OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 31.10.2001 - 4 A 2239/99
Fundstelle
openJur 2011, 16432
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • vorher: Az. 3 K 443/97
Tenor

Die Berufung wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Das Land Nordrhein-Westfalen gewährt Handwerksmeistern und Handwerksmeisterinnen Zuwendungen, um ihnen die Gründung einer selbstständigen Existenz in einem Handwerk möglichst bald nach der Meisterprüfung zu erleichtern. Dafür stellt es seit 1995 im Haushaltsplan (Einzelplan 08, Kapital 08030, Titel 68513) Mittel für das Landes-Förderprogramm "Arbeitsplatzschaffende Existenzgründungshilfe für Handwerksmeisterinnen und Handwerksmeister - Meistergründungsprämie" bereit. Die Vergabe der Zuwendungen ist in "Richtlinien über die Gewährung von arbeitsplatzschaffenden Existenzgründungshilfen für Handwerksmeister/-innen (Meistergründungsprämie NRW) geregelt (Runderlass des Ministeriums für Wirtschaft und Mittelstand, Technologie und Verkehr vom 8. Dezember 1995, MBl. NRW 1996, S. 233, geändert durch Runderlasse vom 26. November 1996, MBl. NRW 1997, S. 9, vom 5. September 1997, MBl. NRW 1997, S. 1160, und vom 17. Februar 1998 MBl. NRW 1998, S. 385). Voraussetzung für eine Förderung ist danach unter anderem, dass die Zuschussempfänger sich innerhalb bestimmter Zeiträume nach Bestehen der Meisterprüfung selbstständig machen. Diese betragen nach den Richtlinien (Nr. 4.1.2) für Handwerksmeisterinnen durchgängig fünf Jahre; für Handwerksmeister galt bis Ende 1997 eine Frist von zwei Jahren, während bei Existenzgründungen ab 1. Januar 1998 eine solche von drei Jahren festgelegt war. Für das Haushaltsjahr 1997 hatte der Haushaltsgesetzgeber die Fünf- bzw. Zweijahresfrist außerdem in die Erläuterungen zu dem entsprechenden Haushaltstitel aufgenommen.

Die Aufgaben der Bewilligungsbehörde nimmt auf Grund eines zwischen dem Land Nordrhein-Westfalen und der Beklagten im Oktober 1995 abgeschlossenen Beleihungs- und Geschäftsbesorgungs-Vertrages die Beklagte als Beliehene in eigener Verantwortung wahr; sie erlässt Bescheide und Widerspruchsbescheide.

Der Kläger legte am 20. Mai 1992 die Meisterprüfung im Kraftfahrzeugelektriker-Handwerk ab. Im Mai 1996 übernahm er in der V. KG, die er im Jahre 1994 gemeinsam mit seinem Vater gegründet hatte, die Stellung eines persönlich haftenden Gesellschafters. Mitte August 1996 beantragte er über die Handwerkskammer A. bei der Beklagten die Gewährung einer Meistergründungsprämie. Dies lehnte die Beklagte durch Bescheid vom 19. November 1996 ab, weil der Kläger die Zweijahresfrist überschritten habe. Den vom Kläger eingelegten Widerspruch wies sie durch Widerspruchsbescheid vom 27. Januar 1997 ebenfalls unter Hinweis auf die Zweijahresfrist zurück und führte ergänzend aus, die Richtlinien ließen insoweit einen Ermessensspielraum nicht zu.

Der Kläger hat Klage erhoben und die Auffassung vertreten, die der Entscheidung der Beklagten zu Grunde gelegte Fristenregelung sei rechtswidrig. Sie verstoße gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz, weil Frauen eine längere Frist als Männern eingeräumt werde. Ein Bedürfnis für diese unterschiedliche Behandlung sei nicht erkennbar.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung der Bescheide vom 19. November 1996 und 27. Januar 1997 zu verpflichten, ihm die beantragte Meistergründungsprämie zu bewilligen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat ausgeführt: Die geschlechterspezifische Ungleichbehandlung sei durch Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG gerechtfertigt, der auf eine Angleichung der Lebensverhältnisse zwischen Männern und Frauen ziele. Die den Handwerksmeisterinnen eingeräumte längere Frist solle die ihnen erwachsenen faktischen Nachteile ausgleichen. Allgemein seien in allen Berufsbereichen Gleichstellungsdefizite zum Nachteil der Frauen zu beklagen. Zwar habe sich die Berufsqualifikation in den letzten Jahren weitgehend angenähert, die Verdienst- und Aufstiegschancen seien aber unverändert nachteilig für Frauen geblieben. Es sei eine deutliche Unterrepräsentanz weiblicher Selbstständiger im Handwerk festzustellen. Es sei erklärtes Ziel der Landesregierung, durch die Fristverlängerung bei der Gewährung von Existenzgründerprämien den Kreis der Meisterinnen zu erweitern und so die Zahl und den Anteil der selbstständigen Meisterinnen zu steigern und damit die Unterrepräsentanz zu beseitigen. Frauen wie Männer legten in der Regel die Meisterprüfung um das 30. Lebensjahr ab, in einem Lebensabschnitt, in der die Familienplanung regelmäßig Frauen bei ihrer beruflichen Weiterentwicklung in stärkerem Maße als Männer hemme. Frauen trügen, bereits biologisch bedingt, mit der Familiengründung, etwa in der Schwangerschaft, eine größere Verantwortung und zeitliche Belastung. Typischerweise seien sie auch heute noch durch Hausarbeit, Kinderbetreuung und Beruf mehrfach belastet. Diesem Umstand wolle die Fristenregelung Rechnung tragen. Dazu sei sie nicht nur geeignet, sondern auch erforderlich. Zwar profitierten von der Regelung auch solche Frauen, die keine individuelle Benachteiligung erfahren hätten. Um die statistisch nachgewiesenen strukturellen Nachteile effektiv auszugleichen, sei es aber hinnehmbar, wenn in wenigen Einzelfällen auch Frauen in den Genuss der Förderung kämen, die die typischen Nachteile nicht erlitten hätten. Dies diene der einfachen und unbürokratischen Abwicklung des Förderprogramms. Die Vergabe der Fördermittel bedürfe im Übrigen keiner gesetzlichen Grundlage und verstoße auch nicht gegen europarechtliche Vorschriften.

Das Verwaltungsgericht hat die Beklagte unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide verpflichtet, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bescheiden; die weitergehende Klage hat es abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Ungleichbehandlung zwischen Männern und Frauen sei willkürlich und nicht durch Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG gerechtfertigt. Die von der Beklagten vorgenommene Typisierung, die ohne eine individuelle Prüfung allein an die Geschlechtszugehörigkeit anknüpfe, sei unzulässig. Die Beklagte müsse nun darüber befinden, wie sie die Ungleichbehandlung beseitigen wolle.

Die Beklagte hat Berufung eingelegt, die sie wie folgt begründet:

Bei der Vergabe der Subventionen stehe dem Zuwendungsgeber ein weites Ermessen zu. Ermessensfehler lägen nicht vor. Die Differenzierung zwischen Männern und Frauen sei nach Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG gerechtfertigt, weil es um einen nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zulässigen Ausgleich von Nachteilen gehe, die den Frauen entstanden seien. Die Fristenregelung beruhe auf dem Aktionsprogramm "Frau und Beruf" der Landesregierung, das am 11. April 1994 vom Kabinett beschlossen worden sei. Danach sollten in allen Arbeitsmarkt- und Wirtschaftsprogrammen frauenspezifische Regelungen verankert werden. Bestehende Regelungen sollten demnach gegebenenfalls zu Gunsten von Frauen modifiziert und neue Programme der Arbeitsmarkt- und Wirtschaftsförderung mit frauenfördernden Regelungen versehen werden. Anlass und Ursache für die Bevorzugung der Frauen bei den Antragsfristen sei die nach wie vor bestehende erhebliche Ungleichheit von Männern und Frauen im Handwerk, wie im Übrigen auch in allen Berufsbereichen nach wie vor erhebliche Gleichstellungsdefizite vorlägen. Von den Selbstständigen im Handwerk seien 1995 nur 13,6 % Frauen gewesen. In den letzten Jahren habe man hier sogar eine negative Tendenz feststellen müssen. Bei den bestandenen Gesellenprüfungen im Handwerk habe die Zahl weiblicher Gesellen von 1991 (11.142) bis 1996 (5.627) kontinuierlich abgenommen. Bei den männlichen Gesellenprüfungen sei lediglich ein Rückgang von 36.526 auf 26.976 eingetreten. Nur rund 17 % aller Gesellenprüfungen seien von Frauen abgelegt worden. Diese Tendenz verschlimmere sich, weil dadurch auch die Vorbildfunktion von Frauen in Handwerksberufen abnehme. Die geringe Zahl der Meisterinnen im Handwerk lasse für die Zukunft kaum eine Steigerung des Frauenanteils in Handwerksberufen erhoffen. Es sei aber ein allgemein anerkanntes gesellschaftliches Ziel, den Frauen auch den Zugang zu Handwerksberufen zu erleichtern und insbesondere dafür zu sorgen, dass in den Ausbildungsberufen auch Frauen die Ausbildung übernähmen. Ein besonders großer Schritt in diese Richtung sei es natürlich, wenn Frauen sich als Handwerkerinnen selbstständig machten.

Angesichts der Tatsache, dass Meistergründungsprämien überwiegend von Männern in Anspruch genommen würden, sei die Fristverlängerung für Frauen erforderlich gewesen, weil diese sonst mittelbar diskriminiert worden wären. Seit Inkrafttreten der Förderrichtlinien hätten insgesamt 4.338 Personen eine Förderung beantragt, davon 3.511 Männer und nur 827 Frauen. Davon hätten 151 Frauen den Antrag auf Gewährung einer Prämie erst nach Ablauf von drei Jahren nach der Meisterprüfung gestellt. Durch die Förderung auch dieser Frauen sei es gelungen, den Anteil der Frauen bei der Meistergründungsprämie NRW von 16 % auf 19 % anzuheben. Ohne die differenzierte Fristenregelung wäre die mittelbare Benachteiligung der Frauen noch verstärkt worden.

Die Regelung diene dazu, faktische Nachteile, die typischerweise Frauen träfen, durch begünstigende Regelungen auszugleichen. Schon die geringe Zahl von Handwerksmeisterinnen mache deutlich, dass den Frauen faktische Nachteile erwüchsen. Hinzu komme die entweder vorhandene oder von Frauen antizipierte Stellung der Frau in Ehe und Familie und die damit verbundene Doppelbelastung. Schließlich sei auf die fehlende Vorbildfunktion für Frauen in Handwerksberufen hinzuweisen. Dass bei der Zuschussgewährung nicht an konkrete Nachteile der einzelnen Frau angeknüpft werde, sondern eine Typisierung erfolge, sei mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu vereinbaren. Dabei sei zu berücksichtigen, dass im Bereich der Subventionsgewährung größere Ermessensspielräume beständen als bei der Eingriffsverwaltung. Es gehe allerdings nicht um den Ausgleich von Nachteilen, die Frauen vergangener Generationen erlitten hätten, sondern um den Ausgleich solcher tatsächlichen Nachteile, die Frauen auch heute noch im Berufsleben hätten. Diese entständen sowohl durch die immer noch ungerechte Arbeitsteilung in Ehe und Familie als auch durch die Sozialisation, die Frauen in aller Regel genössen und die dazu führe, dass sie im Hinblick auf ihre zukünftige oder bereits bestehende Rolle in Ehe und Familie den risikoreichen Schritt zur Selbstständigkeit scheuten.

Die differenzierende Fristenregelung verstoße auch nicht gegen europäisches Gemeinschaftsrecht. Von einem "absoluten und unbedingten" Vorrang weiblicher Antragsteller könne keine Rede sein. Vorschriften im Zusammenhang mit der Ermessensausübung beanspruchten keine absolute Geltung. Ausnahmefällen sei zumindest über den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Rechnung zu tragen. Hätte der Kläger Umstände dargelegt, die eine Abweichung vom Regelfall der begrenzten Antragsfrist gerechtfertigt hätten, wäre die Beklagte in der Lage gewesen, ernsthafte Anhaltspunkte für eine Fristverlängerung aus Verhältnismäßigkeitsgründen zu prüfen. Derartige Umstände habe der Kläger aber nicht vorgebracht, so dass eine über den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit auch bei Männern zu erzielende Fristverlängerung nicht zu vertreten gewesen sei. Die Bewilligungspraxis entspreche der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes, weil sie zur Erfüllung der Zielvorgaben des Frauenförderungsplans erforderlich sei und Gründe von größerem rechtlichen Gewicht nicht entgegenständen.

Die Beklagte beantragt,

das angefochtene Urteil zu ändern und die Klage insgesamt abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält das angefochtene Urteil, soweit es der Klage stattgegeben hat, für zutreffend.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsvorgänge und sonstigen Unterlagen Bezug genommen.

Gründe

Die Berufung hat keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat der Klage zu Recht insoweit stattgegeben, als es die Beklagte unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide verpflichtet hat, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bescheiden.

I. Die Klage ist zulässig. Insbesondere ist der Verwaltungsrechtsweg gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO gegeben. Denn es handelt sich um eine öffentlichrechtliche Streitigkeit nichtverfassungsrechtlicher Art. Dass die Beklagte ein eingetragener Verein und damit eine juristische Person des Privatrechts ist, ist ohne Bedeutung. Denn sie nimmt nach dem zwischen ihr und dem Land Nordrhein-Westfalen geschlossenen Beleihungs- und Geschäftsbesorgungs-Vertrages vom Oktober 1995 die Aufgaben einer Bewilligungsbehörde auf Grund ihr verliehener hoheitlicher Befugnisse wahr. Es ist in der Rechtsprechung und im Schrifttum allgemein anerkannt, dass sich der Staat bei der Erfüllung öffentlicher Aufgaben auch privater Personen bedienen und ihnen dazu hoheitliche Befugnisse sowohl obrigkeitlicher wie auch schlicht hoheitlicher Art zur Wahrnehmung im eigenen Namen übertragen kann. Geschieht dies - wie hier -, so ist das Rechtsverhältnis zwischen dem mit hoheitlichen Befugnissen Beliehenen und Dritten, denen gegenüber diese Befugnisse wahrgenommen werden, öffentlichrechtlicher Natur. Ein Streit darüber, ob der Beliehene verpflichtet ist, gegenüber einem Privaten tätig zu werden, gehört vor die Verwaltungsgerichte.

BVerwG, Urteil vom 5. Oktober 1990 - 7 C 7.90 , NVwZ-RR 1991, 330; vgl. ferner Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht II, 2000, § 67 Rn. 20.

Die notwendige gesetzliche Grundlage für die Übertragung hoheitlicher Aufgaben,

vgl. dazu BVerwG, Urteile vom 19. Januar 1989 -7 C 31.87 -, BVerwGE 81, 185, 188 und vom 5. März 1968 - 1 C 35.65 -, BVerwGE 29, 166, 170, sowie OVG NRW, Urteil vom 13./27. September 1979 - 16 A 2693/78 -, JZ 1980, 93,

findet sich in § 44 Abs. 2 LHO.

II. Die Klage ist nach der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Senat auch begründet.

1. Würde man bei der gerichtlichen Prüfung auf den Zeitpunkt der letzten behördlichen Entscheidung, hier also den Erlass des Widerspruchsbescheides vom 27. Januar 1997 abstellen, so müsste der Klage allerdings ein Erfolg in der Sache versagt bleiben. Denn damals hätte die Beklagte dem Kläger schon unter Ermessensgesichtspunkten eine Meistergründungsprämie nicht gewähren dürfen; folglich könnte auch ein Neubescheidungsanspruch nicht bestehen.

Bei den von der Beklagten vergebenen Mitteln handelt es sich um Zuwendungen, auf die kein Rechtsanspruch besteht. Die Bereitstellung von Mitteln im Haushaltsplan stellt lediglich eine (formelle) Legitimationsgrundlage für Ausgabenleistungen der Exekutive dar (vgl. § 3 Abs. 2 LHO). Auch die Förderrichtlinien geben als solche zur Stützung eines Förderanspruchs nichts her. Es handelt sich nicht um Rechtsnormen, sondern um (verwaltungsinterne) Verwaltungsvorschriften. Die Zuwendungen werden vielmehr nach pflichtgemäßem Ermessen vergeben, das allerdings (unter anderem) durch die im Haushaltsplan zum Ausdruck kommende Zweckbestimmung beschränkt ist.

Vgl. zu diesem Problemkreis BVerwG, Urteile vom 8. April 1997 - 3 C 6.95 -, NVwZ 1998, 273, vom 17. Januar 1996 - 11 C 5.95 -, NJW 1996, 1766 und vom 26. April 1979 - 3 C 111.79 -, BVerwGE 58, 45.

Die Titel des Haushaltsplanes und die dazugehörigen Erläuterungen enthalten die wesentlichen Entscheidungen über die Zulässigkeit bestimmter Ausgaben.

Vgl. BVerfG, Urteil vom 19. Juli 1966 - 2 BvF 1/65 -, BVerfGE 20, 56, 92 ff., und BVerwG, Urteil vom 17. Januar 1996 - 11 C 5.95 -, aaO.

Der Haushaltsplan für das Jahr 1997 führt im Einzelplan 08 unter Kapitel 08030 Titel 68513 als Zweckbestimmung der Meistergründungsprämie an:

Landes-Förderprogramm "Arbeitsplatzschaffende Existenzgründungshilfe für Handwerksmeisterinnen und Handwerksmeister - Meistergründungsprämie"

In den Erläuterungen zu Titel 68513 heißt es:

Für die Zeit vom 1.4.1995 bis 31.3.1998 wird Jungmeisterinnen und Jungmeistern des nordrhein- Westfälischen Handwerks, die sich innerhalb von 5 bzw. 2 Jahren nach Ablegung der deutschen Meisterprüfung selbstständig machen, unter bestimmten, arbeitsplatzschaffenden Voraussetzungen eine "Meistergründungsprämie" in Höhe von einmalig 20.000,- DM als Zuschuss gewährt.

Die vom Gesetzgeber gewollte Zweckbestimmung sah demnach für das Haushaltsjahr 1997 vor, dass ausnahmslos nur solche männlichen Bewerber zu fördern waren, die sich innerhalb von zwei Jahren nach Ablegung der deutschen Meisterprüfung selbstständig gemacht haben. Insoweit war die Beklagte bei ihrer Ermessensausübung gebunden (Ermessensreduzierung "auf Null"). Sie war nicht berechtigt, in Abweichung von der im Haushaltsplan enthaltenen Zweckbestimmung Antragstellern eine Meistergründungsprämie zu gewähren, die die maßgebliche Frist nicht eingehalten hatten. Auch der Senat dürfte sich über diese Zweckbestimmung nicht hinwegsetzen. Er ist - anders als bei Rechsverordnungen - nicht befugt, die entsprechende Regelung etwa wegen eines Verstoßes gegen Art 3 GG für nichtig zu erklären; dies ist allein dem Bundesverfassungsgericht vorbehalten. Deshalb besteht auch nicht die Möglichkeit, wie bei Rechtsverordnungen,

vgl. dazu BVerwG, Urteile vom 11. Oktober 1996 - 3 C 29.96 -, BVerwGE 102, 113, und - 3 C 28.96 -,BayVBl. 1997, 475,

eine im Falle der Nichtigkeit zwingend erforderliche gesetzliche Neuregelung durch Zuerkennung eines Förder- bzw. Neubescheidungsanspruchs gleichsam zu antizipieren.

Eben dies aber war beim Kläger der Fall. Er hat am 20. Mai 1992 die Meisterprüfung im Kraftfahrzeugelektriker-Handwerk abgelegt, sich aber erst im Mai 1996 selbstständig gemacht. Zu diesem Zeitpunkt hat er nämlich - was nach der Förderpraxis der Beklagten ausreichte - in der gemeinsam mit seinem Vater gegründeten Kommanditgesellschaft die Stellung eines Komplementärs übernommen.

2. Auf die Sach- und Rechtslage bei Erlass des Widerspruchsbescheides vom 27. Januar 1997 kommt es allerdings nach Auffassung des Senats entscheidungserheblich nicht an. Die Begründetheit der auf eine Neubescheidung gerichteten Verpflichtungsklage beurteilt sich nämlich nach der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung des Senats.

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage bei Verpflichtungsklagen grundsätzlich der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung des Gerichts maßgebend. Allerdings ist dieser Grundsatz nicht zwingend. Das materielle Recht kann Abweichendes regeln.

Vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 28. Juli 1989 - 7 C 39.87 -, NJW 1989, 3233 m.w.N.; ähnlich wohl Urteil vom 3. November 1994 - 3 C 30.93 -, NVwZ 1996, 66.

Derartige ausdrückliche Regelungen bestehen hier nicht.

Ein früherer Beurteilungszeitpunkt wäre zwar möglicherweise dann zu Grunde zu legen, wenn das Förderprogramm zeitlich begrenzt gewesen wäre. Das ist aber nicht der Fall. Auch im Haushaltsplan für das Jahr 2001 sind noch Mittel für die Gewährung von "Meistergründungsprämien" ausgewiesen; das Programm wird zumindest bis zum Ende des laufenden Jahres in der bisherigen Form fortgeführt.

Der Gesichtspunkt, dass die Fördermittel nach pflichtgemäßem Ermessen vergeben werden und bei der Ermessensausübung von der Beklagten natürlich nur solche tatsächlichen und rechtlichen Umstände berücksichtigt werden konnten, die damals vorlagen, rechtfertigt es nicht, von dem für die Verpflichtungsklage maßgeblichen Grundsatz abzuweichen. Abgesehen davon, dass im vorliegenden Fall das Ermessen der Beklagten seinerzeit auf Null reduziert war (vgl. II.1.), kann der Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides bei Ermessensentscheidungen den der gerichtlichen Prüfung generell nicht bestimmen. Denn Bestandteil des Streitgegenstandes der Verpflichtungsklage ist nicht die Feststellung, dass der Verwaltungsakt, in dem die Ablehnung nach außen Gestalt gefunden hat, rechtswidrig ist, sondern die Feststellung, dass die Weigerung der Behörde in dem für das Verpflichtungsbegehren entscheidenden Zeitpunkt, den beantragten Verwaltungsakt zu erlassen, die Rechtsordnung verletzt.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 24. Januar 1992 - 7 C 24.91 -, BVerwGE 89, 354.

Der Streitgegenstand einer Verpflichtungsklage lässt sich zudem nicht in einen Rechtsanspruch und in einen Ermessensanspruch teilen. Rechtsanspruch und Ermessensanspruch kennzeichnen nur unterschiedliche und unterschiedlich weit gehende Anspruchsgrundlagen für ein und dasselbe Begehren - hier die Gewährung einer Meistergründungsprämie -, nicht aber trennbare Teile des Streitgegenstandes.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 3. November 1994 - 3 C 30.93 -, aaO.

Dementsprechend kann der Zeitpunkt des Erlasses des Verwaltungsakts - hier des Widerspruchsbescheides - auch nicht den maßgeblichen Prüfungszeitpunkt bestimmen.

Es bleibt deshalb für den im Berufungsverfahren allein zu beurteilenden Anspruch auf Neubescheidung bei dem Grundsatz, dass auf den Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Senat abzustellen ist.

Ebenso Gerhardt in: Schoch/Schmidt- Aßmann/Pietzner, VwGO (Stand: Januar 2000), § 113 Rn. 66 Fußnote 307 (anders wohl Rn. 21 Fußnote 109); Kopp/Schenke, VwGO, 12. Aufl. 2000, § 113 Rn. 217; Spannowsky in: Sodan/Ziekow, VwGO (Stand: Juli 2000), § 113 Rn. 255 und 256; wohl auch OVG NRW, Urteil vom 2. Dezember 1997 - 25 A 4997/96 -, NWVBl 1998, 266.

Die Auffassung des 1. Senats des Bundesverwaltungsgerichts, auf die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung sei nur insoweit abzustellen, als es um die Frage gehe, ob die begehrte behördliche Maßnahme schon aus Rechtsgründen getroffen oder versagt werden müsse, während für die Überprüfung von Ermessensentscheidungen regelmäßig auf den Zeitpunkt des Erlasses der letzten behördlichen Entscheidung abzustellen sei,

vgl. etwa Urteile vom 9. September 1998 - 1 C 14.95 -, DVBl 1999, 332, vom 22. Februar 1995 - 1 C 11.94 -, NVwZ 1995, 1113 und vom 21. Januar 1992 - 1 C 21.87 -, BVerwGE 98, 296, ferner in diesem Zusammenhang Urteil vom 28. Januar 1997 - 1 C 23.94 -, NVwZ-RR 1997, 567,

teilt der erkennende Senat aus den dargelegten Gründen nicht.

3. Rechtsgründe stehen einer Förderung und damit auch einem Anspruch auf Neubescheidung im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung nicht entgegen. Solche Gründe lägen zwar vor, wenn die Vergabe der Fördermittel einer besonderen gesetzlichen Grundlage bedürfte und diese hier fehlte. Nach Auffassung des Senats ist eine besondere gesetzliche Grundlage aber nicht erforderlich.

Es entspricht herrschender Auffassung, dass die Gewährung von Subventionen grundsätzlich keiner (materiell) gesetzlichen Grundlage bedarf. Der allgemeine Vorbehalt des Gesetzes, der sich aus Art. 20 Abs. 3 GG herleitet, gilt hier regelmäßig nicht.

Vgl. BVerwG, Urteile vom 27. März 1992 - 7 C 21.90 -, BVerwGE 90, 112, 126, und vom 17. März 1977 - 7 C 59.75 -, NJW 1977, 1838; Schulze-Fielitz in: Dreier, Grundgesetz, 1996, Art. 20 Rn.98.

Allerdings ist der Gesetzgeber verpflichtet, in grundlegenden Fragen alle wesentlichen Entscheidungen selbst zu treffen. Das sind vor allem solche, die wesentlich für die Verwirklichung der Grundrechte sind. So verhält es sich etwa, wenn die Entscheidungen Maßnahmen betreffen, ohne die der Grundrechtsgebrauch unmöglich ist oder beträchtlich erschwert wird.

BVerfG, Beschlüsse vom 6. Juni 1989 - 1 BvR 727/84 -, DVBl. 1989, 869, und vom 8. August 1978 - 2 BvL 8/77 -, BVerfGE 49, 89.

Dies gilt auch für den Bereich der Subventionsgewährung.

BVerwG, Urteil vom 27. März 1992 - 7 C 21.90 -, aaO. S. 122; vgl auch Dickersbach, NVwZ 1993, 846, 847.

Einer derartigen Entscheidung bedurfte es hier aber nicht. Der Gesetzgeber brauchte sich nicht damit zu befassen, ob bei der Vergabe der Meistergründungsprämien eine nach dem Geschlecht differenzierende Fristenregelung getroffen werden sollte. Denn dabei handelt es sich nicht um eine grundlegende Frage.

Anderer Ansicht: Hinsichtlich der Meistergründungsprämie VG Düsseldorf, Urteil vom 20. März 1998 - 15 K 10691/96 -, NWVBl 1999, 66, vgl. dazu Oldiges, NVwZ 2001, 280, 286; ferner allgemein Schulze-Fielitz, aaO., Art. 20 Rn. 106 a.E., Osterloh in: Sachs, aaO., Art. 3 Rn. 290, Jarass/Pieroth, Grundgesetz, 5. Auflage 2000, Art. 3 Rn. 77 und 81

Es ist allgemein anerkannt, dass die Exekutive bei Ermessensentscheidungen über die Vergabe von Fördermitteln ebenso wie der Gesetzgeber an das Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG gebunden ist. Dieser Vorschrift kommt im Subventionsrecht zentrale Bedeutung zu.

BVerwG, Urteile vom 8. April 1997 - 3 C 6.95 -, aaO. , und vom 17. Januar 1996 - 11 C 5.95 -, aaO.; ferner Jarass/Pieroth, aaO., Art. 3 Rn. 34 f.

Obgleich die Entscheidungen über die Vergabe von Fördermitteln regelmäßig Grundrechte aus Art. 3 Abs. 1 GG tangieren, stellen sich allein deshalb noch keine grundlegenden Fragen. Für diese "Normalfälle" der Subventionierung ist der Wesentlichkeitsvorbehalt ohne Bedeutung.

Vgl. in diesem Zusammenhang BVerwG, Urteil vom 27. März 1992 - 7 C 21.90 -, aaO.

Daran ändert sich auch nichts, wenn - wie hier -Fragen im Zusammenhang mit der Gleichberechtigung von Mann und Frau zu beantworten sind. Denn das in Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG enthaltene Verbot, niemanden wegen seines Geschlechts zu benachteiligen oder zu bevorzugen, lässt sich im Prinzip bereits aus dem allgemeinen Gleichheitssatz ableiten, so dass Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG weithin nur klarstellt, was ohnehin schon gilt.

Rüfner in: Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 3 Abs. 2 und 3 Rn. 541 (Stand: Mai 1996).

Danach darf das Geschlecht grundsätzlich nicht als Anknüpfungspunkt für eine rechtliche Ungleichbehandlung herangezogen werden. Ausnahmsweise ist dies nur dann zulässig, wenn dies zur Lösung von Problemen, die ihrer Natur nach nur entweder bei Männern oder bei Frauen auftreten können, zwingend erforderlich ist.

Vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 27. November 1997 - 1 BvL 12/91 -, BVerfGE 97, 35, vom 24. Januar 1995 - 1 BvL 18/93 u.a. -, BVerfGE 92, 91 und vom 28. Januar 1992 - 1 BvR 1025/82 u.a. -, BVerfGE 85, 191.

Die Erwägungen, die die Behörden insoweit anzustellen haben, unterscheiden sich qualitativ nicht von dem, was im Rahmen des Art. 3 Abs. 1 GG zu bedenken ist.

Schon vor der mit Wirkung vom 15. November 1994 erfolgten Einfügung des Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG in das Grundgesetz war außerdem anerkannt, dass Art. 3 Abs. 2 (Satz 1) GG auf eine Angleichung der Lebensverhältnisse zielt und dazu berechtigt und in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip möglicherweise auch dazu verpflichtet, faktische Nachteile, die typischerweise Frauen treffen, durch begünstigende Regelungen auszugleichen.

Vgl. BVerfG, Urteil vom 28. Januar 1992 - 1 BvR 1025/82 -, aaO., und Beschlüsse vom 28. Januar 1987 - 1 BvR 455/82 -, BVerfGE 74, 163, und vom 13. Januar 1982 - 1 BvR 848/77 u.a. -, BVerfGE 59, 231; Osterloh, aaO., Art. 3 Rn 261.

Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG, der bestimmt, dass der Staat die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern fördert und auf die Beseitigung bestehender Nachteile hinwirkt, enthält deshalb nur eine ausdrückliche Klarstellung, macht aber einen Rückgriff auf das Sozialstaatsprinzip entbehrlich.

Osterloh, aaO., Art. 3 Rn. 262 und 263; Starck in: Von Mangoldt/Klein, Das Bonner Grundgesetz, 1999, Art. 3 Abs. 2 Rn. 281; vgl. zur Bedeutung des Sozialstaatsprinzips auch OVG NRW, Beschluss vom 15. Juni 1989 - 6 B 1318/89 - NJW 1989, 2560.

Gleichzeitig stellt Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG einen Rechtfertigungsgrund für solche Diskriminierungen dar, die sich für andere Personen aus Förderungsmaßnahmen und Nachteilsausgleichen ergeben.

Vgl. BVerfG, Beschluss vom 24. Januar 1995 - 1 BvL 18/93 u.a. -, aaO.; ferner Jarass/Pieroth, aaO., Art. 3 Rn 76 f., sowie Bericht der Gemeinsamen Verfassungskommission, BT- Drucks. 12/6000 vom 5. November 1993, S. 49 f.

Die Anforderungen, die bei der typisierenden Nachteilsprüfung an die Verwaltung gestellt werden, sind auch hier prinzipiell keine anderen als im Rahmen des Art. 3 Abs. 1 GG. Hier wie dort sind Sachverhalte zu ermitteln und vergleichend einander gegenüberzustellen. Das Ergebnis der Prüfung determiniert im Falle des Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG den Umfang des Nachteilsausgleichs, ohne dass insoweit grundlegende Fragen zu beantworten sind.

Bei alledem kommt hinzu, dass die nach der Geschlechtszugehörigkeit differenzierende Frist den Männern die Wahrnehmung ihrer Grundrechte aus Art. 12 Abs. 1 GG nicht unmöglich macht und sie auch nicht beträchtlich erschwert.

Zu diesem Aspekt: BVerfG, Beschluss vom 6. Juni 1989 - 1 BvR 727/84 -, aaO.

Denn der Weg in die Selbstständigkeit lässt sich letztlich auch ohne staatliche Förderung beschreiten. Anders als in einem vom Bundesverwaltungsgericht entschiedenen Fall,

Urteil vom 27. März 1992 - 7 C 21.90 -, aaO.,

können hier grundsätzlich auch Männer in den Genuss der Förderung gelangen und sind deshalb am Subventionsverhältnis beteiligt.

Die Frage, ob eine gesetzliche Grundlage für die nach der Geschlechtszugehörigkeit differenzierende Mittelvergabe vorhanden ist, stellt sich deshalb nicht mehr. Im Übrigen findet sich jedenfalls im nordrheinwestfälischen Landesrecht eine solche Rechtsgrundlage aber auch nicht.

4. Anders als im Jahre 1997 enthalten die Haushaltspläne der Folgejahre und damit auch der des Jahres 2001 in den Erläuterungen zu Titel 68513 keine Vorgaben dazu, innerhalb welcher Fristen Handwerksmeisterinnen und Handwerksmeister sich nach Ablegung der Meisterprüfung selbstständig machen müssen. Das der Beklagten bei der Vergabe der Fördermittel eingeräumte Ermessen ist deshalb durch eine im Haushaltsplan zum Ausdruck kommende Zweckbestimmung nicht mehr beschränkt.

5. Wenngleich der Beklagten im Subventionsrecht ein weiter Gestaltungsspielraum eingeräumt ist, ist ihr Ermessen aber dennoch insoweit begrenzt, als die von ihr getroffenen Entscheidungen nicht gegen höherrangiges Recht verstoßen dürfen. Auch im Bereich der gewährenden Verwaltung sind die Behörden an das Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG und dessen spezielle Ausprägungen in Art. 3 Abs. 2 und Abs. 3 Satz 1 GG gebunden.

Die Weigerung der Beklagten, dem Kläger eine Meistergründungsprämie zu gewähren, trägt dem nicht hinreichend Rechnung.

Die Förderpraxis, die die Beklagte ihren Entscheidungen zu Grunde legt, geht zur Überzeugung des Senats im Grundsatz dahin, Handwerksmeistern, die sich vor dem 1. Januar 1998 nicht innerhalb von zwei bzw. nach dem 1. Januar 1998 nicht innerhalb von drei Jahren nach Bestehen der Meisterprüfung selbstständig machen, Zuwendungen zu versagen, während Handwerksmeisterinnen generell eine Frist von fünf Jahren eingeräumt wird. Es besteht - auch im Hinblick auf die Ausführungen der Beklagten im Schriftsatz vom 31. Oktober 2001 - kein Anhaltspunkt dafür, dass ausnahmsweise im Einzelfall Meistergründungsprämien an Handwerksmeister gewährt werden, die die Zwei- bzw. Dreijahresfrist wegen Mehrfachbelastungen durch Haushalt, Kinderbetreuung und Beruf versäumt haben. Die Formulierung im Widerspruchsbescheid vom 27. Januar 1997 "die Richtlinien lassen hinsichtlich der Zweijahresfrist keinen Ermessensspielraum zu" macht deutlich, dass die Beklagte sich insoweit streng an die Richtlinie hält, Ausnahmen wegen Mehrfachbelastungen für sie also nicht in Betracht kommen. Im Übrigen hätte eine in diesem Punkt großzügigere Förderpraxis vorausgesetzt, dass die Antragsteller schon im Verwaltungsverfahren auf die Möglichkeit derartiger Ausnahmen hingewiesen worden wären, damit sie ihre Gründe hätten darlegen können. Nur dann hätte die Beklagte auch in eine entsprechende Prüfung eintreten können.

Diese Fördervoraussetzungen erfüllt der Kläger zwar nicht, weil er die Zweijahresfrist versäumt hat (vgl. II.1.). Die Verwaltungspraxis der Beklagten verstößt aber ihrerseits gegen Art. 3 Abs. 3 Satz 1 Alt. 1 GG. Danach darf niemand wegen seines Geschlechts benachteiligt oder bevorzugt werden. Da ist hier aber der Fall, weil Männern allein auf Grund ihrer Geschlechtszugehörigkeit kürzere Fristen gesetzt werden, während Frauen allein auf Grund ihrer Geschlechtszugehörigkeit ein längerer Zeitraum zur Verfügung steht.

Dass diese Ungleichbehandlung im Sinne der erwähnten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Lösung von Problemen zwingend erforderlich ist, die ihrer Natur nach nur entweder bei Männern oder bei Frauen auftreten können, ist nicht erkennbar und wird von der Beklagten auch nicht geltend gemacht.

Die Ungleichbehandlung ist auch nicht durch Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG gerechtfertigt. Nach dieser Vorschrift fördert der Staat die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Männern und Frauen und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin. Der Gesetzgeber ist danach berechtigt, faktische Nachteile, die typischerweise Frauen treffen, durch begünstigende Regelungen auszugleichen.

Vgl. BVerfG, Beschluss vom 24. Januar 1995 - 1 BvL 18/93 u.a. -, aaO.

Entsprechendes gilt für Ermessensentscheidungen der Exekutive.

Wie bei jeder Ermessensentscheidung obliegt es der Beklagten, alle für ihre Entscheidung wesentlichen Umstände zu ermitteln. Hier waren dementsprechend zunächst Feststellungen dazu zu treffen, welche faktischen Nachteile den Frauen erwachsen sind. Die Beklagte hat im gerichtlichen Verfahren insoweit zwar zahlreiche Gründe angeführt, die für ihre Entscheidung maßgeblich gewesen seien; diese sind aber entweder von vornherein für die Ermessensbetätigung unwesentlich oder beruhen auf nicht sachgerecht durchgeführten Ermittlungen.

6. Die Unterrepräsentanz weiblicher Selbstständiger im Handwerk, die Vorbildfunktion von Frauen in Handwerksberufen und das gesellschaftliche Ziel, auch Frauen als Ausbilder tätig werden zu lassen, mögen zwar gute Gründe für eine Frauenförderung darstellen. Welche konkreten faktischen Nachteile für Frauen damit ausgeglichen werden sollen, ist aber nicht erkennbar. Entsprechendes gilt für den von der Beklagten angeführten Gedanken, es seien in allen Berufsbereichen, bedingt auch durch die Sozialisation, Gleichstellungsdefizite zu verzeichnen; welche konkreten Nachteile sich hinter diesem pauschalierendem Begriff verbergen sollen, bleibt ebenfalls unklar. Dass vollzeitbeschäftigte weibliche Angestellte und selbstständige Frauen durchschnittlich deutlich weniger verdienen als vollzeitbeschäftigte männliche Angestellte und Selbstständige, mag zutreffen. Entscheidend ist aber allein, wie sich die Situation im Handwerksbereich darstellt. Es ist nicht erkennbar, dass die Beklagte insoweit entsprechende Sachverhaltsermittlungen durchgeführt und deren Ergebnis ihrer Ermessensentscheidung zu Grunde gelegt hat.

7. Als nicht tragfähig erweist sich auch die Erwägung der Beklagten, eine nicht nach dem Geschlecht differenzierende Förderpraxis würde die Frauen benachteiligen. Meistergründungsprämien würden ganz überwiegend von Männern in Anspruch genommen, so dass Frauen insoweit mittelbar diskriminiert würden.

Im Anschluss an die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts,

Urteile vom 25. Juli 1996 - 6 AZR 138/94 -, BAGE 83, 327, und vom 20. Juni 1995 - 3 AZR 684/93 -, BAGE 80, 173,

die ihrerseits auf die Spruchpraxis des Europäischen Gerichtshofs zu Art. 119 Abs. 1 EGV a.F. zurückgeht, hat das Bundesverfassungsgericht klargestellt, dass eine nach Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG verbotene Anknüpfung an das Geschlecht auch dann vorliegen kann, wenn eine geschlechtsneutral formulierte Regelung überwiegend Frauen trifft und dies auf natürliche oder gesellschaftliche Unterschiede zurückzuführen ist (faktische Benachteiligung).

Beschluss vom 27. November 1997 - 1 BvL 12/91 -, aaO.

Welche Voraussetzungen dafür im Einzelnen erfüllt sein müssen, hat das Bundesverfassungsgericht bisher nicht entschieden. Der Senat vertritt im Anschluss an die erwähnte Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts die Ansicht, dass eine Regelung, die zwar unterschiedslos auf Männer und Frauen anzuwenden ist, deren nachteilige Folgen aber erheblich mehr Angehörige des einen als des anderen Geschlechts treffen, nur dann geschlechtsdiskriminierend ist, wenn sie nicht durch gewichtige objektive Gründe gerechtfertigt ist, die nichts mit der Geschlechtszugehörigkeit zu tun haben.

Daran gemessen würde sich die Förderpraxis ohne die nach Geschlechtern differenzierende Fristenregelung nicht als mittelbar diskriminierend erweisen. Es mag zutreffen, dass überwiegend Männer die Fördermittel in Anspruch nehmen; in jedem Falle ist die Praxis aber im vorgenannten Sinne gerechtfertigt.

Die Gewährung von Meistergründungsprämien soll, wie sich aus der der Förderpraxis zu Grunde liegenden Richtlinie ergibt, nicht gleichsam als Selbstzweck Existenzgründungen im Handwerk erleichtern. Die Förderung verfolgt vielmehr das weitergehende Ziel, zusätzliche Arbeitsplätze zu schaffen bzw. im Falle von Betriebsübernahmen vorhandene Arbeitsplätze zu sichern. Dies ergibt sich aus Nrn. 4.1.3.1 und 4.1.3.2 der Richtlinie und kommt auch in der Überschrift "...arbeitsplatzschaffende Existenzgründungshilfen..." deutlich zum Ausdruck. Gründe der Arbeitsplatzschaffung und Arbeitsplatzsicherung rechtfertigen aber die Gewährung von Meistergründungsprämien selbst dann, wenn überwiegend Männer in ihren Genuss kommen. Eine mittelbare Diskriminierung von Frauen, die einen Nachteilsausgleich rechtfertigen könnte, liegt deshalb nicht vor.

8. Nachvollziehbar ist allerdings die Erwägung, dass Frauen wegen Schwangerschaften und Mehrfachbelastungen durch Haushalt, Kinderbetreuung und Beruf Nachteile entstehen können.

Ob dies im Bereich des Handwerks vor Absolvierung der Meisterprüfung tatsächlich der Fall ist und die von der Beklagten insoweit angestellten Ermittlungen ausreichen, ist aber durchaus zweifelhaft. Denn nach Mitteilung der Beklagten legen Männer wie Frauen die Meisterprüfung um das 30. Lebensjahr ab. Denkbar ist allerdings, dass viele Frauen erst nach Bestehen der Meisterprüfung eine Familie gründen und die beschriebenen Nachteile erst dann eintreten. Hierauf kommt es letztlich aber nicht an.

Denn die Förderpraxis der Beklagten erstreckt den Nachteilsausgleich nicht nur auf tatsächlich von Schwangerschaft, Kinderbetreuung usw. betroffene Frauen, sondern pauschal auf alle Frauen. Umgekehrt gelangen Männer auch dann nicht in den Genuss einer Fristverlängerung, wenn sie Haushaltsführung und Kinderbetreuung übernehmen und daneben noch einen Beruf ausüben. Die Verwaltungspraxis der Beklagten verfährt insoweit typisierend und pauschalierend, als sie davon ausgeht, dass allen Frauen und nur Frauen die beschriebenen Nachteile entstehen. Das ist zu beanstanden.

Das Bundesverfassungsgericht hat mehrfach zum Ausdruck gebracht, dass auch bei der Gewährung von Nachteilsausgleichen eine typisierende Betrachtungsweise möglich ist ("faktische Nachteile, die typischerweise Frauen treffen").

Beschluss vom 24. Januar 1995 - 1 BvL 18/93 u.a. -, aaO.

An welche Voraussetzungen eine Typisierung im Rahmen des Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG im Einzelnen geknüpft ist, hat es noch nicht entschieden.

Nach Auffassung des Senats können hier keine anderen Maßstäbe angelegt werden als bei Art. 3 Abs. 1 GG. Dort ist anerkannt, dass der Gesetzgeber grundsätzlich berechtigt ist, typisierende und pauschalierende Regelungen zu treffen, ohne allein wegen der damit verbundenen Härten gegen den allgemeinen Gleichheitssatz zu verstoßen. Vorausgehen muss dem aber eine möglichst weite alle betroffenen Gruppen und Regelungsgegenstände einschließende Beobachtung.

Vgl. BVerfG, Beschluss vom 22. Mai 2001 - 1 BvL 4/96 -, NJW 2001, 2786, und Urteil vom 7. Dezember 1999 - 2 BvR 301/98, NJW 2000, 572.

Allerdings sind auch der Typisierung Grenzen gesetzt. Hinzunehmen ist sie nur, wenn die durch sie eintretenden Härten oder Ungerechtigkeiten nur eine verhältnismäßig kleine Zahl von Personen betreffen und der Verstoß gegen den Gleichheitssatz nicht sehr intensiv ist. Wesentlich für die Zulässigkeit einer typisierenden Regelung ist ebenfalls, dass eine durch sie entstehende Ungerechtigkeit nur unter Schwierigkeiten vermeidbar wäre; dafür sind auch die praktischen Erfordernisse der Verwaltung von Gewicht.

BVerfG, Beschluss vom 8. Februar 1983 - 1 BvL 28/79 -, BVerfGE 63, 119; ähnlich Urteil vom 28. April 1999 - 1 BvL 22, 34/95 -, BVerfGE 100, 59.

Diesen Anforderungen genügt die Förderpraxis der Beklagten nicht.

Es fehlen hinreichende Sachverhaltsermittlungen dazu, bei wie vielen Männern und Frauen im Handwerksbereich die befürchteten Nachteile überhaupt vorliegen können. Von diesem Ergebnis hängt es ab, ob die durch die Förderpraxis entstehenden Ungerechtigkeiten (Bevorzugung tatsächlich nicht benachteiligter Frauen und Benachteiligung tatsächlich benachteiligter Männer) nur eine verhältnismäßig kleine Zahl von Personen treffen. Immerhin ist es nicht von der Hand zu weisen, dass die heute allgemein zu beobachtende Entwicklung eines Rückgangs von Eheschließungen und Geburten sich auch im Bereich der im Handwerk Tätigen vollzogen hat. Der Umstand, dass sowohl Frauen als auch Männer etwa im 30. Lebensjahr die Meisterprüfung ablegen, könnte darauf hindeuten.

Außerdem ist nicht ersichtlich, dass Ungerechtigkeiten - unter Berücksichtigung praktischer Verwaltungserfordernisse - nur unter Schwierigkeiten vermeidbar sind. Es war und ist ohne weiteres möglich, von Handwerksmeistern und Handwerksmeisterinnen, die in den Genuss einer Fristverlängerung kommen sollen, zumindest Heiratsurkunden sowie Geburtsurkunden ihrer Kinder anzufordern. Wesentlicher zusätzlicher Aufwand ist damit nicht verbunden, zumal die Beklagte ohnehin jeden Antrag einer individuellen Prüfung unterzieht.

Ob die Beklagte - weitergehend - gehalten ist, Handwerksmeistern und Handwerksmeisterinnen eine Fristverlängerung dann, aber auch nur dann, einzuräumen, wenn sie Dauer und Umfang einer Mehrfachbelastung nachweisen, bedarf keiner Entscheidung mehr. Inwieweit hier eine pauschalierende Betrachtungsweise zulässig ist, hängt letztlich von dem Ergebnis der durchzuführenden Sachverhaltsermittlungen (s.o.) und damit von dem voraussichtlichen Verwaltungsaufwand ab.

9. Auf die weitere Frage, ob die Förderpraxis der Beklagten mit EG-Recht, insbesondere mit den Richtlinien des Rates vom 9. Februar 1976 76/207/EWG (ABl. Nr. L 39 vom 14.2.1976, S. 40) und vom 11. Dezember 1986 86/613/EWG (ABl. Nr. L 359 vom 19. Dezember 1986, S. 56) zu vereinbaren ist,

vgl. dazu EuGH, Urteile vom 11. November 1997 - Rs. C-409/95 - , NJW 1997, 3429, und vom 17. Oktober 1995 - Rs. C-450/93 -, NJW 1995, 3109,

kommt es entscheidungserheblich nicht mehr an.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung.

Der Senat lässt die Revision gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zu, weil die mit der Bestimmung des maßgeblichen Prüfungszeitpunkts und der Auslegung des Art. 3 GG zusammenhängenden Fragen grundsätzlicher Klärung bedürfen.