LG Bonn, Beschluss vom 25.01.2012 - 4 T 306/11
Fundstelle
openJur 2016, 4838
  • Rkr:
Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Die heute 89 Jahre alte und mit mehreren hunderttausend Euro recht vermögende Betroffene hat in Gestalt der Beteiligten zu 1 bis 3 drei Töchter. Sie lebt in ihrem Einfamilienhaus, wo sie von der ebenfalls im Hause wohnenden angestellten Mitarbeiterin eines Seniorendienstes permanent betreut wird. Zudem kümmert sich die unter der Firma "M" handelnde Frau T auf gewerblicher Basis und gegen Entlohnung als sog. Gesellschaftsdame um die Betroffene. Deren Pflegesituation ist also - insoweit besteht zwischen den Beteiligten zu 1 bis 3 auch Einigkeit - gut geregelt. Auch stehen ihr für die persönlichen Bedürfnisse wöchentlich 700 € zur Verfügung.

Die in N lebende Beteiligte zu 1 regte über ihren Verfahrensbevollmächtigten am 17.03.2010 beim Amtsgericht Bonn die Einrichtung einer ergänzenden rechtlichen Betreuung für ihre Mutter an. Sie verwies darauf, dass diese nicht mehr in der Lage sei, ihre Vermögensangelegenheiten eigenständig zu besorgen. Zum Hintergrund dieser Betreuungsanregung konnte die Kammer Folgendes feststellen:

Die Betroffene und deren im Jahre 20... vorverstorbener Ehemann verfügten über ein am Hsee gelegenes Anwesen, welches mit einem Haus bebaut ist. Um ihre erbrechtlichen Angelegenheiten zu regeln, verfassten die Eheleute am ...19... ein gemeinschaftliches Testament, in welchem sie sich wechselseitig zu befreiten Vorerben und die gemeinsamen Töchter zu ihren Nacherben einsetzten. Hinsichtlich des in Q/J gelegenen Hausgrundstücks errichteten sie zu Gunsten der Beteiligten zu 1 ein Vorausvermächtnis, wonach diese beim Tode des Erstversterbenden das Anwesen erhalten solle. Insoweit heißt es in dem Testament unter anderem:

"Sollte N2 das Anwesen in Q veräussern, so steht die Hälfte des Reinerlöses ihr zu. Die andere Hälfte des Reinerlöses hat N2 dem überlebenden Elternteil und ihren beiden Schwestern zu gleichen Teilen zu übertragen."

Hinsichtlich der sonstigen Einzelheiten wird auf die Ablichtung der Testamentsurkunde Bl. ... ff d.A. Bezug genommen.

Unter dem 23.01.2003 erteilten die Betroffene und deren Ehemann der Beteiligten zu 1 zudem eine umfassende notarielle (am 24.01.2004 ausgefertigte) Vollmacht "in persönlichen und Vermögensangelegenheiten" unter Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB. Diese Vollmacht sollte insbesondere auch zur Vermeidung einer Betreuung dienen. Den Beteiligten zu 2 und 3 wurde für den Fall der "Handlungsunfähigkeit" der Betroffenen in "wichtigen Angelegenheiten" eine lediglich beratende Funktion zuerkannt. Bezüglich der Einzelheiten verweist die Kammer auf die Kopie Bl. # ff d.A..

Mit einem "Zusatz-Testament" vom 11.02.2009 (Bl. ... d.A.) bekräftigte die Betroffene die schon zuvor erteilte Vollmacht zugunsten der Beteiligten zu 1. Hier heißt es unter anderem:

"Für den Fall, dass ich nach meiner Augenoperation in einen Zustand gerate, der mich daran hindert wie bisher selbstständig zu denken und zu handeln, möchte ich meine Tochter Gräfin N2 von T4 bitten, als Vollmachtnehmer lt. Patientenverfügung vom 24. Januar 2003 durch Notar Dr. I in H2 meine weitere Betreuung zu verfügen.".

Spätestens im Herbst 2009 zeigten sich bei der Betroffenen kognitive Einschränkungen, welche auch von der Beteiligten zu 2 anlässlich eines Kuraufenthaltes am Usee bemerkt wurden. Die Betroffene hatte keinerlei Vorstellungen mehr über ihr Vermögen und ihre Einnahmen. Sie lebte daher in der - unbegründeten - Angst, nicht genügend Geld zu haben.

Innerhalb der Familie gab es zudem Diskussionen darüber, was mit dem in J gelegenen Haus geschehen solle, da es der Betroffenen zunehmend schwer fiel, selbst dorthin zu reisen. Nachdem zwischen den Töchtern Einigkeit dahingehend erzielt worden war, dieses Haus zu verkaufen, fuhr die Beteiligte zu 2 gemeinsam mit ihrem Mann und der Betroffenen im September 2009 nach J, wo die Betroffene zu Gunsten der Beteiligten zu 2 eine notarielle Verkaufsvollmacht erteilte. Die das Haus betreffenden testamentarischen Regelungen nach ihrem Ehemann waren ihr infolge der kognitiven Beeinträchtigungen nicht mehr präsent.

Aufgrund der Vollmacht veräußerte die Beteiligte zu 2 das in J gelegene Grundstück für 235.000 €, welche sie - wenngleich mit der Betroffenen besprochen worden war, dass dieses Geld auf deren Konto gezahlt werden soll - auf ihr eigenes Konto lenkte. Die näheren Umstände dieses Verkaufes sind zwischen den Töchtern der Betroffenen Gegenstand vehementer Streitigkeiten. Jedenfalls behielt die Beteiligte zu 2 von dem Erlös für sich selbst Spesen in Höhe von 1.500 €, eine "Courtage" von 3.500 € sowie einen Anteil von 45.000 € ein. Sie überwies zudem je 5.000 € an vier Enkel der Betroffenen (darunter zwei eigene Kinder) und einen Teilbetrag von jeweils 45.000 € an ihre Schwestern. Die Betroffene selbst erhielt nur 66.095 €.

Die Beteiligte zu 1 erhob gegen dieses Vorgehen Einwände und überwies den ihr überlassenen Betrag auf ein Konto ihrer Mutter. Gegenüber der Beteiligten zu 2 wies sie darauf hin, dass noch am 26.02.2010 vereinbart worden sei, den Verkaufserlös abzüglich entsprechender Aufwendungen komplett auf das Konto der gemeinsamen, aus ihrer Sicht nicht mehr voll geschäftsfähigen Mutter zu überweisen (vgl. Bl. ... d.A.). Die finanzielle Abwicklung des Verkaufs war für sie sodann Veranlassung, die bereits erwähnte Betreuungsanregung beim Amtsgericht Bonn anzubringen, da ihre beiden Schwestern zwar die kognitiven Einschränkungen bestätigten, diese jedoch als allgemeine Alterserscheinungen abtaten (vgl. Bl. ... d.A.).

Mit Beschluss vom 19.03.2010 (Bl. ... d.A.) ordnete das Amtsgericht die Einholung eines Sachverständigengutachtens an und benachrichtigte unter anderem die Betroffene von dieser Maßnahme.

Daraufhin ging am 26.03.2010 ein - von dieser zwar gefertigtes, inhaltlich jedoch von dritter Seite vorgegebenes - Schreiben der Betroffenen beim Amtsgericht ein, welches auf den 24.03.2010 datiert (Bl. ... f d.A.). Hierin verwahrte sie sich gegen die Einrichtung einer Betreuung und erklärte, ihre Geschäftsfähigkeit sei "durch ein Attest meiner Hausärztin Frau Dr. T3 und durch die Beurkundung des Notariats H3 vom 19.03.2010 ausdrücklich bestätigt". Ihre Tochter J2 I2 und Frau T seien in der Lage, ihren Zustand zu bezeugen. Die in N lebende Beteiligte zu 1 habe ohne ihr Wissen, ohne ihr Einverständnis und ohne Rücksprache mit ihren beiden Schwestern die Anregung auf Bestellung eines Betreuers und auf Anordnung eines Einwilligungsvorbehaltes auf den Weg gebracht.

Tatsächlich hatte die von den weiter Beteiligten diesbezüglich herangezogene Fachärztin für Allgemeinmedizin, Frau Dr. T3, unter dem 19.03.2010 - ohne Durchführung einer Diagnostik und ohne Kenntnis der geschilderten tatsächlichen Hintergründe - attestiert, die Betroffene sei "voll geschäftsfähig" (Bl. ... d.A.). Dieses Attest war von dem Notar H3 zum Nachweis der Geschäftsfähigkeit der Betroffenen erbeten worden. Dieser beurkundete unter demselben Datum zunächst einen Widerruf der im Januar 2003 zugunsten der Beteiligten zu 1 erteilten Vollmacht und sodann die erneute Erteilung einer General- und Vorsorgevollmacht, diesmal allerdings zugunsten der Beteiligten zu 1 bis 3. Hinsichtlich der Einzelheiten dieser Urkunde nimmt die Kammer auf Bl. ... ff d.A. Bezug.

Die Wirksamkeit dieser notariellen Vollmacht ist zwischen den Beteiligten zu 1 und 3 ebenso Gegenstand erbitterter Streitigkeiten wie die Geschäftsfähigkeit der Betroffenen im Frühjahr 2010 generell. Zur Überzeugung der Kammer war die Betroffene aufgrund einer bereits eingetretenen demenziellen Entwicklung weder in der Lage, die Abwicklung des Hausverkaufs, noch Hintergrund und Inhalt der notariellen Vollmacht zu erfassen.

Unter dem 26.03.2010 bestellten sich die Rechtsanwalte L und L3 für die Betroffene (Bl. ... d.A.). Dieses Mandat wurde mit einem von der Betroffenen jedenfalls unterzeichneten Schreiben vom 04.05.2010 (Bl. ... d.A.) jedoch alsbald mit sofortiger Wirkung gekündigt. Auf den tatsächlichen Hintergrund derartiger von dritter Seite initiierter und von der Betroffenen unterzeichneter Schreiben wird noch näher einzugehen sein.

Unter dem 31.03.2010 erstattete der vom Amtsgericht beauftragte Sachverständige Dr. L2, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, sein Gutachten, bezüglich dessen Einzelheiten auf Bl. ... ff d.A. verwiesen wird. Er gelangte auf den Hintergrund einer persönlichen Exploration zu dem Ergebnis, dass die Betroffene aufgrund einer kognitiven Einschränkung hinsichtlich der Erfassung komplexer Sachverhalte schnell überfordert sei und weitreichende Entscheidungen nur eingeschränkt überblicken könne. Dabei sei sie "schnell zu verunsichern und beeinflussbar". Solange zwischen den Töchtern der Betroffenen Einvernehmen bestanden habe, sei deren Versorgung gut und ausreichend geregelt gewesen. Angesichts der entstandenen Streitigkeiten sei jedoch die Einrichtung einer Betreuung jedenfalls für die Dauer eines Jahres und betreffend Vermögens- sowie Behördenangelegenheiten erforderlich. Mit der Betreuung solle eine neutrale Person betraut werden. Die Betroffene hatte im Rahmen der Exploration gegenüber dem Sachverständigen geäußert, sie benötige in der Entscheidungsfindung Hilfe. Dass sie sich selbst angeblich gegen die Einrichtung einer gesetzlichen Betreuung wehre, war ihr nicht bewusst.

Gegenüber dem zuständigen Amtsrichter erklärte der Sachverständige zudem anlässlich eines Telefonats vom 07.04.2010 (vgl. Bl. ...R d.A.), die Betroffene sei sehr beeinflussbar, suggestibel und auch sehr vergesslich. Aus diesem Grunde habe er - der Sachverständige - auf die Durchführung von Testverfahren verzichtet. Zudem ergänzte er unter dem 05.05.2010 sein Gutachten dahingehend, die Betroffene könne zwar grundsätzlich "im vertrauten Rahmen Sachverhalte überblicken" und insoweit einen freien Willen bilden. Dies gelte jedoch ausdrücklich nicht im Bereich der Vermögenssorge, da die Betroffene hier die für und wider eine Betreuung sprechenden Gesichtspunkte nicht erkennen und gegeneinander abwägen könne. Hier zeigten sich nämlich die starke Beeinflussbarkeit der Betroffenen, ihre Vergesslichkeit und mangelnde Konzentrationsfähigkeit (Bl. ... ff d.A.).

Der im Hinblick auf die geschilderte Mandatskündigung seitens des Gerichts bestellte Verfahrenspfleger, Rechtsanwalt T2, nahm mit Schreiben vom 27.05.2010 Stellung. Aufgrund einer Besprechung mit der Betroffenen vom 01.04.2010 gelangte er zu dem Ergebnis, die Betroffene könne ihre - was immer damit auch gemeint sein soll - "täglichen Geschäfte" selbst vornehmen und sich im Übrigen auf die Hilfe ihrer Töchter verlassen. Sie wolle nach wie vor "durch alle drei Töchter zu gleichen Teilen" umsorgt werden. Nach seiner Auffassung könne eine Betreuung nur zum Schutze des gesundheitlichen Wohles der Betroffenen eingerichtet werden. Die von dem Sachverständigen beschriebenen kognitiven Defizite könne er "nicht nachvollziehen" (Bl. ...# ff d.A.).

Am 01.06.2010 hörte der zuständige Amtsrichter die Betroffene sowie die weiter Beteiligten persönlich an. Hierbei zeigte sich, dass die Betroffene von der Mandatskündigung gegenüber Rechtsanwalt L (die erst kurz zuvor mit Schreiben vom 04.05.2010 geschehen war) keine Kenntnis hatte. Auch einen Grund hierfür vermochte sie nicht anzugeben. Weder waren ihr Inhalt und Hintergrund der Vollmacht aus dem Jahre 2003 erinnerlich, noch der Verkauf des Hauses in J oder die Erteilung einer notariellen Vollmacht am 19.03.2010. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten verweist die Kammer auf die Niederschrift Bl. ...# d.A..

Mit Beschluss vom 02.06.2010 hat das Amtsgericht daraufhin für die Betroffene eine Betreuung eingerichtet und den Beteiligten zu 4 für den Aufgabenkreis der Vermögensangelegenheiten zum Berufsbetreuer bestellt. Für diesen Wirkungskreis wurde ein Einwilligungsvorbehalt angeordnet.

Gegen diese Entscheidung legte der damalige Verfahrenspfleger Beschwerde mit der Begründung ein, angesichts der Vollmacht vom 19.03.2010 bedürfe es keiner gesetzlichen Betreuung. Es sei nicht bewiesen, dass die Betroffene zu diesem Zeitpunkt geschäftsunfähig gewesen sei. Die Vorgänge im Zusammenhang mit dem Hausverkauf in J seien für die Frage einer Betreuung irrelevant. Die Betroffene wolle nach wie vor durch ihre drei Töchter betreut werden - was indes angesichts der familiären Konstellation nicht möglich war und ist.

Im Rahmen des Beschwerdeverfahrens wurde die Betroffene am 24.08.2010 von der Berichterstatterin persönlich angehört. Dabei hatte sie an den Hausverkauf oder die hierzu getroffenen testamentarischen Regelungen keine Erinnerung. Zudem ließ sie den Wunsch erkennen, dass ihre Töchter sich einigen und der familiäre Streit ein Ende nehme. Hierzu erklärte sie:

"Ich weiß gar nicht, wie das Ganze zustande gekommen ist. Ich bin davon überrascht worden. Auch ich finde, dass meine Töchter erst ums Geld streiten sollten, wenn ich tot bin."

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten der Anhörung wird auf die Niederschrift Bl. ...# ff d.A. verwiesen.

Nachdem mit den Beteiligten und dem Verfahrenspfleger insoweit Einvernehmen erzielt worden war, hat die Kammer mit Entscheidung vom 27.09.2010 die Betreuungseinrichtung bestätigt, die Überprüfungsfrist jedoch auf den 02.06.2011 festgelegt. Dem lag die Hoffnung zugrunde, in der zur Verfügung stehenden Zeit die finanzielle Abwicklung des Hausverkaufs in J abzuschließen und so den häuslichen Frieden wieder herzustellen, so dass die weitere Betreuung einschließlich der Vermögenssorge dem natürlichen Wunsch der Mutter folgend tatsächlich von den Beteiligten zu 1 bis 3 im Einvernehmen stattfinden könne. Dies ist jedoch in der Folge nicht gelungen; die finanzielle Auseinandersetzung hinsichtlich des Erlöses aus dem Hausverkauf dauert bis heute an.

Anfang April 2011 gab das Amtsgericht zwecks Überprüfung eines weiteren Betreuungsbedarfs ein weiteres Gutachten in Auftrag. Dies erstattete der Sachverständige Dr. L2 unter dem 18.05.2011 (Bl. ...# ff. d.A.). Er bestätigte seine Vordiagnose, dass nämlich die Betroffene komplexe Sachverhalte nicht ausreichend verstehen könne und sehr suggestibel sei. Ihr Vermögen bezifferte sie im Rahmen der Exploration - unzutreffend - auf ca. 10.000 €. Hinsichtlich der eingerichteten gesetzlichen Betreuung gab sie gegenüber dem Sachverständigen an, diese sei wohl sinnvoll und es gebe keine Probleme. Erst auf Interventionen der bei der Exploration anwesenden Frau I3 erklärte die Betroffene, dass sie keine Betreuung benötige. Wiederum gelangte der Sachverständige jedoch zu dem Ergebnis, dass die Betroffene ihre Vermögensangelegenheiten nicht eigenständig wahrnehmen und insoweit auch keinen freien Willen bilden könne.

Bei besagter Frau I3 handelt es sich um die stellvertretende Vorsitzende des betreuungskritischen Vereins "I4 e.V.". Am 22.09.2010 hatte die Beteiligte zu 3 - unter Missachtung des Einwilligungsvorbehaltes - für die Betroffene einen entsprechenden Mitgliedsantrag gestellt und die Zahlung eines Mitgliedsbeitrages von 100 € veranlasst (Bl. ...# d.A.). Frau I3 betreibt derzeit mit Wissen und Wollen der Beteiligten zu 2 und 3 eine öffentliche Bildberichterstattung zur Situation der Betroffenen durch den T5, obgleich dies - wie die Initiatoren wissen - nicht deren natürlichen Willen entspricht und zugleich die von der Beteiligten zu 2 zu Recht beklagte stigmatisierende Wirkung einer Betreuungseinrichtung (vgl. Bl. ...# d.A.) in besonderer Intensität herbeiführt. Ihre Persönlichkeitsrechte eigenständig wahrzunehmen ist die Betroffene jedoch außerstande.

Unter dem 25.05.2011 bestellten sich die Rechtsanwälte C2 und N3 aus C3 zu Bevollmächtigten der Betroffenen. Nachdem sie lediglich für einen Betreuerwechsel plädiert hatten (Bl. ...# d.A.), wurde auch dieses Mandat im Juli 2011 wieder gekündigt (Bl. ...# d.A.).

Zur Frage einer Fortsetzung der Betreuung wurden die Betroffene sowie die weiter Beteiligten von dem zuständigen Amtsrichter am 22.06.2011 persönlich angehört. Bei dieser Gelegenheit wusste die Betroffene nichts von Schwierigkeiten hinsichtlich des Erlöses aus dem Hausverkauf; auch zu ihrem Vermögen konnte sie keine Angaben machen. Gegenüber dem Amtsrichter erklärte sie nach Hinweis auf die bestehenden Probleme, dass die Betreuung dann doch lieber bestehen bleiben solle. Ihre Töchter sollten sich erst dann streiten, wenn sie nicht mehr lebe. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten verweist die Kammer auf die Niederschrift Bl. ...# ff d.A..

Mit der vorliegend angefochtenen Entscheidung vom 20.06.2011 (Bl. ...# d.A.) hat das Amtsgericht sodann die Betreuung bis zum 20.06.2018 bei unverändertem Aufgabenkreis - Vermögensangelegenheiten - verlängert sowie den diesbezüglichen Einwilligungsvorbehalt aufrechterhalten.

Unter dem 25.07.2011 bestellte sich der nunmehrige - am Wohnort der Beteiligten zu 2 in C4 residierende - Verfahrensbevollmächtigte für die Betroffene und legte gegen die seiner Mandantin am 28.06.2011 zugestellte Entscheidung des Amtsgerichts Bonn Beschwerde ein. Die Betreuung sei rechtswidrig, da ihre Voraussetzungen zu keinem Zeitpunkt vorgelegen hätten (Bl. ...# ff. ...# ff d.A.). Die entsprechende Vollmacht war am 21.07.2011 - in C3 - unterzeichnet worden (Bl. ...# d.A.). Das Amtsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache der Kammer zur Entscheidung vorgelegt.

Die Kammer hat ein Gutachten des forensisch sehr erfahrenen Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. P eingeholt, welches dieser unter dem 22.09.2011 erstattete (Bl. ...# ff d.A.). Aufgrund ärztlicher Vorerhebungen sowie der Erkenntnisse aus seiner eigenen Exploration vom 16.09.2011, in deren Rahmen auch Testverfahren Anwendung gefunden haben, gelangte er zu dem Ergebnis, dass bei der Betroffenen eine krankheitswertige Demenzerkrankung vorliege. Aufgrund dieser Erkrankung verfüge sie jedenfalls im Bereich der Vermögenssorge nicht mehr über die erforderliche Kritik- und Urteilsfähigkeit, so dass sie hier keine abgewogenen Entscheidungen eigenständig treffen könne. In der Annahme, die Betroffene erfahre durch ihr soziales Umfeld hinreichenden Schutz, hielt er die Einrichtung eines Einwilligungsvorbehaltes allerdings für nicht erforderlich.

Im Rahmen der Exploration hatte sich herausgestellt, dass die Betroffene weder ihr Alter zutreffend anzugeben vermochte noch hinsichtlich der erteilten Vollmachten, ihrer Vermögensverhältnisse, der Organisation ihres Lebensalltages, des Betreuungs- bzw. des diesbezüglichen Beschwerdeverfahrens oder der Mandatierung von Anwälten orientiert war. Bezüglich der Einzelheiten nimmt die Kammer auf die Ausführung im Gutachten sowie dessen schriftliche Ergänzung (Bl. ...# f d.A.) Bezug.

Die Kammer hat zudem die Betroffene im Beisein ihres Verfahrensbevollmächtigten und zeitweise auch des Sachverständigen am 10.01.2012 persönlich angehört. Insoweit wird auf die Niederschrift Bl. ...# ff d.A. verwiesen. Zudem hat sie die weiter Beteiligten zu 1 bis 4 am selben Tage angehört. In diesem Zusammenhang hat der Sachverständige Dr. P sein schriftliches Gutachten erläutert, wobei die Kammer auch insoweit auf die entsprechende Niederschrift (Bl. ...# ff d.A.) nebst Anlagen Bezug nimmt. Im unmittelbaren Anschluss an diese Anhörung hat der Verfahrensbevollmächtigte der Betroffenen - in Kenntnis des entgegenstehenden (zumindest natürlichen) Willens der Betroffenen und unter Überschreitung der ihm erteilten Vertretungsvollmacht (vgl. Bl. ...# d.A.) - dem vor dem Sitzungssaal wartenden Fernsehteam des T5 im Rahmen eines Interviews über den Inhalt der nichtöffentlichen Anhörung Bericht erstattet.

II.

Die gemäß § 59, 59 FamFG statthafte und insgesamt zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.

Zwischen den Töchtern der Betroffenen, den Beteiligten zu 1 bis 3, ist die Unfähigkeit ihrer Mutter, die sie betreffenden Angelegenheiten selbst zu regeln, unstreitig. Anlässlich der Anhörung vom 10.01.2012 haben sie übereinstimmend erklärt, dass die Betroffene insoweit der Unterstützung bedürfe. Sie streiten also ausschließlich darum, wer Zugriff auf das Vermögen ihrer Mutter erhalten und deren Angelegenheiten insoweit regeln soll. Unabhängig hiervon liegen die Voraussetzungen für die Einrichtung einer gesetzlichen Betreuung vor.

Ein Betreuer darf nur bestellt werden, wenn ein Volljähriger aufgrund u.a. einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung seine Angelegenheiten ganz oder teilweise nicht selbst besorgen kann, die Betreuerbestellung erforderlich ist und der Wille des Betroffenen nicht entgegensteht, soweit dieser frei gebildet werden kann (§ 1896 Abs. 1, 1a BGB). Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt.

1. Die Betroffene leidet an einer psychischen Erkrankung im Sinne des § 1896 Abs. 1 BGB, namentlich an einer Demenz, die mit erheblichen kognitiven Einschränkungen einhergeht. Zu ihren vermögensrechtlichen Belangen, der familiären Konfliktsituation sowie Gegenstand und Hintergrund des vorliegenden Betreuungsverfahrens ist sie nicht orientiert. Dies ergibt sich aus dem Gutachten des Sachverständigen Dr. P, der aufgrund einer sorgfältigen und umfassenden Befunderhebung zu überzeugenden Schlüssen gelangt. Diesen tritt die Kammer aufgrund des Ergebnisses ihrer persönlichen Anhörung der Betroffenen vom 10.01.2012 vollumfänglich bei. Bei den hierbei deutlich sichtbar gewordenen kognitiven Defiziten handelt es sich auch keineswegs um einen situativen Befund. Dies belegt schon der Umstand, dass die Betroffene bei den vorangegangenen richterlichen Anhörungen ein gleichwertiges und von dem Sachverständigen Dr. L2 bestätigtes Zustandsbild gezeigt hat.

Da das Gutachten des Sachverständigen Dr. P den wissenschaftlichen Anforderungen entspricht und sein Ergebnis durch die weiteren Erkenntnisse bestätigt wird, bedarf es auch nicht der Einholung eines weiteren Gutachtens. Dass der von dem Verfahrensbevollmächtigten der Betroffenen insoweit benannte Dr. X angesichts seines - wie noch auszuführen sein wird - Gefälligkeitsattestes vom 09.11.2011 (Bl. ...# d.A.) auch nicht als Sachverständiger in Betracht gekommen wäre, kann folglich dahinstehen.

2. Von der Bestellung eines Betreuers kann auch nicht etwa deshalb abgesehen werden, weil die Betroffene am 19.03.2010 zugunsten der Beteiligten zu 1 bis 3 eine notarielle Vollmacht unterzeichnet hat. Eine solche Vorsorgevollmacht hindert die Bestellung eines Betreuers nur dann, wenn gegen deren Wirksamkeit keine Bedenken bestehen (BGH XII ZB 584/10). Die Geschäftsfähigkeit der Betroffenen im Sinne des § 104 Ziffer 2 BGB ist jedoch spätestens ab Februar 2010 zumindest fraglich. Zur Überzeugung der Kammer ist sie - worauf es vorliegend indes nicht entscheidungserheblich ankommt - in dem fraglichen Zeitraum nicht gegeben gewesen.

An der Geschäftsfähigkeit fehlt es, wenn die Betroffene nicht mehr in der Lage ist, ihre Entscheidungen eigenständig von vernünftigen Erwägungen abhängig zu machen, was insbesondere bei fortschreitender Demenz anzunehmen ist. Insoweit ist zunächst zu sehen, dass nach den Angaben der Beteiligten zu 2 im Rahmen der Anhörung vom 10.01.2012 bei der Betroffenen bereits im Herbst 2009 "kognitive Störungen" (vgl. Bl. ...#R d.A.) aufgetreten sind und dass sie schon im Oktober 2009 immer wieder Angst äußerte, "nicht genügend Geld zu haben". Sie hatte also bereits zu diesem Zeitpunkt erkennbar keine Kenntnis mehr davon, dass sie etwa über eine monatliche Witwenpension von 3.170 € sowie über ein Wertpapier- und Immobilienvermögen im Wert von mehreren hunderttausend Euro verfügt.

Auch die Diskussionen um den Verkauf des in J gelegenen Hauses beziehungsweise die Verwendung des entsprechenden Erlöses bestätigen erhebliche kognitive Defizite für den Zeitraum, der noch vor Errichtung der notariellen Urkunde am 19.03.2010 lag. So sollte nach Angaben der Beteiligten zu 2 der Verkaufserlös auf das Konto ihrer Mutter gezahlt werden, was indes - ohne dass die Betroffene dies bemerkt und beanstandet hätte - nicht geschehen ist. Nach den Erklärungen der Beteiligten zu 3 sollte zudem der größte Teil des Erlöses für die Altersversorgung ihrer Mutter verwendet werden, was ebenfalls nicht geschehen ist. Die Betroffene war noch nicht einmal in der Lage, sich anhand der in ihrem Hause vorhandenen Unterlagen (etwa Depot- oder Kontoauszügen bzw. Steuerbescheiden) eigenständig einen Überblick über ihre vermögensmäßige Situation zu verschaffen, obwohl etwa letzteren die jährlichen Einnahmen leicht zu entnehmen sind. Trotz der artikulierten (realitätsfernen) Angst, "nicht genügend Geld zu haben" und ohne Kenntnis ihrer finanziellen Situation hat sie - so die Beteiligte zu 3 - erklärt, ihre Töchter sollten den gesamten Erlös aus dem Hausverkauf nehmen. Dies belegt deutlich, dass sie Entscheidungen hinsichtlich der Verwendung ihres Vermögens von keinen vernünftigen Erwägungen abhängig machen konnte, da ihr die Parameter einer solchen Entscheidung schon nicht mehr bewusst waren. Dass ihr im Zusammenhang mit dem Verkauf des Hauses auch die diesbezüglichen testamentarischen Regelungen nicht mehr präsent waren, sei in diesem Zusammenhang nur am Rande erwähnt.

Dem anders lautenden Testat der behandelnden Hausärztin, Frau Dr. T3, vom 19.03.2010 (Bl. ... d.A.) kommt bei diesem Befund keinerlei Beweiswert zu. Zwar hat die Ärztin hier bestätigt, die Betroffene sei "voll geschäftsfähig". Dies geschah jedoch vor dem Hintergrund eines eigentümlichen Verständnisses von dem Rechtsbegriff der "Geschäftsfähigkeit", ohne jedwede Testung und ohne Kenntnis von den tatsächlichen Hintergründen. Insoweit nimmt die Kammer auf den Vermerk vom 06.01.2012 (Bl. ...# d.A.) Bezug. Es handelt sich bei diesem ärztlichen Testat also erkennbar um ein von dritter Seite erbetenes Gefälligkeitsattest.

Nichts anderes gilt für das Attest des leitenden Oberarztes der Rehabilitationsklinik H4 Dr. X vom 09.11.2011 (Bl. ...# d.A.). Hier war die Betroffene von der Beteiligten zu 3 vorgestellt worden, um eine gegen die Einrichtung einer Betreuung gerichtete ärztliche Stellungnahme zu erlangen. Der Arzt hat denn auch aufgrund unvollständiger Befunderhebung zwar leicht- bis mittelgradige kognitive Einschränkungen festgestellt, gelangte jedoch gleichwohl zu dem Ergebnis, dieser Befund sei "unauffällig". Dabei liegt die Widersprüchlichkeit einer solchen Aussage auf der Hand. Hinzu kommt, dass der testierende Arzt abschließend bemerkt, eine Betreuung sei nicht erforderlich. Dass ihm hierbei die oben dargestellten Hintergründe des Beschwerdeverfahrens bekannt waren, liegt fern.

Es sind hinsichtlich der Frage der Geschäftsfähigkeit auch keine weiteren Ermittlungen veranlasst, etwa durch Vernehmung von "Zeitzeugen" (vgl. Bl. ...#, ...# d.A.).

Die Aufklärungspflicht des § 26 FamFG bezieht sich allein auf solche Tatsachen, welche für die Entscheidungsfindung maßgeblich erscheinen (BGH XII ZB 467/10 Tz 12). Die tatsächlichen Befunderhebungen und Beobachtungen der genannten Zeugen teilt der Verfahrensbevollmächtigte der Betroffenen schon nicht mit. Hinsichtlich des möglichen Erkenntnisgewinns aus einer Vernehmung der Zeugin Dr. T3 kann zudem auf obige Ausführungen verwiesen werden. Diese Zeugin hat sich bereitgefunden, Töchtern der Betroffenen ein Gefälligkeitsattest zur Verfügung zu stellen. Medizinisch relevante Befunde hat sie nicht erhoben. Dass dies durch den beurkundenden Notar (der sich erkennbar durch besagtes Attest absichern wollte) oder durch den Zeugen Dr. C geschehen wäre, ist weder vorgebracht, noch erkennbar oder naheliegend. Insoweit ist zudem zu sehen, dass die Betroffene über eine gute soziale Fassade verfügt, welche für Laien - insbesondere bei nur gelegentlichem Kontakt - nicht ohne weiteres zu durchdringen ist.

Demgegenüber hat der Sachverständige Dr. L2 sehr zeitnah zu der Beurkundung vom 19.03.2010 die maßgeblichen kognitiven Einschränkungen im Rahmen seiner persönlichen Exploration vom 31.03.2010 festgestellt und beschrieben. Angesichts des langfristigen Verlaufs der Erkrankung ist auszuschließen, dass der Zustand der Betroffenen zwölf Tage vor dieser Exploration substantiell anders gewesen wäre. Auch erscheint es fernliegend, dass die benannten "Zeitzeugen" im Vergleich zu dem Sachverständigen über gleichwertige oder überlegene Mittel der Diagnostik verfügt hätten. Die Feststellungen des Sachverständigen wurden zudem durch die ebenfalls zeitnahe richterliche Anhörung vom 01.06.2010 bestätigt.

Ist damit die Wirksamkeit der notariellen Vollmacht vom 19.03.2010 - zumindest - zweifelhaft, so steht zugleich auch nicht fest, ob die der Beteiligten zu 1 im Jahre 2003 erteilte Vollmacht noch Bestand hat. Dies kann aber auch dahinstehen, weil die Beteiligte zu 1 von dieser Vollmacht angesichts der innerfamiliären Streitigkeiten keinen Gebrauch mehr machen will.

Aus den berechtigten Bedenken gegen eine wirksame Bevollmächtigung würden im Rechtsverkehr auch konkrete Schwierigkeiten in der Vertretung der Betroffenen erwachsen. Angesichts der innerfamiliären Konstellation liefe die Vollmacht vom 19.03.2010 darauf hinaus, dass die Beteiligten zu 2 und 3 gemeinsam die rechtsgeschäftliche Vertretung übernähmen, deren Legitimation jedoch - auch nach außen - von der Beteiligten zu 1 in Zweifel gezogen würde. Angesichts der greifbaren Anhaltspunkte für eine Geschäftsunfähigkeit der Betroffenen im maßgeblichen Zeitraum wäre für Dritte (etwa Banken) nicht erkennbar, ob eine wirksame Vertretung der Betroffenen bei einzelnen Rechtsgeschäften vorliegt. Die sich daraus ergebenden Probleme liegen schon angesichts des großen Vermögens, welches es zu verwalten gilt, auf der Hand.

Die notarielle Vollmacht vom 19.03.2010 hindert die Einrichtung einer gesetzlichen Betreuung aber auch aus anderen Gründen nicht. Dies ist namentlich dann der Fall, wenn der Bevollmächtigte ungeeignet ist, die Angelegenheiten der Betroffenen zu besorgen, insbesondere weil bei Interessenwahrnehmung durch den Bevollmächtigten eine konkrete Gefahr für das Wohl der Betroffenen zu befürchten ist. Dies ist abgesehen von direkten Interessenkonflikten u.a. dann der Fall, wenn der Bevollmächtigte wegen erheblicher Bedenken an seiner Redlichkeit als ungeeignet erscheint (vgl. BGH XII ZB 584/10).

In diesem Zusammenhang ist zunächst von Bedeutung, dass mit der Vollmacht vom 19.03.2010 der artikulierte Wunsch der Betroffenen, von den drei Töchtern gleichermaßen vertreten zu werden, nicht umsetzbar ist. Insoweit existiert eine Bruchlinie zwischen der Beteiligten zu 1 und deren beiden Schwestern. Es bestehen zudem - jedenfalls was die Vermögenssorge anbelangt - gegen alle drei Beteiligten erhebliche Bedenken.

So hat die Beteiligte zu 1 im November 2009 ihrer Mutter, deren Zustand ihr nicht verborgen geblieben sein kann, einen vorausgefüllten Scheck über einen Betrag von nahezu 10.000 € für die Anschaffung eines Bettes geschickt, um sich diesen unterzeichnen zu lassen und anschließend zu ihren eigenen Gunsten einzulösen. Auch ihre beiden Schwestern verfolgen eigennützige Ziele. So hat etwa die Beteiligte zu 2 hinsichtlich des Erlöses aus dem Hausverkauf eine "Courtage" von 3.500 € vereinnahmt, was schon angesichts des familiären Hintergrundes befremdlich erscheint. Die Beteiligten zu 2 und 3 instrumentalisieren ihre Mutter zudem dadurch, dass sie dieser Schreiben zur Unterschrift vorlegen, deren Gehalt die Betroffene angesichts des beschriebenen kognitiven Zustandes nicht mehr erfasst. Derartige Schreiben betreffen durchaus auch vermögensrechtliche Angelegenheiten und sind auch vor dem Hintergrund zu sehen, dass die Beteiligten zu 2 und 3 den Erhalt ihrer finanziellen "fürsorglichen Unterstützung" durch die Betroffene anstreben (vgl. Bl. ... d.A.).

So schließt die Kammer aus, dass sich die Betroffene etwa des Gehaltes der Mandatskündigung vom 04.05.2010 gegenüber Rechtsanwalt L (Bl. ...# d.A.) und deren kostenmäßigen Folgen bewusst war. Das Schreiben vom 14.10.2010 (Bl. ...# d.A.) geht ersichtlich auf die Beteiligten zu 2 und 3 zurück. Dies folgt schon daraus, dass es auf einem Computer erstellt wurde, über welchen die Betroffene nicht verfügt. Zielrichtung dieses Schreibens, auf welches Bezug genommen wird, ist die Schaffung eines umfassenden finanziellen Überblicks für die Beteiligten zu 2 und 3 sowie - der Kammer unverständlich - für die von der Betroffenen bezahlte und gewerblich tätige Gesellschaftsdame, Frau T. Letztere taucht auch als Mitverfasserin eines ebenfalls von der Betroffenen unterzeichneten Schreibens auf, welches auf den 05.11.2010 datiert (Bl. ...# ff d.A.). Es ist offenkundig, dass auch dieses Schreiben nicht von der Betroffenen selbst verfasst wurde. Es diente dazu, den eingesetzten Berufsbetreuer bei der Betreuungsbehörde des angeblichen Fehlverhaltens zu bezichtigen.

Die Beteiligte zu 3 forderte zudem mit Schreiben vom 30.09.2010 (Bl. ...# d.A.) - welches ersichtlich aus derselben Schreibmaschine stammt wie die Mandatskündigung gegenüber Rechtsanwalt L (Bl. ...# d.A.) -, der Betroffenen eine EC-Karte mit einem Verfügungsrahmen von bis zu 1.000 € zur Verfügung zu stellen. Dass die Betroffene mit einer solchen Karte nicht mehr eigenverantwortlich umgehen konnte und kann, liegt auf der Hand. Dieser Vorstoß diente also erkennbar dem eigenen und kaum überprüfbaren Zugriff auf das Vermögen der Mutter. Zudem verwandte sie sich gegenüber dem Betreuer dafür, dass einer Tochter der Beteiligten zu 2 ein Betrag von 5.000 € aus dem Vermögen der Mutter gezahlt würde.

Auch das auf den 06.12.2010 datierte und an das Amtsgericht gerichtete Schreiben (Bl. ...# d.A.) stammt erkennbar nicht von der Betroffenen selbst. Bei der gebotenen lebensnahen Betrachtung wurde es von der Beteiligten zu 2 aufgesetzt, um seitens des Betreuers geltend gemachte Rückzahlungsforderungen aus dem Hausverkauf abzuwehren. Mit angeblich von der Betroffenen verfasstem Schreiben, welches auf dem 11.03.2011 datiert (Bl. ...# d.A.), wurde der Betreuer wiederum aufgefordert, 5.000 € an die Tochter der Beteiligten zu 2 auszuzahlen. Erkennbar wurde dieses Schreiben von der Beteiligten zu 2 selbst verfasst; diese hat es ihre Mutter anschließend unterzeichnen lassen.

Desweiteren nimmt die Kammer auf die ersichtlich nicht von der Betroffenen selbst verfassten, auf Interventionen Dritter aber von ihr unterzeichneten Schreiben Bl. ...#, ...# Bezug. Eine weitere Hervorhebung verdient indes das im Rahmen der Anhörung vom 10.01.2012 mit den Beteiligten sowie mit dem Sachverständigen erörterte Schreiben, welches auf den 24.01.2011 datiert (Bl. ...# ff d.A.). Erkennbar ist dieses inhaltlich von der Beteiligten zu 2 zu verantworten, da diese es über ihren Verfahrensbevollmächtigen an den Betreuer hat weiterreichen lassen. Die darin enthaltenen Daten können - dies hat auch der Sachverständige bestätigt - von der Betroffenen nicht eigenständig erinnert worden sein. Wenn formal die Betroffene hier fordert, der Betreuer möge ihrer Tochter die im Rahmen des Hausverkaufs geltend gemachte "Courtage" von 1,5 % des Verkaufspreises zugestehen, so belegt dies, in welcher Art und Weise die Betroffene für finanzielle Eigeninteressen instrumentalisiert wird.

In diesem Lichte sieht die Kammer auch den mit auf den 25.10.2011 datiertem und am 24.01.2012 eingegangenen Schriftsatz vorgelegten Auszug aus einem als "Tagebuch" bezeichneten Terminplaner für den 23.06.2010. Gegen die Authentizität des "Konzepts" eines an die Beteiligte zu 1 gerichteten Schreibens bestehen schon deshalb erhebliche Bedenken, weil der Vermerk "U2: Geschäftsunfähig Mutti" (vgl. Bl. ...# d.A.) die inhaltliche Urheberschaft eines Dritten nahelegt. Ohnehin lässt sich der Inhalt der Eintragung mit dem anlässlich der richterlichen Anhörung vom 01.06.2010 (Bl. ...# ff. d.A.) zeitnah objektivierten Zustandsbild der Betroffenen nicht in Einklang bringen. Warum derartige Erkenntnisse, wie auch diejenigen aus der Anhörung durch die Kammer, einem Verwertungsverbot unterliegen sollten, erschließt sich nicht.

Bei diesem Befund steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass die Beteiligten zu 1 bis 3 die notwendige Trennung zwischen ihren eigenen wirtschaftlichen Interessen und denjenigen ihrer Mutter nicht mit der nötigen Schärfe vorzunehmen willens oder in der Lage sind. Dies gilt dann aber nicht nur für den Fall, dass sie aufgrund einer erteilten Vollmacht für ihre Mutter tätig würden, sondern auch dann, wenn eine von ihnen zur gesetzlichen Betreuerin bestellt würde. Aus diesem Grunde wären sie folglich auch für eine Übernahme des gesetzlichen Amtes einer Betreuerin ungeeignet. Auf den wirtschaftlichen Interessenkonflikt, der sich aus der noch nicht abgeschlossenen Auseinandersetzung hinsichtlich des Erlöses der Immobilie in J ergibt, sei daher nur am Rande noch einmal hingewiesen.

Bezüglich der Beteiligten zu 2 und 3 kommt hinzu, dass diese im Zusammenwirken mit Frau I3 eine öffentliche Bildberichterstattung über ihre Mutter initiieren, obwohl sie davon wissen, dass diese sich hierüber - so der Sachverständige Dr. P - entsetzt gezeigt hat, ihre Persönlichkeitsrechte aber erkennbar nicht mehr selbst verteidigen kann. Dies zeigt, dass ihnen in der Auseinandersetzung um den Zugriff auf das Vermögen ihrer Mutter deren Wohl aus dem Blick geraten ist. Wenn die Beteiligte zu 3 ihr Verhalten im Rahmen der Anhörung vom 10.01.2012 damit erklärt, eine solche Berichterstattung sei erforderlich, um das Leben ihrer Mutter zu schützen, so ist dies ebenso wenig nachvollziehbar wie ihre Äußerung, sie selbst könne gegenüber dem bestellten Betreuer nicht länger als "Bittstellerin" auftreten. Letzteres offenbart vielmehr ihre wirtschaftlich eigennützigen Motive.

3. Soweit die Betroffene sich gegen die Einrichtung eine Betreuung ausgesprochen hat, beruht dies nicht auf einem freien Willen. Insoweit gilt es zunächst festzuhalten, dass eine solche Ablehnung im Rahmen der richterlichen Anhörungen gar nicht oder nur auf Intervention einer beteiligten Person geäußert wurde.

Im Übrigen entspricht aber auch der Begriff des freien Willens i.S.d. § 1896 Abs. 1a BGB im Kern demjenigen des § 104 Nr. 2 BGB (vgl. BGH XII ZB 526/10), so dass auf obige Ausführungen Bezug genommen werden kann. Wie die gerichtlich bestellten Sachverständigen übereinstimmend ausgeführt haben, ist die Betroffene nicht in der Lage, die für und gegen eine Betreuerbestellung sprechenden Umstände zu erkennen und gegeneinander abzuwägen. Grund, Bedeutung und Tragweite einer Betreuung erfasst sie nicht, da sie schon ihre eigenen Defizite nicht zutreffend einschätzt. Dies wird etwa an ihrer Erklärung anlässlich der Anhörung vom 10.01.2012 deutlich, sie kümmere sich um ihre Geldsachen selber, das Geld aus dem Hausverkauf sei auf einem ihrer Konten (Bl. ...#R d.A.).

4. Das Amtsgericht hat auch zutreffend hinsichtlich der Vermögensangelegenheiten einen Einwilligungsvorbehalt angeordnet.

Eine solche Maßnahme kommt dann in Betracht, wenn hinreichend konkrete Anhaltspunkte für eine Gefahr im Sinne des § 1903 Abs. 1 Satz 1 BGB bestehen, wenn die Anordnung also zur Abwendung einer erheblichen Gefahr für die Person oder das Vermögen der Betreuten erforderlich ist.

Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Wie von beiden Sachverständigen bestätigt, ist die Betroffene äußerst suggestibel und insbesondere dem Einfluss der Beteiligten zu 2 und 3 ausgesetzt, die eigene wirtschaftliche Interessen verfolgen. Von diesen oder anderen Interessierten gefertigte Schreiben unterzeichnet sie unkritisch und ohne deren Inhalt bzw. rechtliche Tragweite zu erfassen. Dass sich solche Schreiben auch auf finanzielle Angelegenheiten beziehen, wurde bereits ausgeführt. Wie die Auseinandersetzungen um den Verkauf des Hauses in J zeigen, stehen dabei auch erhebliche Vermögenswerte in Rede. Der von dem Sachverständigen Dr. P angenommene Schutz durch das soziale Umfeld besteht nicht; gerade aus diesem ergibt sich die Vermögensgefährdung.

5. Die Betreuerauswahl des Amtsgerichts ist nicht zu beanstanden. Die Kammer verkennt nicht, dass auch insoweit der natürliche Wille der Betroffenen Bedeutung erlangt (§ 1897 Abs. 4 S. 1 BGB). Dieser Wille ging jedenfalls bis Anfang 2009 allerdings eindeutig dahin, ihre Angelegenheiten von der Beteiligten zu 1 vertreten zu wissen, wie das "Zusatz-Testament" vom 11.02.2009 (Bl. ... d.A.) belegt. Nimmt man die notarielle Vollmacht vom 19.03.2010 trotz der Bedenken gegen ihr Zustandekommen als Äußerung eines natürlichen Willens, so zielte dieser auf eine gleichberechtigte Interessenwahrnehmung durch ihre drei Töchter. Dieser Wille lässt sich indes - wie dargelegt - aus rechtlichen und tatsächlichen Gründen nicht umsetzen. Eine Vertretung durch die Beteiligten zu 1 bis 3 würde auch dem Wohl der Betroffenen zuwiderlaufen, da die beschriebenen wirtschaftlichen Interessenkonflikte andauern. Trotz des Vorranges naher Angehöriger (§ 1897 Abs. 5 BGB) kommen die Töchter der Betroffenen als Betreuerin für den hier maßgeblichen Bereich der Vermögenssorge nicht in Betracht.

Dies gilt auch für die von der Betroffenen im Rahmen der Anhörung vom 10.01.2012 genannte Frau T. Hier ist zunächst zu berücksichtigen, dass die Betroffene sich bei derselben Gelegenheit noch kurz zuvor mit einer Fortführung der bestehenden Betreuung einverstanden erklärt und einen Betreuerwechsel erst auf Intervention ihres Verfahrensbevollmächtigten gewünscht hat. Von der Äußerung eines natürlichen eigenen Willens kann also nicht die Rede sein. Dieser Vorgang zeigt im Übrigen ihre hohe Suggestibilität umso mehr, als ihr bei dieser Äußerung schon der Umstand nicht bewusst war, dass Frau T für ihre Tätigkeit von ihr selbst auf der Grundlage von Quartalsrechnungen mit "größeren Summen" (vgl. Bl. ...# d.A.) entlohnt wird. Aus letztgenanntem Grunde bestünde eine objektive Interessenkollision in der Person der Betreuerin.

Zudem hat sich Frau T innerfamiliär aktiv auf die Seite der Beteiligten zu 2 und 3 geschlagen, wie das von ihr mitunterzeichnete Schreiben vom 05.11.2010 (Bl. ...# ff d.A.) belegt. Nach den Vorstellungen der Beteiligten zu 3 sollte sie sogar trotz der bestehenden Betreuung eine eigene finanzielle Verfügungskompetenz erhalten (vgl. Bl. ...# d.A.). Dabei gefährden gerade die innerfamiliären Streitigkeiten das - in einem umfassenden Sinne verstandene - Wohl der Betroffenen, die sich für ihre restliche Lebensspanne Einvernehmen ihrer Töchter wünscht. Frau T hat zudem daran mitgewirkt, dass die Betroffene nach außen als Verfasserin eines Schreibens präsentiert wurde, dessen Inhalt sie nicht erfasst. Letzteres kann ihr aufgrund des intensiven persönlichen Kontaktes nicht verborgen geblieben sein.

Auch Frau T wäre daher letztlich für die Übernahme der Betreuung ungeeignet. Dass hierfür schon angesichts der wirtschaftlichen Auseinandersetzungen anwaltliche Kenntnisse erforderlich sind, sei nur am Rande erwähnt.

Soweit Bedenken gegen die Tätigkeit des Beteiligten zu 4 vorgebracht werden, sei auf die Überwachung durch das Amtsgericht anlässlich der zu erstattenden Berichte ebenso verwiesen wie auf den Umstand, dass dieser ausschließlich die Interessen der Betroffenen zu wahren hat.

6. Schließlich wurde auch der Überprüfungszeitraum gem. §§ 286 Abs. 3, 294 Abs. 3 FamFG zutreffend auf sieben Jahre festgesetzt. Derzeit bestehen keine greifbaren Anhaltspunkte für eine Veränderung der zu Grunde liegenden tatsächlichen Umstände, zumal schon die zunächst auf ein Jahr bemessene Dauer verlängert werden musste. Das bei der Betroffenen vorherrschende Krankheitsbild ist ersichtlich dauerhafter Natur und wird sich nach der allgemeinen Lebenserfahrung tendenziell eher verschlechtern. Sollte sich die innerfamiliäre Situation entspannen und die rechtliche Vertretung durch eine der weiter Beteiligten möglich werden, so kann hierauf durch an das Amtsgericht gerichtete Anregungen jederzeit reagiert werden.

7. Eine Kostenentscheidung war entbehrlich. Für die Gerichtskosten gilt § 131 Abs. 5 KostO. Veranlassung, der Betroffenen (§ 84 FamFG) oder einem der Beteiligten (§ 81 Abs. 2 FamFG) die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen, bestand angesichts des familiären Kontextes nicht.

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