OLG Hamm, Beschluss vom 27.02.2001 - 3 Ws 82/01
Fundstelle
openJur 2011, 16409
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • vorher: Az. 25 (45/00)
Tenor

Die Haftbeschwerde wird auf Kosten des Angeklagten als unbegründet verworfen.

Gründe

I.

Der Angeklagte befindet sich seit dem 02.08.2000 in Untersuchungshaft. Er wurde festgenommen aufgrund des Haftbefehls des Amtsgerichts Gelsenkirchen vom 18.07.2000 (8 Gs 403/00), mit dem ihm vorgeworfen wird, im Jahre 1999 bis zum 21.04.2000 in mindestens 30 Fällen seine am 02.10.1989 geborene Stieftochter X in im Wesentlichen gleichartiger Weise dadurch sexuell missbraucht zu haben, dass er jeweils seinen Penis an der Scheide des Kindes bis zum Samenerguss gerieben hat.

Durch - nicht rechtskräftiges - Urteil der 5. großen Strafkammer des Landgerichts Essen vom 19.01.2001 ist der Angeklagte wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt worden.

Durch Beschluss vom selben Tag hat die Strafkammer den Haftbefehl des Amtsgerichts Gelsenkirchen vom 02.08.2000 aus den Gründen seiner Anordnung sowie aus den Gründen des Urteil vom 19.01.2001 aufrechterhalten. Gegen diesen Beschluss richtet sich die Haftbeschwerde des Angeklagten vom 25.01.2001, mit der er geltend macht, der dem Haftbefehl vom 02.08.2000 zugrunde gelegte Haftgrund der Fluchtgefahr sei nicht mehr gegeben.

Die Strafkammer hat mit Beschluss vom 29.01.2001 der Beschwerde nicht abgeholfen und zur Begründung ausgeführt, auch wenn der

Angeklagte nur wegen dreier Taten zu zwei Jahren Gesamtfreiheitsstrafe verurteilt worden sei, weil das geschädigte Kind die übrigen Taten nicht mehr habe hinreichend konkretisieren können, bestehe weiterhin Fluchtgefahr, so dass der Haftbefehl aufrechtzuerhalten sei. Der Angeklagte müsse im Hinblick auf die verhängte Strafe mit seiner Abschiebung aus Deutschland rechnen. Unter diesen Umständen bestehe ein erheblicher Anreiz, sich einer vorherigen Strafverbüßung durch Flucht zu entziehen. Auf andere Weise, als durch die Anordnung von Untersuchungshaft könne dem nicht begegnet werden.

II.

Die Haftbeschwerde ist zulässig, hat in der Sache aber keinen Erfolg.

Die Haftfortdauerentscheidung der Strafkammer vom 19.01.2001 ist angesichts der ausdrücklichen Bezugnahme auf das am selben Tag gegen den Angeklagten erlassene Urteil dahin auszulegen, dass der Haftbefehl vom 02.08.2000 insoweit aufrechterhalten bleibt, als dem Angeklagten ein sexueller Missbrauch seiner Stieftochter X in drei Fällen zur Last gelegt wird. Hinsichtlich dieser Taten ist der Angeklagte dringend ver-

dächtig. Der dringende Tatverdacht ergibt sich aus seiner Verurteilung durch das Landgericht Essen vom 19.01.2001.

Es liegt auch weiterhin der Haftgrund der Fluchtgefahr gemäß § 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO vor. Zur Begründung verweist der Senat zunächst auf seine Ausführungen in seinem Beschluss vom 19.10.2000 - 3 Ws 349/00 -, mit dem in dem vorliegenden Straf-

verfahren die weitere Haftbeschwerde des Angeklagten gegen den Beschluss des Landgerichts Essen vom 08.09.2000 verworfen wor-

den ist. Neue wesentliche Gesichtspunkte, die insoweit eine andere Beurteilung rechtfertigen könnten, sind mit der Haftbeschwerde nicht vorgebracht worden. Auch eine zweijährige Haftstrafe, wie sie nunmehr gegen den Angeklagten verhängt worden

ist, stellt einen erheblichen Fluchtanreiz dar. Dies gilt umso mehr, als dem Angeklagten durch seine Verurteilung konkret vor Augen geführt worden ist, dass er wegen der ihm vorgeworfenen

Taten mit einer empfindlichen vollstreckbaren Freiheitsstrafe zu rechnen hat. Soweit mit der Beschwerde geltend gemacht wird, der Angeklagte wolle sich in der Bundesrepublik eine Existenz aufbauen und nicht in den Kosovo zurückkehren, ändert dies nichts daran, dass er jedenfalls als jugoslawischer Staatsbürger über Beziehungen in sein Heimatland verfügt und dass sich ihm dadurch erleichterte Fluchtmöglichkeiten bieten. Hinzu kommt, dass ein zukünftiges dauerhaftes Aufenthaltsrecht des Angeklagten in der Bundesrepublik Deutschland zumindest als unsicher anzusehen ist, nachdem sich die politische Situation im ehemaligen Jugoslawien und dem Kosovo grundlegend geändert hat und der Angeklagte von seiner deutschen Ehefrau dauerhaft getrennt lebt. Bei dieser Sachlage ist es wahrscheinlicher, dass sich der Verurteilte dem weiteren Verfahren durch Flucht entziehen, als dass er sich diesem stellen wird.

Die weitere Fortdauer der Untersuchungshaft begegnet schließlich auch unter dem Gesichtspunkt des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit keinen Bedenken.

Die Haftbeschwerde war daher mit der Kostenfolge aus § 473 Abs. 1 StPO als unbegründet zu verwerfen.

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