VG Düsseldorf, Urteil vom 03.04.2001 - 3 K 7511/00
Fundstelle
openJur 2011, 16324
  • Rkr:
Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits unter Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese jeweils selbst tragen.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Tatbestand

Die Klägerin als Krankenhausträger hatte nach erfolglosen Pflegesatzverhandlungen für das Jahr 1998 die Entscheidung der Schiedsstelle-KHG S beantragt. Im Schiedsstellenverfahren hatte sie vorgetragen: Ausgangspunkt für die Budgetermittlung 1998 sei der Budgetansatz 1997, da das Budget des Vorjahres durch Genehmigung der Beklagten als medizinisch leistungsgerecht ausgewiesen sei. 1998 wirkten sich Veränderungen der Fallzahlen mit 460.617,00 DM und der Leistungsstruktur mit 574.912,00 DM budgeterhöhend aus. Die Wirtschaftlichkeitsreserven des Krankenhauses seien ausgeschöpft, da es im Landesvergleich unterdurchschnittlich hohe Pflegesätze aufweise. Ein abteilungsbezogener Krankenhausvergleich, wie ihn die Beigeladenen anstellten, sei rechtlich unzulässig und könne demzufolge nicht das Vorhandensein von Wirtschaftlichkeitsreserven belegen.- Die Beigeladenen hatten im Schiedsstellenverfahren vorgetragen: Das Budget 1997 könne nicht als medizinisch leistungsgerecht unterstellt werden. Es könne lediglich für die Berechnung der Obergrenze nach § 6 Abs. 3 BPflV herangezogen werden. Auf Grund ihres fachabteilungsbezogenen Krankenhausvergleiches ergäben sich erhebliche Unwirtschaftlichkeiten und damit Wirtschaftlichkeitsreserven, die eine die Veränderungsrate überschreitende Mehrforderung ausschlössen. Im Übrigen wirke sich die Veränderung der Leistungsstruktur lediglich in Höhe von 396.300,00 DM aus. Die Schiedsstelle-KHG S beschloss am 15. April 1999:

1.

Das Budget für den Pflegesatzzeitraum 1998 wird auf der Grundlage der Budgetvereinbarung 1997 (K5 Nr. 9, ohne Instandhaltung) in Höhe von 58.074.399,00 DM zuzüglich der Veränderungsrate in Höhe von 1% festgesetzt.

2.

3.

Die Berechnung der Ausgleiche und Zuschläge sowie die Ermittlung der Pflegesätze erfolgt durch die Vertragsparteien auf Grund der unter 1. festgesetzten Basis.

4.

In der Begründung des Festsetzungsbeschlusses heißt es: Es sei rechtlich zulässig, einen abteilungsbezogenen Krankenhausvergleich vorzunehmen. Der Krankenhausvergleich der Beigeladenen sei der Schiedsstelle als brauchbar und seriös bekannt. Demgegenüber sei bei dem seitens der Klägerin vorgelegten Krankenhausvergleich die Ausgangsbasis der Daten und die inhaltliche Methodik nicht hinreichend begründet worden. Vor allem sei die Datenbasis unabgeklärt geblieben, sodass das Vorbringen der Klägerin nicht geeignet gewesen sei, die Erheblichkeit des auf den abteilungsbezogenen Krankenhausvergleich der Beigeladenen gestützten Vorbringens zu erschüttern. Dies gelte allerdings nicht ausnahmslos, zumal auch bei jenem Krankenhausvergleich die Datenbasis zum Teil sehr eingeschränkt gewesen sei. Gleichwohl ergäben sich auf Grund des Krankenhausvergleiches der Beigeladenen erhebliche Unstimmigkeiten im Vorbringen der Klägerin, die eher geeignet seien, das Vorliegen von Unwirtschaftlichkeiten zu belegen. Da insgesamt keine gesicherte Datenbasis zu erreichen gewesen sei, habe gemäß § 17 Abs. 6 BPflV auf der Grundlage der verfügbaren Daten entschieden werden müssen. Auf Grund des Vorbringens der Beigeladenen habe auf das Budget 1997 als verfügbares Datum im Sinne dieser Bestimmung zurückgegriffen werden müssen und sei die Veränderungsrate in Höhe von 1% zuzubilligen gewesen. Dem weiter gehenden Antrag der Klägerin sei nicht zu folgen, weil insoweit die Einwände der Unwirtschaftlichkeit auf Grund des Krankenhausvergleiches der Beigeladenen nicht widerlegt worden seien.

Die Klägerin beantragte bei der Beklagten, die Schiedsstellenentscheidung vom 15. April 1999 und die unter dem Vorbehalt der Rechtmäßigkeit des Schiedsstellenbeschlusses ermittelten Pflegesätze zum Zwecke des Rechtsschutzes gegen die Schiedsstellenentscheidung zu genehmigen, hilfsweise, sie nicht zu genehmigen und der Schiedsstelle-KHG S aufzugeben, unter Beachtung der Rechtsauffassung der Beklagten erneut zu entscheiden. Zur Begründung führte sie aus, sie möchte das um die Veränderungsrate 1998 erhöhte Budget 1997 für 1998 abrechnen und gleichzeitig sich die Rechtsschutzmöglichkeiten zur Verfolgung ihrer weiter gehenden Ansprüche erhalten. - Die Beigeladenen beantragten unter dem 7. Dezember 1999 bei der Beklagten, den Festsetzungsbeschluss vom 15. April 1999 und die darauf beruhenden Zahlbeträge zu genehmigen. - Mit Bescheid vom 15. Dezember 1999 teilte die Beklagte den Beigeladenen mit, sie könne den Beschluss vom 15. April 1999 nicht genehmigen. In den Gründen des Bescheides wurde ausgeführt: Es sei nicht nachvollziehbar, warum ein Krankenhaus, das im Vergleich der Krankenhausgesellschaft Nordrhein-Westfalen als besonders wirtschaftliches Haus ausgewiesen werde, im Bereich der einzelnen Abteilungen unwirtschaftlich arbeiten solle. Die gegenüber anderen Häusern extrem erhöhten Kosten für klinisches Hauspersonal seien von der Klägerin hinreichend damit begründet worden, dass sie nicht den entsprechenden Abteilungen zugeordnet worden seien.

Auf die seitens der Beigeladenen im Verfahren 3 K 466/00 erhobene Klage genehmigte die Beklagte im Verhandlungstermin am 6. Oktober 2000 den Festsetzungsbeschluss der Schiedsstelle-KHG S vom 15. April 1999 und erteilte über die Genehmigung unter dem 24. Oktober 2000 einen schriftlichen Bescheid.

Mit der am 2. November 2000 erhobenen Klage trägt die Klägerin vor: Der Schiedsstellenbeschluss vom 15. April 1999 sei formal fehlerhaft zu Stande gekommen. Der Schiedsstelle habe ein unzureichender Informationsstand vorgelegen. Die Datengrundlage des Krankenhausbetriebsvergleichs der Beigeladenen sei nur dem Vorsitzenden, nicht auch den übrigen Schiedsstellenmitgliedern bekannt gewesen. Die Schiedsstelle habe in diesem Zusammenhang den Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt. Denn ihr - der Klägerin - seien nur die Namen und Adressen der Krankenhäuser bekannt gegeben worden, nicht jedoch die jeweiligen Leistungs- und Kalkulationsaufstellungen und die Leistungsstatistiken der Krankenhäuser. - Es sei ihr Anspruch auf ein medizinischleistungsgerechtes Budget gemäß § 3 Abs. 1 S. 3 i.V.m. § 6 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 BPflV verletzt worden. Zunächst sei das Vorjahresbudget im Genehmigungsbescheid der Beklagten vom 31. Oktober 1997 als medizinischleistungsgerecht beurteilt worden. Ein solches Budget könne nicht im Folgezeitraum in Frage gestellt werden. Zusätzliche Leistungen im Jahre 1998 müssten daher, wenn sie erforderlich seien, zusätzlich finanziert werden. Die Beitragssatzstabilität der Krankenhäuser sei in der Bundespflegesatzverordnung als lex specialis zu § 141 Abs. 2 SGB V ausgeformt. Krankenhäuser unterlägen nicht der strikten Beitragssatzstabilität, sonst würden die Ausnahmen nach § 6 BPflV keinen Sinn geben. Die Vorschriften der Bundespflegesatzverordnung hätten durch das 2. GKV-NOG Gesetzescharakter. Auch § 17 KHG nehme nur Bezug auf den Grundsatz der Beitragssatzstabilität und enthalte keine eigene Regelung. - Die Schiedsstelle habe den Untersuchungsgrundsatz verletzt. Sie - die Klägerin - habe zwei Krankenhausvergleiche in das Schiedsstellenverfahren eingeführt und damit den Krankenhausvergleich der Beigeladenen erschüttert; insgesamt seien also drei Krankenhausbetriebsvergleiche Gegenstand des Schiedsstellenverfahrens gewesen. - Die Pflegesatzfestsetzung verstoße gegen § 3 Abs. 2 S. 4 BPflV, wonach nur die Pflegesatzparteien vereinbaren könnten, das Budget mit der Veränderungsrate fortzuschreiben; eine solche Fortschreibung sei gemäß § 19 Abs. 3 BPflV nicht schiedsstellenfähig.

Die Klägerin beantragt,

die unter dem 6./24. Oktober 2000 erteilte Genehmigung des Beschlusses der Schiedssstelle-KHG S vom 15. April 1999 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beigeladenen stellen keinen Antrag. Sie tragen vor: Nach dem (zum Vertragsarztrecht ergangenen) Urteil des Bundessozialgerichts vom 10. Mai 2000 - B 6 KA 20/99 R - enthalte der Grundsatz der Beitragssatzstabilität eine verbindliche gesetzliche Vorgabe, der im Verhältnis zu anderen Kriterien Vorrang zukomme. Das Budget 1997 sei nicht unstreitig als leistungsgerechtes Budget anzusehen, sondern als Schritt im Sinne einer stufenweisen Umsetzung eines medizinisch leistungsgerechten Budgets.

Wegen des Sachverhaltes im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakten, der Akten 3 K 466/00 und der Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Klage ist nicht begründet.

Die Klage ist als Anfechtungsklage zulässig.

Nach § 42 Abs. 2 VwGO ist die Anfechtungsklage, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt in seinen Rechten verletzt zu sein. Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Die Klägerin hatte im Schiedsstellenverfahren zusätzliche Leistungen als budgetwirksam geltend gemacht, deren Berücksichtigung die Schiedsstelle-KHG S mit der Festsetzung vom 15. April 1999 abgelehnt hatte. Durch die Genehmigung dieser Festsetzung wird die Klägerin mit der im Pflegesatzverfahren geltend gemachten Mehrforderung rechtsverbindlich ausgeschlossen.

Die Klage ist nicht begründet.

Der Bescheid vom 6./24. Oktober 2000 ist rechtmäßig. Zu Recht hat die Beklagte durch Genehmigung der Festsetzung vom 15. April 1999 die Mehrforderung der Klägerin abgelehnt.

Nach § 18 Abs. 5 S. 1 1. Halbs. des Krankenhausfinanzierungsgesetzes in der für den Pflegesatzzeitraum 1998 maßgeblichen Fassung des Art. 8 2. GKV-NOG vom 23. Juni 1997 (BGBl. I S. 1520) - KHG - werden die festgesetzten Pflegesätze von der zuständigen Landesbehörde genehmigt, wenn sie den Vorschriften dieses Gesetzes und sonstigem Recht entsprechen. Diese Voraussetzungen liegen vor. Die Schiedsstelle-KHG S hatte die Pflegesätze im Wege der Festsetzung eines Budgets als Basis der Pflegesatzabrechnung festgesetzt. Eine solche Regelung, die die Berechnung im Einzelnen den Vertragsparteien aufgibt, stellt eine Pflegesatzfestsetzung dar, da sie die Entgelte des Krankenhauses für seine Leistungen im Sinne von § 2 Nr. 4 KHG festlegt (vgl. BVerwG, Urteil vom 11. November 1999 - BVerwG 3 C 33.98 -, Buchholz 451.74 § 18 KHG Nr. 9, S. 1 o.). Das festgesetzte Jahresbudget entspricht geltendem Recht, soweit es die Mehrforderung der Klägerin nicht als pflegesatzwirksam ausweist. Zu Recht hat die Schiedsstelle-KHG S entschieden, dass der Berücksichtigung der Mehrforderung der Grundsatz der Beitragsstabilität entgegensteht.

Nach § 17 Abs. 1 S. 4 1. Halbs. KHG ist bei der Ermittlung der Pflegesätze der Grundsatz der Beitragssatzstabilität (§ 141 Abs. 2 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch) zu beachten. Nach § 141 Abs. 2 S. 3 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch in der für den Pflegesatzzeitraum 1998 maßgeblichen Fassung der Art. 1 und 2 2. GKV-NOG - SGB V - sind (in den Empfehlungen der Konzertierten Aktion) die inhaltlichen Vorgaben so zu gestalten, dass Beitragssatzerhöhungen vermieden werden, es sei denn, die notwendige medizinische Versorgung ist auch unter Ausschöpfung von Wirtschaftlichkeitsreserven ohne Beitragssatzerhöhungen nicht zu Gewähr leisten (Grundsatz der Beitragssatzstabilität). Die Bezugnahme auf § 141 Abs. 2 SGB V bedeutet nicht etwa einen Hinweis auf jene, für die Konzertierte Aktion getroffene Regelung, sondern stellt klar, dass § 17 Abs. 1 S. 4 KHG keinen eigenständigen Begriff des Grundsatzes der Beitragssatzstabilität verwendet; die Definition in § 141 Abs. 2 SGB V ist vielmehr auch im Krankenhausfinanzierungsrecht maßgeblich. Diese Auslegung wird durch § 71 Abs. 1 SGB V bestätigt. Nach dieser Vorschrift haben die Krankenkassen und die Leistungserbringer in den Vereinbarungen über die Vergütung der Leistungen den Grundsatz der Beitragssatzstabilität (§ 141 Abs. 2 SGB V) zu beachten; dieser Grundsatz ist mithin für Krankenkassen und Krankenhäuser (Leistungserbringer nach § 69 SGB V) bei jeder Vergütungsvereinbarung verbindlich. Der Auffassung der Klägerin, für Krankenhäuser gelte der Grundsatz der Beitragssatzstabilität nicht, da die Bundespflegesatzverordnung lex specialis sei, kann nicht gefolgt werden. Zunächst ist die Bundespflegesatzverordnung nicht generell das spezielle Gesetz des Pflegesatzrechtes in dem Sinne, dass andere Normen nicht zu beachten wären. Vielmehr müssen die Pflegesätze - wie sich aus § 18 Abs. 5 S. 1 1. Halbs. KHG ergibt - dem Krankenhausfinanzierungsgesetz und sonstigem Recht entsprechen; der Bundespflegesatzverordnung wird also keineswegs alleinige oder besondere Geltung im Verhältnis zu anderen Vorschriften zugewiesen. Die Bundespflegesatzverordnung ist zudem vom Normrang her nicht im Stande, Gesetze außer Kraft zu setzen. Die Auffassung der Klägerin, die Bundespflegesatzverordnung habe seit dem 2. GKV-NOG Gesetzeskraft, ist nicht vereinbar mit der durch Art. 16 2. GKV-NOG angeordneten Rückkehr zum einheitlichen Verordnungsrang auch hinsichtlich der auf Art. 11 beruhenden Teile der Verordnung. Zwar war § 6 der Bundespflegesatzverordnung in der für den Pflegesatzzeitraum 1998 maßgeblichen Fassung der VO vom 9. Dezember 1997 (BGBl. I S. 2874) - BPflV - durch Art. 11 2. GKV-NOG neu gefasst worden. Auch trifft es zu, wie die Klägerin ausführt, dass § 6 Abs. 3 S. 1 BPflV in der durch Art. 11 Nr. 2 Buchst. b) 2. GKV-NOG geänderten Fassung als Voraussetzungen für eine Überschreitung der Veränderungsrate nicht ausdrücklich die Ausschöpfung von Wirtschaftlichkeitsreserven nennt. Aus dieser Bestimmung kann aber schon für sich genommen nicht der Schluss gezogen werden, dass jene Voraussetzung nicht erfüllt sein müsse. § 6 Abs. 3 S. 1 BPflV bestimmt, dass „nur" in den unter Nrn. 1. bis 3. genannten Fällen die Veränderungsrate überschritten werden dürfe; es handelt sich also um notwendige und nicht etwa um hinreichende Bedingungen einer solchen Überschreitung. Dass der Grundsatz der Beitragsstabilität hinsichtlich seiner weiteren Voraussetzung, nämlich der Ausschöpfung von Wirtschaftlichkeitsreserven, nicht etwa gegenstandslos sein soll, ergibt sich zudem davon, dass § 6 Abs. 1 S. 1 BPflV in der durch Art. 11 Nr. 2 Buchst. a) 2. GKV-NOG geänderten Fassung - im anderen Zusammenhang - diesen Grundsatz unter Bezugnahme auf § 141 Abs. 2 SGB V erwähnt und damit auf die gesetzliche Definition, die die Ausschöpfung von Wirtschaftslichkeitsreserven verlangt, abstellt. Im Übrigen wäre es unerheblich, wenn eine Verordnung eine gesetzliche Voraussetzung nicht wiederholt; denn eine derartige Voraussetzung muss ohnehin erfüllt sein, um die an sie geknüpfte Rechtsfolge herbeizuführen. Hinzu tritt, dass § 6 Abs. 3 BPflV nicht etwa, wie die Klägerin meint, auf das Tatbestandsmerkmal der Ausschöpfung von Wirtschaftlichkeitsreserven verzichtet. Vielmehr verlangt die Bestimmung für die Überschreitung der Veränderungsrate, dass die in Nrn. 1. bis 3. benannten Umstände dies „erforderlich" machen. Veränderungen der medizinischen Leistungsstruktur oder der Fallzahlen (§ 6 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 BPflV) machen eine Überschreitung aber nur dann in diesem Sinne erforderlich, wenn die Wirtschaftlichkeitsreserven des Krankenhauses bereits ausgeschöpft sind; in allen anderen Fällen genügt es nämlich, diese Reserven zu nutzen.

Die Anwendung des mithin im Pflegesatzrecht verbindlichen Grundsatzes der Beitragssatzstabilität ist auch nicht - gewissermaßen ausnahmsweise - hinsichtlich des Krankenhauses der Klägerin im Pflegesatzzeitraum 1998 untersagt.

Zunächst lässt sich ein solches Anwendungsverbot nicht daraus herleiten, dass die Genehmigung des Vorjahresbudgets besage, jenes Budget sei als medizinisch leistungsgerecht beurteilt worden. Wie die Beigeladenen vorgetragen haben, war im Vorjahr die Veränderungsrate nicht ausgeschöpft worden, sodass sich die Prüfung der besonderen Voraussetzungen für eine Überschreitung der Veränderungsrate erübrigt hatte. Aber selbst in dem Falle, in dem eine Behörde Pflegesätze deswegen genehmigt, weil sie die Beachtung des Grundsatzes der Beitragssatzstabilität annimmt, hat diese Beurteilung keine Wirkung für das Folgejahr. Das Pflegesatzrecht kennt eine solche Bindung nicht, die die Pflicht zur Wiederholung von zwischenzeitlich als fehlerhaft erwiesenen Einschätzungen einschlösse. Sie ergibt sich auch nicht aus der Genehmigungsentscheidung selbst, da die Regelung, die ein Verwaltungsakt trifft, sich grundsätzlich nicht auf das Vorliegen der Voraussetzungen seines Erlasses erstreckt.

Weiter lässt sich ein solches Anwendungsverbot nicht aus § 19 Abs. 3 BPflV herleiten. Nach dieser Bestimmung entscheidet die Schiedsstelle nicht über die Anwendung des § 3 Abs. 2 S. 4. Jene Vorschrift ermächtigt die Vertragsparteien dazu, das Budget abweichend von Abs. 1 S. 3 mit der Veränderungsrate fortzuschreiben, statt ein Budget und Pflegesätze nach der Vorgabe zu vereinbaren, dass sie medizinisch leistungsgerecht sein und es dem Krankenhaus bei wirtschaftlicher Betriebsführung ermöglichen müssen, den Versorgungsauftrag zu erfüllen. Nun trifft es zwar zu, dass die Schiedsstelle-KHG S ein Budget festgesetzt hatte, das der Höhe nach dem um die Veränderungsrate erhöhten Vorjahresbudget entspricht. Zu diesem Ergebnis führen aber alle Vereinbarungen oder Festsetzungen, die Veränderungen der medizinischen Leistungsstruktur oder der Fallzahlen nur deswegen nicht als budgetwirksam berücksichtigen, weil das Krankenhaus seine Wirtschaftlichkeitsreserven nicht ausgeschöpft hat. Wenn allein dieses Resultat gegen § 19 Abs. 3 BPflV verstieße, wäre die Bestimmung mit diesem Inhalt gesetzwidrig, weil sie die vorgeschriebene Anwendung des Grundsatzes der Beitragssatzstabilität verhindern würde. Entscheidend dafür, ob eine Schiedsstellenfestsetzung mit demselben rechnerischen Ergebnis wie eine Fortschreibungsvereinbarung § 19 Abs. 3 BPflV verletzt oder nicht, ist die Art und Weise, wie dieses Ergebnis erzielt wurde. Der Beschluss vom 15. April 1999 beruhte nicht auf einer bloßen Fortschreibung des Vorjahresbudgets, sondern auf der Bewertung der medizinischen Leistungsgerechtigkeit und der Wirtschaftlichkeit der Betriebsführung. So hatte die Schiedsstelle-KHG S jedenfalls partiell den durch Leistungsausweitung hervorgerufenen Mehrbedarf als berechtigt angesehen und die Entwicklung im Budgetzeitraum 1998 zu Gunsten der Klägerin berücksichtigt; sie war deswegen nicht dem Antrag der Beigeladenen gefolgt, unter der Veränderungsrate und dem Vorjahresbudget zu bleiben. Eine Überschreitung der Veränderungsrate war abgelehnt worden, da eher das Vorliegen von Unwirtschaftlichkeiten belegt worden war. Damit erweist sich die getroffene Festsetzung als Folge einer rechtlichen und tatsächlichen Beurteilung anhand der Kriterien des § 3 Abs. 1 S. 3 BPflV und nicht etwa als Budgetfortschreibung.

Der Grundsatz der Beitragssatzstabilität galt mithin im Pflegesatzverfahren 1998 auch für das Krankenhaus der Klägerin. Die Beachtung dieses Grundsatzes bedeutete, dass die Klägerin ihre Mehrforderung von (nach ihrer Berechnung) 1.035.529,00 DM nur hätte durchsetzen können, wenn ihr Krankenhausbetrieb über Wirtschaftlichkeitsreserven nicht oder nicht in dieser Höhe verfügte. Diese anspruchsbegründende Tatsache hatte die Klägerin im Schiedsstellenverfahren nicht nachgewiesen. Der Nachweis ist durch keinen der drei Krankenhausvergleiche, die im Pflegesatzverfahren vorgelegen hatten, geführt worden. Vielmehr spricht alles dafür, dass das Krankenhaus Wirtschaftlichkeitsreserven (mindestens) in Höhe der Mehrforderung nicht ausgeschöpft hatte.

Die Ausschöpfung von Wirtschaftlichkeitsreserven wird zunächst nicht durch den seitens der Klägerin mit Schriftsatz vom 11. Januar 1999 vorgelegten Vergleich der Krankenhausgesellschaft Nordrhein-Westfalen (Basis 1998) belegt, der die Fallkosten von Krankenhäusern der Versorgungsstufe 2 (300 bis 500 Betten) in Nordrhein-Westfalen berücksichtigt und ausweist, dass das Krankenhaus der Klägerin mit seinen Fallkosten unterhalb des Mittelwertes liegt. Zwar sieht § 17 Abs. 1 S. 4 2. Halbs. KHG vor, dass bei der Beachtung des Grundsatzes der Beitragssatzstabilität - unter anderem - die Pflegesätze und Leistungen vergleichbarer Krankenhäuser angemessen zu berücksichtigen sind. Die Auswahl der Krankenhäuser durch die Klägerin genügt aber schon nicht dem Erfordernis der Vergleichbarkeit. Die Beigeladenen weisen zu Recht (Schriftsatz vom 11. Februar 1999) darauf hin, dass einziges Auswahlkriterium die Auswahl der Planbetten (mit der erheblichen Bandbreite von 300 bis 500 Betten) sei und dass auch die Klägerin globale Vergleiche ohne Bezug auf die Leistungsinhalte bis dahin in Pflegesatzverfahren abgelehnt hatte. Auch später noch hatte die Klägerin (Schriftsatz vom 15. März 1999), durchaus zutreffend, unter Bezugnahme auf die insoweit auf das Pflegesatzrecht übertragbare Rechtsprechung zu § 17 Abs. 5 KHG (BVerwGE 75, 127 (130 f.)) ausgeführt, als Vergleichskrankenhäuser kämen nur solche Krankenhäuser in Betracht, die ähnliche Strukturen wie das zu beurteilende Krankenhaus aufwiesen (z.B. bauliche Gestaltung der Krankenhausgebäude, Zahl und Art der Fachabteilungen, Zahl der Krankenbetten, Umfang des Personals, Ausstattung mit medizinischtechnischen Einrichtungen, Verweildauer der Patienten, Nutzungsgrad des Krankenhauses). Darüber hinaus ermöglicht die Gegenüberstellung der Pflegesätze von Krankenhäusern auch nicht deren „angemessene" Berücksichtigung im Sinne von § 17 Abs. 1 S. 4 2. Halbs. KHG. Mit dem Begriff der Angemessenheit kommt zum Ausdruck, dass der angestellte Vergleich aussagekräftig gerade in Bezug auf den Grundsatz der Beitragssatzstabilität zu sein hat, also insbesondere dem Krankenhaus Gelegenheit gibt plausibel zu machen, dass es in der Tat seine Wirtschaftlichkeitsreserven ausgeschöpft hat. Zu diesem Zweck ist die Gegenüberstellung von krankenhausbezogenen Pflegesätzen vergleichbarer Krankenhäuser sinnlos. Zwar kann die Höhe dieser Pflegesätze einen gewissen Anhaltspunkt für oder gegen das Bestehen erheblicher Wirtschaftlichkeitsreserven liefern. Ein solcher Vergleich lässt aber bereits die simple betriebswirtschaftliche Erkenntnis außer Acht, dass selbst ein Betrieb, der im Gesamtergebnis gut dasteht, beachtliche Wirtschaftlichkeitsreserven besitzen kann. Solche Wirtschaftlichkeitsreserven eines Krankenhauses würden daher nie gesehen, wenn immer wieder nur der Pflegesatz des gesamten Hauses in den Blick genommen wird. Aber auch ein vergleichsweise hoher Pflegesatz des Krankenhauses kann für sich genommen nicht im Sinne der Beachtung des Grundsatzes der Beitragssatzstabilität berücksichtigt werden. Ein hoher Pflegesatz des Krankenhauses gibt für sich genommen nämlich keinen Hinweis darauf, an welchen Stellen das Krankenhaus vergleichsweise unwirtschaftlich arbeitet, sodass die Wirtschaftlichkeitsreserve nur vermutet, aber nicht erkannt und künftig ausgeschöpft würde. Da Gesetze so auszulegen sind, dass sie einen sinnvollen Inhalt haben, bedeutet das Berücksichtigungsgebot des § 17 Abs. 1 Satz 4 2. Halbs. KHG, dass die verfügbaren pflegesatzrelevanten Daten vergleichbarer Krankenhäuser so detailliert wie möglich herangezogen werden müssen; das Gesetz fordert daher - zumindest - den abteilungsbezogenen Pflegesatzvergleich.

Die Ausschöpfung von Wirtschaftlichkeitsreserven wird auch nicht durch den seitens der Klägerin im Schiedsstellentermin am 22. Februar 1999 und mit Schriftsatz vom 15. März 1999 eingereichten Fachabteilungsvergleich belegt. Denn jener Vergleich, den die Beigeladenen im Übrigen spezifiziert angegriffen hatten, nennt keine Vergleichsfülle bezüglich Rheumatologie sowie Wirtschafts- und Versorgungsdienst/Klinisches Hauspersonal. Gerade bei diesen Kostenpunkten bestehen aber greifbare Anhaltspunkte für solche Reserven.

Die Ausschöpfung von Wirtschaftlichkeitsreserven folgt schließlich nicht aus dem Krankenhausvergleich der Beigeladenen. Es ist unstreitig, dass der Vergleich der Kostenträger nichts zu Gunsten des Standpunktes der Klägerin beiträgt. Die Klägerin beanstandet allerdings, dass sie nicht in der Lage gewesen sei, die Richtigkeit der verwandten Daten und deren logische Zusammenhänge zu überprüfen und nachzuvollziehen; auch hätten die übrigen Schiedsstellenmitglieder nicht denselben Kenntnisstand wie der Vorsitzende gehabt. Dieses Vorbringen lässt rein theoretisch die Möglichkeit offen, dass die Beigeladenen falsche Daten eingesetzt oder eine fehlerhafte Auswertung vorgenommen hätten und dass der Vorsitzende seine Tatsachenkenntnis nicht beurteilungsfähig an die anderen Mitglieder weitergegeben hätte. Die Schiedsstelle-KHG S hatte auf ihrem Erfahrungshintergrund keinen Anlass, dieser Frage von Amts wegen nachzugehen, insbesondere das Verwaltungsverfahren anders zu gestalten. Auch die Ergebnisse des Schiedsstellenverfahrens im Übrigen (z.B. bezüglich Rheumatologie, Wirtschafts- und Versorgungsdienst, Klinisches Hauspersonal) deuteten gerade nicht auf eine Fehlerhaftigkeit des Kostenträgervergleichs hin. Der Klägerin war rechtliches Gehör dazu gewährt worden, dass im Schiedsstellenverfahren von Amts wegen eine Überprüfung der Datengrundlage nicht beabsichtigt war. Einen Beweisantrag, der zur Überprüfung der Daten und anschließend zur Neuberechnung durch die Klägerin selbst hätte führen können, die ihre Erkenntnisse dann allen Schiedsstellenmitgliedern hätte zugänglich machen können, hat die Klägerin im Pflegesatzverfahren trotz Hinweises nicht gestellt. Die Schiedsstelle-KHG S hatte daher nach § 19 Abs. 1 S. 2 i.V.m. § 17 Abs. 6 S. 2 BPflV auf der Grundlage der verfügbaren Daten zu entscheiden, die nichts für eine Ausschöpfung der Wirtschaftlichkeitsreserven des Krankenhauses hergaben. Die Auswertung aller drei im Schiedsstellenverfahren eingereichten Krankenhausvergleiche verletzt auch nicht den Untersuchungsgrundsatz, da der Umstand allein, dass die Tatsachenwürdigung durch die Schiedsstelle im Ergebnis nicht den Vorstellungen einer Partei entspricht, keinen Verfahrensfehler darstellt.

Auf der Grundlage der verfügbaren Daten konnte zudem kein vernünftiger Zweifel daran bestehen, dass das Krankenhaus nicht ausgeschöpfte Wirtschaftlichkeitsreserven in Höhe der Mehrforderung besaß. So gelangten die Beigeladenen mit Hilfe des abteilungsbezogenen Krankenhausvergleichs zu einer Wirtschaftlichkeitsreserve in der Abteilung Rheumatologie von mehr als 200.000,00 DM (Schriftsatz vom 21. Dezember 1998 - Eingangsdatum -); die Klägerin räumte ein Minus in dieser Höhe auch ein (Niederschrift vom 15. Oktober 1998). Im Bereich Wirtschafts- und Versorgungsdienst/ Klinisches Hauspersonal lag das Krankenhaus der Klägerin nach dem Krankenhausvergleich der Beigeladenen um 91,5% bzw. 2.609,4% über den Durchschnittswerten der Vergleichskrankenhäuser (Schriftsatz vom 21. Dezember 1998 - Eingangsdatum -). Für die Richtigkeit dieser Zahlen spricht, dass die Klägerin trotz Rückgangs der Auslastungen zwischen 1992 (439 Betten, 129.325 Pflegetage, Auslastungsgrad 80,49%) und 1997 (396 Betten, 107.263 Pflegetage, Auslastungsgrad 74,21%) durchgängig 29 Vollzeitkräfte im Klinischen Hauspersonal und 62,75 Vollzeitkräfte im Wirtschafts- und Versorgungsdienst vorgehalten hatte (Schriftsatz der Beigeladenen vom 8. April 1999). Diese Beschäftigung entspricht einem Aufwand von rund 4.587.500,00 DM, da 10 Vollzeitkräfte etwa 500.000,00 DM Personalkosten auslösen (Schriftsatz vom 15. März 1999 und Sitzungsniederschrift vom 3. April 2001). Der personelle Überhang gegenüber den Vergleichskrankenhäusern beträgt auf der Grundlage, dass das Ungleichgewicht bei den Personalkosten dieser Bereiche liegt (Schriftsatz vom 8. April 1998), rund 56 Vollzeitkräfte, was einem Aufwand von 2.800.000,00 DM entspricht. Zwar hatte die Klägerin vorgetragen, seit Mitte der 90-er Jahre seien 10 Vollzeitkräfte nicht mehr im Bereich Klinisches Hauspersonal/Wirtschafts- und Versorgungsdienst tätig, sondern würden dort nur noch buchhaltungsmäßig geführt (Schriftsatz vom 15. März 1999); ein Sachverhalt, der übrigens, wenn nur krankenhausbezogene Pflegesatzvergleiche angestellt werden dürften, wohl nie ans Licht gekommen wäre, und der die Solidität des abteilungsbezogenen Krankenhausvergleichs der Kostenträger bestätigt. Es verbleibt jedoch (nach Abzug von 500.000,00 DM für 10 Beschäftigte) eine Abweichung in den Personalkosten von etwa 2.300.000,00 DM. Wenn davon auch nur die Hälfte als Wirtschaftlichkeitsreserve angesehen wird, ist der geltendgemachte Mehrbedarf der Klägerin bereits aufgezehrt.

Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen waren nicht der Klägerin als unterliegende Partei aufzuerlegen. Die Beigeladenen sind nicht durch Stellung eines Sachantrages ein Kostenrisiko eingegangen (vgl. § 154 Abs. 3 VwGO). Dann gebietet es die Billigkeit nicht, dass sie an der Kostenerstattung teilhaben.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus den §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11, 711 S. 1 ZPO.

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