetretenen und noch im Gang befindlichen Veränderungen des Deutschen Bildungswesens berücksichtigt werden. Besondere Beachtung verdiene die Tatsache, dass der Akademiebereich (Ingenieur-, Bau- und Chemieschulen, höhere Wirtschaftsfachschulen u.ä.) sich immer mehr an den Hochschulbereich annähere und gehobene Fachkräfte heranbilde, "die im späteren freien Berufswettbewerb mit den Hochschulabsolventen gleicher Fachrichtung in vielen Fällen vergleichbare Berufspositionen besetzten". Dies hatte zur Folge, dass in der neueren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts,

Urteil vom 1. Juli 1987 - 1 C 25.85 -, aaO, und Beschluss vom 16. Februar 1995 - 1 B 205.93 -, aaO,

Hochschulstudium und Fachhochschulstudium gleichermaßen als höhere Bildung angesehen und grundsätzlich verlangt werden.

Vor dem Hintergrund dieser Entwicklung wird deutlich, dass es bei der Verwendung des Wortes "grundsätzlich" nicht darum geht, im Einzelfall ausnahmsweise auf eine im Hochschulbereich angesiedelte oder diesem Bereich jedenfalls angenäherte Bildung zu verzichten und damit an eine "höhere Bildung" geringere Anforderungen zu stellen. Sofern der Begriff "grundsätzlich" überhaupt Ausnahmen impliziert, so soll damit lediglich auch in Zukunft die Möglichkeit offen gehalten werden, auf Veränderungen im Bildungswesen zu reagieren, die sich durch eine Annäherung einzelner Bildungsgänge an den Hochschulbereich ergeben können. Daraus folgt zugleich, dass es vorliegend nicht darauf ankommt, über welche Kenntnisse und Fähigkeiten die Klägerin aufgrund ihres individuellen Bildungswegs verfügt.

Bei dieser Sachlage kann eine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes gemäß Art. 3 Abs. 1 GG nicht darin liegen, dass die Betreiber vergleichbarer Yoga-Schulen - unter Verstoss gegen § 14 GewO - ihrer Anzeigepflicht nicht nachgekommen sind und die dafür zuständigen Behörden von einer zwangsweisen Durchsetzung dieser Verpflichtung bisher abgesehen haben.

Die Rechtssache weist aus den von der Klägerin genannten Gründen auch keine besonderen tatsächlichen Schwierigkeiten auf (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO). Die individuellen Kenntnisse und Fähigkeiten der Klägerin sind für den Rechtsstreit ohne Bedeutung. Deshalb ist es unerheblich, ob das Verwaltungsgericht entsprechend der Behauptung der Klägerin den Sachvortrag zum Ausbildungsweg nur unvollständig zur Kenntnis genommen hat.

Grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO kommt der Rechtssache ebenfalls nicht zu. Die von der Klägerin angesprochene Frage bedarf keiner Klärung in einem Berufungsverfahren. Sie lässt sich, wie den Ausführungen zu § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zu entnehmen ist, ohne Weiteres schon im Zulassungsverfahren klären.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 13 Abs. 1 Satz 2 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.