FG München, Urteil vom 09.12.2014 - 6 K 2338/11
Fundstelle
openJur 2016, 12395
  • Rkr:
Tatbestand

Streitig ist im Veranlagungszeitraum 2009 (Streitjahr) die Ermittlung der Höhe der privaten Nutzung des betrieblichen Kraftfahrzeugs (Kfz).

Der Kläger betreibt eine Vermittlung von Immobilien und bezieht hieraus Einkünfte aus Gewerbebetrieb als Einzelunternehmer; er ermittelt den Gewinn durch Einnahme-Überschussrechnung nach § 4 Abs. 3 Einkommensteuergesetz (EStG). In seinem Anlageverzeichnis zum 31.12.2009 wies der Kläger ein von ihm auch privat genutztes Kfz vom Typ BMW ... als Anlagevermögen aus. Der Kläger hatte das im Jahr 2004 erstmals zugelassene Kfz am 27.09.2006 gebraucht erworben. Der Listenpreis für ein Neufahrzeug gleicher Art und Ausstattung beläuft sich auf ... EUR (einschließlich Umsatzsteuer). Der Kläger führte kein Fahrtenbuch im Sinne des § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 3 EStG.

Die vom Kläger für das Streitjahr erklärten Einkünfte aus Gewerbebetrieb beliefen sich auf ... EUR. Den privaten Nutzungswert des Kfz setzte der Kläger mit ... EUR oder rund 50 vom Hundert der von ihm ermittelten Gesamtkosten des Kfz im Streitjahr in Höhe von ... EUR an.

Das Finanzamt setzte im Einkommensteuerbescheid vom 04.04.2011 den Nutzungswert des Kfz mit ... EUR (1 vom Hundert von ... EUR × 12 Monate) an und erhöhte den erklärten Gewinn um 2.181,41 EUR zuzüglich der Entnahme für die Erhöhung der Umsatzsteuer in Höhe von 262,77 EUR (1.383 × 19 vom Hundert = 262,77 EUR) um insgesamt 2.444,18 EUR auf ... EUR. Hinsichtlich der Berechnung im Einzelnen wird auf die im Klageverfahren eingereichten Berechnungen des Finanzamts (Blatt 25 der Verfahrensakten) und des Klägers verwiesen.

Den hiergegen mit Schreiben vom 04.05.2011 eingelegten Einspruch wies das Finanzamt mit Einspruchsentscheidung vom 21.07.2011 zurück.

Zur Begründung der anschließend erhobenen Klage wird vorgetragen, der Ansatz einer mehr als 50 %-igen PKW-Privatnutzung sei eine mit der Logik nicht zu vereinbarende Rechtsanwendung, wenn unstreitig feststehe, dass das Auto zu mehr als 50 % betrieblich genutzt werde. Im vorliegenden Fall ergebe sich in etwa ein Privatanteil von 70 %. Die Finanzverwaltung habe einen derartigen Unfug schon zu Beginn der 1-%-Regelung vertreten, als in Fällen von Gebrauchtfahrzeugen, die bereits abgeschrieben waren und deshalb nur noch geringe laufende Kosten verursacht hatten, die 1-%-Regelung dazu führen sollte, dass ein höherer Privatanteil angesetzt wird, als überhaupt Kraftfahrzeugkosten entstanden seien. Diesen Unfug habe die Verwaltung durch die Deckelungsregelung per Erlass beseitigt, um ihn nun – in veränderter Form – erneut zu vertreten.

Der Hinweis, der Steuerpflichtige könne ja ein Fahrtenbuch führen, beseitige die zwingende Unlogik nicht. Wenn feststehe und unstreitig sei, dass das Fahrzeug zu mehr als 50 % betrieblich genutzt werde, sei dies die zwingende logische Untergrenze für den Betriebsausgabenabzug. Wer dagegen verstoße, handle bewusst unlogisch und wende Recht vorsätzlich falsch an. Damit sei hinreichend dargelegt, dass der Betriebsausgabenabzug mit mindestens 50 % erfolgen müsse. Diese Deckelung sei sachgerecht und entspreche der Logik. Recht, dass der Logik widerspreche, sei nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts verfassungswidrig. Im vorliegenden Fall sei der Widerspruch durch verfassungskonforme Auslegung zu beseitigen, da die 1-%-Regelung nicht generell verfassungswidrig sei, sondern erst durch die fehlerhafte und unlogische Anwendung im Detail bzw. durch die gedankenlose Anwendung von Erlassen verfassungswidrig werde.

Da sich die Finanzverwaltung an den fehlerhaften Erlass des Bundesministeriums der Finanzen gebunden fühle, werde angeregt, den Bundesminister der Finanzen am Verfahren zu beteiligen. Streitig sei allein, dass der unstreitig zu mehr als 50 % betrieblich genutzte Pkw maximal zu 50 % privat genutzt worden sein könne. Nur diese Minimalanforderung werde geltend gemacht.

den Einkommensteuerbescheid für 2009 vom 04.04.2011 und die Einspruchsentscheidung vom 21.07.2011 dahingehend abzuändern, dass die Einkünfte des Klägers aus Gewerbebetrieb um 2.444 EUR vermindert werden,

hilfsweise die Revision zuzulassen.

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung verweist das Finanzamt auf die Einspruchsentscheidung vom 21.07.2011.

Auf das Protokoll über die mündliche Verhandlung wird Bezug genommen.

Gründe

Die Klage ist unbegründet.

1. Die private Nutzungsentnahme des vom Kläger betrieblich und privat genutzten Kfz ist nach § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG zutreffend ermittelt worden.

Nach dieser Vorschrift ist die private Nutzung eines Kraftfahrzeugs, das zu mehr als 50 % betrieblich genutzt wird, für jeden Kalendermonat mit 1 Prozent des inländischen

Listenpreises im Zeitpunkt der Erstzulassung zuzüglich der Kosten für Sonderausstattung einschließlich Umsatzsteuer anzusetzen. Dies ist im Streitfall – dem Grunde nach unstreitig – geschehen.

Abweichend von dieser sogenannten 1 %-Regelung kann nach § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 3 EStG die private Nutzung mit den auf die Privatfahrten entfallenden Aufwendungen angesetzt werden, wenn die für das Kfz insgesamt entstehenden Aufwendungen durch Belege und das Verhältnis der privaten zu den übrigen Fahrten durch ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch nachgewiesen werden. Da der Kläger im Streitjahr jedoch kein Fahrtenbuch geführt hat, ist die 1-%-Regelung zu Recht angewendet worden.

Diese Regelung ist entgegen der Auffassung des Klägers nicht unlogisch und verfassungsgemäß (Bundesfinanzhof-BFH-Urteil vom 24.02.2000 III R 59/98, BStBl II 2000, 273). Für die vom Kläger begehrte Begrenzung des privaten Nutzungsanteils auf 50 v.H. der tatsächlich entstandenen Kosten fehlt es an einer gesetzlichen Grundlage.

2. Die Listenpreisregelung ist auch in der Fassung, die für nach dem 31.12.2005 beginnende Wirtschaftsjahre gilt (§ 52 Abs. 16 Satz 11 EStG a.F. 2009: Einführung der 50 %-Grenze in § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG), verfassungsgemäß.

a) Bei der Beurteilung der Verfassungsmäßigkeit des Ansatzes der Nutzungsentnahme des Kfz mit 1 v.H. des Listenpreises ist zu berücksichtigen, dass diese Regelung der Abgrenzung der Aufwendungen des Klägers für die private Lebensführung von den Betriebsausgaben bei der Nutzung des Kfz dient. Nach der Regelung in § 4 Abs. 4 EStG sind Betriebsausgaben die Aufwendungen, die durch den Betrieb veranlasst sind. Nicht betrieblich, d.h. privat veranlasste Aufwendungen stellen keine Betriebsausgaben dar und dürfen den Gewinn nicht beeinflussen. Der Steuerpflichtige trägt die objektive Beweislast (Feststellungslast) für eine von ihm behauptete betriebliche Veranlassung getätigter Aufwendungen (BFH-Urteil vom 24.06.1976 IV R 101/75, BStBl II 1976, 562). Ist bei Ermittlung von als Betriebsausgaben geltend gemachten Kosten zudem eine Abgrenzung betrieblicher Aufwendungen von privaten Aufwendungen erforderlich, trifft den Steuerpflichtigen eine gegenüber der Regelung in § 90 der Abgabenordnung (AO 1977) erhöhte Mitwirkungspflicht bei der Bestimmung des betrieblichen Aufwandsanteils (BFH-Beschluss vom 04.07.1990 GrS 2-3/88, BStBl II 1990, 817, 828).

Anhand vom Steuerpflichtigen darzulegender objektiver Tatsachen muss demnach feststehen, dass geltend gemachte Aufwendungen in tatsächlichem oder wirtschaftlichem Zusammenhang mit einer konkreten Gewinnerzielungsabsicht angefallen sind und eine ggf. vorliegende private Mitveranlassung unbedeutend ist (BFH-Urteile vom 25.11.1993 IV R 37/93, BStBl II 1994, 350; vom 26.11.1997 X R 146/94, BFH/NV 1998, 961). Ferner sind auf Verlangen entsprechende Nachweise bzw. Unterlagen vorzulegen.

Von diesem Ausgangspunkt her ist es gerechtfertigt, zum Nachweis des betrieblichen Anteils an der Nutzung des Kfz die Führung eines Fahrtenbuchs zu verlangen. Eine andere Nachprüfung dieses Nutzungsanteils durch die Finanzbehörden ist wegen des engen Zusammenhangs mit der Sphäre der privaten Lebensführung kaum oder gar nicht möglich (BFH-Urteil vom 24.02.2000 III R 59/98, BStBl II 2000, 273). Dem steht auch der Umstand nicht entgegen, dass es bei der Prüfung, ob ein Kfz zum notwendigen Betriebsvermögen gehört, auf ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch, das mindestens 50 % betriebliche Fahrten ausweist, nicht ankommt.

b) Die in § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG erfolgte Typisierung begegnet auch der Höhe nach keinen durchgreifenden verfassungsrechtlichen oder logischen Bedenken. Der Gesetzgeber hat damit nicht seinen ihm im Steuerrecht für Typisierungen zur Verfügung stehenden Gestaltungsspielraum überschritten.

aa) Obwohl dem Gesetzgeber bei Typisierungen ein weiter Spielraum zur Verfügung steht, sind auch ihm gewisse Grenzen gesetzt. Diese sind jedoch erst dann erreicht, wenn die mit der Typisierung einhergehenden Vorteile nicht mehr im rechten Verhältnis zu der mit der Typisierung notwendig verbundenen Ungleichheit der steuerlichen Belastung stehen.

Für Typisierungen, die vom Steuerpflichtigen nicht durch die Erbringung von Nachweisen widerlegt werden können, hat es das BVerfG allerdings als wesentlich angesehen, dass davon nur eine kleine Zahl von betroffenen Steuerpflichtigen benachteiligt wird, weil sie einen für sie günstigeren Sachverhalt als den in der Typisierung unterstellten verwirklicht haben und dass dieser Verstoß gegen den Gleichheitssatz im Einzelfall nicht sehr intensiv ist. Soweit ersichtlich ist, beziehen sich diese Einschränkungen aber nur auf unwiderlegbare Typisierungen.

Bei der sog. Ein-Prozent-Regelung handelt es sich nicht um eine unwiderlegbare Typisierung, sondern der Steuerpflichtige kann der Anwendung der typisierenden Regelung durch den Nachweis des tatsächlichen Sachverhalts entgehen. Hier kann es nicht darauf ankommen, ob sich die Typisierung nur für eine kleine Zahl von Steuerpflichtigen nachteilig auswirkt; denn der Steuerpflichtige muss die Typisierung nicht gegen sich gelten lassen, wenn er den tatsächlichen Sachverhalt nachweist. Denn der Bürger hat kein sich aus der Verfassung ergebendes Recht darauf, dass ihm eine Regelung mit den für ihn günstigsten Möglichkeiten (im Streitfall: keine Fahrtenbuchführung und eine dem jeweiligen Einzelfall angepasste Abgrenzung der Betriebsausgaben von den Aufwendungen für die private Kfz-Nutzung) zur Auswahl angeboten wird (BFH-Urteile vom 13.12.2012 VI R 51/11, BStBl II 2013, 385 und vom 24.02.2000 III R 59/98, BStBl II 2000, 273). Diese Regelung ist in sich folgerichtig und nicht willkürlich.

bb) Die Kläger haben ihren Vorwurf der fehlenden Logik verfassungsrechtlich damit begründet, dass Folgerichtigkeit ein Verfassungsgrundsatz ist (vgl. zur Folgerichtigkeit den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts – BVerfG – vom 06.07.2010 2 BvL 13/09, BStBl II 2011, 318). Indes gibt es keinen verfassungsrechtlichen Grundsatz dahin, dass bei gemischt privat und beruflich veranlassten Ausgaben eine letztlich durch Schätzung ermittelte prozentuale Quote beruflicher Nutzung einen entsprechenden quotalen Abzug von Aufwendungen nach sich ziehen muss. Vielmehr gilt der Grundsatz, dass eine Verletzung des Gleichheitssatzes bei jeder Sachverhaltskonstellation nach jeweils sachgerechten Kriterien (vgl. zur Vielfalt gemischter Aufwendungen die unterschiedlichen Abzugsregelungen in § 4 Abs. 5 EStG) festgestellt werden muss, ohne Einschränkung. Auch zwingt die Verfassung den Gesetzgeber nicht dazu, bei der Prüfung, ob notwendiges Betriebsvermögen vorliegt, die gleichen Kriterien anzuwenden, wie bei der Ermittlung der Höhe der privaten Aufwendungen.

Die bisherige Rechtsprechung des BFH ist auch auf die Fassung des § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG für Wirtschaftsjahre, die nach dem 31.12.2005 beginnen, ohne Besonderheiten anzuwenden. Denn durch die Gesetzesänderung ab dem Jahr 1996 hat sich die Rechtslage betreffend die Streitfrage nicht wesentlich geändert. Auch bereits zuvor war bei notwendigem Betriebsvermögen die Listenpreismethode anzuwenden.

Im Übrigen kommt es nicht darauf an, ob bei isolierter Betrachtung eines einzelnen Veranlagungszeitraums der pauschale Wert der Nutzungsentnahme nach § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG die für das genutzte Kfz insgesamt tatsächlich entstandenen Aufwendungen übersteigt. Ein solcher Sachverhalt liegt nicht vor. Der vom Kläger errechnete Kostenanteil liegt bei 70 % und nicht über 100 % der Gesamtkosten (BFH-Urteil vom 23.02.2000 III R 59/98, BStBl II 2000, 273).

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO).

4. Das Bundesministerium der Finanzen war nicht beizuladen, da § 122 Abs. 2 FGO nur in Revisionsverfahren gilt (vgl. § 57 FGO).

5. Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO nicht vorliegen.