OLG Köln, Beschluss vom 10.12.2001 - 2 W 154/01
Fundstelle
openJur 2011, 16174
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • vorher: Az. 7 a T 145/01
Tenor

Die sofortige weitere Beschwerde der Schuldnerin vom 29.6.2001 gegen den Beschluss der 7a Zivilkammer des Landgerichts Bochum vom 23.5.2001 - 7 a T 145/01 - wird nicht zugelassen und als unzulässig verworfen. Die Kosten des Verfahrens der weiteren Beschwerde hat die Schuldnerin zu tragen.

Gründe

1.

Die Schuldnerin betrieb einen Groß- und Einzelhandel mit Möbeln. Am 06.11.2000 stellte sie durch ihren Geschäftsführer bei dem Amtsgericht Bochum einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen. Ihr Geschäftsführer gab dabei an, es bestehe der Eröffnungsgrund der Zahlungsunfähigkeit, zur Zahlung eines Massekostenvorschusses sei die Schuldnerin nicht in der Lage.

Das Amtsgericht ordnete die Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens dazu an, ob Tatsachen vorliegen, die den Schluss rechtfertigen, dass die Schuldnerin zahlungsunfähig zu werden droht oder bereits ist oder dass sie überschuldet ist, sowie dazu, ob eine kostendeckende Masse vorhanden ist. Mit der Erstattung des Gutachtens beauftragte das Amtsgericht den Rechtsanwalt R.K.. Dem Sachverständigen lagen die Jahresabschlüsse für die Kalenderjahre 1997 und 1998 vor. Die elektronisch gespeicherten Daten der Buchungsunterlagen der Schuldnerin aus den Jahren 1999 und 2000 waren nach Auskunft des Geschäftsführers der Schuldnerin infolge Vernichtung der Computer-Festplatte zerstört worden. Der Sachverständige kam in seinem Gutachten zu dem Ergebnis, dass bei der Schuldnerin Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung gegeben seien. Er schätzte die Verfahrenskosten auf rd. 33.000,-- DM und ermittelte eine freie Masse von 58.155,-- DM. In letzterem Betrag enthalten ist ein Schadensersatzanspruch der Schuldnerin gemäß § 64 Abs. 2 GmbHG gegen ihren Geschäftsführer in Höhe von 53.323,-- DM. Die Schadenssumme hatte der Sachverständige rechnerisch mit 106.647,-- DM ermittelt, im Hinblick auf die unsichere Realisierbarkeit jedoch nur mit dem halben Betrag bewertet.

Mit Beschluss vom 09.02.2001 eröffnete das Amtsgericht das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin wegen Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung.

Gegen diesen ihrem Geschäftsführer am 15.02.2001 zugestellten Beschluss hat die Schuldnerin mit am 26.02.2001 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz sofortige Beschwerde eingelegt mit der Begründung, dass eine die Kosten des Verfahrens deckende Masse nicht vorhanden sei. Das Sachverständigengutachten sei fehlerhaft, weil es auf einer unzureichenden Tatsachengrundlage beruhe. Es habe den Jahresabschluss für das Jahr 2000 und die betriebswirtschaftlichen Auswertungen nicht berücksichtigt. Der Jahresabschluss werde in Kürze gefertigt. Ein Schadensersatzanspruch gegen den Geschäftsführer stehe der Schuldnerin nicht zu. Im übrigen sei die Forderung nicht werthaltig, da der Geschäftsführer vermögenslos sei.

Nach Nichtabhilfe durch das Amtsgericht hat das Landgericht die sofortige Beschwerde der Schuldnerin durch Beschluss vom 23.5.2001 mit der Begründung verworfen, dass ein Rechtsschutzinteresse der Schuldnerin für das an sich nach § 34 Abs. 2 InsO statthafte Rechtsmittel nicht gegeben sei. Die Schuldnerin sei durch die auf ihren eigenen Antrag erfolgte Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen nicht beschwert. Ein schutzwürdiges Interesse der Schuldnerin, im Beschwerdeverfahren eine Abweisung des Eröffnungsantrages mangels Masse anstelle einer Verfahrenseröffnung zu erreichen, obwohl dies für sie wirtschaftlich ohne Belang sei, sei nicht anzuerkennen.

Gegen diesen ihr nicht förmlich zugestellten Beschluss hat die Schuldnerin mit am 3.7.2001 eingegangenem Schriftsatz vom 29.6.2001 weitere Beschwerde eingelegt. Sie macht geltend, das Landgericht habe verkannt, dass der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufgrund § 64 Abs. 1 GmbHG zwingend geboten gewesen sei und eine Antragspflicht auch dann bestehe, wenn eine die Kosten des Verfahrens deckende Masse nicht vorhanden sei, dem Antrag also nicht entsprochen werden könne. Da das Gesetz einen Antrag, das Verfahren wegen Massearmut einzustellen, nicht kenne, könne der Schuldnerin nicht die Möglichkeit genommen werden, die Unzulänglichkeit der Masse im Beschwerdeverfahren geltend zu machen.

Im übrigen könne auch bei Massearmut eine Sanierung noch möglich sein, da häufig der Kunden- und Lieferantenstamm bei einer Handelgesellschaft den Wert der Firma ausmache. Statt einer Liquidation bestehe die Möglichkeit, mit den Gläubigern Vergleichsverhandlungen zu führen. Diese Möglichkeit sei der Gemeinschuldnerin bei Bestellung eines Insolvenzverwalters genommen. Die Einstellung des Verfahrens mangels Masse sei daher ein legitimes Ziel. Die sofortige Beschwerde sei auch begründet. Das Verfahren sei aufgrund Massearmut einzustellen.

2.

Das Oberlandesgericht Köln ist gemäß § 7 Abs. 3 InsO in Verbindung mit § 1 der Verordnung des Landes Nordrhein-Westfalen über die Zusammenfassung der Entscheidungen über die weiteren Beschwerden in Insolvenzsachen vom 6. November 1998 (GVBl. NW 1998, 550; NZI 1999, 66) zur Entscheidung über das von dem Schuldner gegen den Beschluss des Landgerichts Bochum vom 23.05.2000 eingelegte Rechtsmittel berufen.

3.

Die weitere Beschwerde muss nach den §§ 4 InsO, 574 Abs. 2 ZPO als unzulässig verworfen werden, weil die Voraussetzungen für die Zulassung dieses Rechtsmittels gemäß § 7 Abs. 1 InsO nicht vorliegen. Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 InsO läßt das Oberlandesgericht die weitere Beschwerde (nur) zu, wenn sie darauf gestützt wird, dass die angefochtene Entscheidung des Landgerichts auf einer Verletzung des Gesetzes beruht, und wenn die Nachprüfung jener Entscheidung zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung geboten ist. Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt, da die entscheidungserheblichen Rechtsfragen geklärt sind.

Es ist in Rechtsprechung und Literatur anerkannt, dass die Zulässigkeit eines jeden Rechtsmittels grundsätzlich eine Beschwer des Rechtsmittelklägers voraussetzt sowie das Bestreben, diese Beschwer mit dem Rechtsmittel zu beseitigen (BGHZ 50, 261; Zöller-Gummer, ZPO, 22. Aufl., Vor § 511 Rn. 8 m.w.N.). Dieser Grundsatz galt auch für die sofortige Beschwerde im Konkursrecht (Pape, ZIP 1989, 1029 [1031]), und er gilt unter der Ins0 fort (Schmerbach, in: Frankfurter Kommentar zur InsO, 2. Auflage 1999, § 34 Rn. 13).

Beim Kläger bzw. Antragsteller ist eine das Rechtsschutzbedürfnis für die Anrufung der höheren Instanz begründende Beschwer grundsätzlich nur gegeben, wenn der rechtskraftfähige Inhalt der angefochtenen Entscheidung als solcher für ihn sachlich nachteilig ist (vgl. Thomas-Putzo, ZPO, 23. Aufl., § 511 Vorbem Rn. 17; Zöller-Gummer, a.a.O., Vor § 511 Rn. 8 m.w.N.). Diese Voraussetzung einer - formellen - Beschwer ist hier eindeutig nicht gegeben, denn mit dem Eröffnungsbeschluss vom 9.2.2001 hat das Amtsgericht dem auf den Eröffnungsgrund der Zahlungsunfähigkeit gestützten Antrag der Schuldnerin auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen im vollen Umfange stattgegeben.

Unter der Geltung der Konkursordnung war allerdings für bestimmte Ausnahmefälle weitgehend anerkannt, dass trotz fehlender formeller Beschwer des Eigenantragstellers die sofortige Beschwerde zulässig sei und eine materielle Beschwer als ausreichend angesehen werden könne, so z.B., wenn ein (früherer) gesetzlicher Vertreter das Antragsrecht arglistig missbraucht hat, wenn ein Geschäftsunfähiger den Antrag gestellt hat oder durch einen Bevollmächtigten hat stellen lassen, oder wenn der Konkursgrund in Wahrheit nicht vorlag oder vom Schuldner irrtümlich angenommen wurde (vgl. dazu die Beispiele bei Schmerbach, a.a.O., § 34 Rn. 14 - 17 ; Pape, in: Kübler-Prütting, InsO, Stand: 8/01, § 34 Rn. 17; ders., ZIP 1989, 1029 [1032] - jeweils mit Nachweisen aus Rechtsprechung und Literatur). Ob die Zulassung einer solchen Ausnahme auch dann gerechtfertigt ist, wenn - wie im vorliegenden Fall - die Erwartung des Eigenantragstellers enttäuscht wird, die Verfahrenseröffnung werde mangels Masse abgelehnt, war für den Bereich der Konkursordnung umstritten, ist jedoch für die Insolvenzordnung durch die obergerichtliche Rechtsprechung verneint worden. Sie sieht die Beschwerde der S.-G. gegen die von ihr selbst durch ihren Geschäftsführer mit dem Ziel der Abweisung des Antrags mangels Masse beantragte Verfahrenseröffnung als unzulässig an (OLG Celle ZIP 1999, 1605; OLG Stuttgart, NZI 1999, 492; LG Rostock, ZinsO 2000, 340; ebenso Pape, ZIP 1989, 1029 ff.; ders., in: Kübler-Prütting, a.a.O., § 34 Rn. 16, 16a; FK/Schmerbach, a.a.O., § 34 Rn. 20).

Dem schließt sich der Senat an. Der Schuldner, der selbst einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens stellt, hat keinen rechtlich geschützten Anspruch darauf, dass das Insolvenzgericht in einer bestimmtem Art und Weise entscheidet (OLG Celle, ZIP 1999, 1605; vgl. auch Senat, ZIP 1986, 384). Darauf aber zielt hier der Antrag der Schuldnerin ab. Die Schuldnerin begehrt nicht die Aufhebung des Eröffnungsbeschlusses, weil die vom Insolvenzgericht angenommene Eröffnungsvoraussetzung der Zahlungsunfähigkeit bzw. Überschuldung nicht gegeben wäre - auf deren Vorliegen beruft sie sich vielmehr weiterhin -, sondern sie verfolgt ausschließlich und allein das Ziel einer Verfahrenseinstellung mangels Masse. Wie sie selbst zutreffend ausführt, sieht das Gesetz einen Antrag des Schuldners auf Einstellung des Verfahrens wegen Massearmut nicht vor. Es wäre daher unvereinbar mit dem Gesetz, wollte man es dem Schuldner ermöglichen, auf dem Umweg über das Rechtsmittelverfahren gleichwohl gezielt auf eine Abweisung mangels Masse hinzuwirken.

Soweit die Schuldnerin sich im übrigen darauf berufen hat, dass grundsätzlich auch bei Massearmut eine Sanierung noch möglich sein könne, und dass ihr bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Möglichkeit genommen werde, mit den Gläubigern persönlich in Verhandlung zu treten, um etwaige Ratenzahlungen pp. zu vereinbaren, ist dies für die Frage einer Beschwer durch die von ihr selbst beantragte Verfahrenseröffnung ersichtlich ohne Belang und bedarf daher an dieser Stelle keines näheren Eingehens.

4.

Das Rechtsmittel der Schuldnerin war daher mit der Kostenfolge aus den §§ 4 InsO, 97 Abs. 1 ZPO als unzulässig zu verwerfen.

Geschäftswert des Verfahrens der weiteren Beschwerde: 58.157,16 DM (wie Vorinstanz)