LSG der Länder Berlin und Brandenburg, Urteil vom 15.12.2015 - L 9 KR 132/13
Fundstelle
openJur 2016, 5315
  • Rkr:

1. Der frühere Spitzenverband der landwirtschaftlichen Sozialversicherung war im Jahre 2011 nicht befugt, anstelle einer landwirtschaftlichen Krankenkasse über einen Antrag eines deren Mitglieder auf Kostenübernahme für eine Behandlung in einem nicht zugelassenen Krankenhaus zu entscheiden.

2. Zu einem Fall der (hier fehlenden) Unaufschiebbarkeit i.S.v. § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V.

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 14. März 2013 geändert. Der Bescheid vom 3. August 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. Januar 2012 wird aufgehoben. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers im gesamten Verfahren zu einem Drittel.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um Kostenerstattung für eine vom Kläger in der Zeit vom 15. Juli bis 12. August 2011 in Anspruch genommene stationäre Behandlung in der nicht zur Behandlung gesetzlich Versicherter zugelassenen O-Klinik in W-R. Das Gesamtkonzept dieser nicht öffentlich geförderten Klinik beinhaltet nach eigenen Angaben tägliche Einzeltherapie (50 Minuten), tägliche Gruppentherapie (100 Minuten), zweimal wöchentlich Kunsttherapie (je 100 Minuten), zweimal wöchentlich Abstinenzkompetenz- sowie Abstinenztrainingsgruppe (50 Minuten), tägliche Entspannungsverfahren (20 Minuten) sowie in unterschiedlichem Ausmaße Körpertherapie, achtsamkeitsbezogene Verfahren u.ä.. Dieses Gesamtkonzept werde durch eine enge Verzahnung des somatischen Bereichs (mit intensiver internistischer Diagnostik und Überwachung) mit dem fachärztlich geführten psychotherapeutisch-psychiatrischen Bereich gewährleistet.

Bei dem 1949 geborenen Kläger, der seit 1998 ein landwirtschaftliches Ein-Mann-Unternehmen führt und bei der Landwirtschaftlichen Krankenkasse Mittel- und Ostdeutschland (LKK MOD), einer Rechtsvorgängerin der Beklagten, pflichtversichert war, entwickelte sich in der Folgezeit, u.a. aufgrund angespannter familiärer Verhältnisse, eine Alkoholkrankheit (zuletzt 3 bis 5 Flaschen Bier zum Feierabend), die nach fachkundiger Einschätzung von Familienangehörigen – u.a. seiner als Fachärztin für Innere Medizin an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ehefrau, der Zeugin G W sowie seiner als Psychologin und psychologischen Psychotherapeutin in einer Reha-Klinik tätigen Schwägerin, der Zeugin S K – mit depressiven Zuständen einherging. In der Nacht vom 08. (Freitag) auf den 09. Juli 2011 spitzte sich die Situation nach einem sehr starken Alkoholgenuss des Klägers so zu, dass seine Ehefrau auch mit einem Suizid rechnete. Nachdem die Situation durch Familienmitglieder des Klägers (Ehefrau, Tochter und Schwiegersohn) befriedet werden konnte, war er – so die Angaben seiner Ehefrau – erstmals bereit, professionelle Hilfe zur Behandlung seiner Alkoholkrankheit in Anspruch zu nehmen.

Am 12. Juli 2011 nahm die Ehefrau des Klägers erstmals telefonischen Kontakt mit dem damaligen Spitzenverband der Landwirtschaftlichen Sozialversicherung (LSV-SpV) auf. Sie schilderte ausführlich den Gesundheitszustand des Klägers und erkundigte sich unter Hinweis auf die dortige sofortige Aufnahmemöglichkeit nach einer Kostenübernahme für eine Behandlung des Klägers in der O-Klinik, weil er aus ärztlicher Sicht schnellstmöglich qualifizierte Hilfe benötige. Die nur in dieser Klinik gewährleistete effektive und qualifizierte Behandlung verkürze die stationäre Behandlungsdauer. Nach einem Aktenvermerk eines Mitarbeiters des LSV-SpV, Herrn P, kündigte die Ehefrau des Klägers ferner an, ein zusätzliches Attest des behandelnden Arztes der O-Klinik nachzureichen. Ferner sei er mit der Ehefrau so verblieben, dass die Unterlagen dem medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) vorgelegt werden sollten, um prüfen zu lassen, ob eine Kostenübernahme in der Privatklinik unter den geschilderten Gesichtspunkten medizinisch begründet erscheine. Nach den Angaben der Ehefrau des Klägers teilte Herr P mit, dass „vom Prinzip her die Möglichkeit bestehe“, den Kläger in der O-Klinik zu behandeln. Herr P habe auch Alternativen prüfen wollen, spontan jedoch keine Alternative gewusst und ihr große Hoffnung auf eine Kostenübernahme gemacht. In ihrem schriftlichen Antrag vom gleichen Tag, bei der LKK MOD eingegangen am 13. Juli 2011, gab die Ehefrau des Klägers an, er leide an einem depressiven Erschöpfungszusammenbruch bei langjähriger Durchhaltestrategie; das vorliegende Burnout-Syndrom mit akuter Interventionsbedürftigkeit erfordere eine schnellstmögliche Behandlungsaufnahme, die nur in der O-Klinik sofort realisierbar sei und gleichzeitig den gewünschten Behandlungserfolg erwarten lasse.

Am 14. Juli 2011 verordnete die Ehefrau des Klägers ihm Krankenhausbehandlung. Am 15. Juli 2011 schloss der Kläger mit der O-Klinik einen „Vertrag zur Erbringung von Unterbringungs- und Versorgungsleistungen“ und wurde noch am selben Tag aufgenommen. In einem vom Zeugen H (Facharzt für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Oberarzt in der O-Klinik) unterzeichneten Schreiben an die LKK MOD vom 18. Juli 2011 findet sich die Diagnose „Verdacht auf Alkoholabhängigkeit, derzeit abstinent“ sowie der Hinweis, dass der Kläger bei Aufnahme nüchtern, bewusstseinsklar, aber auch nicht depressiv verstimmt gewesen sei. Aufgrund seiner Angabe, am 11. Juli 2011 zuletzt Alkohol getrunken zu haben, sei die Notwendigkeit einer Entgiftungsbehandlung entfallen; auch im Verlauf des Wochenendes hätten sich keine Anzeichen für eine Alkoholentzugssymptomatik ergeben.

Nachdem der LSV-SpV am 29. Juli 2011 Krankenhäuser im Land Brandenburg mit psychiatrischen Abteilungen und den Tagessatz für eine Behandlung in der O-Klinik ermittelt hatte, bat er den MDK um eine Stellungnahme. Nach dem MDK-Gutachten des Dipl.-Med. S vom 01. August 2011 geht aus den vorgelegten Unterlagen nicht hervor, inwiefern die gesetzlich zur Verfügung stehenden therapeutischen Möglichkeiten nicht für eine Behandlung des Versicherten ausreichen sollten. Hierauf gestützt lehnte der LSV-SpV im Namen der LKK MOD eine Kostenübernahme für die stationäre Behandlung des Klägers in der O-Klinik ab (Bescheid vom 3. August 2011).

Mit seinem Widerspruch brachte der Kläger vor, dass er aufgrund des umfassenden, spezialisierten und sehr intensiven Gesamtbehandlungskonzepts der O-Klinik sowie aufgrund seines eigenen Willens seiner Alkohol- und Nikotinsucht entsagt habe. Dieser Behandlungserfolg wäre in einer anderen Klinik in dieser kurzen Zeit nicht möglich gewesen. Der Kläger reichte in diesem Zusammenhang den Kurz-Entlassungsbericht der O-Klinik vom 10. August 2011 ein, wonach sie eine qualifizierte Entgiftung mit Motivationsbehandlung durchgeführt habe und zur Stabilisierung der Abstinenz eine Entwöhnungsbehandlung für mindestens sechs bis acht Wochen sowie eine begleitende Psychotherapie und die Teilnahme an Selbsthilfegruppen dringend empfehle.

Unter dem 25. August 2011 stellte die O-Klinik für die streitige Behandlung den vom Kläger vollständig beglichenen Betrag von 12.436,67 Euro in Rechnung. Der von den Zeugen Prof. Dr. M (damaliger Chefarzt der O-Klinik) und H unterzeichnete Abschlussbericht der vom 11. Oktober 2011 beschreibt den psychopathologischen Befund des Klägers u.a. wie folgt:

„15.07.2011: Wach, bewusstseinsklar; im Kontakt freundlich zugewandt, offen, gesprächsbereit, Symptome bagatellisierend, voll orientiert. Mnestische Funktionen intakt. Affektive Schwingungsfähigkeit erhalten. Antrieb ausgeglichen. Formales Denken intakt, kein Hinweis für Befürchtungen und Zwänge, kein Hinweis für Wahn, Sinnestäuschungen oder Ich-Störungen. Keine Hinweise auf akute Suizidalität. Krankheitsgefühl vorhanden. Krankheitseinsicht vorhanden. Behandlungswillig, therapiemotiviert.

10.08.2011: Wach, bewusstseinsklar; im Kontakt freundlich zugewandt, offen, gesprächsbereit, Symptome bagatellisierend, voll orientiert. Mnestische Funktionen intakt. Im affektiven Bereich: Gefühl der Gefühllosigkeit, affektarm, Schuld- und Schamgefühle, ambivalent, Antrieb ausgeglichen. Im formalen Gedankengang leicht verlangsamt, leicht eingeengt, kein Hinweis auf Befürchtungen und Zwänge, kein Hinweis für Wahn, Sinnestäuschungen oder Ich-Störungen. Keine Hinweise auf akute Suizidalität. Mäßig ausgeprägtes Krankheitsgefühl. Bedingte Krankheitseinsicht. Behandlungswillig, therapiemotiviert.“

Eine depressive Symptomatik lag nach diesem Bericht während des gesamten Aufenthalts nicht vor.

Mit Widerspruchsbescheid vom 26. Januar 2012 wies der LSV-SpV im Namen der LKK MOD den Widerspruch des Klägers zurück.

Mit Urteil vom 14. März 2013 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Der Anspruch des Klägers scheitere daran, dass die O-Klinik nicht zu den zugelassenen Krankenhäusern nach § 108 Sozialgesetzbuch / Fünftes Buch (SGB V) gehöre. Außerdem liege die für § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V geforderte Kausalität zwischen der ablehnenden Entscheidung der Krankenkasse und der Entstehung der Kosten nicht vor. Ohne auf die angekündigte Prüfung durch den MDK oder den ablehnenden Bescheid zu warten, habe sich der Kläger am 15. Juli 2011 in stationäre Behandlung begeben. Anhaltspunkte, dass es sich um eine unaufschiebbare Leistung im Sinne einer Notfallbehandlung gehandelt habe, lägen nicht vor. Es könne zwar unterstellt werden, dass eine Aufnahme des Klägers zur Behandlung der Alkoholerkrankung bald/unmittelbar oder kurzfristig habe erfolgen müssen. Es sei jedoch weder erkennbar noch vorgetragen, dass der Kläger nicht auch in einem anderen Akut-Krankenhaus habe behandelt werden können. Gegen eine Unaufschiebbarkeit spreche auch der Bericht der Klinik vom 18. Juli 2011.

Gegen dieses ihm am 09. April 2013 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung des Klägers vom 07. Mai 2013, zu deren Begründung er vorträgt:

Anlässlich des Telefonats mit seiner Ehefrau am 12. Juli 2011 habe Herr P eine Kostenübernahme für die Behandlung in der O-Klinik zumindest nicht kategorisch abgelehnt, sondern eine Prüfung in Aussicht gestellt, aber auch auf alternative Behandlungsmöglichkeiten nicht hingewiesen. Auf die gesetzlichen Voraussetzungen von § 13 Abs. 3 SGB V sei seine Ehefrau während des Telefonats ebenso wenig hingewiesen worden wie auf das Angebot geeigneter zugelassener Krankenhäuser. Ihm sei nicht zuzumuten gewesen, die Entscheidung der Krankenkasse über den Kostenübernahmeantrag abzuwarten. Die Krankenkasse habe die besondere Dringlichkeit der Entscheidung über diesen Antrag nicht gesehen, denn sie habe erst am 29. Juli 2011 den MDK um eine Stellungnahme gebeten.

Nach seinem Zusammenbruch in der Nacht vom 08. auf den 09. Juli 2011 habe es ein „Zeitfenster der Einsichtsfähigkeit“ gegeben, in dem er zu einer kausalen Behandlung seiner Alkoholerkrankung erstmals bereit gewesen sei. Seine Ehefrau sei aus ihrer langjährigen beruflichen Erfahrung heraus zur Überzeugung gelangt, dass eine Behandlung in Einrichtungen, die zur Behandlung gesetzlich Versicherter zugelassen waren, nicht erfolgversprechend gewesen wäre. Von einer befreundeten Ärztin (der ebenfalls an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Fachärztin für Innere Medizin Dr. J) habe sie am 09. Juli 2011 erfahren, dass das Potsdamer Ernst von Bergmann Klinikum und das Krankenhaus Treuenbrietzen zwar eine Entgiftung, nicht aber eine sofortige psychotherapeutische Weiterbehandlung durchführen könne. Die zur Verfügung stehenden zugelassenen Akut-Krankenhäuser hätten ein Therapiekonzept verfolgt, bei dem die „Entgiftung“ im Vordergrund gestanden habe.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 14. März 2013 sowie den Bescheid der Beklagten vom 3. August 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. Januar 2012 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an ihn 12.741,36 Euro zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend und verweist ergänzend auf eine Stellungnahme ihres Mitarbeiters P vom 26. November 2013.

Der Berichterstatter hat die den Kläger betreffende Patientenakte der O-Klinik beigezogen, die Sach- und Rechtslage mit den Beteiligten am 21. Januar 2015 erörtert und hierbei die Ehefrau des Klägers sowie die Zeugin K vernommen. In der mündlichen Verhandlung hat der Senat ferner die Zeugen Dr. M und H vernommen.

Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme, wegen des Sach- und Streitstandes im Einzelnen sowie wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogene Verwaltungsakte, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung war, verwiesen.

Gründe

Die Berufung ist zulässig und teilweise begründet. Das Sozialgericht hätte die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz - SGG) nicht insgesamt abweisen dürfen. Denn die angefochtenen Bescheide sind aus formalen Gründen rechtswidrig und daher aufzuheben. Ein Zahlungsanspruch des Klägers gegen die Beklagte besteht indes nicht.

A. Soweit der Kläger die Aufhebung des Bescheids vom 3. August 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. Januar 2012 begehrt, hat seine Berufung Erfolg. Das Sozialgericht hätte der Anfechtungsklage stattgeben müssen. Denn diese Bescheide sind rechtswidrig, weil sie von einer sachlich unzuständigen Behörde erlassen wurden.

I. Bis zur Einführung einer einheitlichen Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau – der jetzigen Beklagten – zum 1. Januar 2013 durch das Gesetz zur Neuordnung der Organisation der landwirtschaftlichen Sozialversicherung vom 12. April 2012 (BGBl. I, S. 579) waren Träger der Krankenversicherung der Landwirte gemäß § 166 Sätze 1 SGB V (in der bis zum 31. Dezember 2012 geltenden alten Fassung - aF) i.V.m. § 17 Abs. 1 Satz 1 KVLG aF die bei jeder landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft errichteten landwirtschaftlichen Krankenkassen Es galten die Vorschriften der Gesetze über die Krankenversicherung der Landwirte (§ 166 Abs. 2 SGB V aF). Durch das Gesetz zur Modernisierung des Rechts der landwirtschaftlichen Sozialversicherung (LSVMG) vom 18. Dezember 2007 (BGBl. I, S. 2984) wurden dem LSV-SpV als originäre Verbandsaufgabe (BT-Drs. 16/6520, S. 33, 42) die Überprüfung der Krankenhaus- und Apothekenabrechnungen für die landwirtschaftlichen Krankenkassen übertragen (§ 34 Abs. 3 Nr. 2 KVLG aF). Diese Zentralisierung dieses Aufgabenbereichs sollte erhebliche Vorteile mit sich bringen, insbesondere sollte es „durch eine Bündelung von fachlichem Know-how in einem multiprofessionellen Team, eine qualitativ hochwertige und einheitliche Bearbeitung der Fälle und die Nutzung organisatorischer Synergieeffekte zu einem erheblichen Einsparpotenzial“ kommen (BT-Drs. 16/6520, S. 33, 42).

II. § 34 Abs. 3 Nr. 2 KVLG berechtigte den LSV-SpV indes nicht dazu, jegliche Art von Anträgen, die sich auf Krankenhausleistungen bezogen, anstelle der im Übrigen für die Angelegenheiten des Klägers zuständigen LKK MOD zu bearbeiten. Der Gesetzeswortlaut begrenzt die Aufgabenübertragung vielmehr ausdrücklich auf die Überprüfung von Abrechnungen. Der Senat kann offenlassen, ob sich der Gesetzesbegründung der Wille zu einer darüber hinaus gehenden Zuständigkeitskonzentration zugunsten des LSV-SpV entnehmen lässt; ein solcher Wille fand jedenfalls im Wortlaut von § 34 Abs. 3 Nr. 2 KVLG keinerlei Niederschlag.

III. Der LSV-SpV durfte auch nicht aufgrund eines entsprechenden Auftrags des LKK MOD über den klägerischen Kostenübernahmeantrag entscheiden. Zwar kann ein Leistungsträger (Auftraggeber) gemäß § 88 Abs. 1 Satz 1 SGB X unter dort näher genannten Bedingungen ihm obliegende Aufgaben durch einen anderen Leistungsträger oder seinen Verband (Beauftragter) mit dessen Zustimmung wahrnehmen lassen. Verwaltungsakte dürfen Verbände – auch im Falle einer zulässigen Beauftragung – gemäß § 88 Abs. 3 Satz 1 SGB X aber nur erlassen, soweit sie hierzu durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes berechtigt sind. Eine Berechtigung, über Krankenhausleistungen betreffende Anträge von Versicherten zu entscheiden, beinhaltet aber weder § 34 Abs. 3 Nr. 2 KVLG noch eine andere Norm.

IV. Hat somit die sachlich unzuständige Behörde über den klägerischen Antrag entschieden, führt allein dies schon zur Rechtswidrigkeit der erlassenen Bescheide. Dies ergibt sich im Umkehrschluss aus § 42 Satz 1 SGB X, wonach allenfalls die Verletzung von Vorschriften über die örtliche Zuständigkeit unbeachtlich sein kann. Da der Mangel der sachlichen Unzuständigkeit auch nicht nach § 41 SGB X unbeachtlich ist, führt er unmittelbar zur Rechtswidrigkeit der streitgegenständlichen Bescheide (BSG, Urteile vom 03. September 1998 – B 12 KR 23/97 R – und vom 11. Dezember 1987 – 12 RK 22/86 –, juris, jeweils m.w.N.).

B. Die auf Zahlung (Kostenerstattung) gerichtete Leistungsklage ist hingegen unbegründet.

I. Einzige in Betracht kommende Anspruchsgrundlage ist § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V. Danach sind, wenn die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen konnte (1. Alt.) oder sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat (2. Alt.) und dadurch Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden sind, diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war.

1. Die Voraussetzungen der zweiten Tatbestandsalternative (rechtswidrige Leistungsablehnung) sind im Falle des Klägers nicht gegeben. Erstattungsfähig sind insoweit nur Kosten, deren Ursache („dadurch“) in der (rechtswidrigen) Leistungsablehnung liegen.

a. Ausgeschlossen sind damit Kosten, die bereits vor der erstmaligen Leistungsablehnung entstanden sind, im vorliegenden Fall demnach vor der Bekanntgabe des angefochtenen Bescheids vom 3. August 2011. Weil sich die streitgegenständliche Behandlung in der O-Klinik indes als einheitliche stationär erbrachte Maßnahme darstellt, erfasst der auf der fehlenden Kausalität beruhende Ausschluss der Kostenerstattung die gesamte Leistung.

Bei laufenden oder sich über einen längeren Zeitraum erstreckenden Leistungen wird allerdings die ablehnende Entscheidung der Krankenkasse im allgemeinen als Zäsur gesehen und die Kostenerstattung nur für diejenigen Leistungen ausgeschlossen, die bis zum Zeitpunkt der Entscheidung auf eigene Rechnung beschafft wurden; für spätere Leistungen wird der erforderliche Kausalzusammenhang dagegen bejaht. Das kann indes nur gelten, wenn die nachträglich getroffene Entscheidung der Krankenkasse noch geeignet war, das weitere Leistungsgeschehen zu beeinflussen. War mit dem vom Versicherten initiierten Beginn der Behandlung das weitere Vorgehen bereits endgültig festgelegt, fehlt der erforderliche Ursachenzusammenhang zwischen der Ablehnung der Kasse und der Kostenbelastung auch für den Teil der Behandlung, der zeitlich nach dem ablehnenden Bescheid liegt (BSG, Urteil vom 19. Juni 2001 – B 1 KR 23/00 R –, juris, m.w.N.). Nach diesen rechtlichen Maßstäben stellt sich die stationäre Versorgung des Klägers in der O-Klinik als einheitlich konzipierter und durchgeführter Behandlungsvorgang dar, der sich hinsichtlich der Leistungsbewilligung nicht aufspalten lässt.

b. An der erforderlichen Kausalität der entstandenen Kosten fehlt es aber auch, wenn der Versicherte sich unabhängig davon, wie die Entscheidung der Krankenkasse ausfällt, von vornherein auf eine bestimmte Art der Krankenbehandlung durch einen bestimmten Leistungserbringer festgelegt hat und fest entschlossen ist, sich die Leistung selbst dann zu beschaffen, wenn die Krankenkasse den Antrag ablehnen sollte (BSG, Urteil vom 08. September 2015 – B 1 KR 14/14 R –, juris, m.w.N.). Dies ist hier der Fall, weil die Ehefrau des Klägers – legt man die Stellungnahme von Herrn P vom 26. November 2013 zugrunde – unabhängig von der Entscheidung der Krankenkasse entschlossen war, ihn in die O-Klinik einzuweisen. Dass der Kläger sich dem widersetzen wollte, ist nicht zu erkennen.

2. Der Kläger hat sich auch keine unaufschiebbare Leistung i.S.v. § 13 Abs. 3 Satz 1, 1. Alt. SGB V verschafft.

a. Unaufschiebbarkeit verlangt, dass die beantragte Leistung im Zeitpunkt ihrer tatsächlichen Erbringung so dringlich ist, dass aus medizinischer Sicht keine Möglichkeit eines nennenswerten Aufschubes mehr besteht, um vor der Beschaffung die Entscheidung der Krankenkasse abzuwarten. Ein Zuwarten darf dem Versicherten aus medizinischen Gründen nicht mehr zumutbar sein, weil der angestrebte Behandlungserfolg zu einem späteren Zeitpunkt nicht mehr eintreten kann oder z.B. wegen der Intensität der Schmerzen ein auch nur vorübergehendes weiteres Zuwarten nicht mehr zuzumuten ist. Überholt ist demgegenüber die Auffassung, dass der Kostenerstattungsanspruch nur dann mit dem Unvermögen der Krankenkasse zur rechtzeitigen Erbringung einer unaufschiebbaren Leistung begründet werden kann, wenn es dem Versicherten – aus medizinischen oder anderen Gründen – nicht möglich oder nicht zuzumuten war, vor der Beschaffung die Krankenkasse einzuschalten. Diese Sicht ist zu eng und vernachlässigt die Normstruktur des § 13 Abs. 3 S 1 SGB V. Die Alternative zur rechtswidrigen Ablehnung des Antrags (§ 13 Abs. 3 S 1 Fall 2 SGB V) besteht gerade, um Eilsituationen aufgrund der Unaufschiebbarkeit Rechnung zu tragen, bei denen der Versicherte die Entscheidung seiner Krankenkasse nicht mehr abwarten kann (BSG, Urteil vom 08. September 2015 – B 1 KR 14/14 R –, juris, m.w.N.; vgl. auch Hauck, in: Peters, Handbuch der Krankenversicherung, Teil II, Bd. 1, Stand: April 2015, § 13 SGB V Rd. 250). Unaufschiebbar kann danach auch eine zunächst nicht eilbedürftige Behandlung werden, wenn der Versicherte mit der Ausführung so lange wartet, bis die Leistung zwingend erbracht werden muss, um den mit ihr angestrebten Erfolg noch zu erreichen, oder um sicherzustellen, dass er noch innerhalb eines therapeutischen Zeitfensters die benötigte Behandlung erhalten wird. Dies gilt umso mehr, wenn der Beschaffungsvorgang aus der Natur der Sache heraus eines längeren zeitlichen Vorlaufs bedarf und der Zeitpunkt der Entscheidung der Krankenkasse nicht abzusehen ist. Es betrifft auch die Fälle, in denen der Versicherte zunächst einen Antrag bei der Krankenkasse stellte, aber wegen Unaufschiebbarkeit deren Entscheidung nicht mehr abwarten konnte (BSG a.a.O.).

b. Demgegenüber vermag ein Notfall im Sinn von § 76 Abs. 1 Satz 2 SGB V grundsätzlich keinen Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs. 3 Satz 1, 1. Alt. SGB V zu begründen, sondern schließt ihn aus. Ist die Behandlung aus medizinischen Gründen so dringlich, dass es bereits an der Zeit für die Auswahl eines zugelassenen Therapeuten und dessen Behandlung – sei es durch dessen Aufsuchen oder Herbeirufen – fehlt, also ein unvermittelt aufgetretener Behandlungsbedarf sofort befriedigt werden muss, liegt ein Notfall vor. In diesem Fall dürfen auch andere, nicht zugelassene Therapeuten in Anspruch genommen werden und erbringen ihre Leistung als Naturalleistung (§ 76 Abs. 1 Satz 2 SGB V). Der Leistungserbringer kann in diesem Fall seine Vergütung nicht vom Versicherten, sondern nur von der Kassenärztlichen Vereinigung verlangen. Das entspricht bei ärztlichen Leistungen einem allgemeinen Prinzip. So werden in Notfällen von Nichtvertragsärzten erbrachte Leistungen im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung durchgeführt und aus der Gesamtvergütung vergütet. Auch die stationäre Notfallbehandlung eines Versicherten in einem nicht zugelassenen Krankenhaus ist eine Naturalleistung der GKV. Der Vergütungsanspruch richtet sich nicht gegen den Versicherten, sondern allein gegen die Krankenkasse (BSG a.a.O.).

Ein Notfall in diesem Sinne lag schon deshalb nicht vor, weil zwischen dem auslösenden Ereignis in der Nacht vom 8. auf den 9. Juli 2011 und der Krankenhausaufnahme am 15. Juli 2011 fast eine Woche verstreichen konnte, ohne dass sich der Gesundheitszustand des Klägers verschlechtert hat. Darüber hinaus war es dem Kläger offenkundig möglich, eine Auswahl unter mehreren (zugelassenen oder nicht zugelassenen) Leistungserbringern zu treffen.

c. Die am 15. Juli 2011 begonnene Krankenhausbehandlung in der O-Klinik stellte keine unaufschiebbare Leistung im o.g. Sinne dar.

aa. Sie musste zwar möglichst rasch und zeitnah zu dem Vorfall in der Nacht vom 8. auf den 9. Juli 2011 begonnen werden. Auch war das Zeitfester für die durch den Vorfall ausgelöste Motivationsbereitschaft des Klägers zu beachten. Denn nach besonderen Ereignissen sind alkoholkranke Patienten gewöhnlich besonders für eine Behandlung motiviert; diese Motivation geht in der Regel nach zwei bis drei Monaten wieder verloren. Dieses „Motivationsfenster“ hatte sich allerdings am 15. Juli 2011, also eine Woche nach dem o.g. Vorfall, noch nicht geschlossen. Selbst wenn man berücksichtigt, dass die O-Klinik entsprechend ihrem eigenen Anspruch bemüht ist, alkoholkranke Patienten schon ein bis zwei Wochen nach einem das „Motivationsfenster“ öffnenden Vorfall aufzunehmen, wären dem Kläger noch sieben weitere Tage geblieben, um sich nach anderweitigen Behandlungsmöglichkeiten bei Krankenhäusern, die zur Behandlung gesetzlich Versicherter nach § 108 SGB V zugelassen waren, zu erkundigen. Hinzu kommt, dass die innerhalb des „Motivationsfensters“ zu beginnende qualifizierte Entzugsbehandlung auch in jedem zugelassenen Krankenhaus, das über diese Therapiemöglichkeit verfügt, hätte durchgeführt werden können. Allein die in der O-Klinik angebotene, im Vergleich mit zugelassenen Einrichtungen erhöhte Therapieintensität führte nicht zur Ungeeignetheit der dort durchgeführten qualifizierten Entzugsbehandlung.

bb. Zu diesen Feststellungen gelangt der Senat aufgrund der widerspruchsfreien und überzeugenden Ausführungen des Zeugen M. Der Zeuge, der nicht zuletzt aufgrund seiner wissenschaftlichen Leistungen und seiner früheren Stellung als Chefarzt über besondere Sachkunde verfügt, konnte sich mithilfe des mitgebrachten Entlassungsberichts an den Kläger und die damals erfolgte Behandlung, gerade auch an etliche Details, erinnern. Er schilderte nachvollziehbar die Problematik des „Motivationsfensters“, nahm aber mit der gebotenen Sachlichkeit für die von ihm damals geführte Klinik nicht in Anspruch, die einzige für den Kläger in seiner Situation geeignete Therapie bereit zu halten. Der Senat sieht demzufolge keinen Anlass, seine Ausführungen in Frage zu stellen. Nicht folgen konnte der Senat daher der Auffassung der Klägerseite, (qualifizierte) Entzugsbehandlungen in zugelassenen Krankenhäusern wären nicht erfolgversprechend, sondern nur die am 15. Juli 2011 in der O-Klinik begonnene stationäre Behandlung sei für den Kläger geeignet gewesen.

C. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und entspricht dem Ausgang des Rechtsstreits. Bei einem nur teilweisen Obsiegen des Klägers ist sein erfolgreiches Anfechtungsbegehren mit einem Drittel zu berücksichtigen, da der Schwerpunkt des klägerischen Begehrens auf der Kostenerstattung liegt und die Aufhebung der angefochtenen Bescheide lediglich als Zwischenschritt zu diesem Ziel erforderlich ist.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da Zulassungsgründe im Sinne von § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.