ArbG Köln, Urteil vom 01.04.2014 - 16 Ca 4960/13
Fundstelle
openJur 2016, 10554
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • nachfolgend: Az. 4 Sa 823/14

Kein Leitsatz

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.129,56 € brutto abzüglich erhaltenen Arbeitslosengeldes i. H. v. 450,48 € netto nebst Zinsen i. H. v. 5 Prozentpunkten über den Basiszinssatz seit 01.02.2014 zu zahlen.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 96,5 % und die Beklagte zu 3,5 %.

4. Urteilsstreitwert: 18.318,84 €.

5. Gebührenstreitwert: 19.342,94 €.

Tatbestand

Die Parteien streiten über Annahmeverzugslohn nach einer unwirksamen Kündigung und dabei insbesondere über die Arbeitsfähigkeit des Klägers.

Der Kläger ist seit 1.10.2006 als Tankwagenfahrer bei der Beklagten beschäftigt.

Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 10.1.2013, das dem Kläger am 11.1.2013 zuging, fristlos und hilfsweise fristgerecht. Das Arbeitsgericht Köln gab der dagegen gerichteten Kündigungsschutzklage mit Urteil vom 25.4.2013 in dem Rechtsstreit 12 Ca 5010/12 statt und verurteilte die Beklagte zur Zahlung des Annahmeverzugslohns für die Zeit bis zum 28.2.2013. Wegen der Einzelheiten wird auf das genannte Urteil verwiesen. Die dagegen eingelegte Berufung der Beklagten hatte nur hinsichtlich der Höhe des ausgeurteilten Annahmeverzugs in geringem Umfang Erfolg. Insoweit wird zu den Einzelheiten auf das Urteil des LAG Köln vom 12.12.2013 in dem Rechtsstreit 7 Sa 537/13 Bezug genommen.

Der Kläger litt an einer Schlafapnoe. Die Tankwagenfahrer der Beklagten werden alle 2 Jahre vom Betriebsarzt im Rahmen einer G 25 Untersuchung auf medizinische Bedenken gegen ihre berufliche Eignung untersucht. Die von der Beklagten beauftragte Arbeitsmedizinerin bescheinigte am 17.2.2014, dass aufgrund einer Nachuntersuchung des Klägers am 5.11.2012 "befristete gesundheitliche Bedenken" bestanden hätten und medizinische Maßnahmen erforderlich gewesen seien (Kopie Bl. 248 d.A.). Ausweislich einer weiteren Bescheinigung der Arbeitsmedizinerin vom 11.2.2014 (Kopie Bl. 249 d.A.) bestanden auch nach einer G 25 Untersuchung am 23.7.2013 "befristete gesundheitliche Bedenken". Mit Schreiben vom 4.3.2014 (Kopie Bl. 251 d.A.) erläuterte die Arbeitsmedizinerin, dass der Kläger wegen der bei den Untersuchungen festgestellten "befristeten gesundheitlichen Bedenken" "nicht tauglich" als Fahrer eines Gefahrguttransports gewesen sei.

Am 12.12.2013 wurde der Kläger an seiner Nasenscheidewand operiert. Am 15.1.2014 stellte ein Arbeitsmediziner im Rahmen einer G 25 Untersuchung des Klägers fest, dass "keine gesundheitlichen Bedenken" bestehen. Ab 28.1.2014 beschäftigte die Beklagte den Kläger wieder als Tankwagenfahrer.

Der Kläger verlangt Annahmeverzugslohn für die Zeit vom 1.3.2013 bis 27.1.2014 und hat dabei zuletzt den vom LAG Köln ermittelten Monatslohn von 2.823,90 € zugrundegelegt. Dabei lässt er sich das erhaltene Arbeitslosengeld i.H.v. 37,54 € netto kalendertäglich anrechnen. Er meint, er sei auch vor der Operation seiner Nasenscheidewand nicht wegen seiner Schlafapnoe außerstande gewesen, seine vertraglich geschuldete Leistung als Tankwagenfahrer zu erbringen.

Der Kläger beantragt,

1) die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger für den Monat März 2013 2.637,70 € brutto abzüglich 1.126,20 € netto an erhaltenem Arbeitslosengeld I nebst Zinsen i.H.v. 5 % über dem Basiszinssatz ab dem 1.4.2013 zu zahlen;

2) die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger für die Monate April bis Dezember 2013 jeweils 2.823,90 € brutto abzüglich 1.126,20 € netto an erhaltenem Arbeitslosengeld I nebst Zinsen i.H.v. 5 % über dem Basiszinssatz ab dem jeweiligen ersten des Folgemonats zu zahlen;

3) die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 2.541,51 € brutto abzüglich 1.013,37 € netto an erhaltenem Arbeitslosengeld I nebst Zinsen i.H.v. 5 % über dem Basiszinssatz ab dem 1.2.2014 zu zahlen;

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie meint, der Kläger sei aufgrund seiner zunächst unbehandelten Schlafapnoe nicht leistungsfähig i.S.d. § 297 BGB gewesen. Dies werde durch die o.g. Bescheinigungen der Arbeitsmediziner belegt. Einen Fahrer, gegen dessen Einsatz im Rahmen einer G 25 Untersuchung "befristete gesundheitliche Bedenken" beständen, dürfe sie keinen Tankwagen lenken lassen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Akteninhalt Bezug genommen.

Gründe

Die Klage ist nur hinsichtlich des Annahmeverzugslohns für die Zeit vom 16.1.2014 bis 27.1.2014 begründet und im Übrigen unbegründet.

Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Annahmeverzugslohn für die Zeit vom 1.3.2013 bis 15.1.2014 gemäß §§ 615 S.1, 611 Abs. 1 BGB i.V.m. dem Arbeitsvertrag der Parteien, weil er in dieser Zeit außerstande war, die vertraglich geschuldete Leistung zu bewirken (§ 297 BGB).

Dass der Kläger in dieser Zeit nicht tauglich war, einen Tankwagen zu fahren, steht aufgrund der arbeitsmedizinischen Bescheinigungen vom 11.2.2014 und 17.2.2014 und der Erläuterung dazu vom 4.3.2014 zur Überzeugung des Gerichts fest. Danach ergaben sowohl die G 25 Untersuchung vom 5.11.2012 als auch diejenige vom 23.7.2013, dass gegen den Einsatz des Klägers "befristete gesundheitliche Bedenken" bestanden. Aus der Erläuterung ergibt sich, dass dies bedeute, dass der Kläger "nicht tauglich" zum Führen eines Gefahrguttransporters war. Aufgrund dieser Untersuchungsergebnisse durfte die Beklagte den Kläger nicht als Tankwagenfahrer einsetzen.

Diesen Feststellungen steht der Vorprozess mit gegenteiligem Ergebnis für den vorangegangenen Zeitraum nicht entgegen. Zum einen war er bis zur letzten mündlichen Verhandlung noch nicht rechtskräftig beendet. Zum anderen nehmen die gerichtlichen Feststellungen zur bloßen Vorfrage der Leistungsfähigkeit des Klägers nicht an einer etwaigen Rechtskraft teil. Die inhaltliche Abweichung der jetzigen von den Entscheidungen im Vorprozess findet ihren Grund darin, dass die nunmehr vorliegenden Bescheinigungen und Erläuterungen zu den G 25 Untersuchungen in den Vorprozess nicht eingeführt wurden und deshalb darin nicht berücksichtigt werden konnten. Ohne diese Bescheinigungen gab es aber im Vorprozess keine hinreichenden Anhaltspunkte für eine fehlende Leistungsfähigkeit des Klägers.

Für die Zeit vom 16.1.2014 bis 27.1.2014 ist die Klage begründet. Der Kläger hat einen Anspruch auf Annahmeverzugslohn gemäß § 615 Satz 1 in Verbindung mit § 611 I BGB und dem Arbeitsvertrag der Parteien i.H.v. 12/30 x 2.823,90 € brutto abzüglich des erhaltenen Arbeitslosengeldes i.H.v. 12 Kalendertagen x 37,54 € netto. Die Beklagte befand sich seit 16.1.2014 in Annahmeverzug.

Die Voraussetzungen des Annahmeverzuges richten sich auch im Arbeitsverhältnis nach den §§ 293 ff BGB. Ist für die vom Gläubiger vorzunehmende Mitwirkungshandlung eine Zeit nach dem Kalender bestimmt, bedarf es keines Angebots des Schuldners zur Begründung des Annahmeverzugs, falls der Gläubiger die Handlung nicht rechtzeitig vornimmt (§ 296 BGB). Im Arbeitsverhältnis hat der Arbeitgeber als Gläubiger der Arbeitsleistung dem Arbeitnehmer einen funktionsfähigen Arbeitsplatz zur Verfügung zu stellen und ihm seine Arbeit zuzuweisen. Darin liegt eine nach dem Kalender bestimmte Mitwirkungshandlung im Sinne von § 296 BGB. Da der Arbeitgeber mit einer fristlosen Kündigung zu erkennen gibt, dass er diese Mitwirkungshandlung ab sofort nicht erbringen wird, muss er den Arbeitnehmer wieder zur Arbeit auffordern, wenn er trotz der Kündigung nicht in Annahmeverzug geraten will (BAG, Urteil vom 09.08.1984, AP Nr. 34 zu § 615 BGB unter B II 5 b) der Gründe). Da die Beklagte den Kläger nach Ausspruch der fristlosen Kündigung vom 10.1.2013 bis zum 27.1.2014 nicht wieder zur Aufnahme der Arbeit aufgefordert hat, befand sie sich während des Zeitraumes ab 16.1.2014 in Annahmeverzug.

Eines Arbeitsangebotes bedurfte es zur Begründung des Annahmeverzuges hier auch nicht ausnahmsweise deshalb, weil der Kläger unmittelbar vor und nach Zugang der unwirksamen fristlosen Kündigung aus gesundheitlichen Gründen nicht leistungsfähig war. Da die Beklagte durch ihre unwirksame außerordentliche Kündigung gem. § 296 BGB in Annahmeverzug geraten ist, weil sie die ihr obliegende Mitwirkungshandlung nicht mehr erbrachte, bedurfte es keines Arbeitsangebots der Klägerin zur Begründung des Annahmeverzugs. Daran ändert eine Erkrankung nichts.

Der Kläger war auch nicht gehalten, der Beklagten zur Begründung des Annahmeverzuges am 16.1.2014 anzuzeigen, dass er ausweislich der G 25 Untersuchung vom selben Tage wieder arbeitsfähig war. Für den Fall der vom Arbeitgeber ausgesprochenen unwirksamen Kündigungserklärung ist nämlich nicht einsehbar, wieso der Arbeitgeber, der auf Grund seiner unwirksamen Kündigung im Regelfall die Vergütungsnachzahlung unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzuges schuldet, daraus einen Vorteil ziehen soll, dass der Arbeitnehmer zufällig zur Zeit der Kündigung arbeitsunfähig erkrankt war. Dieser Umstand kommt ihm deshalb nicht zugute, weil einerseits die Anzeige der Arbeitsfähigkeit in §§ 293 ff. BGB nicht als Anspruchsvoraussetzung geregelt ist und andererseits der Gläubiger nach § 296 BGB ohnehin grundsätzlich über die Leistungsfähigkeit des Schuldners im Unklaren bleibt (BAG, Urteil vom 24.11.1994, AP Nr. 60 zu § 615 BGB unter II 2 a) der Gründe). Solange der Arbeitgeber den Arbeitnehmer nicht wieder zur Arbeitsaufnahme auffordert, sind die Anzeige- und Nachweispflichten des Arbeitnehmers durch die vom Arbeitgeber erklärte Kündigung suspendiert (BAG, Urteil vom 24.11.1994, AP Nr. 60 zu § 615 BGB unter II 2 b) der Gründe).

Die Zinsforderung ist hinsichtlich des zuerkannten teils der Hauptforderung gemäß §§ 286, 288, 614 BGB begründet und im Übrigen mangels Hauptforderung unbegründet.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO, die Streitwertfestsetzung auf § 3 ZPO.

RECHTSMITTELBELEHRUNG

Gegen dieses Urteil kann von jeder Partei Berufung eingelegt werden.

Die Berufung muss innerhalb einer Notfrist* von einem Monat schriftlich oder in elektronischer Form beim

Landesarbeitsgericht Köln

Blumenthalstraße 33

50670 Köln

Fax: 0221-7740 356

eingegangen sein.

Die elektronische Form wird durch ein qualifiziert signiertes elektronisches Dokument gewahrt, das nach Maßgabe der Verordnung des Justizministeriums über den elektronischen Rechtsverkehr bei den Arbeitsgerichten im Lande Nordrhein-Westfalen (ERVVO ArbG) vom 2. Mai 2013 in der jeweils geltenden Fassung in die elektronische Poststelle zu übermitteln ist. Nähere Hinweise zum elektronischen Rechtsverkehr finden Sie auf der Internetseite www.egvp.de.

Die Notfrist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach dessen Verkündung.

Die Berufungsschrift muss von einem Bevollmächtigten unterzeichnet sein. Als Bevollmächtigte sind nur zugelassen:

1. Rechtsanwälte,

2. Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder,

3. juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der in Nr. 2 bezeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung dieser Organisation und ihrer Mitglieder oder anderer Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder entsprechend deren Satzung durchführt, und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.

Eine Partei, die als Bevollmächtigte zugelassen ist, kann sich selbst vertreten.

* Eine Notfrist ist unabänderlich und kann nicht verlängert werden.

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