LG Arnsberg, Urteil vom 08.02.2006 - 6 O 21/05
Fundstelle
openJur 2016, 4943
  • Rkr:
Tenor

Der Beschluss der Bezirksregierung Arnsberg vom 12.08.2005 wird dahin abgeändert, dass seitens der Bundesrepublik Deutschland an Frau K. E. keine Entschädigung zu zahlen ist.

Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beteiligten zu 3) (K. E.) auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beteiligte zu 3) kann die Vollstreckung durch die Beteiligte zu 1) gegen Sicherheitsleistung oder Hinterlegung von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, falls nicht die Beteiligte zu 1) zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Höhe einer angemessenen Enteignungsentschädigung. Die Beteiligte zu 3) war Eigentümerin des Grundstücks Gemarkung C. Flur X Flurstücke XX und andere in F.-C., das mit dem Objekt T. 0 bebaut war. Das Grundstück erstreckte sich unmittelbar nördlich der hier im Wesentlichen von Westen nach Osten verlaufenden Autobahn 2. Entlang der Straße T., die von der C. Straße nach Südwesten abzweigt und an der Autobahn endet, stehen einige wenige Gebäude, während das übrige nach Nordwesten, Norden und Nordosten anschließende Gelände weitgehend unbebaut ist. Südlich der Autobahntrasse und westlich der C. Straße, welche von Norden her die Autobahn kreuzt und weiter nach Süden verläuft, findet sich eine geschlossene Wohnbebauung. Das Gebäude T. 0 stammte noch aus dem 19. Jahrhundert; es war seinerzeit als Wohnhaus genehmigt worden. Später wurde ein Anbau, der zunächst Garagen aufgenommen hatte, mit Genehmigung des Oberstadtdirektors der Stadt F. einer Wohnnutzung zugeführt, so dass in dem Gebäude zwei Wohnungen untergebracht waren.

Die Beteiligte zu 1) beabsichtigte seit längerer Zeit im Bereich F.-C. den sechsspurigen Ausbau der Autobahn 2. Im September 1999 wurde ein Planfeststellungsbeschluss aufgestellt, der von der Beteiligten zu 3) zunächst mit einer Klage angegriffen wurde. Im Jahre 2002 wurde die Planfeststellung durch Rücknahme des Rechtsmittels unanfechtbar.

In der Folgezeit bemühte sich die Beteiligte zu 1), die hierbei vom Landesbetrieb Straßenbau Nordrhein-Westfalen vertreten wurde, um den Erwerb von Teilflächen aus dem Grundbesitz der Beteiligten zu 3). In diesem Zusammenhang ließ die Beteiligte zu 3) im Frühjahr 2003 ein Wertgutachten erstellen, wonach der Verkehrswert ihres Grundbesitzes 335.000,00 Euro betrage. Die Straßenbauverwaltung hingegen nahm im Dezember 2003 einen Verkehrswert von 267.510,00 Euro an, den sie später aufgrund anderweitiger Kennzahlen auf 281.671,00 Euro anhob. Eine Einigung zwischen den Beteiligten kam nicht zustande. Angesichts dessen beantragte der Landesbetrieb Straßenbau Nordrhein-Westfalen mit Schreiben an die Beteiligte zu 2) vom 6. Mai 2004 zugunsten der Beteiligten zu 1) die Einleitung eines Enteignungs- und Entschädigungsfeststellungsverfahrens sowie die vorzeitige Besitzeinweisung hinsichtlich des Grundstücks der Beteiligten zu 3). Gleichzeitig setzten die Beteiligten ihre Bemühungen um eine gütliche Einigung fort. In diesem Zusammenhang fanden im Sommer 2004 mehrere Verhandlungen statt, bei denen die Beteiligte zu 3) unter anderem geltend machte, außer dem reinen Verkehrswert für das Grundstück stünden ihr noch Entschädigungsansprüche für Objektnutzungskosten, Umzugskosten, Kosten für den Erwerb eines Nachbargrundstücks, Kosten des künftigen Erwerbs eines Grundstücks aus der Entschädigung, Kosten der Ersatzbrunnenbohrung und schließlich Sachverständigenkosten zu. Insgesamt bezifferte die Beteiligte zu 3) diese Ansprüche auf 82.561,52 Euro. Im Zuge einer (dritten) mündlichen Verhandlung im Besitzeinweisungsverfahren am 14. Juli 2004 schlug die Beteiligte zu 2) der Beteiligten zu 3) vor, wegen der unstreitigen Positionen der zu zahlenden Entschädigung eine vertragliche Einigung mit der Beteiligten zu 1) zu suchen, während sie die streitigen Positionen später einseitig geltend machen könne. Daraufhin schlossen die Beteiligten zu 1) und 3) am 28. Juli 2004 vor dem Notar S. (Urkundenrolle-Nummer 000/04) einen Kaufvertrag über das Grundstück der Beteiligten zu 3). Nach § 2 dieses Vertrages betrug der Kaufpreis 323.000,00 Euro; dieser Betrag verstand sich als Gesamtentschädigung für den Grund und Boden, die Gebäude und baulichen Anlagen, Umzugsentschädigung und Sachverständigenkosten. In § 3 des Vertrages behielt die Beteiligte zu 3) sich vor, eventuelle Rechte auf Entschädigung in Bezug auf Mietausfall / Objektnutzungskosten sowie notwendige Wiederbeschaffungskosten gegenüber der Beteiligten zu 1) geltend zu machen. Die Entscheidung über diese Ansprüche sollte durch die Enteignungsbehörde bzw. durch das anschließend anzurufende Gericht getroffen werden. Am Ende von § 3 heißt es ferner, dass sonstige Entschädigungsansprüche nicht vereinbart seien. In Vollzug dieses Vertrages wurde das Haus T. 0 abgerissen und die Bauarbeiten an der Autobahn wurden fortgesetzt.

Mit Schreiben ihrer Verfahrensbevollmächtigten vom 25. Januar 2005 beantragte die Beteiligte zu 3) bei der Beteiligten zu 2) die Einleitung eines Entschädigungsfeststellungsverfahrens, wobei sie sich einerseits auf die mündliche Verhandlung vom 14. Juli 2004 sowie andererseits auf § 3 des Kaufvertrages vom 28. Juli 2004 bezog. Die Beteiligte zu 3) machte unter anderem Objekt-Nutzungskosten in Höhe von insgesamt 49.433,42 Euro geltend, wobei hierin der Verlust von Abschreibungsmöglichkeiten für 38 Jahre mit pauschal 8.000,00 Euro enthalten waren. Zur Begründung trug sie vor: Sie habe durch die Veröffentlichungen des beabsichtigten Autobahnausbaus in der Presse äußerste Schwierigkeiten gehabt, ihr Objekt wie früher zu vermieten. Die Addition der insoweit einschlägigen Positionen ergebe einen Betrag von 41.433,42 Euro, der um den Verlust der Abschreibung in Höhe von 8.000,00 Euro zu ergänzen sei.

Mit Schreiben des Landesbetriebs Straßenbau vom 14. Februar 2005 trat die Beteiligte zu 1) den Ansprüchen der Beteiligen zu 3) entgegen: Die Straßenbauverwaltung habe sich schon seit Mitte des Jahres 1997 um den Erwerb des Grundstücks T. 0 bemüht. Die Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten zu 3) seien mehrfach aufgefordert worden, einen Sachverständigen zur Erstellung eines Wertgutachtens zu benennen. Den Planfeststellungsbeschluss vom 16. November 1999 habe die Beteiligte zu 3) mit der verwaltungsgerichtlichen Klage angegriffen und jegliches Betreten ihres Grundstücks, auch zum Zwecke der Begutachtung, verboten. Im Juni 2002 habe die Straßenbauverwaltung erneut zu erkennen gegeben, dass sie Grunderwerbsverhandlungen mit der Beteiligen zu 3) führen wolle. Erst im September 2003 habe ein Gutachten vorgelegen, auf dessen Grundlage ein konkretes Entschädigungsangebot habe unterbreitet werden können. Die Bundesstraßenverwaltung sei jederzeit gewillt gewesen, das Grundstück der Beteiligten zu 3) zu erwerben. Die geltend gemachten Objektnutzungskosten seien vor diesem Hintergrund sowohl dem Grunde nach als auch in der Höhe abzulehnen. Für Wiederbeschaffungskosten lägen die einschlägigen gesetzlichen Voraussetzungen nicht vor.

Mit Beschluss vom 12. August 2005 setzte die Beteiligte zu 2) die an die Beteiligte zu 3) zu leistende Entschädigung wegen entgangener Objektnutzungskosten auf 14.000,00 Euro fest. Im Übrigen lehnte sie den Antrag vom 25. Januar 2005 ab. Zur Begründung führte die Beteiligte zu 2) im Wesentlichen aus: Gemäß § 19 a des Bundesfernstraßengesetzes (FStrG) entscheide über die Höhe der aufgrund eines Planfeststellungsbeschlusses zu leistenden Entschädigung in Nordrhein-Westfalen die Bezirksregierung als Enteignungsbehörde, wobei das Landesenteignungs- und -entschädigungsgesetz (EEG NW) anzuwenden sei. Nach § 8 Abs. 2 EEG NW werde Entschädigung gewährt für den Rechtsverlust und für andere durch die Enteignung eintretende Vermögensnachteile. Im Falle der Beteiligten zu 3) sei die Entschädigung für den "eigentlichen Rechtsverlust" aufgrund des notariellen Kaufvertrags bereits ausgeglichen. Die Ansprüche auf Mietausfälle und weitere Schadenspositionen seien teilweise begründet. Zu den sonstigen Vermögensnachteilen nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 EEG NW zählten nach übereinstimmender Auffassung auch Mietausfallkosten, die im Vorfeld einer Straßenbaumaßnahme anfielen. Bei der Feststellung der Höhe dieser Kosten sei in Ermangelung einer spezialgesetzlichen Regelung auf den die gesamte Enteignung beherrschenden Grundsatz des Artikel 14 Abs. 3 Satz 3 des Grundgesetz (GG) zurückzugreifen, wonach die Interessen der Allgemeinheit mit denen des Enteignungsbetroffenen gerecht abzuwägen seien. Insoweit habe die Beteiligte zu 3) den Verlauf der Mietsituation seit Beginn der Straßenplanungen überzeugend dargelegt. Danach sei ihr Anwesen trotz der Nachbarschaft zur Autobahn über viele Jahre hinweg durchgehend gut vermietet worden. Die Probleme hätten mit der Bekanntgabe der Ausbaupläne in der örtlichen Presse im Jahre 1997 begonnen. Als maßgeblicher Zeitraum für die Entschädigung des Mietausfalls komme jedoch nur die Zeit bis Mitte 2002 in Betracht. Ab diesem Zeitpunkt habe aufgrund der Unanfechtbarkeit des Planfeststellungsbeschlusses festgestanden, dass das öffentliche Interesse am Ausbau der Autobahn das private Interesse am Weiterbestand der Eigentumsposition überwiege. Von da an hätten keine vernünftigen Zweifel daran bestanden, dass das fragliche Objekt dem Straßenbau werde weichen müssen. Die Beteiligte zu 3) hätte von der Straßenbauverwaltung im Wege eines sogenannten Vorabvertrages eine Abschlagszahlung in Höhe von bis zu 80 % des künftigen Kaufpreises erhalten können. Mit der Verzinsung dieses Betrages wäre der Nutzungsausfall bereits entschädigt worden. Auch für die Pflege und Unterhaltung des Grundstücks könne nur auf die Zeit bis Juli 2002 abgestellt werden.

Am 13. September 2005 hat die Beteiligte zu 1) den vorliegenden Antrag auf gerichtliche Entscheidung gestellt. Sie trägt vor: Die von der ehemaligen Grundstückseigentümerin geltend gemachten Mietausfälle seien nicht entschädigungspflichtig. Namentlich sei der zeitweise Leerstand des fraglichen Objekts nicht auf die Ausbauplanung der Autobahn zurückzuführen, sondern eine Folge der sich entspannenden Wohnungssituation in F. Im Übrigen hätte die Grundstückseigentümerin ihrer Schadensminderungspflicht nachkommen müssen, indem sie etwa mit der Beteiligten zu 1) einen Vorabvertrag hätte schließen können, so dass die aus der Abschlagszahlung folgende Verzinsung den Nutzungsausfall ausgeglichen hätte.

Die Beteiligte zu 1) beantragt,

den Beschluss der Beteiligten zu 2) vom 12. August 2005 abzuändern und die an die Beteiligte zu 3) zu zahlende Entschädigung auf 0,00 Euro festzusetzen.

Die Beteiligte zu 3) beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Es treffe zu, dass sie sich von Anfang an gegen eine Enteignung gewehrt habe. Das Gebäude T. 0, in dem sie selbst aufgewachsen sei, habe ihr sehr am Herzen gelegen. Das Anwesen habe für Kinder und Enkelkinder erhalten bleiben sollen. Deshalb habe sie die Enteignung bekämpft und deshalb habe sie das Ersatzgrundstück erworben und hierfür Ausgaben getätigt. Die von ihr dargestellten Einbußen bei der Vermietung des Hauses seien zutreffend. Diese seien auf den in der Presse angekündigten Autobahnausbau zurückzuführen gewesen.

Die Beteiligte zu 2) stellt keine Anträge.

Den Antrag der Beteiligten zu 3), die Beteiligte zu 2) zu verpflichten, der Beteiligten zu 3) eine weitergehende Entschädigung zu gewähren, hat die Kammer mit Urteil vom heutigen Tage - 6 O Baul. 19/05 ?, auf das Bezug genommen wird, zurückgewiesen. Im Übrigen wird wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts auf den Inhalt der Gerichtsakte, der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beteiligten zu 2) sowie der vom Oberbürgermeister der Stadt F. vorgelegten Akten verwiesen.

Gründe

Der zulässige Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat auch in der Sache Erfolg. Die Beteiligte zu 2) hat der Beteiligen zu 3) zu Unrecht eine Entschädigung wegen entgangener Mieteinnahmen und sonstiger Objektnutzungskosten zugebilligt.

Nach welchen Rechtsvorschriften die Frage zu entscheiden ist, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe der Beteiligten zu 3) eine weitere Entschädigung zusteht, hat die Kammer in den Entscheidungsgründen ihres Urteils vom heutigen Tage in der Sache

6 O Baul. 19/05 näher ausgeführt. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf das dort Gesagte Bezug genommen. Danach kommt als Anspruchsgrundlage allein § 11 Abs. 1 EEG NW in Betracht, der die Entschädigung für die sogenannten "anderen Vermögensnachteile" regelt. Wenngleich diese Vorschrift ihrem Wortlaut nach, der insoweit keine Einschränkungen enthält, auf grundsätzlich alle "Vermögensnachteile" anzuwenden ist, bedeutet dies nicht, dass jeder Vermögensnachteil "auf Mark und Pfennig" auszugleichen ist. Zu einer Einschränkung der Höhe der Entschädigung zwingt bereits § 11 Abs. 1 Satz 2 EEG NW, der - wie auch die von der Beteiligten zu 2) angesprochene Vorschrift des Art. 14 Abs. 3 Satz 2 GG - eine Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten erfordert. Bei dieser Abwägung sind die allgemeinen Grundsätze des Enteignungsrechts zu berücksichtigen, nach denen entschädigungsfähig grundsätzlich nur die Beeinträchtigung von rechtlich geschützten konkreten Werten ist, nicht jedoch die Vereitelung von Erwartungen und Chancen oder die Beeinträchtigung bloßer wirtschaftlicher Interessen,

vgl. Bundesgerichtshof (BGH), Urteil vom 9. April 1992 - III ZR 228/90 ?,BGHZ Bd. 118 S. 59 ff. = NJW 1992 S. 2096 ff.; vgl. auch Streck inBerliner Kommentar zum Baugesetzbuch, 3. Aufl. (2004) § 96 Rdnr. 2.

So ist etwa für einen Gewerbebetrieb dessen "günstige Lage" ein rechtlich nicht geschützter Vorteil. Stellen sich nachteilige Veränderungen in der Beziehung des Betriebes zu seinem Umfeld ein mit der Folge, dass dem Betrieb höhere Kosten entstehen oder die Umsätze zurückgehen, kann der Inhaber von dem Verursacher dieser Veränderungen eine Enteignungsentschädigung nicht verlangen,

vgl. BGH, Urteil vom 31. Januar 1966 - III ZR 110/64 ?, BGHZ Bd. 45S. 150 ("Elbe Leitdamm"); Urteil vom 8. Februar 1971 - III ZR 33/68 ?,BGHZ Bd. 55 S. 261 ("Soldatengaststätte").

Wenn sich eine Enteignung auf ein Mietrecht auswirkt, hat der Bundesgerichtshof

Urteil vom 7. Januar 1982 - III ZR 114/80 ?, BGHZ Bd. 83 S. 1 ff.

eine Entschädigung des Mieters wegen anderer Nachteile im Sinne des dem § 11 EEG NW wortgleichen § 96 BauGB nur für den Fall anerkannt, als in die rechtlich gesicherte Erwartung des Mieters auf Fortsetzung des Vertrages eingegriffen worden ist. Eine mehr oder minder sichere tatsächliche Erwartung, dass das Mietverhältnis ohne die Enteignung noch über Jahre fortgesetzt worden wäre, reicht hingegen für die Gewährung einer Enteignungsentschädigung nicht aus. Wenngleich es im vorliegenden Fall nicht um eine Entschädigung des Mieters geht, sondern darum, dass der Vermieter eine Entschädigung verlangt, weil Mietverhältnisse nicht fortgesetzt bzw. nicht begründet werden konnten, sind die Erwägungen des BGH auf den vorliegenden Sachverhalt übertragbar. Der BGH hat aus der grundsätzlich befristeten schuldrechtlichen Beziehung eines Mietvertrages die Erwartung des Mieters, das seit vielen Jahren bestehende Mietverhältnis werde tatsächlich langfristig fortgesetzt werden, lediglich als Chance verstanden, die eine Enteignungsentschädigung nicht auslöse. Auch für den Eigentümer ist die Fortsetzung eines bestehenden Mietverhältnisses angesichts der vertraglichen Kündigungsmöglichkeiten des Mieters grundsätzlich nur eine Chance und keine gesicherte Rechtsposition, deren Verlust entschädigt werden müsste. Zwar stellt der BGH in der zitierten Entscheidung auch fest, dass künftige Nutzungsmöglichkeiten, die in absehbarer Zeit zu erwarten seien, die Qualität des Enteignungsobjekts und damit die Höhe der Entschädigung mitbestimmten. Genau dies ist im vorliegenden Fall auch geschehen. Denn bei der Ermittlung des Wertes des fraglichen Grundstücks, über den schließlich eine vertragliche Vereinbarung getroffen wurde, haben die Gutachter ? und ihnen folgend ? die Beteiligten zu 1) und 3) auch berücksichtigt, dass sich in dem Objekt zwei baurechtlich legale Wohnungen befanden, die ohne die Enteignung für die Restlebensdauer des Gebäudes hätten genutzt werden könnten. Die tatsächliche Möglichkeit, aus dem Gebäude Monat für Monat Nutzungen in der Gestalt des Mietzinses zu ziehen, erweist sich demgegenüber lediglich als bloße Chance, die nicht gesondert zu entschädigen ist.

Die in der angefochtenen Entscheidung der Beteiligten zu 2) vertretene Ansicht, zu den sonstigen Vermögensnachteilen im Sinne § 8 Abs. 2 Nr. 2 EEG NW zählten auch Mietausfallkosten, erweist sich danach in dieser Allgemeinheit als nicht zutreffend. Die vom Bundesgerichtshof erörterten Konstellationen, unter denen ein Mietausfall eine Enteignungsentschädigung ausgelöst hat, sind auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar:

Mit Beschluss vom 10. Juni 1952 - GSZ 2/52 - BGHZ Bd. 6 S. 270 - hat der Große Senat für Zivilsachen des BGH eine Enteignungsentschädigung anerkannt, nachdem der Mietausfall durch die rechtswidrige Zuweisung eines Wohnungssuchenden entstanden ist. Ebenso hat der BGH mit Urteil vom 29. März 1984 - III ZR 11/83 ?, BGHZ Bd. 91 S. 20 einen Entschädigungsanspruch für Mietausfall zugesprochen, der durch übermäßige Geruchsbelästigungen aus einer schlicht hoheitlich betriebenen Kläranlage hervorgerufen worden waren. Diesen Fällen ist gemeinsam, dass einem konkreten und von der öffentlichen Verwaltung zu verantwortenden Ereignis eine konkrete Vermögenseinbuße eindeutig zugeordnet werden konnte, während es hier an einer entsprechenden Verbindung zwischen der Autobahnplanung und dem Autobahnbau einerseits und der konkreten Höhe des Schadens andererseits fehlt. Die Entscheidung, ein Mietverhältnis zu begründen oder ein bestehendes Mietverhältnis aufzulösen, kann auf den unterschiedlichen Umständen und Vorstellungen des Mieters bzw. potentiellen Mieters beruhen, wobei im Falle des Anwesens T. 0 in F.-C. auch die Lage zur Autobahn bzw. der geplante Ausbau der Autobahn von Bedeutung gewesen sein mag. Andererseits ist es nicht auszuschließen, dass der eine oder andere potentielle Mieter die Lage des Grundstücks im Außenbereich oder die konkrete Situation in dem Hause und auf dem Grundstück oder schlicht die Anschrift "F.-C." als wenig attraktiv empfunden und deshalb vom Abschluss eines Mietvertrages abgesehen hat. Die Beteiligte zu 3) und - ihr folgend - die Beteiligte zu 2) hingegen unternehmen es, sämtliche innerhalb eines bestimmten Zeitraums (bis 2002) entstandene Mietausfälle dem bevorstehenden Autobahnbau zuzurechnen. Es mag sein, dass die enteignungsmäßigen Vorwirkungen die Vermietbarkeit des Hauses verschlechtert haben. Dass das Grundstück indessen vollkommen unvermietbar war, hat die Beteiligte zu 3) nicht dargelegt; vielmehr war das Objekt immer ganz bzw. teilweise vermietet. So wird noch in der Niederschrift über die mündliche Verhandlung von der Beteiligten zu 2) am 07. Juni 2004 festgestellt, es habe sich herausgestellt, dass das fragliche Haus seit kurzem wieder vermietet sei. Zu diesem Zeitpunkt war indessen der Planfeststellungsbeschluss zum Ausbau der Autobahn seit etwa zwei Jahren unanfechtbar. Selbst diese Tatsache hat der Beteiligte danach nicht die Möglichkeit genommen, aus ihrem Haus durch Vermietung wirtschaftlichen Nutzen zu ziehen. Unter den konkreten Verhältnissen erweist sich die hoheitliche Maßnahme der Beteiligten zu 1) anders als in den zuvor zitierten Fällen, die der BGH zu entscheiden hatte, als lediglich die Chance der Vermietbarkeit mindernd, ohne sie zugleich aufzuheben. Deshalb ist für den geltend gemachten Mietausfall eine Enteignungsentschädigung nicht zu leisten.

Gleiches gilt auch insoweit, als die Beteiligte zu 3) wegen des zeitweiligen Leerstandes ihres Gebäudes erhöhte Aufwendungen der Grundstücksunterhaltung geltend macht. Indem die Beteiligte zu 3) das Grundstück nicht selbst bewohnte, kamen auf sie notwendigerweise Kosten bei der Unterhaltung ihres Grundbesitzes zu, die sie teilweise auf ihre Mieter umlegen konnte. Diese Möglichkeit, nämlich die Heranziehung der Mieter etwa für die Gartenarbeit, war - wie die Vermietung des Hauses im Übrigen - nur eine Chance, nicht aber eine Rechtsposition, deren Beeinträchtigung eine Enteignungsentschädigung auslöst.

Nach alledem kann die Beteiligte zu 3) von der Beteiligten zu 1) über den vertraglich vereinbarten Betrag hinaus keine weitere Entschädigung beanspruchen. Deshalb ist der angefochtene Beschluss der Beteiligten zu 2) antragsgemäß zu ändern.

Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91 Abs. 1 Satz 1, 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung.

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