ArbG Düsseldorf, Urteil vom 29.11.2010 - 2 Ca 5395/10
Fundstelle
openJur 2016, 5236
  • Rkr:
Tenor

1. Es wird festgestellt, dass das zwischen dem Kläger und der Beklagten bestehende, durch Arbeitsvertrag vom 01.08.2008 ("International Assignment Letter") begründete und durch Vereinbarung von 08.06.2009 verlängerte Arbeitsverhältnis weder durch die Kündigung vom 15.07.2010, zugegangen am 30.07.2010, noch durch die Kündigung der Beklagten vom 27.08.2010 ("Recall"), zugegangen am 02.09.2010, aufgelöst worden ist.

2. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Kündigung vom 15.07.2010 und 27.08.2010 zu unveränderten Arbeitsbedingungen als Expansion Director am Standort N. 000 real,-Hypermarket in S. weiter zu beschäftigen.

3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

4. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte zu 89 % und der Kläger zu 11 %.

5. Der Streitwert wird auf 299.505,96 € festgesetzt.

Tatbestand

Der Kläger ist seit dem 01.01.1990 im N. beschäftigt, ist verheiratet und hat 5 Kinder. Er war zuletzt als Expansion Director in N. mit einem Durchschnittsbruttomonatsverdienst von 49.917,66 € beschäftigt.

Grundlage der Beschäftigung ist zum einen ein Arbeitsvertrag, datierend vom 21.12.1992, aufgrund dessen der Kläger bei der Beklagten als "Bereichsleiter Recht und Immobilien" beschäftigt ist. Zum Zweiten eine unter dem 01.08.2008 zwischen den Parteien geschlossene Auslandsentsendevereinbarung (vgl. Bl. 126 ff der Akten), wonach der Kläger mit Wirkung vom 1. August 2008 als Expansion Director zu der P. in S. entsandt wurde. Die Entsendung sollte bis zum 28.02.2010 dauern.

Unter Absatz 6 des § 1 der Entsendevereinbarung heißt es:

"Für die Dauer der Entsendung ruht ihr Arbeitsverhältnis in ihrem Heimatland."

Unter § 2 Absatz 1 heißt es:

"Wie nach den lokalen Bestimmungen des Gastlandes vorgesehen, erklären Sie sich hiermit einverstanden, einen lokalen Arbeitsvertrag mit s. zu schließen."

Unter § 1 Absatz 4 heißt es:

"s. verzichtet für die Zeit der Entsendung auf Ihr Recht zur ordentlichen Kündigung. Für denselben Zeitraum verzichten Sie auf ihr Recht zur ordentlichen Kündigung. Eine Kündigung durch s. oder eine Kündigung durch Sie vor dem 28. Februar 2010 ist daher nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes wirksam."

Unter § 16 der Vereinbarung heißt es

"16.1 Rückholung/Mobilität.

Sie können jederzeit von Ihrem Einsatz bei s. zurückgeholt werden, falls dies aus geschäftlichen oder aus anderen wichtigen Gründen erforderlich ist. In solchen besonderen, gerechtfertigten Fällen enden sowohl Ihre Beschäftigung bei s. als auch diese Auslandsentsendevereinbarung ohne weitere rechtliche Schritte".

In § 24 Absatz 4 heißt es:

"Die vorliegende Vereinbarung unterliegt deutschem Recht. Ferner unterliegt sie der Gerichtsbarkeit der Gerichte in Düsseldorf."

Unterzeichnet ist die Entsendevereinbarung durch E..

Unter dem 8. Juni 2009 schlossen die Parteien eine Vereinbarung nach deren Ziffer 1 die Dauer der Auslandsentsendevereinbarung vom 21. August 2008 bis zum 28. Februar 2013 verlängert wurde. Ziffer 2 der Vereinbarung vom 8. Juni 2009 betrifft eine Gehaltserhöhung des Klägers. In Ziffer 3 der Vereinbarung vom 8. Juni 2009 heißt es:

"Alle sonstigen Bestimmungen Ihres Vertrages bleiben unberührt."

Auch diese Vereinbarung ist unterzeichnet von E. (vgl. Bl. 137 f der Akte).

Unter dem 30.07.2010 überreichte die Beklagte dem Kläger ein auf den 15.07.2010 datiertes Schreiben (vgl. Bl. 139 d. A.), in dem es heißt:

"Kündigung Ihrer Auslandsentsendevereinbarung vom 1. August 2008 und aller zugehörigen Nebenabreden".

Das Schreiben verweist auf eine vermeintliche Einigung der Parteien, nach der der Kläger am 1. September 2010 eine neue Position bei der s. übernehmen werde, so dass die Auslandsentsendevereinbarung nebst aller zugehörigen Nebenabreden mit Wirkung zum 31. August 2010 gekündigt werde. Es ist unterzeichnet von E..

Mit E-Mail vom 17.08.2010 bat der Kläger die Beklagte mitzuteilen, dass das Schreiben vom 15.07.2010 nicht als Kündigung zu verstehen sei. Diese Bestätigung wurde nicht abgegeben, vielmehr wurde dem Kläger am 20.08.2010 mitgeteilt, dass das Schreiben vom 15.07.2010 durchaus als Kündigung zu verstehen sei.

Unter dem 02.09.2010 erhielt der Kläger von der Beklagten ein Schreiben vom 27.08.2010, in dem die Beklagte gemäß § 16.1 der Entsendevereinbarung von Ihrem Recht zum "Recall" Gebrauch machte. Danach sollte der Recall mit sofortiger Wirkung wirksam werden. Der Kläger sollte nach Deutschland zurückkehren und dort seine Arbeit zum 01.10.2009 antreten. Ihm wurde eingeräumt, bis zum 10.09.2010 Gründe mitzuteilen, wenn ein Beginn zum 01.10.2010 nicht in Betracht käme. Bis zum 01.10.2010 wurde der Kläger von der Erbringung der Arbeitsleistung freigestellt. Insoweit heißt es wörtlich in dem Schreiben "das bezieht sich auch und gerade auf Ihre aktuelle Tätigkeit in S. bei der s.". Auch dieses Schreiben ist unterzeichnet von E..

Der Kläger hat die Kündigung vom 15.07.2010 mit Klage vom 20. August 2010, bei Gericht eingegangen am selben Tag, der Beklagten zugestellt am 27.08.2010, angegriffen. Den mit dem Schreiben vom 27.08.2010 ausgesprochene "Recall" hat der Kläger mit bei Gericht am 23.09.2010 eingegangener Klageerweiterung angegriffen. Diese wurde der Beklagten am 29.09.2010 zugestellt.

Mit der lokalen Gesellschaft in S. gab es einen lokalen Arbeitsvertrag vom 29.07.2008, der bis zum 28.02.2010 befristet war. Bezüglich dieses Vertrages wurde mit Änderungsvereinbarung vom 16.03.2010 mit Wirkung zum 01.04.2010 die Ziffer 1.4 des ursprünglichen Vertrages geändert. Dies betraf die Vergütungsabrede. Die Änderungsvereinbarung ist für die P. unterzeichnet von E.. Eine weitergehende Veränderungsvereinbarung - die nach der Behauptung der Beklagten nach russischem Recht erforderlich ist und ausschließlich die mit der Vereinbarung der Parteien vom 8. Juni 2009 korrespondierende Vertragsverlängerung zum Inhalt hat - hat der Kläger nicht unterzeichnet. Der Kläger gibt an, er werde diese selbstverständlich unmittelbar unterschreiben, wenn man ihm die Änderung vorlege.

Die vom Kläger bei der russischen Gesellschaft eingenommene Position wird seit dem 01.09.2010 durch S. besetzt.

Der Kläger behauptet, eine Vertragsverlängerung des Arbeitsvertrages mit der russischen Gesellschaft sei seitens der Beklagten nie angemahnt worden. Zudem bestehe der Vertrag, der bis zum 28.02.2010 befristet war, weiter fort. Dies ergebe sich aus der unterzeichneten Änderungsvereinbarung vom 29.07.2008. Außerdem habe er noch im März von der russischen Gesellschaft eine Gehaltserhöhung erhalten. Im April wurde eine Bonuszahlung ausgezahlt und auch weitere Zahlungen wurden von der russischen Gesellschaft getätigt. Auch sei seitens der Behörden die Unterzeichnung nie angemahnt worden.

Selbst wenn man den Vortrag der Beklagten unterstelle, ist der Kläger der Ansicht, dass die fehlende Vertragsunterzeichnung kein schwerwiegender verhaltensbedingter Verstoß sei. Auch eine personenbedingte Kündigung käme nicht in Betracht, denn der Vertrag sei über den 28.02. hinaus problemlos und ohne Behördenintervention abgewickelt worden sei. Hinsichtlich des sogenannten "Recall" ist er der Ansicht, dass dieser rechtlich eine Kündigung darstelle. Auch insoweit bestehe kein wichtiger Grund selbst die in § 16 Ziff. 16.1 benannten Voraussetzungen seien durch die Beklagte nicht dargelegt worden. Die Klausel zum Recall sei zudem unwirksam.

Der Kläger beantragt, nachdem er zunächst auch beantragt hatte, dass der Arbeitsvertrag vom 21.12.1992 durch die Kündigung der Beklagten vom 15.07.2010 nicht aufgelöst sei unter Erledigungserklärung im Übrigen,

1.festzustellen, dass das zwischen ihm und der Beklagten bestehende durch den Arbeitsvertrag vom 01.08.2008 ("International Assignment Letter") begründete und durch Vereinbarung vom 08.06.2009 verlängerte Arbeitsverhältnis durch die Kündigung der Beklagten vom 15.07.2010, zugegangen am 30.07.2010, nicht aufgelöst ist.

2.festzustellen, dass das zwischen dem Kläger und der Beklagten bestehende, und durch den Arbeitsvertrag vom 01.08.2008 ("International Assignment Letter") begründete und durch Vereinbarung vom 08.06.2009 verlängerte Arbeitsverhältnis auch durch die Kündigung der Beklagten vom 27.08.2010 ("Recall"), zugegangen am 02.09.2010, nicht aufgelöst ist.

3.festzustellen, dass das zwischen ihm und der Beklagten bestehende durch den Arbeitsvertrag vom 01.08.2008 ("International Assignment Letter") begründete und durch Vereinbarung vom 08.06.2009 verlängerte Arbeitsverhältnis auch nicht aufgrund anderer Beendigungstatbestände endet, sondern zu unveränderten Bedingungen fortbesteht.

4.hilfsweise für den Fall des Obsiegens des Klägers mit den Anträgen zu 1. und 2.:

Die Beklagte zu verurteilen, ihn bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Kündigung vom 15.07.2010 und 27.08.2010 zu unveränderten Arbeitsbedingungen als Expansion Director am Standort N. der P. in S. weiterzubeschäftigen.

5.hilfsweise für den Fall des Unterliegens mit dem Antrag zu 2.:Die Beklagte zu verurteilen, ihn zu unveränderten Arbeitsbedingungen als Expansion Director am Standort N. der P. in S. zu beschäftigen.

Die Beklagte schließt sich der Erledigungserklärung an und beantragt im Übrigen

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte behauptet, dass der Kläger aufgrund der unterlassenen Vertragsunterzeichnung mit der lokalen Entität einem Beschäftigungsverbot in S. unterliege und sich daher rechtswidrig in S. aufhalte. Man habe Ende April die Unterzeichnung der Verlängerungsvereinbarung auch angemahnt. Die Kündigung sei daher gerechtfertigt. Sie erfolge aus personenbedingten Gründen, weil der Kläger die örtlichen öffentlichrechtlichen Beschäftigungsvorgaben nicht einhalte. Hinsichtlich des Recall ist die Beklagte der Ansicht, dass es sich dabei nicht um eine Kündigung handele, weil sie nur die Entsendesituation beende aber nicht das Beschäftigungsverhältnis insgesamt. Insoweit würde nur der status quo ante wieder hergestellt. Zudem sei das Verhalten des Klägers treuwidrig, da man dem Kläger eine Position in Deutschland angeboten habe und dieser sich hierzu bereit erklärt habe und man ihm einen neuen Vertrag zum Termination Letter zum Entsendevertrag mit überreichte.

Für den weitergehenden Vortrag der Parteien wird auf die wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen, sowie auf die Sitzungsniederschriften verwiesen.

Gründe

Die Klage ist im zuerkannten Umfang zulässig und begründet.

I.

Die Klage ist mit Blick auf die Anträge zu 1., zu 2. und zu 4. zulässig.

Der Antrag zu 3. ist hingegen unzulässig. Hinsichtlich des Antrages zu 3. hat der Kläger ein genügendes Feststellungsinteresse im Sinne des § 256 ZPO nicht hinreichend dargelegt. Der Kläger kann neben der Kündigungsschutzklage die allgemeine Feststellungsklage nach § 256 ZPO erheben, insbesondere auch um sicherzustellen, dass eventuell weitere Beendigungstatbestände in den Rechtsstreit "einbezogen" werden. Die selbständige Klage nach § 256 ZPO ist jedoch nur zulässig, wenn der Kläger bis zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung erster Instanz weitere Beendigungstatbestände in den Prozess einführt oder wenigstens deren Möglichkeit darstelle und damit belegt, warum ein in dem § 256 ZPO genügendes Feststellungsinteresse gegeben sein soll. Der Kläger hat jedoch bis zu diesem Zeitpunkt Anhaltspunkte für weitergehende Beendigungstatbestände nicht benannt, so dass im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ein Rechtsschutzinteresse zu verneinen ist. Dies insbesondere deshalb, weil die Beklagte im Kammertermin vom 29.11.2010 zu Protokoll erklärt hat, dass über die streitgegenständlichen Beendigungstatbestände hinaus weitere Beendigungstatbestände nicht bestünden.

II.

Das Arbeitsgericht Düsseldorf ist örtlich und international zuständig. Auf den Rechtstreit ist deutsches Recht anzuwenden.

1.

Die örtliche Zuständigkeit des Arbeitsgerichts Düsseldorf ergibt sich bereits aus § 17 Abs. 1 Satz 1 ZPO, da die Beklagte ihren Sitz in Düsseldorf hat.

2.

Das Arbeitsgericht Düsseldorf ist auch international zuständig.

Grundsätzlich folgt die internationale Zuständigkeit der örtlichen Zuständigkeit. Ist ein deutsches Gericht nach den §§ 12 ff. ZPO örtlich zuständig, ist es regelmäßig auch im Verhältnis zu einem ausländischen Gericht zuständig. Etwas anderes kann sich aus einer anderweitigen Vereinbarung der Parteien ergeben (BAG v. 13.11.2007 - 9 AZR 134/07, juris Rz. 20, 24 ff. m.w.N.). Eine anderweitige Vereinbarung haben die Parteien nicht getroffen. Der Entsendevertrag sieht vielmehr ausdrücklich vor, dass das Arbeitsgericht Düsseldorf zuständig sein soll (vgl. § 24 Abs. 4 Bl. 136 d.A.).

3.

Der Rechtsstreit ist auch nach deutschem Recht zu beurteilen. Dies ergibt sich schon aus der Rechtswahl der Parteien in § 24 Abs. 4 des Vertrages, die zulässig ist (vgl. BAG v. 12.12.2001- 5 AZR 255/00, juris Rz. 23 noch zu Art. 27, 30 EGBGB). Die Zulässigkeit der Rechtswahl besteht auch nach der nunmehr geltenden Regelung des Art. 3 Nr. 1 lit. b) EGBGB i.V.m. Art. 3 Abs. 1, Art. 8 EG Verordnung 593/2008 fort.

Die Rechtswahl ist mit Art. 8 Abs. 1 Satz 2 EG Verordnung 593/2008 vereinbar, da sowohl nach Art. 8 Abs. 2 EG Verordnung 593/2008 als auch nach Art. 8 Abs. 3 EG Verordnung 593/2008 deutsches Recht anwendbar wäre. Denn der Entsendevertrag hat gesehen auf die bisherige Gesamtlaufzeit der arbeitsvertraglichen Beziehung der Parteien und der Befristung bis höchstens 2013 nur vorübergehend die Verrichtung der Arbeit des Klägers in einen anderen Staat verlegt. Insoweit ist das Gericht der Auffassung, dass die Formulierung "in Erfüllung des Vertrages" nicht derart zu verstehen ist, dass ausschließlich und isoliert auf den Entsendevertrag zu rekurieren ist, jedenfalls dann nicht, wenn wie vorliegend der Entsendevertrag das zugrundeliegende Arbeitsverhältnis suspendiert. Auch nach Art. 8 Abs. 3 EG Verordnung 593/2008 wäre deutsches Recht anwendbar, da die Beklagte ihren Sitz in Deutschland hat. Eine engere Verbindung i.S.d. Art. 8 Abs. 4 EG Verordnung 593/2008 zu einem anderen als dem in Art. 8 Abs. 2 EG Verordnung 593/2008 oder Art. 8 Abs. 3 EG Verordnung 593/2008 bezeichneten Staat ist nicht ersichtlich.

III.

Die Klage ist begründet.

1.

Die Kündigung des "International Assignment Letter" vom 15.7.2010, dem Kläger zugegangen am 30.7.2010 ist unwirksam.

a)

Die Kündigung ist schon deshalb unwirksam, weil die Beklagte eine ordentliche Kündigung ausgesprochen hat, zu der sie nicht berechtigt war.

aa)

Die Kündigung wurde als ordentliche Kündigung ausgesprochen.

Die Kündigung nimmt Bezug auf eine vermeintliche Einigung der Parteien und spricht eine Kündigung zum 31.08.2010 aus. Ausgehend von dem Datum des Schreibens, dem 15.7.2010, hat die Beklagte daher eine rund sechswöchige Frist für die Kündigung angesetzt. Diese Fristeinräumung spricht für eine ordentliche Kündigung, da die außerordentliche Kündigung gerade nicht fristgebunden und regelmäßig deshalb ausgesprochen wird, weil der Ablauf einer Kündigungsfrist - bzw. bis zum Ende der vereinbarten Vertragslaufzeit - nicht mehr zumutbar erscheint. Es gibt auch keine anderweitigen Hinweise in dem Schreiben - die Beklagte trägt insoweit auch nichts Näheres vor - was für eine Auslegung bspw. als außerordentlicher Kündigung mit Auslauffrist sprechen könnte.

bb)

Eine ordentliche Kündigung war nach § 1 Abs. 4 der Entsendevereinbarung ausdrücklich ausgeschlossen, so dass die ordentliche Kündigung schon aus diesem Grund unwirksam ist. Die Regelung galt über die Verlängerungsabrede vom 08.06.2009 auch fort, da dort in Ziff. 3 die Fortgeltung der Bestimmungen der ursprünglichen Entsendevereinbarung vom 01.08.2008 vereinbart wurde.

b)

Die ordentliche Kündigung ist zudem nach § 15 Abs. 3 TzBfG unwirksam. Danach ist ein befristetes Arbeitsverhältnis nur ordentlich zu kündigen, wenn dies einzelvertraglich vereinbart ist.

Der "International Assignment Letter" vom 1.8.2008 ist ein Arbeitsverhältnis und zwar das einzige derzeit zwischen den Parteien rechtlich wirkende und eine Vereinbarung einer ordentlichen Kündigungsmöglichkeit ist darin nicht vorgesehen.

aa)

Arbeitnehmer ist, wer auf Grund eines privatrechtlichen Vertrags im Dienste eines anderen zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet ist. In einem Arbeitsverhältnis ist die vertraglich geschuldete Leistung im Rahmen einer von Dritten bestimmten Arbeitsorganisation zu erbringen. Die Eingliederung in die fremde Arbeitsorganisation zeigt sich insbesondere daran, dass der Beschäftigte einem Weisungsrecht seines Vertragspartners (Arbeitgebers) unterliegt. Das Weisungsrecht kann Inhalt, Durchführung, Zeit, Dauer und Ort der Tätigkeit betreffen. Arbeitnehmer ist derjenige, der nicht im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann (BAG v. 7.2.2007 - 5 AZR 270/06, juris Rz. 13; BAG v. 9.10.2002 - 5 AZR 405/01 juris Rz. 19). Die Arbeitsverpflichtung als Hauptleistungspflicht muss nicht zwingend dem Berechtigten (Vertragspartner) geschuldet sein in der Weise, dass die versprochenen Dienste im Rahmen der Betriebe des Berechtigten zu leisten sind. Ein Rechtssatz des Inhalts, dass der Arbeitnehmer seine Arbeitskraft stets zumindest auch bei dem in Anspruch genommenen Vertragspartner einsetzen müsse, existiert nicht (BAG v. 21.1.1999 - 2 AZR 648/97, juris Rz. 42).

bb)

Nach diesen Voraussetzungen ist der "International Assignment Letter" vom 1.8.2008 ein Arbeitsvertrag.

Der Kläger verpflichtet sich darin, nach näherer Maßgabe eines mit der lokalen Entität noch abzuschließenden Vertrages, seine Dienste in S. gegen ein im Vertrag festgesetztes Jahresgrundgehalt zu erbringen (vgl. § 2 Abs. 1; § 3 Ziff. 3.1). Er hat dabei seine volle Arbeitskraft zur Verfügung zu stellen (§ 20 Abs. 1). Der Entsendevertrag soll insoweit das bisherige Arbeitsverhältnis der Parteien zum ruhen bringen (vgl. § 1 Abs. 5), d.h. nach Auffassung der Kammer dieses zeitweilig ersetzen. Die Beklagte behält sich auch wesentliche Weisungsrechte vor. So ist ihr gemäß § 6 Abs. 4 Satz 1 vorbehalten, den Kläger von seinen (Arbeits)Pflichten freizustellen. Nach § 16 Ziff. 16.1 und 16.2 behält sich die Beklagte vor, den Kläger - offenbar aus dem Arbeitsverhältnis mit der lokalen russischen Gesellschaft - herauszulösen und ihn nach Deutschland zurückzuholen. Hinsichtlich anderweitiger Tätigkeiten hat der Kläger die Beklagte zu informieren, bevor er diese annimmt und sich diese von der Beklagten genehmigen lassen. Etwaige Verdienste aus diesen Tätigkeiten hat der Kläger an die Beklagte abzuführen (§ 20 Abs. 1, 2).

cc)

Die Vereinbarung einer ordentlichen Kündigungsmöglichkeit enthält die befristete Entsendevereinbarung nicht, ganz im Gegenteil schließt sie eine solche aus.

c)

Selbst wenn man die Kündigung der Beklagten als außerordentliche Kündigung (mit Auslauffrist) auslegen würde, wäre sie unwirksam, da die Beklagte einen wichtigen Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB nicht dargelegt hat und zudem die Frist des § 626 Abs. 2 BGB nicht eingehalten hätte.

aa)

Einen wichtigen Grund hat die Beklagte nicht dargelegt.

(1)

Nach § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Die Prüfung, ob ein bestimmter Sachverhalt die Voraussetzungen eines wichtigen Grundes erfüllt, ist in zwei Stufen zu prüfen. Zunächst ist festzustellen, ob ein wichtiger Grund an sich für eine außerordentliche Kündigung geeignet ist. Danach ist im Einzelfall eine Interessenabwägung vorzunehmen (ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts z.B. vom 05.04.2001, 2 AZR 580/99 in AP zu § 99 BetrVG 1972 Einstellung Nr. 32; BAG vom 16.07.2000, 2 AZR 75/99 in AP BetrVG 1972 § 102 Nr. 124; BAG v. 09.05.1996, 2 AZR 387/95 in NZA 1996, S. 1085; BAG v. 21.11.1996, 2 AZR 357/95 in NZA 1997, S. 487 ff.).

(2)

Nach diesen Voraussetzungen ist die Kündigung nicht wirksam.

aaa)

Soweit Grund der Kündigung eine anderweitige Vereinbarung der Parteien für eine neue Tätigkeit des Klägers ab dem 1.9.2010 sein soll, hat die Beklagte schon keinen hinreichenden An-Sich-Grund dargelegt, denn das Bestehen einer derartige Vereinbarung ist aus dem Vortrag der Beklagten nicht zu entnehmen, so dass es auf die weitergehende Frage, ob der genannte Grund überhaupt zur Kündigung berechtigt, nicht ankommt.

Die Beklagte nimmt in dem Kündigungsschreiben Bezug auf eine vermeintliche Einigung der Parteien hinsichtlich einer neuen Position des Klägers bei der Beklagten in Deutschland. Eine derartige Einigung hat der Kläger bestritten, was die Beklagte im weiteren Verfahren nicht weiter beanstandet hat. Sie trägt hierzu lediglich im Schriftsatz vom 21.10.2010 vor, der Kläger habe auf Gespräche im Juli "positiv reagiert und gegenüber verschiedenen Personen seine Zustimmung zum Wechsel signalisiert" (Bl. 83 f. d.A.). Daraufhin habe man dem Kläger den Vertrag ausgestellt, nochmals besprochen und zusammen mit der Kündigung ausgehändigt. Unterschrieben hat der Kläger unstreitig nicht.

Aus dem Vortrag der Beklagten konnte die Kammer eine mündliche Annahme eines - wie auch immer gearteten Angebots - der Beklagten auf einen neuen Arbeitsvertrag nicht erkennen. Sie trägt vor, dass der Kläger "positiv reagiert" habe und die "Zustimmung […] signalisiert" habe. Eine positive Reaktion auf ein Angebot und das Signalisieren der Zustimmung ist jedoch nach Auffassung der Kammer eben noch keine Zustimmung, sondern allenfalls eine Interessenbekundung dergestalt, dass man mit der grundsätzlichen Stoßrichtung des Angebots des Vertragspartners einverstanden ist, ohne dass darin schon eine - teilweise - Annahme gesehen werden kann.

bbb)

Soweit die Beklagte später den Recall bzw. die Kündigung mit dem Argument begründet, der Kläger habe es unterlassen eine Vertragsverlängerungsabrede mit der russischen Gesellschaft zu unterzeichnen, so dass er nach russischem Recht nicht mehr beschäftigt werden dürfe und sich auch nicht in S. aufhalten dürfe, könnte dies nach Auffassung der Kammer grundsätzlich als An-Sich-Grund für eine außerordentliche Kündigung dienen, und zwar sowohl als personen- als auch als verhaltensbedingte Kündigung, je nach dem, ob man auf die unterlassene Vertragsunterzeichnung als Vertragsverletzungshandlung oder aber auf die jetzt fehlende Beschäftigungsmöglichkeit und Aufenthaltsgenehmigung als personenbedingten Grund abstellt.

aaaa)

Soweit die Beklagte eine personenbedingte Kündigung in Betracht gezogen hat, hat sie nicht dargelegt, dass der Kläger in Zukunft nicht in der Lage sein wird, seine arbeitsvertraglichen Verpflichtungen zu erfüllen. Mit der Befugnis zur personenbedingen Kündigung wird dem Arbeitgeber die Möglichkeit eröffnet, das Arbeitsverhältnis aufzulösen, wenn der Arbeitnehmer nicht bzw. nicht mehr die erforderliche Eignung oder Fähigkeit besitzt, die geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen. D.h., dass die Erreichung des Vertragszweckes durch ein in der Sphäre des Arbeitnehmers liegenden Umstands nicht nur vorübergehend, zumindest teilweise unmöglich ist (vgl. BAG v. 28.01.2010 - 2 AZR 764/08, juris Rz. 12; BAG v. 18.09.2008 - 2 AZR 976/06, juris Rz. 22). Erforderlich ist, dass für die Zukunft mit einer schweren Störung des Vertragsgleichgewichts in der Weise zu rechnen ist, dass der Arbeitnehmer, aus Gründen, die in seiner Sphäre liegen, jedoch nicht von ihm verschuldet sein müssen, zu der nach dem Vertrag vorausgesetzten Arbeitsleistung ganz oder teilweise nicht mehr in der Lage ist (vgl. LAG Düsseldorf v. 08.04.2009 - 7 Sa 1385/08, juris Rz. 174).

Diese zukünftige Beeinträchtigung hat die Beklagte nicht dargelegt. Die vom Kläger zu unterzeichenende Vertragsänderung betraf ausschließlich die Verlängerung des lokalen Arbeitsvertrages mit der russischen Gesellschaft, ohne das anderweitige vertragliche Vereinbarungen damit geändert werden sollten. Offenbar sollte damit die Verlängerung der Entsendevereinbarung im lokalen Arbeitsvertrag nachvollzogen werden, wie diese hinsichtlich der Vergütungsabrede durch Unterzeichnung der diesbezüglichen Änderung am 16.03.2010 bereits geschehen war. Der Kläger hat noch in der mündlichen Verhandlung vom 29.11.2010 erklärt, dass er selbstverständlich eine entsprechende Vereinbarung unterzeichnen werde. Es gibt keinen ersichtlichen Grund - und die Beklagte hat hierzu auch nicht vorgetragen - warum die Unterzeichnung der Vereinbarung jetzt nicht noch möglich sein soll, mit der man das personenbedingte Hindernis der Weiterbeschäftigung ohne Weiteres beseitigen kann. Eine zukünftige Beeinträchtigung der Vertragsbezieheung scheidet daher aus.

bbbb)

Soweit die Beklagte die Nichtunterzeichnung als verhaltensbedingten Grund anführt ist, hat sie schon eine Vertragspflichtverletzung des Klägers nicht hinreichend dargetan. Zudem hat sie nicht dargelegt, dass es zukünftig an einer zumutbaren Beschäftigungsmöglichkeit für den Kläger fehlt.

Der Kläger hat vorgetragen, dass er niemals zur Vertragsunterzeichnung angehalten wurde. Die Beklagte hat demgegenüber lediglich vorgetragen, man habe im April die Unterzeichnung der Änderungsvereinbarung angemahnt. Der Kammer war insoweit schon nicht klar, welche Form das Annahmen gehabt haben soll. Hat sie den Kläger um eine Unterschrift gebeten oder hat sie den Kläger angewiesen zu unterzeichnen und ihm für den Fall der Weigerung die Kündigung angedroht? Auf Nachfrage der Kammer in der Verhandlung vom 29.11.2010 konnte die Beklagte hierzu nicht näher ausführen, insbesondere nicht aufklären, wann genau unter welchen Umständen die Vertragsunterzeichnung beim Kläger angemahnt wurde.

Der Kammer war es daher auch verwehrt, den von der Beklagten benannten Zeugen zu hören. Wird ein Beweis angetreten, bei dem es an der Bestimmtheit der zu beweisenden Tatsachen fehlt, und sollen durch die beabsichtigte Beweiserhebung erst die Grundlagen für substantiierte Tatsachenbehauptungen gewonnen werden, ist der Beweisantritt unzulässig und unbeachtlich. Gemäß § 373 ZPO muss die beweispflichtige Partei diejenigen Tatsachen bezeichnen, zu denen der Zeuge vernommen werden soll. Tatsachen sind konkrete, nach Zeit und Raum bestimmte, der Vergangenheit angehörige Geschehnisse oder Zustände. Entsprechen die unter Beweis gestellten Behauptungen nicht diesen Anforderungen, dient die Beweiserhebung der Ausforschung und hat zu unterbleiben (BAG v. 26.02.2003 - 5 AZR 112/02, juris Rz. 48, m.w.N.). Die Beklagte hat lediglich eine "Anmahnung im April" vorgetragen.

ccc)

Soweit die Beklagte vorträgt, der Kläger habe auf einer im Zuge der Umstrukturierung neu geschaffenen Stelle in Deutschland eingesetzt werden müssen, ist nicht ersichtlich, inwieweit die Beklagte hier ein derart dringendes betriebliches Interesse hatte, den Kläger sofort dort einzusetzen und nicht erst nach seiner Rückkehr aus S..

b)

Die Kündigung scheitert zudem an § 626 Abs. 2 BGB.

Ausweislich des Kündigungsschreibens war der Beklagten am 15.07.2010 die Umstände, die sie als Kündigungsgründe anführt bekannt. Das Schreiben ist dem Kläger am 30.07.2010 zugegangen, also einen Tag nach Ablauf der Frist des § 626 Abs. 2 BGB.

2.

Auch der "Recall" vom 27.08.2010, zugegangen am 02.09.2010 ist unwirksam.

Die Beklagte darf sich ein einseitiges Rückrufrecht über die Möglichkeit des § 626 BGB hinaus nicht einseitig einräumen. Soweit man zugunsten der Beklagten in dem Recall eine außerordentliche Kündigung des Entsendevertrages sieht, ist diese unwirksam, weil die Beklagte einen wichtigen Grund nicht dargelegt hat.

a)

Der Recall entspricht in seinen Wirkungen einer Kündigung.

aa)

Der Recall ist rechtlich eine Kündigung.

Eine Kündigung ist ein einseitiges, empfangsbedürftiges Rechtsgeschäft mit gestaltender Wirkung, durch welches das Arbeitsverhältnis für die Zukunft beendet wird. Die Erklärung muss den Ausdruck Kündigung nicht enthalten, es muss sich aber aus den Umständen ergeben, dass die Beendigung des Dienstverhältnisses gewollt ist (BAG 5. 2. 2009 - 6 AZR 151/08, juris Rz. 30).

bb)

Nach diesen Voraussetzung ist die von der Beklagten als "Recall" bezeichnete Erklärung vom 27.08.2010 rechtlich eine Kündigung.

§ 16 Ziff. 16.1. der Entsendevereinbarung zeigt, dass der Recall darauf gerichtet ist, der Beklagten eine durch einseitige Erklärung sofortige Beendigung der Entsendevereinbarung zu gewähren. Es heißt dort, dass mit Ausübung des Recall, "auch diese Entsendevereinbarung ohne weitere rechtliche Schritte" endet. Die Beklagte nimmt in ihrer Erklärung vom 27.08.2010 ausdrücklich auf diese Ziffer bezug und schreibt, dass dieser Recall "mit sofortiger Wirkung wirksam" werde. Daraus wird aus Empfängersicht aber erkennbar, dass die Auslandsentsendevereinbarung mit der getätigten Erklärung seitens der Beklagten ihr Ende finden sollte.

b)

§ 16 Ziff. 1 ist gemäß § 134 BGB unwirksam, weil sie zwingende kündigungsschutzrechtliche Schutzvorschriften umgeht. Die Einräumung eines derart weitgehenden Lösungsrechts für ein Arbeitsverhältnis ist unzulässig.

aa)

Die Klausel stellt eine Erweiterung der beklagtenseitigen Kündigungsmöglichkeiten über die gesetzlich zwingend vorgesehen Kündigungsmöglichkeiten hinaus dar. Insoweit widerspricht die Klausel sowohl der Regelung des § 626 Abs. 1 BGB als auch der Regelung des § 622 BGB (vgl. BAG v. 05.02.2009 - 6 AZR 151/08, juris Rz. 48 ff.).

(1)

So sieht § 626 Abs. 1 BGB vor, dass eine außerordentliche Kündigung nur aus wichtigem Grund zulässig sind. Eine Erweiterung dieser Kündigungsmöglichkeit durch Arbeitsvertrag ist nicht möglich. Zulässig ist allenfalls eine Konkretisierung der Gründe, die die Parteien als wichtige Gründe ansehen, was dann in der Prüfung der Kündigung zu berücksichtigen wäre. Die vertragliche Klausel nimmt eine Konkretisierung gerade nicht vor, sondern lässt geschäftliche Erfordernisse ausreichen. Insoweit kann man von einer vertraglichen Konkretisierung eines wichtigen Grundes nicht ausgehen, sondern muss die Klausel als ein weitgehendes außerordentliches Kündigungsrecht nach Maßgabe des der Beklagten erforderlich Erscheinenden verstehen.

(2)

Der Klausel steht auch § 622 BGB entgegen, da die Klausel auf jegliche Fristen verzichtet und der Beklagten so ein außerordentliches Kündigungsrecht ohne Einhaltung der gesetzlich - jedenfalls individualvertraglich - zwingend vorgesehen Fristen (§ 622 Abs. 4 BGB) einräumt. Die Klausel verstößt zudem gegen § 622 Abs. 6 BGB, da die Lossagungsmöglichkeit ausschließlich der Beklagten also dem Arbeitgeber, nicht aber dem Arbeitnehmer zukommt.

c)

Soweit man zugunsten der Beklagten den Recall als von § 16 Ziff. 16.1. der Entsendevereinbarung unabhängig zu bewertenden Kündigungserklärung der Beklagten versteht, wäre auch eine solche Kündigung aus den bereits ausgeführten Erwägungen unwirksam.

3.

Der Kläger hat einen Anspruch auf Weiterbeschäftigung.

a)

Der gekündigte Arbeitnehmer hat unter Berücksichtigung seines verfassungsrechtlich geschützten Persönlichkeitsrechts einen arbeitsvertraglichen Anspruch auf vertragsgemäße Beschäftigung über den Ablauf der Kündigungsfrist oder bei einer fristlosen Kündigung über deren Zugang hinaus bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsprozesses, wenn die Kündigung unwirksam ist und überwiegende schutzwerte Interessen des Arbeitgebers einer solchen Beschäftigung nicht entgegenstehen.

Außer im Falle einer offensichtlich unwirksamen Kündigung begründet die Ungewissheit über den Ausgang des Kündigungsprozesses ein schutzwertes Interesse des Arbeitgebers an der Nichtbeschäftigung des gekündigten Arbeitnehmers für die Dauer des Kündigungsprozesses. Dieses überwiegt in der Regel das Beschäftigungsinteresse des Arbeitnehmers bis zu dem Zeitpunkt, in dem im Kündigungsprozess ein die Unwirksamkeit der Kündigung feststellendes Urteil ergeht. Solange ein solches Urteil besteht, kann die Ungewissheit des Prozessausgangs für sich allein ein überwiegendes Gegeninteresse des Arbeitgebers nicht mehr begründen. Hinzu kommen müssen dann vielmehr zusätzliche Umstände, aus denen sich im Einzelfall ein überwiegendes Interesse des Arbeitgebers ergibt, den Arbeitnehmer nicht zu beschäftigen (grundlegend BAG GS v. 27.02.1985 - GS 1/84, juris Rz. 27 ff.).

b)

Nach diesen Voraussetzungen hat der Kläger einen Anspruch auf Weiterbeschäftigung zu den Arbeitsbedingungen seiner Entsendevereinbarung vom 1.8.2008 mit der Veränderungsvereinbarung vom 8.6.2009, die als Anlage zu diesem Urteil geheftet werden. Die Kündigungen des Arbeitsverhältnisses sind unwirksam und die Beklagte hat keine überwiegeden entgegenstehenden Interessen an der Weiterbeschäftigung dargelegt.

aa)

Der Weiterbeschäftigung steht nicht entgegen, dass die Beklagte nicht die Gesellschaft ist, bei der der Kläger seine Weiterbeschäftigung verlangt. Die Beschäftigung des Klägers bei der russischen Gesellschaft ist die von der Beklagten gemäß § 1 Abs. 1 geschuldete Beschäftigung des Klägers.

bb)

Eine derartige Beschäftigung ist der Beklagten offenbar auch rechtlich möglich, jedenfalls hat die Beklagte nichts anderes vorgetragen. Schon aus den Regelungen der Entsendevereinbarung ist ersichtlich, dass die Beklagte auch in das Arbeitsverhältnis des Klägers zu der russischen Gesellschaft eingreifen kann. So hat sie sich nach § 16 Ziff. 16.1 das Recht vorbehalten, durch den Recall auch das lokale Arbeitsverhältnis zu beenden. Unter anderem ist auch die Änderungsvereinbarung des lokalen russischen Vertrages seitens der P. von E. unterzeichnet worden, also denselben Personen, die auch die Auslandsentsendevereinbarung unterzeichnet haben. Schließlich hat die Beklagte den Kläger auch in dem "Recall" vom 27.08.2010 von seiner Verpflichtung zur Erbringung der Arbeitsleistung freigestellt und auch damit unmittelbar in die arbeitsvertraglichen Beziehungen zwischen dem Kläger und der russischen Gesellschaft eingreifen können.

cc)

Schließlich kann auch die Besetzung der Position des Klägers mit Herrn S. nicht den Weiterbeschäftigungsanspruch des Klägers hindern. Die Besetzung erfolgte zum 1.9.2010. Spätestens nachdem der Kläger durch die E-Mail vom 17.08.2010 um Klarstellung bat, dass das Schreiben vom 15.07.2010 keine Kündigung darstelle, musste der Beklagten klar sein, dass der Kläger seine Position in S. behalten möchte. Die Kündigungsschutzklage ist der Beklagten am 27.08.2010 zugegangen. Auch hier war ersichtlich, dass der Kläger an seiner Position festhält. In dieser Kenntnis war es der Beklagten verwehrt die Weiterbeschäftigung "kalt" zu vereiteln, indem sie die Position einfach neu besetzt. Sie muss dann Vorsorge tragen, dass sie ihren dorthin beorderten Mitarbeiter L. bei Unterliegen im Kündigungsschutzprozess wieder abberufen kann.

III.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 46 Abs. 2, 61 Abs. 1 ArbGG, §§ 91, 91a, 3 ff. ZPO.

Hinsichtlich der übereinstimmenden Erledigungserklärung des ursprünglich gestellten Feststellungsantrags zu 2) war die Kammer der Ansicht, dass die diesbezüglichen Kosten dem Kläger aufzuerlegen sind. Der Antrag zu 2) war darauf gerichtet, dass festgestellt werden sollte, dass die Kündigung vom 15.7.2010 nicht das Arbeitsverhältnis der Parteien vom 21.12.1992 beende. Das Kündigungsschreiben der Beklagten war nach Auffassung der Kammer aber eindeutig nicht auf die Beendigung dieses Arbeitsverhältnisses gerichtet. Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des Schreibens, die von der Kündigung "Ihrer Auslandsentsendungsvereinbarung vom 1. August 2008" spricht. Die Beklagte nimmt damit konkret auf ein bestimmtes Arbeitsverhältnis bezug. Zudem enthält das Schreiben noch den Hinweis, dass der Kläger ab dem 1. September 2010 eine neue Position bei der Beklagten zu bekleiden habe, so dass auch daraus ersichtlich ist, dass man von einer weiteren Zusammenarbeit der Parteien ausging. Die Klage hätte insoweit mangels Rechtschutzinteresse keine hinreichende Aussicht auf Erfolg gehabt.

Rechtsmittelbelehrung

Gegen dieses Urteil kann von jeder Partei

B e r u f u n g

eingelegt werden.

Die Berufung muss

innerhalb einer N o t f r i s t * von einem Monat

beim Landesarbeitsgericht Düsseldorf, Ludwig-Erhard-Allee 21, 40227 Düsseldorf, Fax: (0211) 7770 - 2199 eingegangen sein.

Die Notfrist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach dessen Verkündung.

Die Berufungsschrift muss von einem Bevollmächtigten unterzeichnet sein. Als Bevollmächtigte sind nur zugelassen:

1.Rechtsanwälte,

2.Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder,

3.Juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der in Nr. 2 bezeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung der Mitglieder dieser Organisation oder eines anderen Verbandes oder Zusammenschlusses mit vergleichbarer Ausrichtung entsprechend deren Satzung durchführt und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.

Eine Partei, die als Bevollmächtigter zugelassen ist, kann sich selbst vertreten.

* Eine Notfrist ist unabänderlich und kann nicht verlängert werden.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen den Beschluss hinsichtlich der Kosten für den übereinstimmend für erledigt erklärten Klageantrag zu 2) kann von der klagenden Partei sofortige Beschwerde eingelegt werden Die sofortige Beschwerde muss

innerhalb einer Notfrist* von zwei Wochen

entweder beim Arbeitsgericht Düsseldorf, Ludwig-Erhard-Allee 21, 40227 Düsseldorf , Fax: (0211) - 2299 oder beim Landesarbeitsgericht Ludwig-Erhard-Allee 21, 40227 Düsseldorf , Fax: (0211) - 2199 eingelegt werden.

Die Notfrist beginnt mit der Zustellung der Entscheidung, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach Verkündung des Beschlusses. § 9 Abs. 5 ArbGG bleibt unberührt.

Die Beschwerde kann schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle des Arbeitsgerichts Düsseldorf erklärt und auf neue Angriffs- und Verteidigungsmittel gestützt werden.

Für die beklagte Partei ist gegen diesen Beschluss kein Rechtsmittel gegeben.

* Eine Notfrist ist unabänderlich und kann nicht verlängert werden.

gez. w.

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